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“Alles für die Story”: 50 Shades of True

Steve (30) trägt Handfesseln, Janine (30) hat zweierlei Peitschen parat. Beide erregt es, wenn sie ihm auf den nackten Po schlägt

Ja, so sind sie, der Steve und die Janine. Am Montag hat das Paar im “GROSSEN BILD-SM-REPORT” mal so richtig ausgepackt:

Sie waren schon mehr als zwei Jahre ein Paar. Dann gestand sie ihm ihre geheimen Wünsche: Fantasien von Schlägen und Fesseln.

Seitdem ist das Liebesleben von Janine (30) und Steve (30) aus Stuttgart noch aufregender. ER liebt es, wenn SIE mit der Peitsche die Kontrolle über ihn hat!

Und weil BILD ja TOTAL auf dieses GEILE SM-ZEUG steht, hat das Blatt dem Thema eine komplette Seite gewidmet, auf der eine Domina zu Wort kommt (“Ich bin eine Sadistin” – soso!), eine Paartherapeutin (“Der Lust an Schmerzen steckt in den meisten Menschen” – sic!), dann Jessica, die Arzthelferin (“hat Lust auf Handschellen”) und eben, ganz ausführlich, Steve und Janine:

Der Besitzer eines mobilen Piercing-Studios erzählt: „Ich selbst hätte das nie angesprochen. Aber ich fand die Idee sofort erregend und wollte das testen. Wir haben deshalb gemeinsam im Internet gestöbert und SM-Material bestellt.“

Ein paar Tage später öffnet Janine das Paket – und probiert das Sortiment sofort an ihrem Freund aus.

Als Erstes verbindet sie Steve die Augen. Dann zieht sie ihm langsam sämtliche Kleider aus. Mit schwarzen Fesseln aus Leder fixiert sie seine Hände.

„Ich war komplett machtlos und super aufgeregt“, sagt Steve. „Dann hat Janine mich gegen die Wand gedrückt.“ Sie greift zur Peitsche, die sie ihm Onlineshop bestellt haben.

Bei jedem Schlag auf den nackten Po schreit Steve auf – aus Lust.

Steve: „Das war ein so ein intensives Gefühl. Ich habe gelernt, wie es ist, wenn man sich vollkommen in die Abhängigkeit eines anderen begibt. Es hat mich total entspannt.“

So erzählen die beiden prickelnd weiter, von den Handfesseln und den Masken, die sie noch ausprobieren wollen, und darüber, was sonst noch alles passiert beim „Lust-Spiel mit dem Schmerz“, das “unser Sexleben” so “gewaltig“ angekurbelt hat.

Dagegen gibt’s auch gar nichts zu einzuwenden. Allerdings haben wir unsere Zweifel, ob überhaupt irgendwas davon stimmt.

Denn am Tag, als der Artikel erschien, erschien auch das hier:


(Inzwischen wurde der Eintrag gelöscht. Aber auch laut früheren Facebook-Einträgen und der Internetseite von Steves Piercing-Laden ist die Frau auf den Fotos seine ehemalige Auszubildende.)

Wir haben Steve mehrfach gebeten, uns das doch mal genauer zu erklären, aber er wollte nicht antworten. Auch die Sprecherin der „Bild“-Zeitung hat auf unsere Anfrage nicht reagiert.

So wie es aussieht, wurde hier also nur einer gehauen: der Leser, übers Ohr.

Mit Dank an Jens!

Nachtrag, 20. August: Die “Bild”-Sprecherin hat sich jetzt doch noch gemeldet. Sie schreibt:

Alle im Text enthaltenen Tatsachenbehauptungen wurden vor Abdruck autorisiert. Auf BILD-Nachfrage bestätigten gestern beide Protagonisten, dass sie ihre Neigung seit über zwei Jahren gemeinsam ausleben. Ein Paar seien sie allerdings entgegen ihrer eigenen ersten Angaben nicht.

“Bild” überrumpelt verletzten Fußballer am Krankenhausbett

Am Wochenende wurde in der Fußballbundesligaregionalliga der Torwart von Greuther Fürth schwer am Kopf verletzt und musste im Uniklinikum Erlangen operiert werden.

Kurz nachdem er am Sonntag von der Intensivstation in die Neurochirurgie verlegt worden war, bekam er Besuch. Von der “Bild”-Zeitung:

Das Interview gibt’s auch online, aber nur gegen Bezahlung.

Heute haben die Verantwortlichen der SpVgg Greuther Fürth eine Stellungnahme zu der Berichterstattung veröffentlicht:

Boulevard-Journalismus ist sicherlich polarisierend. Schwarz und Weiß, verkürzte Darstellungen – diese Form der Berichterstattung wird seit jeher immer wieder kontrovers diskutiert, aber eben auch von vielen Menschen konsumiert. Am Montag wurde allerdings im Fall Bastian Lerch eine Grenze überschritten, die die Verantwortlichen der SpVgg Greuther Fürth nicht hinnehmen wollen. Ein BILD-Reporter hat in der Uniklinik Erlangen den am Kopf operierten Bastian Lerch besucht oder besser gesagt überrumpelt. Zwar mit der Zustimmung des in dieser Situation wohl überforderten Spielerberaters, der unter Schock stehenden Eltern und des letztlich verdutzten Spielers, der gerade von der Intensivstation in eine normale Abteilung verlegt wurde.

Der Verein, der zuvor als Ansprechpartner diente, wurde über diesen Besuch erst nachträglich informiert und erfuhr erst am Nachmittag davon. Für die Verantwortlichen ist damit eine klare, moralische Grenze überschritten worden. Einen jungen Menschen, der erst Samstagnacht am Kopf einen neurochirurgischen Eingriff über sich ergehen lassen musste, und zwei geschockte Personen so zu überrumpeln, wollen wir als Verein nicht hinnehmen und werden deshalb unsere Konsequenzen daraus ziehen. Wir waren in unserer Kommunikation sehr offen, haben schon seit Sonntag diverse Medienanfragen ausführlich beantwortet und auch und gerade die dieses Reporters. Er wusste also, in welchem Zustand sich der Spieler befand. Warum man einen Spieler unmittelbar nach dessen Entlassung von der Intensivstation und gegen das Anraten der anwesenden Krankenschwestern dennoch mit dem Besuch unter Druck setzt, ist menschlich extrem fragwürdig. Noch am Montagabend wurde versucht, die Sichtweise des Vereins dem betreffenden Journalisten mitzuteilen. Eine Einsicht war dabei leider nicht zu erkennen.

Es geht hierbei – und das wollen wir ausdrücklich hervorheben – nicht um eine kritische Berichterstattung, die der Vereinsseite nicht gefällt. Es geht rein um moralische Fragen. Und was würde es bedeuten, wenn wir diese Form der Berichterstattung zulassen, beziehungsweise uns nicht dagegen zur Wehr setzen? Stimmen wir dann nicht indirekt diesem Vorgehen zu? Jeder Mensch, der schon mal in dieser Lage war, wird nachvollziehen können, dass in dieser Phase Besuch sicherlich gern gesehen ist: Familie, engste Angehörige und gute Freunde können einem Kraft geben. Aber will man in dieser Phase einem Medienvertreter Fragen beantworten und ein Foto machen? Kann man die Tragweite in dieser Phase einschätzen? Sorry, liebe BILD, diese Form des Sensationsjournalismus geht in unseren Augen überhaupt nicht. Spieler und Trainer werden immer nur als Hochleistungs-Maschine gesehen, in Hochzeiten bejubelt, in schlechten Phasen kritisiert. Damit muss man im Profifußball leben. In diesem Fall wollen wir das nicht. Es gibt Grenzen und die wurden dieses Mal deutlich überschritten.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 19.30 Uhr: Auch “Bild” hat eine Stellungnahme veröffentlicht:

Die SpVgg Greuther Fürth verbreitete in einer Stellungnahme, dass BILD-Reporter Martin Funk den am Kopf operierten Torwart Bastian Lerch angeblich mit einem Besuch im Krankenhaus „überrumpelt“ und eine „moralische Grenze überschritten habe“.

Hierzu stellen wir fest: Vergangenen Sonntag hat BILD-Reporter Funk mit dem Berater von Bastian Lerch Kontakt aufgenommen. Herr Funk fragte an, ob er den Spieler im Krankenhaus besuchen dürfe. Dabei bat er explizit darum, das Einverständnis des Spielers und dessen Eltern für einen Besuch einzuholen.

Am Montag gaben Spieler und Eltern über den Berater dann ihr Einverständnis für einen Besuch. Der Spielerberater von Bastian Lerch versicherte auf BILD-Nachfrage, dass niemand überrumpelt und der Krankenhausbesuch wie abgesprochen ablief.

Krümel und der böse Wolf

Die Wölfe sind wieder da, und jetzt fressen sie schon unsere Hündchen.

Ein Hundehalter behauptete vor zwei Wochen, dass sein Chihuahua Krümel (5) in einem Wald bei Celle in Niedersachsen von drei Wölfen gerissen wurde, und “Bild” machte die Sache bundesweit ganz groß auf:

Der “Bild”-Grafiker stellte sich die Szene so vor:

Die “Bild”-Online-Redaktion so:

Die Regionalausgabe Hannover legte am folgenden Tag noch nach:

Mit seinem Hund Gassi gehen und dabei von einem Rudel Wölfe gestellt werden. Dieses Horrorszenario ist Jörg M. (54) aus Wietze passiert.

Der Niedersächsische Landesbetrieb Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz gab eine Untersuchung in Auftrag und hatte schon weniger als eine Woche später ein Ergebnis: In einer Pressemitteilung gab er bekannt, dass der Wolfsverdacht “ausgeräumt” sei. Gen-Untersuchungen des Labors für Wildtiergenetik Senckenberg hätten keinen Hinweis auf den “Canis lupus lupus” (europäischer Wolf) ergeben.

Vielmehr wiesen die Speichelreste des Angreifers, die unter anderem am Geschirr des toten Hundes sichergestellt wurden, das genetische Profil eines Hundes mit Verdacht auf Wolfhund auf.

Auch die Spuren eines zweiten Angreifers deuteten auf einen Hund, vermutlich einen Wolfhund, hin.

Gut, ein Hund, aber andererseits: ein Wolfhund. Ein WOLFhund! Ein WOLFHUND! Und so verkaufte die “Bild”-Zeitung die Erkenntnis der Experten am vergangenen Samstag (sehr klein im Innenteil) als “Rätsel”:

Laut des Labors für Wildtiergenetik Senckenberg gibt es keine genetischen Spuren bei der tödlichen Attacke durch eine in Europa ansässige Wolfsgattung. Ungewöhnlich: Es war aber auch kein normaler Hund!

Und in der Regionalausgabe Hannover versteckte “Bild” die Auflösung, dass es sich bei dem bösen Wolf von Seite 1 ein paar Tage zuvor um einen Hund handelte, verblüffenderweise so:

Am Ende einer Meldung über Wölfe; unter der Überschrift, dass es ein neues Wolfsrudel gibt; unter einem Bild von einem Wolfsrudel; neben einem Bild von einem Wolf.

Wie “Bild” den Hass gegen Flüchtlinge schürt (2)

“Bild”-Online-Chef Julian Reichelt hat unseren Beitrag “Wie ‘Bild’ den Hass gegen Flüchtlinge geschürt” gelesen und bei Facebook einen langen Kommentar dazu geschrieben, der von den vielen guten Taten der “Bild”-Zeitung außerhalb der “Bild”-Zeitung handelt.

Reichelt schreibt zum Beispiel:

In der syrischen Provinz Aleppo betreiben wir mit „Ein Herz für Kinder“ mehrere Schulen, in denen nahezu ausschließlich Flüchtlingskinder betreut werden. Wir bezahlen Lehrer, Schulbücher, Zelte, Heizkosten, um das letzte bisschen Alltag aufrecht zu erhalten, das diesen Kindern geblieben ist.

Und:

Eines der letzten Krankenhäuser in Aleppo, das unter schlimmsten Umständen Patienten behandelt, darunter unzählige Flüchtlinge, arbeitet mit Geräten, die ich in dieses Krankenhaus gebracht habe. Als ich das letzte Mal dort war, wurde einer jungen Frau ein Tumor aus der Brust entfernt. Sie war aus einer Nachbarstadt nach Aleppo geflüchtet, weil die medizinische Versorgung in ihrer Heimatstadt komplett zusammengebrochen war. Beatmet wurde sie mit einem mechanischen Beatmungsgerät der Bundeswehr aus den 60er-Jahren, das wir über einen Mittelsmann beschafft und persönlich nach Aleppo geliefert hatten. Diese Geräte sind bei den Ärzten in Aleppo besonders beliebt, weil sie keinen Strom brauchen.

Und:

Letzte Woche kam ein junger Mann aus Syrien in Berlin an. Zwei wundervolle Kollegen von mir haben ihn beherbergt, die nächsten Nächte haben wir ihn im Hotel einquartiert, dann ist meine Kollegin mit ihm erst zum Anwalt und anschließend zur zuständigen Behörde gegangen. Wir haben uns darum gekümmert, dass er nicht zurück nach Ungarn muss, wo er misshandelt worden ist. Auf Kurzwahl hat er in seinem Handy eine Nummer von uns, die er rund um die Uhr anrufen kann, falls er Probleme hat – egal ob mit Behörden oder (ohne das in irgendeiner Weise gleichsetzen zu wollen) mit Fremdenfeindlichkeit.

Und:

Es gibt zahlreiche solcher Fälle, in denen wir bei BILD uns für Flüchtlinge eingesetzt haben, weit über unsere Berichterstattung hinaus. Niemand bei BILD erwartet dafür einen Dank. Wir tun es, weil es das Richtige ist. Was ich persönlich allerdings erwarte, ist, dass wir dafür nicht von Schreibtisch-Ideologen wie Mats Schönauer und Stefan Niggemeier verunglimpft und als Flüchtlingshasser verleumdet werden.

Wenn Mats Schönauer und Stefan Niggemeier auch nur einen Funken von dem Anstand hätten, den sie uns absprechen, würden sie sich für ihre üblen, völlig haltlosen Unterstellungen entschuldigen. Aber das wird nicht passieren.

Stimmt: wird es nicht. Aber nicht aus mangelndem Anstand, sondern weil Julian Reichelt unseren Text offenkundig nicht verstanden hat. Wir werfen „Bild“ und ihm ja nicht vor, „Flüchtlingshasser“ zu sein. Sondern den Hass zu schüren, indem sie bewusst Fakten verschweigen oder verdrehen, um aufregende Schlagzeilen präsentieren zu können — die dann wiederum in Sozialen Netzwerken und den Köpfen vieler Leser die Stimmung gegen Flüchtlinge anheizen.

Es geht nicht um das persönliche Engagement von Reichelt und seinen Kollegen. Es geht um die publizistische Verantwortung der „Bild“-Zeitung.

Da das ja offenbar so schwer zu verstehen ist, hier nochmal ein Beispiel. Vor ein paar Monaten schrieb „Bild“, in Bautzen müssten die Sanitäter jetzt schon kugelsichere Westen tragen — „AUS ANGST VOR ATTACKEN IM ASYL-HOTEL“. Der Artikel ist (wie BILDblog-Leser wissen) in mehrerer Hinsicht falsch, zum Beispiel ist das Haus keine „Vier-Sterne-Herberge“ mehr, sondern ein ausrangiertes Hotel ohne Schnickschnack. Vor allem aber wurden die Westen laut DRK nicht aus Angst vor den Flüchtlingen angeschafft, sondern zum generellen Schutz der Sanitäter.

Flüchtlingshassern dient der Text seitdem als schlagkräftiges „Argument“. Julian Reichelt weiß das alles, und im BILDblog-Eintrag, den er jetzt kritisiert, fragen wir, warum der Artikel trotzdem seit Monaten unverändert online ist. Darauf ist er leider mit keinem Wort eingegangen.

Genauso wenig wie auf diesen Artikel, den wir im Eintrag ebenfalls kritisiert haben:

So stand es in der Hamburger “Bild”-Ausgabe und so steht es immer noch auf Reichelts Bild.de. Was beide jedoch verschweigen: Diese Kulanz-Regel gilt nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für alle anderen, die aufgrund von Sprachproblemen oder aus anderen guten Gründen versehentlich mit ungültigem Ticket unterwegs sind.

Aber davon bekamen die besorgten “Bild”-Leser nichts mit – und reagierten so:


Und was steht heute in der Hamburger “Bild”?

Flüchtlinge kontrolliert der HVV mit Augenmaß.

Was bedeutet, er lässt sie laufen, wenn sie ohne gültigen Fahrausweis sind, an den komplizierten Automaten und dem undurchsichtigen Tarifsystem scheiterten.

Mit so viel Nachsicht kann der nur sporadisch und deshalb ebenso kenntnisarme einheimische HVV-Nutzer nicht rechnen. Der hat zwar keine Sprachschwierigkeiten, steht aber oft verständnislos vor den unbemannten Bahnhöfen.

Ich würde wirklich gerne glauben, dass es dem Bild.de-Chef und seinen Kollegen ein Anliegen ist, die Situation der Flüchtlinge in Deutschland zu verbessern. Aber mit solchen Geschichten bewirken sie genau das Gegenteil. Auch wenn Julian Reichelt diesen Zusammenhang einfach nicht erkennen will.

Von “Meedia” auf die “unterschiedlichen Tonalitäten in der Bild-Berichterstattung” angesprochen, sagte Reichelt übrigens:

Es ist sicher nicht unsere Aufgabe, Sachverhalte zu verschweigen oder gar aus dem Internet zu tilgen. Wir berichten über das, was ist.

Eben nicht. Wenn es sich verkaufen lässt, weil es die Ressentiments der Leute bedient, berichtet “Bild” über das, was nicht ist. Und genau das ist das Problem.

Der Hulk in Berlin? Unglaublich!

Ein Gastbeitrag von “TV Spielfilm”-Redakteur Rüdiger Meyer. Der Text ist heute auch im “TV Spielfilm”-Blog erschienen.

Am Mittwoch war ich am Set von “Captain America 3” in Berlin. Details kann ich nicht verraten, da ich eine Geheimhaltungsklausel unterschrieben haben, aber eine höchst amüsante Beobachtung blieb hängen. Denn der Marvel-Publizist John Pisani, der uns durch den Tag begleitete, sah aus wie Mark Ruffalo. Als ich ihn darauf ansprach, ob er jemals mit dem Hulk-Darsteller verwechselt wurde, verriet Pisani höchst amüsiert, dass er sogar in “Avengers: Age of Ultron” für einige Sekunden als Bruce Banner zu sehen ist. Bei Nachdrehs stand Mark Ruffalo nicht zur Verfügung und Pisani bekam drei Seiten Text in die Hand gedrückt, spielte eine Szene mit Robert Downey Jr. und wurde dabei im Profil gefilmt. Später sprach Ruffalo nur noch mit seiner Stimme den Text neu drüber, und fertig war die Szene. Zwar ist Pisanis Auftritt nicht in den Credits vermerkt, wer genau hinsieht, kann aber den Unterschied entdecken.

Dies brachte mich zum Nachdenken: Vor eineinhalb Wochen berichtete die “Bild”-Zeitung online über eine wilde Partynacht in Berlin, bei der Chris Evans, Anthony Mackie, Daniel Brühl und Mark Ruffalo bis in die frühen Morgenstunden die Hauptstadt unsicher gemacht haben.

Seit dieser Woche drehen die US-Superstars Chris Evans (34), Mark Ruffalo (47) und Anthony Mackie (36) gemeinsam mit Schauspiel-Star Daniel Brühl (37) den dritten Teil von “Captain America” in Berlin. Zum Einstand ließen es die Superhelden aber erst einmal im Berliner Nachtleben richtig krachen. (…)

Ein Gast zur BILD: “Vor allem Ruffalo und Mackie hatten ihren Spaß, haben die ganze Zeit getanzt. Sie waren auch mit uns um sieben Uhr die Letzten im Laden und tanzten zu Elektro-Musik.”

Eine Meldung, die wie eine Bombe einschlug, denn zuvor war noch nichts über die Mitwirkung von Hulk alias Mark Ruffalo in “Captain America 3” berichtet worden. Sämtliche Superhelden- und Filmgossip-Seiten nahmen die Meldung auf, dass der Hulk dabei ist. Marvel hingegen hielt sich bedeckt. Mit gutem Grund: Denn ein Foto konnte Bild-Autor John Puthenpurackal nicht besteuern und wie es scheint, war alles eine große Lüge.

Denn während die anderen auf der Partynacht gesehenen Marvel-Stars am Set in Berlin herumliefen, war Mark Ruffalo nirgends zu finden. Tatsächlich deutete in der Szenerie auch nichts darauf hin, dass eine Hulk-Storyline in Berlin Sinn macht. Also haben wir mal ein wenig die Soziale Netzwerk durchforscht. Und ein Twitter-User namens Olli87, der erstaunlich gut informiert über den Dreh in Berlin ist, bestätigt, dass Ruffalo niemals in Berlin war und nennt als seine Quelle dafür die Regisseure Joe und Anthony Russo.

Doch den eindeutigsten Beweis, dass alles nur eine große Ente ist, liefert ein Foto auf Instagram. Denn da posiert ein Nutzer stolz mit Anthony Mackie und jemandem, den er laut Hashtag als Mark Ruffalo identifiziert.

Das Problem dabei: Der Mann auf dem Foto ist John M. Pisani und nicht Mark Ruffalo. Das beantwortet zwar nicht die Frage, ob der Hulk in “Captain America 3” dabei sein wird. In Berlin war er aber auf jeden Fall nicht.

Wie “Bild” den Hass gegen Flüchtlinge schürt

Es sind ungewohnte Töne von Julian Reichelt. In letzter Zeit macht sich der „Bild“-Online-Chef immer wieder für Flüchtlinge stark, er erklärt:

Oder:

Auch sonst geben sich „Bild“-Medien sichtlich Mühe, dem lauter werdenden Fremdenhass im Land etwas entgegenzustellen; sie wettern gegen die „Pegida-Idioten“, versuchen sich an entlarvenden Faktenchecks, erzählen rührende Positiv-Geschichten, machen auf das Leid der Geflüchteten aufmerksam und kritisieren das „geschmacklose Spiel mit Angst und Vorurteilen“.

Dagegen ist auch erstmal nichts zu sagen. Bloß wäre dieses Engagement viel glaubwürdiger und vor allem: wirksamer, wenn „Bild“ nicht gleichzeitig an vielen Stellen genau diesen Hass, die Feindbilder und die Ressentiments gegen Flüchtlinge befeuern würde.

Sie erinnern sich vielleicht an den Artikel, den die Dresdner „Bild“-Ausgabe vor gut einem Jahr veröffentlicht hat:

Obwohl schnell klar war, dass die Schutzwesten nicht aus Angst vor den Flüchtlingen angeschafft wurden, sondern zum generellen Schutz der Rettungskräfte, und obwohl auch „Bild“ weiß, dass es in Wahrheit keine Vier-Sterne-Luxusbude mehr ist, sondern ein ausrangiertes Hotel ohne jeden Schnickschnack, und obwohl der Artikel mit diesen falschen Behauptungen nachweislich die Stimmung gegen Flüchtlinge anheizt, ist er immer noch online.

Wenn den „Bild“-Leuten und vor allem ihrem Online-Chef so viel daran gelegen ist, den Flüchtlingen zu helfen, warum korrigieren oder löschen sie den Artikel nicht einfach?

Und generell die ganzen Geschichten, die von den „Bild“-Medien in die Welt gelogen wurden und heute genau jenen als Argumentationshilfe dienen, die gegen die „Überfremdung“ unseres Landes zu Felde ziehen.

Also wenn es in diesem Land jemanden gibt, der das „geschmacklose Spiel mit Angst und Vorurteilen“ beherrscht, dann ist das die “Bild”-Zeitung.

Ein anderes Beispiel. Anfang vergangener Woche erschien in „Bild“ Hamburg und bei Bild.de ein Artikel über den Hamburger Verkehrsbund (HVV):

Aus Angst vor „schlechter Presse“ hat der HVV hat seine Fahrkartenkontrolleure angewiesen, bei Flüchtlingen, die ohne Ticket angetroffen werden, ein Auge zuzudrücken.

Das geht aus einem internen Schreiben des Unternehmens hervor, das BILD vorliegt. Wörtlich heißt es darin: Bei „Asylsuchenden“ müsse man „viel „Augenmaß walten lassen“, da viele von Ihnen „Opfer von professionellen Fahrkartenfälschern“ würden oder „nachvollziehbar kaum Kenntnisse“ von der HVV-Tarifstruktur hätten.

Dann, wie üblich, ein schockierter Politiker:

Das will CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering (31) so nicht stehen lassen: „Die ,Augen-zu-Anweisung‘ muss zurückgenommen werden. Es gibt in Hamburg die Möglichkeit, eine vergünstigte HVV-Zeitkarte zu erwerben, explizit auch für Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.“

Und der Artikel schließt mit der Bemerkung:

In der Tat erhält jeder neu ankommende Flüchtling 149 Euro Taschengeld pro Monat. Davon sind nach Angaben der Sozialbehörde 25,15 Euro für Fahrkarten im Nahverkehr vorgesehen.

Die haben also — in der Tat — genug Geld, die Flüchtlinge. Und dann kommt der HVV auf die Idee, sie alle schwarzfahren zu lassen, damit es keine negativen Artikel gibt? Und der arme Deutsche muss wieder blechen?

Soweit — und so verzerrt — die Version der „Bild“-Zeitung.

Was das Blatt nämlich nicht erwähnt: Es sind nicht nur Flüchtlinge, bei denen der HVV „ein Auge zudrückt“, sondern alle Leute, die aufgrund von Sprachproblemen oder aus anderen guten Gründen versehentlich ein ungültiges Ticket dabeihaben.

„Egal ob Hamburger oder Flüchtling oder Tourist“, erklärte uns der HVV-Sprecher auf Nachfrage, “da machen wir keinerlei Unterschied”. Wer zum Beispiel glaubhaft versichern könne, dass er Opfer von Fälschern wurde oder sich beim Fahrkartenkauf vertan hat, dürfe mit der Kulanz der Kontrolleure rechnen, das gelte für alle und sei schon immer so gewesen.

Mit dem internen Schreiben (hier im Wortlaut) habe der HVV lediglich der aktuell hohen Zahl von Flüchtlingen Rechnung tragen und die Mitarbeiter daran erinnern wollen, dass bei den Kontrollen Fingerspitzengefühl gefragt sei. Es sei auch nicht aus Angst vor schlechter Presse verschickt worden, sondern „aus Überzeugung“. Der HVV-Sprecher:

Ich kenne den Kollegen, der das Schreiben verschickt hat. Der hat vor Kurzem miterlebt, wie verängstigt einige Flüchtlinge waren, als sie, umringt von Uniformierten, am Bahnsteig kontrolliert wurden, da dachte er sich einfach: „Da muss man was tun“ und hat dann das Schreiben verschickt, um die Kollegen für die spezielle Situation zu sensibilisieren.

Das alles hätte der „Bild“-Reporter auch erfahren, wenn er beim HVV nachgefragt hätte. Aber das hat er laut HVV nicht.

So reißt “Bild” das Dokument aus dem Zusammenhang und erweckt den Eindruck, die Flüchtlinge bekämen eine ungerechtfertigte Extrawurst.

Die Reaktionen auf den Artikel sehen übrigens so aus:















Das ist nur eine winzige Auswahl. Auf der Facebookseite der Hamburger “Bild” stehen noch über 900 weitere Kommentare, viele davon gehen in die gleiche Richtung. In den Sozialen Medien, in Foren und in analogen Diskussionen ist die “Nachricht”, dass “die Flüchtlinge jetzt sogar offiziell schwarzfahren dürfen”, zu einem weiteren Scheinargument geworden, mit dem der Hass genährt wird.

Auch der HVV habe aufgrund der Berichterstattung Dutzende Hassbriefe und -mails bekommen, sagte uns sein Sprecher, die meisten davon seien „offen rassistisch“.

Die Hütte brennt, “Bild” schüttet Benzin nach, und Julian Reichelt steht davor und tut so, als wolle er löschen.

Mit Dank an Lars W.

Siehe auch: Schlechte Presse, Lügenpresse und der HVV (“Eimsbütteler Nachrichten”)

Nachtrag, 17. August: Julian Reichelt hat auf unsere Kritik reagiert. Nur verstanden hat er sie nicht.

Exklusiv: “Bild” versteht Regierungspapier falsch

Ach, wie müssen sie sich gefreut haben in der „Bild“-Redaktion, als sie heute „exklusiv“ verkünden konnten:

Vor Verhandlung der Euro-Finanzminister um drittes Hilfspaket - Bundesregierung lehnt Griechen-Rettungsprogramm ab

Im Text schrieben die Griechenland-Chefhetzer Paul Ronzheimer und Dirk Hoeren:

Die Bundesregierung hält die Vereinbarung von Geldgebern und griechischer Regierung über ein drittes Rettungspaket für nicht ausreichend.

Nach BILD-Informationen aus EU-Kreisen sieht Berlin vor allem bei der Beteiligung des Internationalen Währungsfonds, der Schuldentragfähigkeit und den Privatisierungen noch offene Fragen.

„Bild“ berief sich dabei auf ein Papier, das auch den Springer-Kollegen der „Welt“ vorlag – und die interessanterweise zu einem ganz anderen Urteil kamen:

Das sah Ronzheimer natürlich anders:

Nun …

… anderthalb Stunden später schrieb die Nachrichtenagentur Reuters, das Wirtschaftsministerium sei „verwundert über den Bericht über eine angebliche Stellungnahme der Bundesregierung“. Das Ministerium beurteile „den Verhandlungsstand positiv“, und eine „abgestimmte Position der Bundesregierung gebe es noch nicht“. Auch das Finanzministerium erklärte, es habe zwar „Fragen formuliert“, diese seien aber „Teil des Prüfprozesses, der noch nicht abgeschlossen ist“. Kurzum:

Die Darstellung, die Bundesregierung lehne das Rettungsprogramm ab, sei falsch.

Spätestens da mussten sie das auch in der „Bild“-Redaktion einsehen. Inzwischen sieht die Überschrift des Artikels so aus:

Euro-Finanzminister wollen am Freitag abstimmen - Zoff zwischen Schäuble und Gabriel um 3. Griechen-Hilfspaket

Auch der Text wurde an einigen Stellen still und leise geändert. Unter anderem heißt es jetzt:

Die Darstellung, die Bundesregierung lehne das Rettungsprogramm ab, sei falsch, heißt es aus dem Finanzministerium.

Woher diese Darstellung kam, verraten Ronzheimer und Hoeren selbstverständlich nicht.

Multipler Drei-Minuten-Journalismus

In drei Minuten schafft man ja so einiges. Fünflinge gebären zum Beispiel. Sich einen lässigen Knoten mit zwei eingeflochtenen Zöpfen in die Haare basteln. Den Verstand verlieren. Oder aber: richtig guten Sex haben.

In der Sex-Kürze liegt die Würze – das ist das Ergebnis einer aktuellen US-Umfrage. Demnach sind drei bis dreizehn Minuten Sex völlig ausreichend und befriedigend.

Tatsächlich sind Forscher der Pennsylvania State University gezielt der Frage nachgegangen, wie lange Sex dauern sollte, damit er gut ist. Dafür befragten sie 50 Mitglieder der “Society for Sex Therapy and Research” – genauer: “psychologists, physicians, social workers, marriage/family therapists and nurses” –, von denen 44 Auskunft gaben. Ergebnis:

The average therapists’ responses defined the ranges of intercourse activity times: “adequate,” from three to seven minutes; “desirable,” from seven to 13 minutes; “too short” from one to two minutes; and “too long” from 10 to 30 minutes.

Sie sehen: Für guten Sex braucht man nur drei Minuten. Na gut, mindestens drei.

Höchstens drei braucht man dagegen, um festzustellen, dass die Aussagekraft dieser “Studie” doch arg zu wünschen übrig lässt. Die Aussagen von 44 Ärzten und Krankenschwestern als Maßstab für die Sex-Vorlieben der Menschheit? Nun ja.

Noch viel weniger als drei Minuten bedarf es allerdings, um herauszufinden, dass diese ganze Sache schon über sieben Jahre alt ist.

Trotzdem taucht sie seit ihrer Veröffentlichung (meist pünktlich zum Sommerlochanfang) immer wieder als Nachricht in den deutschen Medien auf.

Der oben zitierte Bild.de-Artikel stammt aus November 2009. Da war die “aktuelle US-Umfrage”, von der die Rede ist, immerhin schon anderthalb Jahre alt, was im Artikel freilich nicht erwähnt wird.

Noch ein Jahr später, im Juni 2010, entdeckte die “Daily Mail” die Geschichte

… woraufhin auch die deutschsprachigen Medien wieder aufsprangen. Zunächst Ende Juni in Österreich:

(oe24.at)

(krone.at)

Dann, Anfang Juli 2010, bei “T-Online” (obwohl das Portal schon zwei Jahre zuvor über die “neue Studie” berichtet hatte):

Und im Oktober 2010 bei RTL.de:

Auch in diesem Jahr — sieben Jahre nach Erscheinen der Studie — haben die Journalisten sie wieder für sich entdeckt. Im Mai schrieb die „Huffington Post“:

Die Autorin verlinkt sogar auf die Studie, tut aber trotzdem so (oder geht tatsächlich davon aus), als wäre das alles neu.

Die eifrigsten Sexartikelwiederverwurster sind aber selbstverständlich die Medien des Axel-Springer-Verlags.

Als die Studie herauskam, berichtete zunächst welt.de:

2009 folgte der Bild.de-Artikel, den wir oben zitiert haben:

Im Mai 2014 dann die „B.Z.“:

Bild.de im Juni 2014

… sowie im September 2014

… und irgendwann zwischendurch noch mal als Meldung im “Newsticker”:

Vor zwei Wochen dann wieder die „B.Z.“:

Und am vergangenen Sonntag wieder Bild.de:

Dass die Studie nur von sehr bedingter Aussagekraft und noch dazu uralt ist, schreiben sie nicht, aber darauf kann man ja auch nicht kommen, wenn man immer nur stumpf voneinander abschreibt.

Also, liebe Recyclingredakteure: Wenn Ihnen diese Story im nächsten Sommer wieder vor die Flinte läuft (und das wird sie ganz bestimmt), nutzen Sie die Zeit, die Sie fürs Copy-und-Pasten brauchen würden, doch lieber für was Sinnvolles. In drei Minuten schafft man ja so einiges.

Mit Dank an Fred R.

Wie man den Werther-Effekt ignoriert

Bei der Berichterstattung über Suizide sollten Journalisten sehr behutsam vorgehen. Seit Jahrzehnten ist erwiesen, dass die Selbstmordrate steigt, wenn zuvor intensiv über einen Suizid berichtet wurde (“Werther-Effekt”).

Um die Gefahr von Nachahmungstaten zu vermeiden, empfehlen Psychologen den Medien:

  • Sie sollten jede Bewertung von Suiziden als heroisch, romantisch oder tragisch vermeiden, um möglichen Nachahmern keine post-mortalen Gratifikationen in Form von Anerkennung, Verehrung oder Mitleid in Aussicht zu stellen.
  • Sie sollten weder den Namen der Suizidenten noch sein Alter und sein Geschlecht angeben, um eine Zielgruppen-Identifizierung auszuschließen.
  • Sie sollten die Suizidmethode und – besonders bei spektakulären Fällen – den Ort des Suizides nicht erwähnen, um die konkrete Imitation unmöglich zu machen.
  • Sie sollten vor allem keine Informationen über die Motivation, die äußeren und inneren Ursachen des Suizides andeuten, um so jede Identifikations-Möglichkeit und Motivations-Brücke mit den entsprechenden Lebensumständen und Problemen des Suizidenten zu vermeiden.
  • Anders gesagt: Sie sollten nicht so berichten, wie es die „Bild“-Medien in dieser Woche tun.

    In dem Fall geht es geht um einen sogenannten erweiterten Suizid, bei dem ein Mann seine beiden Kinder und sich selbst getötet hat.

    Gestern platzierte “Bild” den Fall prominent auf Seite 3 der Bundesausgabe, zeigte groß den Tatort (darum verzichten wir auf einen Ausriss des Artikels), nannte die Suizidmethode, das Alter des Mannes sowie mögliche Motive und zitierte einen Polizeisprecher mit den Worten, der Fall gehe „selbst bei erfahrenen Ermittlern“ „unter die Haut“.

    Den Spekulationen über die Ursachen widmete Bild.de sogar eigene Artikel, heute zum Beispiel den hier:

    Und weil ein Mensch, der so schlimme Dinge tut, in den “Bild”-Medien automatisch sämtliche Rechte verliert, zeigen sie heute auch ein Foto von seinem Haus — und natürlich sein Gesicht:

    Auch den genauen Tatort erwähnen und zeigen die „Bild“-Medien immer wieder. Eines der Fotos taucht dabei in jedem Online-Artikel auf, die Quelle lautet:

    Das ist glatt gelogen. Es sei denn „BILD FRANKFURT“ hat das gleiche Foto vor neun Jahren unter einem anderen Namen bei Wikipedia hochgeladen.

    Dagegen scheint uns die Quellenangabe unter dem Porträtfoto des Mannes ein wenig ehrlicher:

    Inzwischen hat Bild.de diese Angabe gelöscht.

    Mit Dank an Boris R., Niko, Sebastian R., Robert G., Diana G. und anonym.

    Siehe auch: Wenn Schlagzeilen Menschenleben kosten (Interview mit Prof. Dr. Ulrich Hegerl von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Archivlink)

Polizei? Da könnte ja jeder bitten!

Seit knapp eineinhalb Wochen sucht die Polizei Niedersachsen nach einer Familie aus Drage. Mutter, Vater und Tochter waren spurlos verschwunden, die Polizei startete eine öffentliche Fahndung. Dafür hat sie Scans der drei Passfotos auf die eigene Internet- und auf eine Facebook-Fahndungsseite gestellt. Zahlreiche Medien haben die Fotos in der aktuellen Berichterstattung verwendet — macht ja auch Sinn bei einer öffentlichen Fahndung.

Inzwischen haben die Beamten die Leiche des Familienvaters gefunden. Die dazugehörige Pressemitteilung endet mit diesem Absatz:

Medienhinweis: Die Öffentlichkeitsfahndung nach dem 41-jährigen Marco S. ist somit beendet. Es wird darum gebeten, die Fotos aus der Berichterstattung zu nehmen.

Den Hinweis hat die zuständige Polizeiinspektion Harburg spätabends am vergangenen Freitag veröffentlicht.

Und so sieht die Berichterstattung von “Bild”, Bild.de und “Bild am Sonntag” seitdem aus:

Bild.de, 1. August:

(Alle Unkenntlichmachungen von uns.)
“Bild am Sonntag”, 2. August:

Bild.de, 2. August:

“Bild”, 3. August:

“Bild”, 4. August:

Nun kann es eine etwas aufwendigere Sache sein, schon publizierte Online-Artikel zu durchkämmen und einzelne Fotos per Hand rauszulöschen. Aber all die aufgeführten Berichte sind eben erst nach der Bitte der Polizei erschienen.

Jan Krüger, Sprecher der Polizeiinspektion Harburg, sagte uns, dass eine Missachtung des Medienhinweises keine rechtlichen Schritte von Seiten der Polizei nach sich ziehe. Familienangehörige müssten sich dagegen wehren und das Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Vaters durchsetzen.

Krüger und sein Team hätten das Foto direkt nach der Identifizierung der Leiche aus dem Internet genommen, online fänden sich nur noch die Bilder der Mutter und der Tochter, nach denen weiterhin gesucht wird. Bei den Medien könne man nur darauf hoffen, dass sie der Bitte nachkommen.

Allerdings haben wir das Gefühl, dass diese Hoffnung bei den Leuten von “Bild” vergebens ist.

Mit Dank an @macerarius.

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