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Mit Pickelhaube auf Griechenland-Feldzug

Zum heutigen Krisentreffen der 19 Euro-Staatschefs in Brüssel haben “Bild” und Bild.de Angela Merkel nicht nur einen “5-Punkte-Plan” als Arbeitsauftrag mit auf den Weg gegeben, sie haben die Kanzlerin auch — der Situation angemessen — preußisch-eisern ausgestattet:


Hehe, verstehen Sie? Merkel müsse “‘preußische Tugenden’ beweisen”, eine “Eiserne Kanzlerin” fordert “Bild”, mit Pickelhaube, wie einst Bismarck. Also: “Hart bleiben, Frau Bundeskanzlerin”, und nicht den gierigen Griechen-Radikalos nachgeben. Oder in eine klare politische Forderung gegossen:

Ein Euro-Land, das keine Reformvorgaben mehr will, darf dafür keine neuen Mlliarden erhalten.

Die Schlagzeile und das Titelbild sorgten den Tag über für reichlich Aufregung. Joachim Huber vermutete in seinem “Tagesspiegel”-Kommentar beispielsweise, dass die “schräge Idee” der “Bild” eine Retourkutsche sei für einen griechischen Cartoon, der “die deutsche Griechenland-Politik mit dem Holocaust der Nazi-Deutschen assoziiert” hatte:

Jetzt die “Bild”-Revanche, eine bildhafte Revanche mit einer Kanzlerin, die den Syriza-Griechen mal zeigen soll, wo der deutsche Hammer hängt. Verfängt das? Will jemand ernsthaft, dass eine Bundeskanzlerin Politik nach Landsknechtmanier macht? Wir haben das Geld, Ihr die Schulden? Wir sind mächtig, Ihr ohnmächtig! Wir haben Milliarden, also kuscht gefälligst!

Die “The European”-Kolumisten Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer veranlasste die Pickelhauben-Merkel auf dem “Bild”-Titel, einen offenen Brief mit grundsätzlicher Kritik an der Griechenland-Berichterstattung an “Bild”-Chef Kai Diekmann und dessen Redaktion zu schreiben:

Liebe Bild Redaktion, wir verlangen nicht von Ihnen, dass Sie die griechische Regierung oder das griechische Volk in höchsten Tönen loben, oder jede Entscheidung und Entwicklung unterstützen. Im Gegenteil, kritischer Journalismus ist gerade hier mehr nötig denn je. Daher: Nehmen Sie Ihre Verantwortung als eines der führenden meinungsbildenden Organe in Europa wahr und gestehen Ihren Leserinnen und Lesern die Möglichkeit zu, selber Abwägungen und Schlüsse zu ziehen, Meinungen zu formulieren und so Demokratie zu leben. Alles andere beschädigt nicht nur die Integrität Europas, sondern vernachlässigt auch Ihre eigenen Standards und journalistischen Grundsätze.

Und Kai Diekmann? Der konnte das ganze Bohei natürlich angeblich gar nicht verstehen. Man habe doch auch schon Mario Draghi, dem Chef der Europäischen Zentralbank, die Bismarck‘sche Pickelhaube aufgesetzt:

Mit seinem Tweet zum Draghi-Artikel wollte Diekmann zeigen, ja, was eigentlich? Dass er und sein Team schon im März 2012 auf diesen Wahnsinns-Einfall gekommen sind?

Nun ist es aber ein Unterschied, ob man einem italienischen Oberbanker eines der großen Symbole des preußischen Militarismus aufsetzt, um zu zeigen: “So deutsch ist der neue EZB-Chef”; oder ob man die deutsche Kanzlerin damit in den Kampf gegen Griechenland schickt.

Die Idee, Angela Merkel digital eine Pickelhaube zu verpassen, ist übrigens alles andere als neu. Die britische “Daily Mail” ist schon vor einem Jahr drauf gekommen:

Damals fand Bild.de die Aktion aber alles andere als lustig:

Mit Dank an @MarvinStr, Mathias R., Pascal W. und Raphael S.

Griechen-Hetze im Glashaus der Vampire

Bild.de, gestern:

Bei ihrer Werbung für ein Nein zu den Sparplänen beim Referendum schrecken die Linken auch vor mieser Hetze nicht zurück.

Seit dem Morgen lässt „Honi“ Athen mit Anti-Schäuble-Plakaten zupflastern. „Er hat dich fünf Jahre lang ausgesaugt. Deswegen stimme mit ‚Nein‘“, steht darauf.

“Bild”, 1.11.2002:

Mit Dank an André.

“Bild” am Grab von Andreas L.

Am vergangenen Samstag ist Andreas L., der Co-Pilot der Germanwings-Maschine 4U9525, auf dem Friedhof seiner Heimatstadt beerdigt worden.

Die „Rhein-Zeitung“ wusste schon ein paar Tage zuvor davon, hat es aber für sich behalten, „damit seine Familie und seine Freunde in Ruhe Abschied von ihm nehmen konnten“, wie Chefredakteur Christian Lindner erklärte. Gestern hat die Zeitung lediglich einen kurzen Satz über die Beerdigung geschrieben, der im Grunde nur die Information enthielt, dass sie stattgefunden hat.

Für dieses Vorgehen hat die Redaktion viel Lob bekommen. Auch wir wurden mehrfach darauf hingewiesen, da könnten wir doch ruhig mal über ein positives Beispiel berichten. Machen wir ja auch gerade, aber gezögert haben wir schon, und so ganz können wir die Begeisterung immer noch nicht teilen.

Erst einmal: So sah das Ganze gestern aus:

Die Meldung steht rechts oben, über der weißen Fläche:

Co-Pilot ist in seiner Heimat beerdigt worden
Montabaur. Der Germanwings-Co-Pilot Andreas L. (29), der im März 149 Menschen mit Absicht in den Tod geflogen hat, ist am Samstag in aller Stille in seiner Heimatstadt Montabaur beerdigt worden.*

Unter der weißen Fläche steht:

*Die Redaktion dieser Zeitung wusste vorab von dem Begräbnis. Wir haben uns dafür entschieden, darüber nur mit einem Satz zu berichten. Mehr zu unserer Entscheidung auf Rheinland-Pfalz

Im Innenteil schreibt Chefredakteur Lindner dann „in eigener Sache“ (online kostenpflichtig):

Ein Satz.
Das genügt.

Verantwortungsvolle Journalisten zeichnen sich auch durch Haltung aus. Gute Redaktionen reagieren auch im Internetzeitalter überlegt statt übereilt. Seriöse Zeitungen und Webseiten machen bewusst nicht alles, was möglich wäre.

Ganz in diesem Sinne hat die Redaktion dieser Zeitung nachgedacht, abgewogen, entschieden und gehandelt, als wir schon vor einigen Tagen erfuhren, dass der Co-Pilot Andreas L. (…) in seiner Heimatstadt Montabaur beerdigt wird. Wir haben diese Information bis zwei Tage nach der Beerdigung für uns behalten. Damit seine Familie und seine Freunde in Ruhe Abschied von ihm nehmen konnten. Damit die Weltpresse bei diesem Begräbnis nicht erneut über Montabaur herfällt. Damit Privates privat bleibt und nicht ohne Not und ohne Sinn öffentlich wird.

Ja, wir hätten aus der Ferne Fotos von der Beerdigung machen können. Ja, wir hätten die Beerdigung als einziges Medium beschreiben können. Ja, wir hätten die Bilder weltweit verkaufen, hätten unseren exklusiven Text deutschlandweit und auch international vermarkten können.

Auf all das haben wir bewusst verzichtet.

Das klingt alles sehr reflektiert, es klingt aber auch so, als solle man der „Rhein-Zeitung“ jetzt ganz doll dankbar sein. Aber wofür? Dafür, dass sie die Weltpresse doch nicht auf die Trauernden gehetzt hat? Dass sie sich dagegen entschieden hat, Kapital aus dem Leid der Angehörigen zu schlagen?

Auf all das haben wir bewusst verzichtet. Stattdessen setzen wir in der knappestmöglichen Form einen Schlusspunkt in diesem Drama um Flug 4U 9525 – indem wir in gerade mal in einem Satz melden, dass Andreas L. nun seine letzte Ruhe gefunden hat. Und wir machen unseren bewussten Verzicht auf jede weitere Zeile – auch stellvertretend für die vielen respektvollen Publikationen der Medienbranche – mit einem weißen Raum auf der Titelseite unserer Zeitung deutlich. Zum ersten Mal seit ihrer Gründung 1946 überhaupt.

Nun ja. Kann man natürlich machen. Kann man aber auch lassen.

Wenn sich ein Koch abends ins Restaurant stellt und sich damit brüstet, dass er heute niemandem ins Essen gespuckt hat, dann ist das sein gutes Recht. Aber isst man nicht doch lieber dort, wo man das Gefühl hat, dass es keine Besonderheit ist, nicht ins Essen zu spucken, sondern der Normalzustand?

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Es ist toll, dass die „Rhein-Zeitung“ darauf verzichtet hat, etwas Schlimmes zu tun. Aber wir fänden es noch toller, wenn sie das als Selbstverständlichkeit betrachten würde. Das ist der Grund, warum wir uns etwas schwer damit tun, die „Rhein-Zeitung“ für diese Sache so zu feiern, wie sie es selbst tut. Aber das sind natürlich alles Maßstäbe für den Bereich des verantwortungsvollen Journalismus.

Nicht für die „Bild“-Zeitung.

Die hat das mit der Beerdigung gestern auch mitbekommen. Und sieht heute so aus:

Innen zeigt „Bild“ das Grab nochmal groß aus einer anderen Perspektive, der letzte Gruß der Eltern an ihren toten Sohn prangt als riesige Überschrift über dem Artikel.

Auch Bild.de zeigt das Grab groß auf der Startseite …

… den Rest gibt es aber nur gegen Bezahlung:

Wer alles zur Beerdigung kam, wie sich Verwandte und Freunde von dem Amok-Flieger verabschiedeten und was die Angehörige eines Friedhofsnachbarn sagt, lesen Sie mit BILDplus!

Die Fotos kommen übrigens von „Bild“-Fotograf Jürgen Mahnke — bisheriges Schaffen (Auszug): „Die schlimmsten Schießereien im Rhein-Main-Gebiet“, „Die spektakulärsten Unfälle im Rhein-Main-Gebiet“, „Die schlimmsten Bus-Unglücke im Rhein-Main-Gebiet“, „Die spektakulärsten Sportwagen-Unglücke im Rhein-Main-Gebiet“, „Die schlimmsten Tankzug-Unglücke im Rhein-Main-Gebiet“, „Die wildesten Verfolgungsjagden im Rhein-Main-Gebiet“, „Die gefährlichsten SEK-Einsätze im Rhein-Main-Gebiet“, „Die blutigsten Messerstechereien im Rhein-Main-Gebiet“.

Mahnke hat das Grab des Co-Piloten aus mehreren Perspektiven fotografiert, die Kränze und Blumen der Angehörigen, auch den Zettel, mit dem die Friedhofsverwaltung darauf hingewiesen hat, dass der Friedhof am Samstag gesperrt sei, und beim Grabschmuck der Freundin ist der Fotograf extra nah rangegangen, damit man ihre Abschiedsworte auch schön nachlesen kann (immerhin: die Namen der Angehörigen hat Bild.de verpixelt).





Wenn man das so sieht, lässt sich erahnen, was los gewesen wäre, wenn die Weltpresse doch vorher Wind von der Sache bekommen hätte, und irgendwie sind wir der “Rhein-Zeitung” dann doch dankbar.

Mit Dank auch an Christian P., Geesej R. und Markus G.!

Bild  

Fälschen und Tricksen für den Grexit

“Bild” war nach eigenen Worten immer schon für den “Grexit”. Und nun sind es endlich auch alle anderen Medien.

Natürlich stimmt die Überschrift schon deshalb nicht, weil nicht “alle” für den “Grexit” sind, sondern nur einige – aber das kann man noch als Stilmittel verbuchen (wenn auch eher ein literarisches als ein journalistisches): ὑπερβολή nannten die alten Griechen (!) eine solche Übertreibung, “Hyperbel”.

Aber um zu belegen, dass viele Medien jetzt angeblich plötzlich für den “Grexit” sind, schreckt “Bild” auch vor Fälschungen und groben Irreführungen nicht zurück. So zitiert das Blatt die “Neue Zürcher Zeitung” (NZZ) mit den Worten:

“Ein Grexit muss für Griechenland keineswegs jenes ökonomische und finanzielle Desaster darstellen, als das er oft präsentiert wird.”

Das Zitat hat “Bild” gefälscht. Tatsächlich schrieb die NZZ:

Ein ‘Grexit’, so das Fazit, müsse daher für Griechenland keineswegs jenes ökonomische und finanzielle Desaster darstellen, als das er oft präsentiert werde.

Den Konjunktiv “müsse” hat “Bild” einfach durch “muss” ersetzt – und verschleiert so, dass die NZZ hier das Urteil eines anderen zitiert: eines Forschungsinstitutes namens “Oxford Economics”.

Dass die “Süddeutsche” sich nun für einen “Grexit” ausspreche, belegt “Bild” mit folgendem Zitat:

“Eine Eurozone mit 18 Mitgliedern wäre schon am Tag eins nach dem Ausstieg Athens stabiler und damit überlebensfähiger. Schon der Beitritt Athens 2001 war politisch mehr gewollt als ökonomisch gerechtfertigt.”

Das steht tatsächlich auf sueddeutsche.de. In einem Artikel, der überschrieben ist mit “Pro Grexit: Kein Grund zur Panik”. Er ist Teil eines Pro & Contra, in dem es entsprechend auch ein “Contra” gibt (“Contra Grexit: Der Anfang vom Ende”).

Aus einem Pro & Contra über den “Grexit” macht “Bild”, dass die “Süddeutsche Zeitung” für den Grexit plädiert.

Im “Wall Street Journal” hat “Bild” folgendes Zitat entdeckt:

“Es ist nicht so, als ob Griechenlands Probleme nicht ernst wären. Aber für die Finanzmärkte wäre ein Grexit kein Grund zur Panik.”

Das ist nicht ganz falsch, aber auch da hilft es, das komplette Zitat zu lesen:

With Greece back in recession, the questions about the fate of the Achaeans is only going to grow. But, if you’re a stock investor, especially a U.S. stock investor, how worried should you really be? (…)

This isn’t to say Greece’s problems aren’t serious, or that an exit from the euro wouldn’t have serious ramifications. But for stock investors, it may not be a cause for panic.

Mit anderen Worten: Das “Wall Street Journal” räumt ein, dass ein “Grexit” “ernsthafte Auswirkungen” hätte – aber wenigstens für Börsenanleger, vor allem amerikanische Börsenanleger, muss es nicht unbedingt ein großes Problem werden. Das sind natürlich beruhigende Nachrichten – für amerikanische Börsenanleger.

Auch die “New York Times” sei nun für den “Grexit”, schreibt “Bild”, und suggeriert das mit diesem Zitat:

“Eine Sache ist klar: Wenn es eine Einigung mit Griechenland gibt, ist diese nur das Vorspiel für die nächste Krise in den nächsten Monaten.”

Ja, stand so in der “New York Times” – in der “Op-Ed”-Kolumne von Roger Cohen. “Op-Ed” steht für “gegenüber der Leitartikel-Seite” und ist die Seite, auf der die “New York Times” Raum gibt für Meinungen, die ausdrücklich nicht ihrer eigenen redaktionellen Meinung entsprechen müssen. Die “New York Times” selbst warnt ausdrücklich vor einem “Grexit”.

Selfies gegen Griechenland: Presserat missbilligt “Bild”

In seiner Sitzung vor ein paar Tagen hat der Presserat neben zwei Rügen auch mehrere Missbilligungen gegen “Bild” und Bild.de ausgesprochen.

Unter anderem für ihre Selfie-Kampagne gegen die “gierigen Griechen” (BILDblog berichtete):

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Insgesamt waren beim Presserat fast 20 Beschwerden zu der Kampagne eingegangen. Viele Beschwerdeführer kritisierten die Formulierung „die gierigen Griechen“, mit der ein ganzes Volk pauschal diffamiert werde. Außerdem sei der Aufruf, sich den Artikel auszudrucken und ein Selfie damit zu posten, ein Aufruf an die Leser, gegen die Griechen zu hetzen.

Der „Bild“-Justiziar konterte in seiner Stellungnahme:

Sinn der Veröffentlichung und insbesondere der Selfie-Aktion sei gewesen, zur Beschäftigung mit dem Thema der Griechenland-Rettung und einer Meinungsäußerung anzuregen. Die primäre Aufgabe der Medien sei es, den Einzelnen so mit Informationen zu versorgen, dass er sich seine Meinung bilden könne.

Eben. Dass die „Bild“-Zeitung (gerade zum Thema Griechenland) immer nur die Informationen liefert, die man braucht, um sich ihre Meinung zu bilden, ist natürlich bloß Zufall.

Darüber hinaus sei es gewollt und für das Bestehen eines demokratischen Staates unerlässlich, dass sich der Bürger selbst politisch betätige und durch Meinungsäußerung in der Öffentlichkeit am demokratischen Willensbildungsprozess partizipiere. Nur so sei der Aufruf der Redaktion an den Leser zu verstehen, seinen Standpunkt kundzutun.

Aber klar.

Die Redaktion habe dem Leser eine Plattform geboten, auf der er mit seiner Meinung von Dritten wahrgenommen werden könne. Durch die Aktion schaffe es die Redaktion auch eher, den Glauben an eine funktionierende Demokratie zu bestärken, als durch bloße eindimensionale Berichterstattung.

„Bild“, die große Stütze der Demokratie.

In keiner Weise sei versucht worden, das griechische Volk oder jeden Griechen in seinem Ansehen herabzusetzen – also in seiner Ehre zu verletzen – oder dazu aufzurufen eine feindliche Gesinnung gegenüber Angehörigen des griechischen Volkes einzunehmen. Der Gebrauch des Adjektivs „gierig“ sei klar differenzierend und nicht pauschalisierend. Entscheidend sei, dass das „Nein“ an die abstimmungsberechtigten Bundestagsabgeordneten gerichtet gewesen sei. Dies umfasse die Besorgnis der Öffentlichkeit, dass die Mittel gar nicht erst beim griechischen Bürger ankommen, sondern in das Finanzierungssystem eines Staates fließen und damit am Ende lediglich internationale Kreditgeber befriedigt würden. Mit Beginn des Beitrags werde durch die Zitate und weiteren Informationen mehr als deutlich, dass die Formulierung „gierig“ keineswegs auf jeden Griechen oder das griechische Volk als solches bezogen sei. Vielmehr gehe es um wenige Eliten und die jeweiligen Mitglieder der griechischen Regierung, die Versprechungen hinsichtlich einer Rückzahlung gemacht hätten, ohne dass es bisher dazu gekommen sei. (…) Diese Differenzierung werde noch durch den zeitgleich veröffentlichten Kommentar (…) des BILD.de-Chefredakteurs sowie den Kommentar (…) des BILD-Chefredakteurs vom 28.02.2015 vertieft.

Das sah der Presserat anders.

Der Argumentation, man solle für das Verständnis eines Beitrages auch die Kommentierung zum Thema bzw. die weitere Berichterstattung berücksichtigen, folgt das Gremium nicht.

Entscheidend sei der Eindruck, den ein Beitrag „auf einen durchschnittlich verständigen Leser“ mache. Und der sei ein anderer:

Das Gremium sieht in der Überschrift „NEIN! Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen!“ eine pauschale Diskriminierung einer nationalen Gruppe. Für einen durchschnittlich verständigen Leser wird der Eindruck erweckt, die Zuschreibung „gierig“ beziehe sich auf das griechische Volk als Ganzes.

Auch in der Gesamtbetrachtung des Artikels werde „nicht hinreichend deutlich, dass damit ausschließlich wenige Eliten und die jeweiligen Mitglieder der griechischen Regierung gemeint sein sollen“.

So erkannte der Beschwerdeausschuss einen Verstoß gegen das in Ziffer 12 des Pressekodex festgeschriebene Diskriminierungsverbot und sprach eine Missbilligung aus.

Übrigens: Der Aufruf an die Leser, sich per Selfie “zu einer aktuellen politischen Entscheidung zu äußern”, verstoße “nicht schon prinzipiell gegen den Pressekodex”, erklärt der Presserat und schiebt in seiner so typischen, fast-kritischen Art hinterher:

Ob ein solcher Aufruf in der konkreten Situation die geeignete Art der Berichterstattung darstellt, ist eine journalistische Abwägung, die weitgehend der jeweiligen Redaktion überlassen bleibt.

Mit Dank an Tobias F.

Sehen alle gleich aus (10)

Der chilenische Fußballnationalspieler Arturo Vidal ist für flotte Muster in seinen kurzen Haaren immer zu haben. Das wissen sicher auch die Fußballerfrisurenfans bei “Bild” und Bild.de.

Nun hat Vidal vor einigen Tagen betrunken einen Autounfall gebaut. Und soll ohne jegliches Haarmuster vor Gericht erschienen sein:



Doch keine Sorge: Vidal hat noch immer Sterne am Hinterkopf. Das Foto, das “Bild” und Bild.de verwendeten, zeigt nämlich gar nicht Arturo Vidal, sondern seinen Bruder Sandrino. Steht so auch in der Bildbeschreibung der Agentur:

Sandrino Vidal (R), brother of Chile’s national team player Arturo Vidal (not pictured)

Mit Dank an Manuel

Wie die Medien den Tugçe-Prozess behindert haben

Gestern hat das Landgericht Darmstadt das Urteil im Tuğçe-Prozess gesprochen. Der Angeklagte Sanel M. wurde zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt.

Während der gesamten Ermittlungen hatte es immer wieder harsche Kritik an den Medien gegeben, sowohl von der Polizei als auch von der Staatsanwaltschaft, der Verteidigung und dem Richter. Vor allem die Berichterstattung der „Bild“-Zeitung wurde stark kritisiert: Sie habe ein falsches Bild von Täter und Opfer gezeichnet, Zeugen beeinflusst und die Ermittlungen damit massiv erschwert.

Rückblick. An einem Abend im November schlug Sanel M. der Studentin Tuğçe A. auf einem Parkplatz in Offenbach gegen den Kopf. Die junge Frau stürzte, erlitt schwere Kopfverletzungen, fiel ins Koma und starb zwei Wochen später.

Was in den Minuten vor dem Schlag geschah, ist zwar bis heute nicht eindeutig geklärt. Doch für „Bild“ war die Sache schon drei Tage nach der Tat völlig klar:

Lehramts-Studentin Tugce A. (22) wollte nur helfen – und wurde ins Koma geprügelt. (…) Samstagnacht in einer Offenbacher McDonald‘s-Filiale: Tugce A. greift mutig ein, als zwei Frauen auf der Damen-Toilette von drei Männern belästigt werden. Vor dem Fastfood-Laden eskaliert der Streit: Die junge Türkin wird von einem der Männer angegriffen!

Ein Schlag trifft sie an der Schläfe, sie knallt mit dem Kopf auf den Boden – Schädelbruch, Klinik, künstliches Koma.

Sofort waren die Rollen verteilt: hier der brutale Verbrecher, dort die mutige Heldin; Teufel gegen Engel, so einfach, so eindeutig. „Es ist die Geschichte Böse gegen Gut“, schrieb „Bild“-Kolumnist Franz-Josef Wagner Anfang Dezember.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten „Bild“, „Bild Frankfurt“ und die “Bild am Sonntag” schon über dreißig Artikel zu der Sache gedruckt:



Das sind, wohlgemerkt, allein die Artikel, die in den ersten drei Wochen nach der Tat gedruckt wurden (eine Sammlung der Online-Artikel haben wir im Dezember hier zusammengestellt). Dieses Ausmaß ist selbst für „Bild“-Verhältnisse ungewöhnlich. Der Umgang mit dem Täter ist es nicht.

„Koma-Schläger“ und „Totschläger“ nannten ihn die “Bild”-Medien, sie veröffentlichten Details aus seinem Privatleben und zeigten immer wieder Fotos von ihm, meistens unverpixelt oder nur mit winzigem Balken über den Augen.

Eine regelrechte Kampagne, wie auch der Vorsitzende Richter laut „FAZ“ gestern bei der Urteilsverkündung sagte:

„Anfangs hat es eine Kampagne gegeben, das lässt sich gar nicht anders beschreiben“ (…). Da sei ein junger Mann von gerade 18 Jahren gewesen, „der sich mit seinen Mitteln nicht dagegen wehren kann, einer großen Zeitung ausgeliefert zu sein“. (…) Einen „Killer“ und „Koma-Schläger“ habe man ihn dort genannt – das sei er aber nicht.

M. habe mit seinem Schlag „vieles gewollt, was nicht in Ordnung ist, aber sicher nicht den Tod eines Menschen“. Aber gegen das Bild, das von ihm gezeichnet und „von vielen Medien blind“ übernommen worden sei, das sich aber im Prozess „wenn überhaupt nur in Teilen bestätigt“ habe, sei M. nicht angekommen.

(Sogar bei Bild.de haben sie gestern ein paar dieser Sätze zitiert, aber so getan, als wüssten sie nicht, wer gemeint ist: Der Richter habe die Worte “an die Presse” gerichtet, heißt es nur.)

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Punkt, den der “Spiegel” im Dezember erwähnt hat:

Die Ermittler in Offenbach fragen sich inzwischen, ob Sanel M. überhaupt jemals wieder in Deutschland leben kann, wenn er nach der Untersuchungshaft oder einer möglichen Freiheitsstrafe wieder auf freien Fuß kommt. Und die Empörten, die im Internet sein Bild verbreiten und nach einer knallharten Strafe für den “Koma-Schläger”, wie ihn die Bild-Zeitung nennt, verlangen, könnten sogar das Gegenteil bewirken. “Grundsätzlich ist es so, dass solche Auswüchse in Berichten und Kommentaren von Gerichten auch strafmildernd gewertet werden können”, sagt der Offenbacher Oberstaatsanwalt Axel Kreutz.

Je härter also ein Medium auf einen Täter einprügelt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er eine mildere Strafe bekommt. Das haben sie bei “Bild” anscheinend nicht verstanden. Oder es steckt Kalkül dahinter, schließlich lässt sich dann wieder gegen die Weichei-Justiz wettern, und fertig ist der Empörungskreislauf.

Der Oberstaatsanwalt jedenfalls kritisierte die Berichterstattung ebenfalls und sagte laut „FAS“, man habe „am Anfang“ den Eindruck haben können, „dass Teile der Medien jeden Grauton vermeiden wollten“.

Bei „Bild“ kamen leichte Grautöne erst zum Vorschein, als der „Spiegel“ am 8. Dezember berichtete, dass laut Augenzeugen die Provokation nicht nur von Sanel M. ausging, sondern auch von Tuğçe A. (wovon inzwischen auch der Richter ausgeht). Von da an nahm die Intensität der „Bild“-Berichterstattung stark ab, auch die Darstellung des Geschehens wurde etwas differenzierter. Aber da hatte sich das Schwarz-Weiß-Bild, diese “Geschichte Böse gegen Gut”, längst in den Köpfen der Öffentlichkeit etabliert und schon eine Menge Schaden angerichtet.

Insbesondere die Ermittler klagten immer wieder darüber, dass die Berichterstattung die Untersuchungen massiv erschwere. Schon vor einem halben Jahr schrieb die „FAZ“:

Aus den Behörden ist zu hören, dass es enorm schwierig sei, in einem Fall zu ermitteln, der medial so stark begleitet werde. Mit „medial“ meinen die Beamten auch die Einträge in den sozialen Netzen, die von Anfang an vom Entsetzen über die Tat und Beileidsbekundungen bis hin zu Beschimpfungen und Drohungen gegen den mutmaßlichen Täter reichten. Polizeigewerkschafter Grün sagt, es gebe auch in vermeintlich eindeutigen Fällen kein „Schwarz und Weiß“. Womöglich auch in diesem Fall nicht.

Zum Problem wurde die Schwarz-Weiß-Malerei der Medien auch bei der Befragung der Zeugen. Laut „FAZ“ sagte der Richter gestern, dass eigentlich alle Zeugenaussagen als „vergiftet“ zu betrachten seien, …

weil die Freunde des Täters wie auch die Freundinnen des Opfers vor allem durch die Berichterstattung erheblich beeinflusst gewesen seien. Die dichotomische Fixierung der Medien auf M. und [A.] habe dazu geführt, dass Zeugen besonders M. Handlungen zugeschrieben hätten, deren Urheber er nicht gewesen sein könne.

Auch der Reporter der „FAS“ beobachtete, dass sich die Freundinnen des Opfers …

weniger an der eigenen Wahrnehmung orientierten als vielmehr versuchten, diese mit der öffentlichen Stimmungslage in Deckung zu bringen. Bei denjenigen Zeugen, die man zum Lager des Angeklagten rechnen kann, war es nicht besser, nur dass sie in ihren Aussagen, zum Teil erklärtermaßen, versuchten, das Bild, das in der Öffentlichkeit entstanden war, zu konterkarieren. Auch mehrere neutrale Zeugen konnten sich den Umständen offensichtlich nicht entziehen. Besonders deutlich wurde das, wenn sie vermeintlich Belastendes über die Tote sagten und dabei das Wort „leider“ anfügten.

Besonders stark kritisiert wurde die “Bild”-Zeitung für die Veröffentlichung des Überwachungsvideos, auf dem die Tat zu sehen ist:

Sowohl in der Print-Ausgabe als auch bei Bild.de wurden die Szenen der Überwachungskamera — „die letzten Minuten, die Tugce bewusst erlebte!“ — detailliert dokumentiert, die entscheidenen Momente hatte die Redaktion sogar extra von einem Illustrator nachzeichnen lassen:

Schon kurz nach der Veröffentlichung äußerten Staatsanwaltschaft und Polizei die Befürchtung, dass die Zeugen dadurch beeinflusst werden könnten:

Durch die Veröffentlichung des Videos werde das Beweismittel zwar nicht wertlos für den Gerichtsprozess, allerdings bestehe die Gefahr, dass dadurch Zeugen in ihrer Aussage manipuliert werden könnten. “Man muss damit rechnen, dass sich Zeugen vor ihrer Vernehmung das Video anschauen und ihre Aussage dann damit abgleichen”, so [Oberstaatsanwalt] Kreutz. Dadurch könnten unter anderem subjektive Erinnerungen an das Geschehen eingefärbt werden.

Auch Interpretationen des Videos, die im Vorfeld eines Prozesses über die Medien verbreitet würden, könnten einen Einfluss auf Zeugenaussagen haben — womöglich auch auf die Schöffen in einem Gerichtsverfahren.

Und so kam es dann auch: Laut „FAS“ hatten „im Grunde alle Zeugen“ das Video vor ihrer gerichtlichen Einvernahme “und zum Teil schon vor ihrer Aussage bei der Polizei gesehen”.

Eine Vernehmungsbeamtin sagte deshalb vor Gericht, es sei schwer gewesen, überhaupt eine objektive Aussage zu bekommen.

Von all der Kritik ist in der “Bild”-Zeitung von heute natürlich kein Wort zu lesen. Die titelt:

Belege finden sich im Artikel keine. Dafür aber ein großes Foto der Mutter des Täters — ohne jede Unkenntlichmachung.

Mit Dank an alle Hinweisgeber!

Mit “Bild” beim Teenie-Sex im Spaßbad

Fassen wir die Geschichte zur Sicherheit einmal trocken zusammen: Ein junges Pärchen (volljährig) war im vergangenen Winter im Schwimmbad, hatte dort (so eine Art) Sex, wurde erwischt, angezeigt und schließlich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt.

Und jetzt in den Worten von “Bild”-Mann Jörg Völkerling:

Das war wirklich ungezogen, was diese liebestollen Teenager ausgezogen in der Erlebnisgrotte abzogen …

(kurze Pause, bis sich das Johlen im Publikum gelegt hat … so, weiter geht’s)

Feucht-fröhliche Liebesspiele im Spaßbad […] brachten Paul R.* (18) und seine Freundin Lisa M.* (19, *Namen geändert) jetzt vor das Augsburger Amtsgericht. Wegen (heftiger) Erregung öffentlichen Ärgernisses!

Besonders einsichtig zeigten sich die beiden nicht. Zum Prozess kam das Paar 15 Minuten zu spät, fläzte sich frech auf die Anklagebank. Als Richter Bernhard Kugler nachfragte, antwortete Paul R. lässig: „Ich bin wegen dem Verkehr zu spät.“

Mit dem Verkehr hat der junge Mann offenbar so seine Probleme.

(…)

Paul R. zeigt sich weiter uneinsichtig. Deshalb entschließt sich der Richter, die Videos der Unterwasserkameras zu zeigen.

Dafür schickt er die Öffentlichkeit aus dem Saal (was Völkerling erst in einem späteren Artikel erwähnt) und lässt sie erst danach wieder rein.

Er verurteilt Paul R. zu einem Dauerarrest von zwei Wochen, die Angeklagte zu einem Freizeitarrest und zu 32 Stunden Hilfsdienst – so viel Strafe hatte nicht einmal die Staatsanwaltschaft gefordert. Doch in diesem Fall wollte das Gericht wohl ein (S)Exempel statuieren.

So weit Völkerlings Pointenfeuerwerk — erschienen am Dienstagabend in vergleichsweise dezenter Aufmachung:

Im Normalfall hätten die Leute von “Bild” es vermutlich dabei belassen oder höchstens noch die ein oder andere Sammlung heißer Sex-Urteile oder ein paar Promi-Zitate zu pikanten Jugend-Sünden hinterhergeschoben, doch keine vier Stunden später veröffentlichte Bild.de schon den nächsten Artikel zu dem Fall, wieder von Völkerling, aber viel größer aufgemacht. Im Grunde genau der gleiche Text, doch diesmal mit einem ganz speziellen Extra: Fotos!

Von den Teenis!

Beim Sex!


(Verpixelung von uns. Gilt auch für alle folgenden Screenshots.)

Allerdings gab’s die „scharfen Unterwasser-Fotos“ (Bild.de) nur für zahlende Kunden:

Sehen Sie mit BILDplus, wie wild es Paul R. (18) und seine Freundin Lisa M. (19) wirklich trieben!

Am nächsten Morgen dann auch „Porno pur“ für alle Print-Leser, nahezu halbseitig auf dem Titelblatt:

Im Innenteil dann noch mal in aller Ausführlichkeit:

Und am Mittag, endlich:

Über eine Minute lang sind die (unkenntlich gemachten) Sex-Versuche aus mehreren Perspektiven zu sehen — aber wieder nur gegen Bezahlung:

Sehen Sie mit BILDplus die delikaten Videoaufnahmen. Was wirklich geschah, und warum das als Beweismittel so wichtig ist – schauen Sie selbst!

Hereinspaziert, hereinspaziert. Sehen Sie junge Amateure beim Unterwasser-Fummeln, exklusiv bei Deutschlands weltgrößtem News- Informations- Dings-Portal!

Zwischendurch gab’s tatsächlich noch den halbherzigen Versuch einer sinnvollen Annäherung an das Thema, diesmal auch ohne Paywall:

Bebildert — natürlich — so:

Im Text kommt ein Herr “von der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen e.V.” zu Wort und erzählt allerlei vom “Recht am eigenen Bild” und Datenschutz, aber unter Wasser muss man das ja alles nicht so eng sehen:

Unproblematisch hingegen seien die Unterwasser-Aufnahmen. Michael Weilandt: „Die Unterwasserkameras zur Aufsicht sind nicht so ein großes Problem, weil die Qualität nicht so gut ist und die Personen ja nicht wirklich erkennbar sind.“

(Man beachte auch, wie Bild.de aus einem nicht so großen Problem gar keins mehr macht.)

Wie es um die anschließende Veröffentlichung solcher Aufnahmen bestellt ist, erklärt der Mann nicht. Aber danach haben ihn die “Bild”-Leute bestimmt auch nicht gefragt.

Die machen auf jeden Fall munter weiter, so lange das Eisen noch feucht, äh, ja. Völkerling, Ihr Stichwort.

Online gibt’s das alles selbstverständlich wieder nur bei “Bild-Plus”:

Wie es zu dem wilden Unterwasser-Sex kam, was die Teenager über ihr Liebesleben sagen und warum sie sich von den Bademeistern schlecht behandelt fühlen – das lesen Sie hier!

Fehlt eigentlich nur noch die Sammlung heißer … ach, schau an:

Selbst einen Brief von Franz-Josef Wagner hat der “liebe Sex im Schwimmbad” inzwischen bekommen (“Sex ist die Nähe zum Glück. Lassen wir doch die beiden Liebenden schwimmen. Herzlichst”).

Woher „Bild“ die Bilder der Überwachungskameras hat, ist indes unklar.

Das Gericht schrieb uns auf Anfrage, es habe „das fragliche Bild- und Videomaterial nicht an die ‘Bild’-Zeitung oder an Bild.de ausgehändigt“. Auch der Geschäftsführer des Schwimmbads erklärte gegenüber BILDblog, das Video nicht weitergegeben zu haben. Zurzeit werde noch überprüft, wie das Blatt an die Bilder kommen konnte. Ein Anwalt sei bereits eingeschaltet.

Warum „Bild“ die Bilder der Überwachungskameras, die das Gericht bewusst nicht der Öffentlichkeit zeigte, seit Tagen bewusst der Öffentlichkeit zeigt, ist allerdings nicht schwer zu erraten:

Mit Dank an Lukas H., Tobias H., Daniel K. und Thomas D.

Bild, Bild.de, dpa, Reuters  etc.

Déjà-vu mit Merkels Grexit-Plan

Griechenlands Schuldenproblem verschärft sich — die Bundesregierung denkt daher über neue Schritte nach: Wie die “Zeit” und die Nachrichtenagentur Reuters berichten, arbeitet das Finanzministerium an einem Notfallplan für eine Pleite Griechenlands. “Sie haben begonnen, das Undenkbare zu denken”, sagte ein Insider zu Reuters. Deutschland wolle dies nicht, stelle sich aber auf eine solche Situation ein. “Sie wären sonst nicht vorbereitet auf die Folgen für die Banken.”

Diese Zeilen sind viereinhalb Jahre alt. Und ob der Insider nun recht hatte oder nicht — es wäre doch zumindest fahrlässig, wenn sich die Bundesregierung nicht ständig auf alle Eventualitäten einstellen würde, also auch auf eine faktische Insolvenz Griechenlands.

Wie auch immer. Zehn Monate später, im November 2011, schrieb dann auch „Bild“:

Merkel lobte [den damaligen Griechenland-Premier] Papandreou, stellte weitere Hilfen in Aussicht. Doch in Wirklichkeit geht die Bundesregierung nach BILD-Informationen inzwischen davon aus, dass Griechenland pleitegehen wird – und zwar warscheinlich [sic] noch vor Weihnachten, wenn auch die nächste Hilfs-Rate aufgebraucht ist.

„Wir versuchen, eine Insolvenz Griechenlands zu vermeiden. Ich kann das aber nicht ausschließen“, sagte Merkel am Nachmittag laut Teilnehmern in der Sitzung der Fraktion von CDU/CSU.

Insofern übersetzt man das “Jetzt” in der heutigen (!) “Bild”-Schlagzeile also am besten mit: “seit vier Jahren”.

“Bild” schreibt:

Sie hat monatelang um Griechenland gekämpft. Doch seit vorletzter Nacht weiß Angela Merkel (60, CDU): Es war vielleicht umsonst …

Gut zwei Stunden verhandelte die Kanzlerin in Brüssel mit Frankreichs Staatspräsident François Hollande (60) und Griechen-Premier Alexis Tsipras (40).

Als das Trio gestern um 0.20 Uhr auseinanderging, war klar, was die deutsche Regierungschefin bisher nie wahrhaben wollte: Die Staatspleite Griechenlands ist womöglich nicht mehr aufzuhalten!

Darüber wird in vertraulicher Runde in Berlin jetzt offen gesprochen.

Aus, vorbei, GREXIT …!

Die einzige Quelle für die Behauptung ist wieder ein Insider, ein „Top-Diplomat“, der gesagt haben soll: „Auch die Kanzlerin weiß jetzt, dass die Zeit nicht mehr reichen wird …!“

Obwohl es da ja noch einen kleinen Haken gibt, wie “Bild” am Ende zugeben muss:

Eine letzte Frist hat Athen noch: Kommenden Donnerstag treffen sich in Brüssel die Finanzminister der Euro-Zone zur entscheidenden Sitzung. Sie wollen dann ein Konzept sehen, das bereits vom griechischen Parlament verabschiedet ist.

Egal, “Bild” hat trotzdem schonmal den Sekt kaltgestellt und ihn jetzt endgültig ausgerufen, den

Ach nee. Das war 2011.

Mit Dank an Andreas H.

Nachtrag, 13 Uhr: Aber im deutschen Medienbetrieb ist bekanntlich keine Meldung alt oder falsch genug, als dass sich nicht doch irgendwer finden würde, der sie blind abschreibt.

Die dpa vermeldete heute pünktlich um Mitternacht:

Berlin (dpa) – Nach einem Bericht der «Bild»-Zeitung bereitet sich Berlin auf eine Staatspleite Griechenlands vor.

Die Agentur zaubert sogar noch ein paar zusätzliche Quellen aus dem Hut:

Unter Berufung auf mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen berichtet die Zeitung (Freitag), es gebe konkrete Beratungen, was im Falle einer Pleite zu tun sei.

„Mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen“? Wir haben (wenn überhaupt) nur eine gezählt: den angeblichen Insider.

Auch Reuters sprach 20 Minuten später von „mehrere[n] mit den Vorgängen vertraute[n] Personen“ — und titelte:

Und schwupps — wird der alte Hut wieder überall als neu verkauft:


(handelsblatt.com)


(merkur.de)


(stern.de)


(n24.de)


(blick.ch)


(t-online.de)


(tagesspiegel.de)


(derstandard.at)


(abendzeitung-muenchen.de)

Bei FAZ.net finden sie zwar immerhin, dass es „wenig plausibel“ erscheine, „dass die deutsche Regierung sich jetzt erstmals mit einem solchen Szenario befasst“ — die „Bild“-Geschichte haben sie aber trotzdem mal abgeschrieben:

Derweil will die Bild-Zeitung erfahren haben, dass nun auch die deutsche Kanzlerin eine Staatspleite Griechenlands nicht mehr ausschließt.

Nachtrag, 15.05 Uhr: Nachdem sich die dpa über zwölf Stunden lang auf “Bild” verlassen hatte, ist ihr inzwischen doch noch aufgefallen, dass die vermeintliche Neuigkeit gar keine ist. Die aktuellste Meldung zum Thema (erschienen um 12.49 Uhr) ist überschrieben mit:

«Grexit»: Bundesregierung hat keine neue Haltung

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