Archiv für 6 vor 9

Killt “Bild”?, Geschönte Referenzen, Ausbeuterische Wissenschaftsverlage

1. Killt BILD?
(diekolumnisten.de, Heinrich Schmitz)
Der Jurist Heinrich Schmitz hat sich die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung über ein Ermittlungsverfahren gegen einen früheren Fußballnationalspieler angeschaut. Seine rechtliche wie moralische Bewertung: “An Unverfrorenheit ist die Berichterstattung der BILD in diesem Verfahren kaum zu überbieten. Nicht nur, dass sie selbst ein Ermittlungsverfahren initiiert und dann zunächst exklusiv darüber berichtet, nein, irgendjemand innerhalb der Ermittlungsbehörden gibt der BILD auch noch Informationen, die dazu führen, dass der Verdächtige nicht nur von Kriminalbeamten, sondern auch gleich von ein paar BILD-Reportern aufgesucht und fotografiert wird. Das hat mit seriöser Berichterstattung nichts mehr zu tun, das ist ein medialer Pranger.”
Weitere Lesetipps: Der Fall [M.] zeigt, wie sehr die “Bild” auf den Rechtsstaat scheißt (vice.com, Juri Sternburg) sowie Sorgfalt bei Verdacht (taz.de, Christian Rath).

2. “profil”: Kurz-Biografin mit geschönten Referenzen
(profil.at)
Diese Woche erscheint das Buch “Sebastian Kurz: Die offizielle Biografie”. Geschrieben hat es Judith Grohmann, die in ihrem Lebenslauf behaupte, “die jüngste Investigativ-Journalistin und Schlussredakteurin Österreichs” gewesen zu sein: “Mit 17 ging sie zum Herausgeber des bekanntesten österreichischen Enthüllungs- und Nachrichtenmagazins profil und bot ihm an, für ihn als Investigativ-Journalistin zu arbeiten. Zwei Monate später bot ihr der selbe (sic!) Herausgeber an, neben ihrer Tätigkeit als Journalistin auch als Chefin vom Dienst für profil zu arbeiten.” Das Nachrichtenmagazin sieht das jedoch etwas anders: “Judith Grohmann dürfte 1985 zwar vorübergehend bei profil tätig gewesen sein, mit Sicherheit aber nicht als Redakteurin, geschweige denn als Chefin vom Dienst. Ihr Name scheint in keinem Impressum auf.”

3. Fünf Gründe warum Podcasts kein Geld verdienen (jedenfalls nicht einfach so)
(dirkvongehlen.de)
Seth Godin ist ein US-amerikanischer Autor und Unternehmer, der vor allem zu Internet- und Marketing-Themen schreibt. Aktuell beschäftigt er sich mit dem Thema Podcasting. Dirk von Gehlen hat einige von Godins Kernaussagen zusammengefasst — interessante Denkanstöße für Podcast-Hörende, Podcast-Machende und Podcast-Vermarktende.

4. Mit dem Zweiten wirbt man besser
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Jan Böhmermann bewirbt sich, bislang erfolglos, um den SPD-Vorsitz und nutzt dafür auch die mediale Kraft seiner ZDF-Sendung “Neo Magazin Royale”. “Das ist nicht in Ordnung”, findet Joachim Huber im “Tagesspiegel”: “Schon im Mitarbeiterkodex des ZDF heißt es: “Der Status eines ZDF-Mitarbeiters darf nicht dazu genutzt werden, sich individuelle private Vorteile zu verschaffen.” Genau das tut Böhmermann, noch dazu großzügig bezahlt mit Rundfunkbeiträgen.”

5. Das ausbeuterische Geschäftsmodell der großen Wissenschaftsverlage
(krautreporter.de, Bent Freiwald)
Die drei größten wissenschaftlichen Verlage der Welt Elsevier, Springer (hat nichts mit dem hier häufiger thematisierten Axel-Springer-Verlag zu tun) und Wiley haben ein lukratives Geschäftsmodell zur Vermarktung von wissenschaftlichen Publikationen entwickelt, das ihnen traumhafte Renditen beschert. Mittlerweile wehren sich Bibliotheken, Unis und Institute gegen die hohen Preise der Monopolisten. Bent Freiwald erklärt das zu Lasten der Allgemeinheit gehende Geschäftsmodell. Er vergleicht es mit der fiktiven Vermarktung von Straßen, die sich wohl keiner gefallen lassen würde: “Das Bauunternehmen bezahlt seine Mitarbeiter:innen nicht, sondern berechnet ihnen eine Gebühr dafür, dass sie die Straße bauen dürfen. Die Bauaufsicht, die dafür verantwortlich ist, dass die Straße den Standards entspricht, wird auch nicht bezahlt. Und wenn du über die fertige Straße fahren willst, musst du ein teures Jahresabonnement abschließen oder 30 Euro Gebühren für eine einmalige Fahrt zahlen — obwohl die Straße von deinem Geld gebaut wurde.”

6. Ein Kreuzfahrt-Werbefilmchen im Nachmittagsprogramm
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff ist ein begeisterter Zuschauer der Nachmittags-Kreuzfahrt-Serie “Verrückt nach Meer” im Ersten: “Weil es so komplett unterfordernd ist, so einfältig, so billig, so seicht.” Hoff hat einen wunderbaren Rant auf das Format verfasst: “Wäre ich Kreuzfahrtveranstalter, ich würde mir umgehend die Rechte an dieser Reihe sichern. Besseres Werbematerial gibt es nicht. So kritikloses, so blutleeres, so profilloses Fernsehen mit einem derartigen Werbepotenzial muss man sonst lange suchen.”

Streit bei der “Zeit”, Illegaler Spähverkauf, Moskaus Schikanen

1. Welchen “Streit” wollen sie?
(taz.de, Peter Weissenburger)
Die Wochenzeitung “Zeit” führt ein neues “Streit”-Ressort ein. Um “den Begriff Streit wieder positiv zu besetzen und ihm eine kleine, feine Bühne zu bieten, auf der man hart in der Sache, aber verbindlich im Ton diskutieren kann”, so “Zeit”-Chef Giovanni di Lorenzo. Dazu hat man den US-Kolumnisten Bret Stephens eingekauft, der für seine provokanten Positionen in Sachen Klimawandel bekannt ist. “taz”-Redakteur Peter Weissenburger kommentiert: “Auf Nachfrage, welche Debattenkultur Bret Stephens in die Zeit tragen soll, teilt Ressortleiter Jochen Bittner mit: dieser Standpunkt sei hoffentlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das stimmt. Aber es stimmt nicht gerade hoffnungsvoll bezüglich der Zeit-Streitkultur.”

2. Illegaler Verkauf von Spähsoftware an Türkei
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die deutsche Firmengruppe FinFisher soll die Spionage- und Überwachungssoftware FinSpy ohne Genehmigung der Bundesregierung an die türkische Regierung verkauft haben, so der Vorwurf der Gesellschaft für Freiheitsrechte, von Reporter ohne Grenzen, des European Center for Constitutional and Human Rights und von Netzpolitik.org. Die Organisationen haben gegen mehrere Geschäftsführer des FinFisher-Konglomerats Strafanzeige gestellt. Die Staatsanwaltschaft München hat daraufhin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

3. “Wir haben Freiheiten, die man sich vor 20 Jahren nicht vorstellen konnte”
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier hat sich mit den beiden deutschen Youtubern Fabian Rieck und Steven Schuto unterhalten, die den Kanal “Space Frogs” betreiben. Es geht um ihr erfolgreiches Video mit Rezo, die Tücken des Youtube-Algorithmus, das Problem der Demonetarisierung, die Reaktionen der öffentlich-rechtlichen Youtuber von Funk und die Frage, wie sich die beiden motivieren, ohne in den Burnout zu schlittern.

4. Moskau schikaniert Deutsche Welle
(djv.de, Hendrik Zörner)
Das russische Parlament wirft der Deutschen Welle “Einmischung in die inneren Angelegenheiten” des Landes vor und wollte die Vertreter des Senders offiziell einbestellen, was die Deutsche Welle abgelehnt habe. Man sei zu Gesprächen bereit, lasse sich jedoch nicht einbestellen. “Genau die richtige Reaktion. Journalisten müssen sich nicht dafür rechtfertigen, dass sie kritisch berichten”, so der Kommentar von DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner.

5. Facebook bietet Verlagen bezahlte Video-Partnerschaften an
(horizont.net)
Facebook geht Kooperationen mit Verlagen und Herausgebern ein, um an exklusive Videoinhalte zu gelangen. Als Partner hat man sich zunächst die Verlagshäuser Axel Springer, Burda sowie Gruner + Jahr herausgepickt, denen man einen zweistelligen Millionenbetrag zahlt und mit denen man die zukünftigen Werbeerlöse teilen will.

6. “Wir sind Brückenbauer im Grenzland”
(sueddeutsche.de, Peter Burghardt)
Peter Burghardt hat die Redaktion des “Nordschleswiger” besucht, die Zeitung der deutschen Minderheit in Dänemark mit kaum mehr als 1200 Abonnenten. Seit 1946 existiert die “größte deutschsprachige Zeitung Skandinaviens”, die zugleich auch die einzige ist. Das Blatt trägt sich durch Zuwendungen von Mäzenen, eine jährliche Zahlung vom Bund Deutscher Nordschleswiger von mehr als zwei Millionen Euro und eine Unterstützung des Königreichs Dänemark (400.000 Euro). Ab Februar 2021 werde man sich vollkommen auf den digitalen Vertriebsweg konzentrieren.

“NZZ” vs. Wissenschaft, Waldorf in Tagesthemen, Hortensien geraucht?

1. Die NZZ gegen die Wissenschaft
(infosperber.ch, Lukas Fierz)
Als “Desinformationskampagne” bezeichnet Lukas Fierz die in der “NZZ” erscheinenden Beiträge zur Klimafrage: “Mit wachsender Verärgerung und Besorgnis lese ich (…) in der NZZ Artikel, die in der Klimafrage wissenschaftliche Tatsachen als Meinung darstellen und ihnen die Meinung von Schwätzern und Interessenvertretern gegenüberstellen, um den Eindruck zu erzeugen, dass es darüber noch eine “Debatte” gebe.”

2. Wer lesen will, muss bezahlen
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz, Audio: 5:57 Minuten)
Immer mehr Regional- und Lokalzeitungen errichten Paywalls und hoffen auf möglichst viele Digitalabonnenten. Die Verlage probieren derzeit die verschiedensten Varianten und Modelle aus, von der “Time-Wall” bis zum Sparten-Abo oder der “Total-Schranke”.

3. Wie sich bento neu erfinden wird
(medium.com/@devspiegel)
Ein Jahr hat der “Spiegel” an einer tiefgreifenden Umstrukturierung gearbeitet, an deren Ende die Zusammenlegung von Print- und Onlineabteilung steht (“Projekt Orange”). Vier Jahre nach Gründung des Junge-Leute-Ablegers “Bento” überarbeitet der “Spiegel” nun Website und Angebot. In einem Blogbeitrag erklärt die Redaktion, was bei “Bento” bleiben, was weichen und was dazukommen soll.

4. Werbeunterbrechung für Waldorfschulen in den Tagesthemen
(hpd.de, Andreas Lichte)
In den “Tagesthemen” gab es einen Beitrag über Waldorfschulen, der ohne jede Kritik auskam. Was vielleicht auch daran lag, dass die beteiligte Journalistin nicht nur Waldorfschülerin war, sondern auch Vorstandsmitglied eines Waldorfvereins ist, auf Podien von Waldorfveranstaltungen spricht und demnächst eine Waldorffestveranstaltung moderiert. Andreas Lichte kommentiert: “Nun ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn Journalistinnen und Journalisten sich in dem Themenfeld, über das sie berichten, auskennen. Wer allerdings, wie Esther Saoub, so eng mit der Waldorfbewegung verbunden ist, den sollte sein eigenes journalistisches Berufsethos davon abhalten, Berichte über das Thema für öffentlich-rechtliche Medien zu gestalten. Sollte das eigene Berufsethos versagen, so wäre es Aufgabe der Tagesthemen-Redaktion, entsprechende Interessenkonflikte aufzuspüren und von einer Beauftragung abzusehen. Dass beides nicht geschehen ist, ist traurig.”

5. “Live ist spannender”
(taz.de, Wilfried Urbe)
Talkmaster Jürgen Domian drängt es wieder in die Talk-Domäne, ab November ist er mit seiner neuen Show im WDR zu sehen: “Ich wundere mich schon seit Jahren, dass es im deutschen Fernsehen keinen No-Name-Talk gibt, also eine Talkshow, in der ausschließlich nichtprominente Menschen zu Wort kommen. Meine Nachtsendung hat bewiesen, dass ganz normale Leute hochinteressante, spannende, zu Herzen gehende und tolle Geschichten zu erzählen haben. Im Übrigen wird unser Format sich von den anderen Talkshows auch dadurch unterscheiden, dass ich nicht nur Interviewer und Talkmaster sein werde, sondern, so wie auch im Nighttalk damals, Gesprächs- und Diskussionspartner, Zuhörer und vielleicht auch Ratgeber.”

6. Die Mafia mit der Gartenschere
(kontextwochenzeitung.de, Minh Schredle)
Stimmt es wirklich, dass Hortensien-Junkies sich über fremde Blumenbeete hermachen, weil die Knospen so wirkungsvoll sind wie feinstes Cannabis? Minh Schredle schreibt über ein Boulevardthema, bei dem die einzigen Bekifften anscheinend die Reporter waren, die mit viel Fantasie den Unfug aufgeschrieben haben.

Krankentracking, “Jerks”-Klischees, Schief gewickelt

1. Wie Hilfesuchende im Netz erfasst werden
(sueddeutsche.de, Jannis Brühl & Felix Ebert & Svea Eckert & Jan Strozyk & Vanessa Wormer)
Wer sich im Netz über psychische Erkrankungen informiert oder einen Depressions-Selbsttest durchführt, muss damit rechnen, dass seine Daten an Dritte weitergegeben werden. Das hat eine Analyse der Organisation Privacy International ergeben, die der “Süddeutschen Zeitung” und dem NDR vorliegt: “Heikel ist das vor allem, weil wenige Themen so schambesetzt sind wie psychische Krankheiten. Daten, die Rückschlüsse auf die Gesundheit Einzelner zulassen können, sollten deshalb nicht nur in der Krankenakte beim Arzt, sondern auch im Netz besonders geschützt sein.”

2. “Jerks”: Sind Klischees über behinderte Menschen witzig?
(ze.tt, Konrad Wolf)
Der studierte Theaterregisseur und Autor Konrad Wolf hat sich angeschaut, wie in der Comedyserie “Jerks” mit dem Thema Behinderung umgegangen wird: “Die Serie gibt vor, mit Klischees zu spielen. Aber tut sie das wirklich? Der Serie gelingt in den Szenen, die die Behinderung thematisieren, nicht, was ihr in vielen anderen Szenen sehr wohl gelingt: dass der Witz auf Christian und Fahri zurückfällt. Jerks bedient die Klischees über Menschen mit Behinderung, ohne sie überraschend zu brechen.”

3. Geleakte Lobbystrategie: VG Media fühlt sich missverstanden und entschuldigt sich
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Netzpolitik.org hat vor ein paar Tagen über ein internes Schreiben einer “Verwerterlobby” berichtet, zu der unter anderem der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Börsenverein des deutschen Buchhandels gehören, aber auch die Kinderschützer von Innocence in Danger, die “eine große Kampagne” plane, “um für mehr Regulierung der Digitalkonzerne zu werben.” Nun hat sich die Lobbyorganisation VG Media zu Wort gemeldet und sich “für missverständliche Formulierungen” entschuldigt. Markus Beckedahl ist nicht überzeugt: “Für uns zeigte sich vor allem eine große Doppelmoral: Die beteiligten Verlegerverbände kämpfen auf EU-Ebene Hand in Hand mit den Digitalkonzernen gegen besseren Datenschutz und Verbraucherrechte beim intransparenten Tracking und drohen dabei mit dem “Ende der Demokratie”.”

4. Liebe 20 Minuten-Redaktion…
(daslamm.ch, Miriam Suter)
Miriam Suter ärgert sich über einen Artikel der kostenlosen Schweizer Pendlerzeitung “20 Minuten” zum Wickeln eines Kindes in der Öffentlichkeit: “Dass sich eine Frau 2019 tatsächlich noch immer schämen muss, wenn sie ihr Kind in der Öffentlichkeit wickelt oder stillt, ist auch Artikeln wie euren zu verdanken. Dass die Frau dafür öffentlich an den Pranger gestellt wird und man in euren Kommentarspalten gar von ihr verlangt, sich öffentlich für ihr “Verhalten” zu entschuldigen, ist einer übertrieben klickgeilen Art von Journalismus geschuldet, wie ihr ihn betreibt. Es ist eine bewusste redaktionelle Entscheidung von euch, mit Frauenfeindlichkeit Geld zu machen.”

5. YouTube löscht Rekordzahl an Hassvideos
(tagesschau.de)
Youtube hat im vergangenen Quartal nach eigenen Angaben wesentlich mehr Videos wegen Hassinhalten gelöscht als bisher. Mehr als 100.000 Videos habe das Netzwerk gelöscht, das sei fünfmal so viel wie zuvor. Des Weiteren habe man 17.000 Youtube-Kanäle wegen Hassinhalten gesperrt und mehr als 500 Millionen Kommentare unter Videos entfernt. Leider fehlen Zahlen zur quantitativen Gesamtentwicklung, mit denen sich die Entwicklung besser einordnen lassen würde.

6. Ich bin ein Mann mit Bauch
(faz.net, Anna Vollmer)
Der (derzeit geschäftsführende) italienische Innenminister und Lega-Nord-Politiker Matteo Salvini ist ein Meister der Selbstinszenierung. Auf seinem Twitter-Account soll er bereits über 11.000 Fotos und Videos gepostet haben. Der rassistische Politiker und volkstümliche Kumpel von nebenan sende dabei gerne doppeldeutige Signale: “Salvinis Fotos suggerieren ein Italien-Bild, bei dem es vor allem um drei Dinge geht: Essen, Fußball und Katholizismus. Themen, die auch in den klassischen italienischen Komödien immer wieder eine Rolle spielen. Wo die Filme jedoch mit Leichtigkeit und Selbstironie daherkommen, haben Salvinis Bilder einen doppelten Boden, der durchaus politisch ist. Indem Salvini vorgibt, was italienisch ist, zeigt er auch, wer nicht dazugehört.”

Wahlberichterstattung, Jatta ist Jatta, “Das sagt man nicht!”

1. Schön komfortabel für die AfD
(zeit.de, Matthias Dell)
Matthias Dell analysiert den Wahlabend im “Ersten” mit Fokus auf die AfD. Der Sender sei daran gescheitert, angemessen über die Partei zu berichten: “Die eigentlich doch bestens informierten ARD-Journalisten haben in sechs Jahren AfD-Auftritten scheinbar nicht verstanden, worum es sich bei der Partei handelt, wie verschieden sie intern und nach außen spricht und mit welchen Lügen und falschen Selbstviktimisierungen sie sich ihren Platz im öffentlichen Diskurs erbrüllt hat.”
Die “taz” sieht das ähnlich, wenn sie den Umgang des MDR mit der AfD kritisiert und fragt: “Darf das passieren?”

Weiterer Lesetipp: Netzpolitik.org hat ein paar Beispiele für guten Datenjournalismus zur Wahl zusammengesucht: Wahlen in Brandenburg und Sachsen: Diese Grafiken und Karten visualisieren den Rechtsruck
Für den “Tagesspiegel” hat Sebastian Leber das brandenburgische “AfD-Rekorddorf” Hirschfeld im Elbe-Elster-Kreis besucht und eine lesenswerte Reportage mitgebracht.

2. Absurd peinliches CSU-Video: CSYOU im Faktencheck
(vice.com)
Die CSU hat auf ihrem Youtube-Kanal ein Video veröffentlicht, das auf viele wie eine Karikatur eines jugendlich-flippigen Beitrags im Rezo-Style wirkt. Kein Wunder, dass das Video viele negative Reaktionen hervorruft (bislang 94.000 Daumen nach unten, bei 2400 Daumen nach oben). Außerdem wird vielerorts der Vorwurf geäußert, die CSU habe negative Kommentare gelöscht — was von der CSU jedoch bestritten wird. Aber es besteht auch inhaltliche Kritik an dem Werk: Journalist Sebastian Meineck hat einige der Behauptungen aus dem Video einem Faktencheck unterzogen (Twitter-Thread). Sein Fazit: “Diese Häufung irreführender Informationen ist ein sehr schlechter Stil. Hinzu kommt das Cringefest aus Schnitten, Soundeffekten und hippeligem Host. Mehr als 3 Monate nach dem Rezo-Video ist das eine Riesenblamage.”

3. 5 Learnings aus einem Jahr Paywall
(medium.com, Martin Fehrensen)
Martin Fehrensen ist der Herausgeber des “Social Media Briefings”. Dabei handelt es sich um Fachinformationen, die zwei- bis dreimal die Woche per Newsletter an die (zahlenden) Abonnenten verschickt werden. In einem Bericht hat Fehrensen seine fünf “Learnings” notiert, die er im vergangenen Jahr, seit sein Angebot hinter einer Paywall steht, gewonnen hat. Davon könnten auch andere journalistische Angebote profitieren, die auf der Suche nach tragfähigen Finanzierungsmodellen sind.

4. Rassistischer Konjunktiv
(taz.de, Johannes Kopp)
Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat gestern mitgeteilt, dass es sich bei dem HSV-Fußballer Bakery Jatta tatsächlich um Bakery Jatta handelt. Eigentlich könnte nun endlich Schluss sein mit den vom Springer-Verlag ausgehenden Spekulationen um die Identität des gambischen Fußballprofis. Springer zündele jedoch munter weiter: “Dass der Springer-Verlag seine eigenen Mutmaßungen für beweiskräftiger hält als die Einträge im Geburtenregister von Gambia mag auch deren rassistischen Vorstellungen geschuldet sein.”

5. Das sagt man nicht!
(spiegel.de, Nils Minkmar)
In einem Essay hat sich Nils Minkmar mit der oftmals geäußerten Behauptung auseinandergesetzt, man dürfe heutzutage nicht mehr sagen, was man denke. Dies führe zu unterschiedlichen Verhaltensweisen, etwa dem Rückzug ins Schweigen oder dem lautstarken Schimpfen im Netz. Bei der Antwort auf übertriebene Ängste seien Politikerinnen und Politiker oftmals überfordert. Daher sollten sie von anderen Akteuren, Unternehmerinnen und Unternehmern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Künstlerinnen und Künstlern unterstützt werden: “Sicher ist, dass ein neuer Prozess nötig ist — man kann nicht immer nur retrospektiv den Aufstieg der Nazis von 1933 verhindern wollen. Die Dialektik von Provokation und Empörung führt zu Lagerbildung, und irgendwann sind alle nur noch beleidigt. Etwas Sportsgeist und Forscherdrang helfen in diesen bewegten Zeiten weiter. Was gesagt wird, ist mitunter nicht halb so spannend wie die Gründe, die Gedanken und Ansichten, die zu der Aussage führten.”

6. Gehet hin und bleibt zu Hause
(faz.net, Nele Antonia Höfler)
Die Kirche hat es heutzutage schwer. Jahr für Jahr gehen die Mitgliederzahlen zurück und die meisten Gotteshäuser sind nur zu den Feiertagen oder bei besonderen Anlässen voll. Da liegt der Gedanke nahe, die Leute dort abzuholen, wo sie sind: im Internet. Nele Antonia Höfler stellt Geistliche vor, die online aktiv sind und die “Frohe Botschaft” via Youtube verbreiten.

Entzauberte Verlagsmythen, Talkshows hassen, Wahlprogramme

1. Weil der Verlag sich ändern muss – Version 2019
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer hat einen langen, aber gut durchstrukturierten Text über die aktuelle Situation der deutschen Medien und Verlage geschrieben. Dabei räumt er mit den vielen Mythen auf, die in dem Zusammenhang gerne als Erklärung beziehungsweise Ausrede für sinkende Verkaufszahlen herangezogen werden. Lesenswert nicht nur für Medienmachende, sondern auch für Medienkonsumierende.

2. Warum Clickbait-Überschriften keine schlechten Überschriften sein müssen
(zeitgeist.rp-online.de, Christian Albustin)
Auf dem Campfire-Festival 2019 sprachen unter anderem vier Chefredakteurinnen beziehungsweise Chefredakteure aus dem Rheinland über ihre Sorgen und Hoffnungen. Vier Erkenntnisse hätten sich herauskristallisiert: 1. In wenigen Jahren könnte der Boulevard-Print tot sein. 2. Clickbait-Überschriften sind gute Überschriften — wenn sie nicht zu viel versprechen. 3. Podcasts sind ein ideales Medium fürs Stauland NRW. 4. Journalistinnen und Journalisten müssen noch mehr um Glaubwürdigkeit kämpfen.

3. “Eine versteinerte Diskussion”
(spiegel.de, Arno Frank)
Der “Spiegel” hat sich mit Oliver Weber unterhalten, dem Autor des Buchs “Talkshows hassen”. Weber rät den Talk-Redaktionen, bei der Zusammenstellung der Gäste nicht nur an Fachleute zu denken: “Ich würde empfehlen, dass man öfter Bürger einlädt. Talkshows sollten sich auch nicht in Expertengremien verwandeln. Macht muss sich auch im Fernsehen darstellen und zu Ansichten und Meinungen eine Stellung beziehen können. In der Talkshow können Parteipolitiker nicht mehr selbst die Konstellation festlegen, in der sie ihre Standpunkte vertreten. Das ist ein Vorteil der Talkshow.”

4. Nur tote Soldaten zählen
(taz.de, René Martens)
Christoph Heinzle und Kai Küstner, früher ARD-Korrespondenten in Afghanistan, erzählen in einer Radio- und Podcastserie vom Bundeswehreinsatz in dem Land. In den sechs Folgen geht es neben der Schilderung der Geschehnisse auch um die öffentliche Debatte und die mediale Verarbeitung.
Hier geht es zu den Folgen: Folge 1
, Folge 2, 
Folge 3, Folge 4, Folge 5, Folge 6.

5. Exklusiv: Verwerter planen Lobby- und Medienkampagne gegen Digitalkonzerne
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Netzpolitik.org berichtet über ein internes Schreiben einer “Verwerterlobby”, zu der unter anderem der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Börsenverein des deutschen Buchhandels gehören, aber auch die Kinderschützer von Innocence in Danger, die “eine große Kampagne” plane, “um für mehr Regulierung der Digitalkonzerne zu werben.” Das Ziel, so steht es in dem Schreiben, sei die “Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung zum Umgang mit Digitalmonopolisten und sich daraus ergebende mittelbare Ertüchtigung von Beamten, Politikern, Richtern und Entscheidungsträgern”. Für diesen Zweck sollen Medienunternehmen frei Werbeplätze zur Verfügung stellen.

6. Wahlprogramme oft unverständlich
(politik-kommunikation.de, Judith Cech)
Forscher der Universität Hohenheim haben die Wahlprogramme der brandenburgischen und sächsischen Parteien auf Verständlichkeit hin überprüft. Sie stießen auf zu lange Sätze, viele Fachbegriffe, Fremdwörter sowie zusammengesetzte Worte und bildeten daraus den “Hohenheimer Verständlichkeitsindex”.

Ferndiagnostiker, Wolkenformationen, Medienkampagne SPD-Vorsitz

1. Vorsicht, Ferndiagnose!
(uebermedien.de, Hinnerk Feldwisch-Drentrup)
Bei Kriminalfällen und Katastrophen bemühen die Medien gern Experten, die auf die Schnelle und aus der Ferne Täter und Tathergang begutachten. Oft, ohne vor Ort gewesen zu sein und ohne mit dem oder den Betroffenen gesprochen zu haben. Hinnerk Feldwisch-Drentrup schreibt über ein mediales Phänomen, das sich an der Grenze zum Unredlichen und Unmoralischen bewegt.

2. “Ein großes Missverständnis”
(sueddeutsche.de, Peter Münch)
Der Tiroler Blogger Markus Wilhelm sollte eigentlich einen mit 10.000 Euro dotierten Journalistenpreis erhalten, doch er hat die Annahme des Preises abgelehnt. Das habe vor allem mit den beiden neuen Sponsoren zu tun: Dem Land Burgenland und der Esterházy-Stiftung, denen er eine “Law-and-Order-Politik” und “feudalistisches Denken” vorwirft: “Ich schreibe nicht ein Leben lang gegen diese Zustände, um mich dann mit ihnen gemein zu machen.”

3. Instagram-Fakes: Wenn die Wolken immer gleich schön aussehen
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Eine argentinische Reise-Influencerin hat auf Instagram Bilder gepostet, bei denen immer die gleichen Wolkenformationen zu sehen sind. Ermöglicht durch eine App, die den Bildhintergrund austauscht und für mehr Drama sorgt. Nun wird diskutiert, ob ein derartiges Fälschen von Bildern erlaubt sei, oder ob Instagram eh ein Ort von Inszenierung und Manipulation sei.

4. Neu: DIE POLITIKANALYSE #1 – Kandidatencheck Sachsen & Brandenburg
(youtube.com, Wolfgang M. Schmitt & Tilo Jung, Video: 20:47 Minuten)
Auf Tilo Jungs Youtube-Kanal gibt es ein neues Format: Die Politikanalyse von Wolfgang M. Schmitt. Dabei dienen Ausschnitte aus Jungs Politikerinterviews als Basis für einen “ideologiekritischen Blick auf die Politik von heute”. In der ersten Folge befasst sich Schmitt mit den Interviews vor den Wahlen in Brandenburg und Sachsen.

5. Christian Fuchs über… Grenzen
(message-online.com, David Baldauf)
Im Interview mit “Message” spricht Investigativreporter Christian Fuchs über Schwierigkeiten bei der Recherche im rechten Umfeld, ethische Grenzen und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen: “Gerade im investigativen Bereich geht es oft nur noch in Gruppen, weil einem einfach die Expertise für andere Länder fehlt. Die allermeisten Kooperationen und Verbünde, die ich mit ausländischen KollegInnen hatte, waren sehr fruchtbar und für alle Seiten ein Gewinn. Ich würde es jedem empfehlen, seine Fühler auch in die anderen Länder auszustrecken, denn ich glaube, die allermeisten Themen sind heute international und man braucht die Kontakte ins Ausland, um sauber arbeiten zu können.”

6. Ich, Jan Böhmermann, bewerbe mich als SPD Vorsitzender!
(youtube.com, Jan Böhmermann)
Jan Böhmermann möchte Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands werden. Ein in vielerlei Hinsicht ehrgeiziges Vorhaben: Die Bewerbungsfrist endet am Sonntag um 18 Uhr. Bis dahin muss Böhmermann in die Partei aufgenommen worden sein. Außerdem müssen fünf SPD-Unterbezirke, ein Bezirk oder ein Landesverband seine Kandidatur unterstützen.

Kultur als Kampffeld, Offener Brief zu “Todeslisten”, Regenwald-Bilder

1. Druck von rechts
(sueddeutsche.de, Peter Laudenbach & John Goetz)
Die Neue Rechte ist durchtränkt von der Ablehnung eines weltoffenen und liberalen Kulturlebens. Vielerorts hat sie die Kultur als regelrechtes Kampffeld für sich entdeckt. Und seit Einzug der AfD in die Parlamente wird auch mit parlamentarischen Anfragen Stimmung gegen Kultureinrichtungen gemacht. Das ARD-Kulturmagazin “Titel, Thesen, Temperamente” und die “SZ” haben einige Vorfälle der vergangenen Jahre exemplarisch dokumentiert. Es ist eine erschreckende Chronik der Hetze gegen Kultur und Kulturschaffende in diesem Land.

2. Lena Meyer-Landrut gewinnt gegen Bild-Zei­tung
(lto.de)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer bemerkenswerten Entscheidung festgestellt, dass die “Bild”-Zeitung in unzulässiger Weise über Nacktfotos von Popstar Lena Meyer-Landrut berichtet hat. Die Zeitung habe damit das Persönlichkeitsrecht der Sängerin verletzt. Der BGH ist auch auf die “Anlockwirkung” der Berichte eingegangen: “Zwar zeigten diese nicht die Bilder oder führten direkt zu ihnen, doch könnten sich dadurch viele Leser — speziell durch den Hinweis “mit ein paar Klicks kann jeder die Dateien sehen” — veranlasst sehen, selbst nach ihnen zu suchen, so die Befürchtung der Richter. Indem man die Erpresser-Tweets wiedergebe, lasse man den Leser zudem daran teilhaben, “wie die Klägerin gegen ihren Willen zum reinen Objekt des Bildbetrachters wird und dadurch ein Ausgeliefertsein sowie eine Fremdbestimmung erfährt, die als demütigend wahrgenommen wird”. Als Opfer einer vorangegangenen Straftat sei Meyer-Landrut darüber hinaus besonders schutzwürdig.”

3. “Todeslisten”: Offener Brief an Innenminister Seehofer
(netzwerkrecherche.org)
Sechs Journalisten- und Medienverbände fordern in einem Offenen Brief an Innenminister Horst Seehofer Aufklärung über die von Rechtsextremen aufgestellten “Todeslisten”. Es gehe um die Sicherheit von Medienschaffenden und die Möglichkeit der ungehinderten Berufsausübung. “Zudem fordern wir zu den nötigen Schritten auf, um Medienschaffenden bundesweit wieder zu ermöglichen, eine unkomplizierte Auskunftssperre für Privatadressen im Melderegister zu erwirken. In einigen Bundesländern muss inzwischen eine akute Gefahr für Leib und Leben nachgewiesen werden, damit eine Auskunftssperre erfolgt — dann könnte es bereits zu spät sein, um sich zu schützen.”

4. Alarm wie aus dem Bilderbuch
(taz.de, Ingo Arzt)
In den Medien zirkulieren farblich bearbeitete Satellitenbilder des brennenden Regenwaldes, die teilweise falsch interpretiert werden, schreibt Ingo Arzt. Die roten Flächen würden nämlich nicht die tatsächliche Größe der Feuer zeigen, sondern lediglich als eine Art Markierung dienen. Die tatsächlichen Feuer könnten, je nach Darstellung der Karte, um den Faktor 100.000 kleiner sein. Umwelt- und Wirtschaftsredakteur Arzt fordert: “Die zum Teil irreführende Darstellung der Feuer auf vermeintlich objektiven Bildern aus dem All bedürfen der Erklärung. Weil sonst die Glaubwürdigkeit derer leidet, die auch weiter um den Erhalt der Wälder ringen, wenn die mediale Karawane weitergezogen ist.”

5. “Als etwas dümmliche Masse wahrgenommen”
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf, Audio: 5:52 Minuten)
Die Journalistin Marieke Reimann empfindet die Berichterstattung über Ostdeutschland als ein “großes Problem für die gesellschaftliche Gesamtwahrnehmung”. Reimann kritisiert, “dass wir auch 30 Jahre nach dem Mauerfall nach wie vor eine hauptsächlich westzentrierte (…) Ostdeutschland-Berichterstattung haben, die oft Ostdeutsche pauschalisiert und als homogene Masse darstellt, fast nie über die 80 Prozent berichtet, die eben nicht rechts wählt. Und, wenn es um die Bebilderung von Artikeln geht, auch dort oft pauschal herabsetzt, vielleicht sogar diskriminiert oder zu Altbewährtem wie Plattenbauten und Trabbis greift, um dort Sachen zu bebildern.”

6. Mikro noch offen: Jan Hofer plaudert über seine Bitcoins
(t-online.de, Jannis Seelbach)
Aufgrund einer Panne beim Digitalsender Tagesschau24 blieben die Mikrophone in einer Pause offen. Nachrichtensprecher Jan Hofer erzählt seinem Kollegen unter anderem, dass seine Bank eine Neubewertung seiner Immobilien vorgenommen habe und flüstert “teilweise das Dreifache …”. Die Redaktionsleiterin habe auf Nachfrage von t-online.de erklärt, dass es sich um ein privates Gespräch gehandelt habe, das nicht ernst gemeint gewesen sei.

Datenspendedienst, Filmbranche mit Nachwuchssorgen?, Nationalitäten

1. Blutspendedienst übermittelte heikle Daten an Facebook
(sueddeutsche.de, Matthias Eberl)
Der Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes hat auf seiner Website gesundheitsbezogene Daten abgefragt und diese, ob bewusst oder unbewusst, Facebook zugänglich gemacht. Matthias Eberl von der “Süddeutschen Zeitung” erklärt, wie das technisch geschehen konnte. Auf das Problem angesprochen, habe der Sprecher des Spendedienstes bestritten, dass sich aus den Daten Rückschlüsse auf Krankheiten einzelner Personen ziehen lassen. Die “SZ”-Recherche zeige jedoch, dass dem nicht so sei: “Unklar bleibt, warum der BSD Facebooks Überwachung einsetzte, wie lange diese aktiv war und wie viele Menschen die Umfrage mitmachten. Sie lief mindestens seit dem Frühjahr. Jährlich spenden beim BSD 250 000 Personen Blut, sodass erhebliche Mengen Krankheitsdaten bei Facebook liegen könnten. Der Blutspendedienst machte keine Angaben zu Dauer und Nutzerzahl der Umfrage.”

2. Security by Obscurity: Nach dreieinhalb Jahren vor Gericht
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Das Transparenzportal “FragdenStaat” wollte vom Gesundheitsministerium wissen, welche Domains die Behörde betreibe. Eine einfache Frage, die mit einer kurzen Mail eigentlich beantwortet sein müsste, meint man. Doch weit gefehlt: Das Ministerium verweigert die Information und hat sich deshalb sogar verklagen lassen. Seitdem sind über drei Jahre ins Land gegangen. Eine unerträgliche Situation, wie Arne Semsrott von “FragdenStaat” findet: “Hätten wir die Ergebnisse der Klage damals etwa journalistisch oder für Forschung nutzen wollen, wäre die Klage absolut nutzlos gewesen. Die Überlastung der Justiz führt dazu, dass das Recht auf Informationsfreiheit vielerorts nicht effektiv in Anspruch genommen werden kann.”

3. Frankfurter PR-Berater hetzt auf CDU-Seite gegen “Wilde”
(fr.de, Katja Thorwarth & Daniel Dillmann)
Der berühmt-berüchtigte PR-Berater Moritz Hunzinger hat auf Facebook Flüchtlinge als “Wilde” bezeichnet. Die “Frankfurter Rundschau” kommentiert: “Es ist erschreckend, dass ein prominenter Geschäftsmann tatsächlich glaubt, solche Äußerungen als seriös getätigte Meinung in den sozialen Netzwerken zu verbreiten, ohne dass sein Ruf Schaden nehme. Und es ist bedenklich, dass ein Bundestagsabgeordneter und langjähriger CDU-Politiker wie Matthias Zimmer diesem schäbigen Rassismus nur dezent widerspricht, statt die Hetze von seiner Facebook-Seite zu nehmen.”

4. Ein Jahr Projekt Orange – was wir geschafft haben
(medium.com, Susanne Amann & Birger Menke)
Es hört sich einfach an, aber es stecken mehr Anstrengungen dahinter, als man ahnt: Beim “Spiegel” werden die Print- und die Onlineabteilung zusammengelegt. Nach einem Jahr Vorlaufzeit soll es nun am 1. September in den “Gemeinschaftsbetrieb” gehen. Im “Spiegel”-Blog erklären Susanne Amann und Birger Menke von der “Projektleitung Orange” die Auswirkungen auf Ressorts, Strukturen und Arbeitsabläufe.



5. Polizei in NRW soll künftig Nationalität aller Tatverdächtigen nennen
(faz.net)
Das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen hat die Pressestellen der Polizei angewiesen, generell Angaben zur Nationalität von Tatverdächtigen zu machen, sofern diese bekannt ist. Andere Bundesländer handhaben dies nicht so, und auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat eine andere Sichtweise: Die Nationalität von Tatverdächtigen spiele bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit immer eine Rolle, Ermittlungsergebnisse würden aber nur begrenzt in die Öffentlichkeit gehören: “Deshalb kann es eine generelle Transparenz bei der polizeilichen Pressearbeit in diesem Zusammenhang nicht geben.”
Weiterer Lesehinweis: NRW als Vorbild für ganz Deutschland? (deutschlandfunk.de, Sören Brinkmann).

6. Film & Fernsehen: Eine Branche mit großen Nachwuchssorgen
(blmplus.de, Lisa Priller Gebhardt)
Die Filmproduktionsbranche leidet unter Fachkräftemangel, die Produzenten jammern über Nachwuchssorgen. Teilweise müssten Produktionen verschoben werden, weil kein komplettes Team zur Verfügung stehe. Was im Artikel leider nicht thematisiert wird, sind die teilweise unterirdischen Einstiegsgehälter der Branche, die ein Überleben an Medienstandorten wie Köln nahezu unmöglich machen.

Hetzjagd in Chemnitz, Twitterleid, Goethes Vergewaltigungslyrik

1. Rechtsextreme wollten Migranten jagen
(tagesschau.de, Lena Kampf & Katja Riedel & Sebastian Pittelkow)
Im Zuge der Ausschreitungen in Chemnitz vor einem Jahr kam es zu Angriffen auf Migranten und vermeintliche Migranten. Damals entstand eine große mediale und politische Debatte darüber, ob es sich bei bestimmten Szenen um eine “Hetzjagd” gehandelt habe. Der damalige Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, stritt dies vehement ab. Nun wurden Chats von rechtsextremen Demonstrationsteilnehmern ausgewertet, die selbst den Begriff “Jagd” verwendeten.

2. “Ein bärtiger Sandalen-Hipster bringt die Zensur zurück nach Deutschland”
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Tom Hillenbrand erzählt über seine Erfahrungen mit dem Kurznachrichtendienst Twitter, der ihn wegen eines harmlosen Witzes gesperrt hat: “Twitter ist ein globaler Konzern und verhält sich wie eine schmierige Versicherungsbude. Es gibt zwar eine deutsche Geschäftsführung, aber keine Adresse, an die man Abmahnungen und Einstweilige Verfügungen schicken kann. Die versuchen bewusst, sich zu verstecken und ignorieren Entscheidungen deutscher Gerichte. Diese Erfahrung habe nicht nur ich gemacht. Das geht anderen gesperrten Nutzern genauso, die sich ebenfalls wehren. Dieses Unternehmen ist genauso seltsam wie sein Chef Jack Dorsey: Ein bärtiger Sandalen-Hipster, der in seiner Freizeit in einer eiskalten Kryo-Kammer rumsitzt, bringt die Zensur zurück nach Deutschland.”

3. Künstlerkollektiv gegen Goethe: “Das ist humoristische Vergewaltigungslyrik”
(bento.de, Fabian Schmidt)
Das Künstlerkollektiv “Frankfurter Hauptschule” kritisiert Goethes “humoristische Vergewaltigungslyrik” und hat das Gartenhäuschen des Dichters videowirksam mit Klopapier beworfen. Konkret geht es um das bekannte Werk “Heidenröslein”, in dem Goethe eine Vergewaltigung verharmlose. Dort heißt es in der letzten Strophe: “Und der wilde Knabe brach / ‘s Röslein auf der Heiden / Röslein wehrte sich und stach / Half ihm doch kein Weh und Ach, / Mußt’ es eben leiden.” “Bento” hat mit einem der Vertreter der Gruppe über die Aktion und ihren Hintergrund gesprochen.

4. Das Märchen von der Sogwirkung
(spiegel.de, Oliviero Angeli)
“Die wollen es sich bei uns bequem machen … Die kommen alle, weil Merkel sie eingeladen hat … Der UN-Migrationspakt wird eine Invasion auslösen … Seenotrettung lockt Flüchtlinge aufs Meer …” Politikwissenschaftler und Migrationsexperte Oliviero Angeli hat die beliebtesten Behauptungen von rechts einem Faktencheck unterzogen. Abspeichernswert für das nächste Gespräch mit dem Besorgtbürger von nebenan.

5. Radikalisierung durch YouTube? Großzahlige Studie zur Empfehlung rechtsextremer Inhalte
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Um “Radikalisierungspfade” auf Youtube nachzuzeichnen, hat eine neue Studie die Empfehlungsalgorithmen des Netzwerks untersucht und dazu einen großen Datensatz mit 300.000 Videos, zwei Millionen Empfehlungen und 79 Millionen Kommentaren herangezogen. Das Fazit der Forscher: “Wir liefern starke Belege für Radikalisierung unter YouTube-Nutzern sowie dafür, dass YouTubes Empfehlungssystem das Entdecken von rechtsextremen Kanälen unterstützt, und das sogar in einem Szenario ohne Personalisierung.”

6. Lieber keine Journalisten-Fragen
(deutschlandfunk.de, Friedbert Meurer)
Es ist eine neue Taktik von rechtspopulistischen Politikern: Interviews mit der Presse ausweichen und stattdessen die eigenen Social-Media-Kontakte nutzen, um Informationen zu streuen. Auch Boris Johnson, neuer Premierminister des Vereinigten Königreichs, setzt auf diese Methode. Friedbert Meurer kommentiert: “Interviews können riskant sein für Politikerinnen und Politiker. Es kommt aber noch etwas Entscheidendes hinzu: im Zeitalter der sozialen Medien fragen sich Politiker immer mehr, warum sollen wir uns Interviews antun, wenn es doch auch anders, leichter und schneller geht?”

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