Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Sonderdruck” zur “Bild”-Zeitung, aus dem wir unter dem Titel “BILDblog vor 40 Jahren” in den vergangenen Tagen (mit herzlichem Dank an den Ex-“Pardon”-Macher Gerhard Kromschröder!) wesentliche Teile dokumentieren durften.
Zum Abschluss (und bevor wir morgen wieder aus unserem alljährlichen Winterschlaf zurückkehren und uns wie gehabt über sachdienliche Hinweise freuen) gibt’s heute noch einige “Arbeitshilfen” der “Pardon”-Redaktion für die Suche nach der Wahrheit in “Bild”.
Aber auch da scheint es, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
Wenn Sie schon Springers BILD lesen – jeder macht mal was Dummes – dann ärgern Sie sich nicht hinterher und sagen “Sowieso alles erstunken und erlogen!”, sondern schaun Sie doch mal genauer hin! (…) Aber Vorsicht! Übernehmen Sie sich nicht! (…) Suchen Sie erst mal nach dem berühmten Körnchen Wahrheit. Bei all den Vergewaltigungen, Studentendemonstrationen, Raubüberfällen, Politikerworten, Geheimdokumenten, Selbstmorden und Boenisch-Kommentaren, da muß doch mal was Wahres dransein!
Hier ein paar Tips aus unserer BILD-Erfahrung:
In Schlagzeilen und Vorspännen ist die Suche nahezu hoffnungslos!
Suchen Sie nach Zitaten! — Steht die wörtliche Rede nicht in Anführungszeichen? Dann hat sich BILD nicht getraut, das verdrehte Zitat seinem Urheber wieder zuzusprechen. — Wenn dahinter ein voller Name steht, kommt es vor, daß das Zitat stimmt. Ein schöner Fund! — Steht dagegen eine Abkürzung (“Herr K. aus B.”) bei dem Zitat, so dient das dem Schutz der Persönlichkeit, gleichgültig, ob diese frei erfunden ist oder nicht.
Nicht jede Abkürzung ist erfunden! Es gibt ganze Stories, in denen nur die Abkürzungen stimmen.
Es gibt BILD-Geschichten, an denen was Wahres* dran ist. (…) Finden Sie in BILD etwa die Nachricht, dass bei Ihrem Nachbarn Herrmann Kuffler der Weihnachtsbaum, die Gardinen sowie das Kleinkind verbrannt sind, obwohl der Mann kinderlos und über Weihnachten auf Mallorca ist, so sollten Sie immerhin positiv registrieren, daß Adresse sowie Vor- und Nachname richtig vermeldet sind. Immer, wenn Sie so auf ein Körnchen Wahrheit stoßen, haben Sie etwas Seltenes, Rares gefunden.
Wenn Sie und Ihre Familie in einem Bericht vorkommen, wissen Sie ohnehin, was erstunken und erlogen ist.
*) Was dabei nicht zählt: Toto- und Lotto-Zahlen und Sportereignisse. Auch das jeweilige Erscheinungsdatum und das Impressum dürfen als wahr unterstellt werden. Und schließlich stimmt der Wetterbericht auch in anderen Zeitungen manchmal.
Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…
Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.
Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
Lesen Sie morgen: Hilfreiche Tipps der “Pardon”-Redaktion für die Suche nach der Wahrheit in “Bild” (“Was dabei nicht zählt: Toto- und Lotto-Zahlen”). Die BILDblogger erwachen derweil – wieüblich – allmählich wieder aus ihrem Winterschlaf.
Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…
Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.
Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
Erst erschreckte BILD am 8. August seine Leser mit einem bösen Mann:
Ein sturer Beamter vom Jugendamt Hannover hat einem Jungen verboten, mit seiner Mutter Ferien zu machen!
Dann weckte BILD Mitleid:
… Franziska W. (23) aus Hannover hatte ihren Sohn Thomas (3) in ein Kinderheim gegeben … An jedem Wochenende holte Franziska W. den Jungen nach Hause. Nie hatte es dabei Schwierigkeiten gegeben. Jetzt wollte Franziska W. ihren Thomas mit in den Urlaub nehmen. Aber der Sozialinspektor Günter Wicke (30) schickte die junge Frau wieder fort: Er bleibt im Heim. Es reicht, wenn die Mutter ihr Kind einmal in der Woche sieht.
Und dann bewies BILD wieder einmal Herz:
Erst als sich BILD einschaltete, gab das Jugendamt gestern grünes Licht für die gemeinsamen Ferien.
Diese Geschichte ist so herzig, daß BILD sie einfach bringen musste. Obwohl sie falsch ist und obwohl BILD dies auch wußte. Denn die Sache hatte sich ganz anders abgespielt.
Inspektor Wicke zu PARDON: Das Jugendamt könne grundsätzlich nicht verbieten, daß die Mutter ihr Kind mit in Urlaub nehme. Wicke: “Ich habe weder ein Verbot der Beurlaubung ausgesprochen, noch habe ich gesagt ‘Er bleibt im Heim, es reicht, wenn die Mutter ihr Kind einmal in der Woche sieht’.” Das Jugendamt frage in Urlaubsfällen lediglich, wohin es gehe, wie lange, wer das Kind versorge, ob der Heimplatz reserviert bleiben solle.
Um diese Fragen mit Franziska W. zu klären, hatte Wicke die Mutter angerufen, die im Heim auf das Kind wartete. Franziska W., die ihren Sohn sonst ohne Formalitäten mit ins Wochenende nehmen durfte, brach verschreckt das Gespräch ab, in der Annahme, das Amt wolle das Kind nicht beurlauben.
Auf eine schriftliche Einladung der Behörde erschien sie gemeinsam mit BILD-Reporter Ulrich Berger, den sie in Angst und Sorge alamiert hatte. Im Jugendamt klärte sich das Mißverständnis jedoch auf. Stadtoberamtmann Sensmeyer, der Leiter der Abteilung Vormundschaften und Pflegeschaften: “Herr Berger sah, daß er hier mit einem anderen Sachverhalt als erwartet zu tun hatte.”
Franziska W. fuhr mit Thomas in Urlaub. Berger setzte sich an die Schreibmaschine und tippte. Dann stand in BILD:
Sie wollen mit ihrem Kind in den Urlaub? Kommt nicht in Frage!
Und dann dachte Berger sich noch das schöne Zitat vom kategorischen Sozialinspektor aus:
Das Kind bleibt im Heim …
Sensmeyer: “Wie Herr Berger nach dem klärenden Gespräch im Amt diese Behauptung aufrechterhalten konnte, obwohl er gemerkt hatte, daß es sich um ein Mißverständnis handelte, das ist mir unerfindlich!”
Uns auch.
Lesen Sie morgen: Wie “Bild” sich selber einer Lüge überführte. Die BILDblogger sind derweil – wieüblich – noch im Winterschlaf.
Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…
Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.
Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
Es gibt eine besondere Spezies von BILD-Artikeln: sie brillieren mit einem hohen Grad von Unwahrscheinlichkeit und Kuriosität. Dementsprechend fehlen in den Berichten fast alle konkreten Daten wie z.B. Zeitangaben oder Namen der Personen. So sichert sich BILD vor Nachprüfungen von erfundenen oder halberfundenen Geschichten.
Ein Beispiel von vielen:
[…] Am 21. Juli brachte BILD die Story: “Chef entließ Sex-Protz”. In der Geschichte ging es um einen Angestellten der Städtischen Sparkasse Köln, dem gekündigt worden sei, weil er mit permanenten Erzählungen aus seinem Liebesleben den Betrieb aufgehalten habe.
Ergebnis der PARDON-Recherchen:
Der Sprecher der Personalabteilung der Städtischen Sparkasse Köln: “Das hat sich ganz bestimmt nicht bei uns zugetragen. Ein derartiger Fall ist mir nicht bekannt, und ich müßte es eigentlich wissen, denn wir sind auch für die Filialen zuständig.”
Zur Sicherheit rief PARDON auch bei der Kölner Kreissparkasse an.
Ergebnis: “Der Fall ist total unbekannt.”
Und auch die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen in Köln, die sich berufsmäßig mit gekündigten Angestellten aus der Branche befaßt, kann nur passen: “Der Fall ist uns nicht bekannt.”
Lesen Sie morgen: Wie “Bild” einer jungen Mutter zum Urlaub mit ihrem Sohn verhalf – oder auch nicht. Die BILDblogger sind derweil – wieüblich – noch im Winterschlaf.
Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…
Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.
Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
Das ist ein Skandal – so richtig hergerichtet fürs empörte Herz der großen BILD-Familie: Zu Hause in Schwetzingen können die Schwerverletzten nicht operiert werden, weil der Herr Chefarzt den Schlüssel zum OP-Saal mit in den Urlaub genommen hat.
Aber es war halt wieder mal alles ganz anders. Denn richtig an diesem Artikel sind nur sein Anfang (“Fünf schwerverletzte Unfallopfer wurden ins Städtische Krankenhaus Schwetzingen gebracht. Aber sie konnten nicht operiert werden.”) und die Nachricht, daß sich Chefarzt Dr. Voll im Urlaub befand.
Die BILD-Behauptung jedoch, Dr. Voll habe den Schlüssel zum OP-Saal mit an den Gardasee genommen, bezeichnete Schwetzingens Bürgermeister Kurt Waibel schlicht als “Treppenwitz”. Denn der Schlüssel habe dort gehangen, wo er immer hänge, nämlich in einem für ihn angebrachten Kasten.
Aber das ganze Schlüssel-Problem hat mit der Operation von Unfallopfern hier gar nichts zu tun. Denn die Schwerverletzten werden in der Schwetzinger Klinik ohnehin nur zwischenbehandelt (Erste Hilfe; Narkose etc.) und dann entweder in die jeweils etwa zehn Kilometer entfernten Kliniken von Heidelberg oder Mannheim weitertransportiert.
Denn die Schwetzinger Klinik ist für große Operationen überhaupt nicht eingerichtet. Sie tritt nur, und “das seit neun Jahren” (Bürgermeister Waibel) als Zwischenstation in der Versorgung von Unfallverletzten auf. Herr Hoffmann, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Schwetzingen: “Wir dürfen Verletzte nicht gleich nach Heidelberg oder Mannheim fahren. Denn wenn sie unterwegs sterben, wäre unser Fahrer schuld oder mindestens mitschuldig.”
Mit anderen Worten: In Schwetzingen ist nichts anderes passiert als das, was dort immer passiert. Das ist den BILD-Journalisten, wie Frau Moos, Personalbearbeiterin im Schwetzinger Bürgermeisteramt, PARDON gegenüber sagt, auch erklärt worden. Trotzdem lasen sie und das Personal des Krankenhauses am nächsten Morgen eine ganz andere Geschichte: wie gehabt.
Lesen Sie morgen: Die Wahrheit über den “Sex-Protz” der Städtischen Sparkasse Köln. Die BILDblogger sind derweil – wieüblich – noch im Winterschlaf.
Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…
Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.
Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
Es gibt eine besondere Spezies von BILD-Artikeln: sie brillieren mit einem hohen Grad von Unwahrscheinlichkeit und Kuriosität. Dementsprechend fehlen in den Berichten fast alle konkreten Daten wie z.B. Zeitangaben oder Namen der Personen. So sichert sich BILD vor Nachprüfungen von erfundenen oder halberfundenen Geschichten.
Ein Beispiel von vielen:
Am 8. Juli veröffentlichte die Zeitung folgende Story: Einem Kölner Autofahrer sei auf der Autobahn nach Frankfurt der Wagen stehengeblieben; der Fahrer habe den ADAC zu Hilfe gerufen. Als jedoch der ADAC-Helfer nicht ganz so schnell gekommen sei, habe sich der Autofahrer derweil mit einer Anhalterin angefreundet. Die Frau sei schwanger geworden. Der Kölner Autofahrer habe daraufhin den ADAC verklagt. Grund: wenn der ADAC-Helfer früher erschienen wäre, wäre das Ganze nicht passiert.
Ergebnis der PARDON-Recherchen zu diesem seltsamen Fall.
Der Kölner und der Frankfurter ADAC wissen nichts davon!
Auch der Leiter der Juristischen Zentrale des ADAC in München, Dr. Johann Seehon, der sich mit allen Rechtssachen des ADAC befaßt, weiß nichts von einer solchen Klage, obwohl “ich davon hätte erfahren müssen” (Dr. Seehon).
Lesen Sie morgen: Warum laut “Bild” ein Krankenhaus fünf Schwerverletzte nicht operieren konnte – und wie’s wohl wirklich war. Die BILDblogger sind derweil – wieüblich – noch im Winterschlaf.
Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…
Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.
Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
In der Nacht vom 17. zum 18. Juli 1970 wurde in Magstadt bei Sindelfingen (Württemberg) das Grab des zwei Tage vorher beerdigten Rentners Anton Lauster, Mitglied einer ortsansässigen Zigeunergruppe von Unbekannten geöffnet. Aus dem Sarg wurde eine goldene Uhr gestohlen. Ursache der Leichenfledderei war ein Artikel, der am 17. Juni in der BILD-Zeitung erschienen war. Überschrift:
Im Zigeunergrab liegen 45 000 Mark
BILD hatte berichtet, im Grab des “Zigeunerbarons” Lauster befänden sich nach dessen testamentarischem Willen außer den 45 000 Mark Bargeld auch noch Schmuck im Wert von 15 000 Mark, das Bett, in dem Lauster gestorben sei, und sein Lieblingsmantel aus Schafsfell.
Dazu Magstadts Bürgermeister Bohlinger, der alle rechtlichen Angelegenheiten der Familie Lauster betreute und also auch das Testament kannte: Im Grab waren lediglich der Mantel des Toten, ein Ring, zwei Kissen und eine Uhr.
Bohlinger weiter: Rentner Lauster, Vater von 11 Kindern zwischen 3 und 22 Jahren, habe keineswegs über die Geldsummen verfügt, die man ihm angedichtet habe. Es sei völlig absurd, daß er so viel Geld mit ins Grab genommen habe.
Die Witwe des Verstorbenen hatte schon am 17. Juli – noch vor der Grabschändung – gegen die BILD-Zeitung eine Zivilklage wegen Verleumdung und wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener eingereicht.
Ein Sohn des Verstorbenen nach der Grabschändung: “Hier in der Gegend weiß jeder, daß wir so viel Geld nicht haben.”
Urheber des Berichts, der zu der Leichenfledderei geführt hat, ist das mit BILD zusammenarbeitende Pressebüro Teichmann aus Stuttgart.
Teichmann auf Anfrage von PARDON, woher er seine Informationen bezogen habe: “Das Gerücht geht durch die Straßen von Magstadt.”
Nach der Grabschändung, am 20. Juli, veröffentlichte BILD eine Richtigstellung (siehe Faksimile), die für den Uneingeweihten als solche nicht erkennbar ist.
Der BILD-Chef von Baden-Württemberg, Reinhold Stimpert, auf den BILD-Türken angesprochen:
“Was soll’s? Das gibt allenfalls ‘ne Rüge vom Presserat”.
Lesen Sie morgen: “Bild” über eine Autopanne mit Folgen – und was der ADAC dazu sagte. Die BILDblogger sind derweil – wieüblich – noch im Winterschlaf.
Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…
Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.
Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
Wahr an der wüsten Vergewaltigungsgeschichte [oben] sind nur ihre ersten beiden Sätze:
Eine Frau liegt nackt zwischen Büschen und Bäumen auf dem Boden eines Parks im Hamburger Villenvorort Othmarschen. Polizeibeamte haben sie notdürftig mit einem Mantel zugedeckt.
Diese beiden Sätze allerdings sind nichts weiter als eine schlichte Fotobeschreibung. Eine Vergewaltigung läßt sich daraus nicht ableiten. Trotzdem heißt es in dem BILD-Artikel weiter:
Vor Scham wagt die Frau nicht ihre Augen zu öffnen: Drei Männer haben sie kurz vorher vergewaltigt!
Haben sie das?
Harry Benze, Kriminalbeamter in der Pressestelle der Hamburger Polizei: Die Frau war, als die Polizei sie im Park liegend antraf, zunächst einmal “restlos voll” (Benze). Sie war zusammen mit einer anderen Frau und drei Männern auf St. Pauli gewesen. Die fünf müssen dort “ganz schon reingeblasen haben” (Benze).
Und dann?
Noch immer ist keine Vergewaltigung in Sicht. Die Wahrheit sieht friedlicher und sogar lustvoller aus; denn “Liebesgelüste” (Benze) überkamen die fünf fröhlichen Zecher. Also zogen sie – durchaus in “gegenseitigem Einvernehmen” – in einen Park in Othmarschen und verzogen sich ins Gebüsch.
Kripomann Harry Benze: “Die Frau hat sich selbst ausgezogen” und sei dann, als das St. Pauli-Abenteuer endgültig in dem Gebüsch sein Ende gefunden habe, einfach liegen geblieben und eingeschlafen. “Als unsere Beamten in den Park zu ihr kamen, sagte sie nur: ‘Laßt mich doch liegen…'”
Aber der Kripomann wollte selbst erfahren, wie die BILD-Zeitung zu ihrer groß aufgemachten Vergewaltigungs-Version gekommen war. “Ich habe bei BILD angerufen und mich erkundigt. Da haben die mir gesagt: Das ist doch so ein herrliches Foto, das müssen wir doch irgendwie verkaufen…”
Lesen Sie morgen: Wie “Bild” für eine Leichenfledderei sorgte. Die BILDblogger sind derweil – wieüblich – noch im Winterschlaf.
Gerade wollten wir uns – wieüblich – über die Feiertage in einen energetischen Sparzustand (Topor) versetzen, da erreichte uns folgende Nachricht:
Nun ja. Wie die von uns gewählte Aufmachung vielleicht schon vermuten lässt, stimmt das zwar nicht wirklich. Aber erstaunlich ist es schon, was die legendäre Satirezeitschrift “Pardon” da im August 1970 für einen 12-seitigen “Sonderdruck” angestellt hatte! Nämlich quasi dasselbe, was auch wir knapp 40 Jahre später ebenfalls versuchen: die kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme in einer großen deutschen Boulevardzeitung öffentlich zu machen. Oder, um es mit “Pardon” zu sagen:
Also: Wenn Sie schon Springers BILD lesen – jeder macht mal was Dummes – dann ärgern Sie sich nicht hinterher und sagen: “Sowieso alles erstunken und erlogen!”, sondern schauen Sich doch mal genauer hin! Vielleicht finden Sie ja etwas Wahres. (…)
Aber Vorsicht! Übernehmen Sie sich nicht!
Anlass für den “PARDON-Lesewettbewerb” war offenbar folgende Aussage des ehemaligen “Spiegel”-Redakteurs und damaligen Regierungssprecher Conrad Ahlers vom Februar 1970:
Die Springer-Zeitungen – die “Bild”-Zeltung allen voran – sind heute das, was man Kampfpresse nennt. Es ist eine Presse, die Nachrichten verfälscht und die eine Art von Polemik betreibt, die nach meinem Eindruck mit dem, was wir in Artikel 5 unter der Meinungsfreiheit im demokratischen Staat verstehen, kaum noch zu vereinbaren ist.
Dass Ahlers wiederum zwei Monate später … Ach, was! Das würd’ jetzt echt zu weit führen. “Pardon” jedenfalls schrieb vor fast 40 Jahren wegen Ahlers:
Zugegeben, es sieht nicht mehr originell aus, die BILD-Zeitung der Nachrichtenverfälschung zu beschuldigen.
(…) Dennoch sind die oft banal-dummen BILD-Lügen von entscheidender Wichtigkeit. Zum einen natürlich, weil sie gerade die Art von Meldungen darstellen, von denen diese Zeitung lebt. Zum anderen, weil sie ein Methode dokumentieren, nach der zu arbeiten bisher erbittert – und mit Erfolg – abgestritten worden ist.
Denn (…) BILD hat kaum einen Hehl daraus gemacht, in der Nachrichtenauswahl ausschließlich BILD-Interessen in den Vordergrund zu stellen. Nur eines behauptet diese Zeitung noch immer mit Vehemenz: Daß zumindest die Nachrichten, die von ihr veröffentlicht werden, den Tatsachen entsprechen.
Und anschließend erbrachte das Satireblatt dann den Beweis des Gegenteils: ein halbes Dutzend “Nachweise von BILD-Lügen”, die (auch das stand damals in “Pardon”) “mehr als die Richtigstellung möglicherweise nicht sehr wichtiger Meldungen” sind:
Sie sind Modellfälle für Fälschungen, die sich beliebig auf den politischen Rahmen übertragen lassen, weil sie das letzte journalistische Credo, das BILD noch zu bieten versucht, außer Kraft setzen.
Nun ja… In welchem Maße die “Pardon”-Macher mit ihrer “Modellfälle”-Behauptung Recht behalten sollten, wissen wir vielleicht erst heute.
Und weil wir selbst bislang nichts wussten von diesem BILDblog-Vorläufer, machen wir diesmal aus unseren Winterschlaf ein Nickerchen – und dokumentieren hier ab morgen jeden Tag eine der “BILD-Lügen” von damals im “Pardon”-O-Ton.
P.S.: Aufmerksam gemacht auf diesen BILDblog-Vorläufer hat uns übrigens kürzlich Gerhard Kromschröder, damals selbst als “Pardon”-Redakteur an dem “Sonderdruck” beteiligt. Wir danken ihm herzlich – auch dafür, dass wir das alles einfach mal nachdrucken dürfen!
Und natürlich danken wir für die sachdienlichen Hinweise des Jahres 2008 auch A.J., A.T., A.W., Adam L., Adrian C., Alexander, Alexander B., Alexander D., Alexander F., Alexander H., Alexander K., Alexander T., Alexander W., Alexander Z., Alfons S., Alice, Andeas K., Andre L., Andre M., Andreas, Andreas B., Andreas F., Andreas H., Andreas K., Andreas M., Andreas R., Andreas S., Andy, Anke, Annette Z., Annika, Arndt P., Arne B., Arne K., Arne V., Axel F., Axel K., Axel L., B.H., B.S., Balin, Bastian D., Bastian P., Ben, Bene F., Benedikt G., Benjamin B., Benjamin H., Benni K., Benno K., Bernd K., Bernd V., Berthold, Bgd, Björn G., Björn L., Björn M., Björn P., Boerries K., Boris H., Branko F., Bruno B., Carsten F., Carsten K., Carsten P., Carsten W., Casey J., Chris, Chris B., Christian, Christian E., Christian H., Christian K., Christian L., Christian R., Christian S., Christian W., Christian Z., Christoph, Christoph A., Christoph C., Christoph G., Christoph H., Christoph K., Christoph S., Christoph von G., Christopher, Claudius L., Claudius R., Daniel, Daniel D., Daniel E., Daniel F., Daniel J., Daniel K., Daniel N., Daniel R., Daniel W., Daniela L., Daniele, David A., David D., David K., Denis K., Dennis, Dennis S., Denny W., Derossi, Desponia, Dieter S., Diggernansy, Dirk, Dirk B., Dirk H., Dirk S., Dirty Harry, Dominic G., Dominic I., Dominik M., Eagleeye, Ekkart K., Ekkehard V., Eko, Ellen L., Eric H., Erich D., Esther T., Eugen, F.S., F.W.H., Fabian , Fackelmann, Falk F., Falk R., Felix, Felix F., Fish000r, FKTozz, Flo F., Florian, Florian A., Florian C., Florian E., Florian R., Florian S., Florian Z., Frank, Frank E., Frank G., Frank L., Frank M., Frank N., Frank T., Frauke M., Frederic S., Friedrich E., Gabi, Gambit, Gecko78, Georg, Georg H., Gerald S., Gerd S., Gerhard M., Gerion H., Gerold, Gerrit C., Gesine G., Gila M., Gilbert S., Gingi, Götz N., Gowinda G., Gregor G., Gustav, Gustav L., H.-D., Hagen M., Haitol Seth, Han Delong, Hannes M., Hanno L., Hanns K., Hauke H., Heiko, Heiko F., Heiko R., Heiko S., Heiko Z., Heinz B., Heinz-Gerd R., Helge J.G., Hendic, Hendric S., Henning K., Henning S., Henry W., Herbert F., Heribert, HerrSalami, Hoi Polloi, Holger, Holger K., Holger P., Holger S., Holger W., Horst E., Hubert S., Ilo, Ina L., Inga J., Ingo W. 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