Archiv für 6 vor 9

“The Buzzard”, Versteckte TikTok-Videos, Böhmermanns Abschied

1. Ein merkwürdiges Verbrechen
(spiegel.de, Thomas Fischer)
Der frühere Bundesrichter und heutige “Spiegel Online”-Kolumnist Thomas Fischer schreibt über den Tötungsdelikt von Augsburg und geht auch auf die Berichterstattung darüber ein: “Auf der Stecke bleiben dabei die Betroffenen: Die Tatopfer, aber auch die Beschuldigten. Sie werden zu Spielbällen einer willkürlich, zufällig und zynisch erscheinenden Konstruktion von Medien-Wirklichkeit erniedrigt. Auch die Wahrheit bleibt auf der Stecke, wenn Kriminalität nurmehr als Abfolge von ‘Unfassbarem’, als Anlass sich steigernden ‘Abscheus’, als unterhaltsame Serie über die schlimmsten Täter, die ärmsten Opfer und die härtesten Knäste wahrgenommen wird.”

2. Den Blick auf die Welt weiten – mit rechtsradikalen Blogs?
(uebermedien.de, Felix Huesmann)
“Mit Buzzard bekommst du einen ganz neuen Zugang zur Nachrichtenwelt. Eine App, die deinen Blick weitet für Perspektiven des ganzen Meinungsspektrums”, verspricht das Medien-Startup “The Buzzard” und sammelte bei einem Crowdfunding rund 170.000 Euro ein. Nun gibt es aber reichlich Gegenwind: In einer Art Prototyp gehörte zum “ganzen Meinungsspektrum”, das “The Buzzard” abbilden will, auch das rechtsextreme und islamfeindliche Blog “PI-News”. Mehrere prominente “The Buzzard”-Unterstützerinnen und -Unterstützer sind inzwischen abgesprungen, die Rechtfertigungen der Projektverantwortlichen machen es eher nur schlimmer. Felix Huesmann schreibt bei “Übermedien”: “‘The Buzzard’ hat es nach zweieinhalb Jahren laufenden Betriebs des Prototyps nicht geschafft, ein funktionierendes Konzept für den Umgang mit rechtsextremen, rassistischen und verschwörungstheoretischen Seiten zu entwickeln.”

3. “Kollegen sind immer mehr Drohungen ausgesetzt”
(sueddeutsche.de, Oliver Das Gupta)
Oliver Das Gupta hat sich mit Jamie Angus, dem Direktor der BBC World Service Group, über Journalismus in Zeiten des britischen Wahlkampfs, Drohungen gegen BBC-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, sowie Boris Johnsons Weigerung, dem bekannten Journalisten Andrew Neil ein Interview zu geben, unterhalten.

4. TikTok: Ich habe China kritisiert, dann wurden meine Videos versteckt
(vice.com, Sebastian Meineck)
Bei “Vice” wollten wissen: “Was passiert, wenn wir auf TikTok China kritisieren?” Daher postete Tech-Redakteur Sebastian Meineck mehrere Videos mit Hashtags wie #freexinjiang, #chinacables oder #culturalgenocide in dem Sozialen Netzwerk. Das Ergebnis seines Experiments: Videos, die aus der Hashtag-Suche der Smartphone-App verschwinden, wofür laut TikToks PR-Abteilung natürlich nur ein “Bug” verantwortlich sein soll.
Weiterer Lesetipp: “TikTok ist die angesagteste Video-App unter Kindern und Jugendlichen. Doch manche Nutzer verleiten ihre Zuschauer in Livestreams zu virtuellen Geldgeschenken — mit fragwürdigen Versprechungen”: Die dubiose Seite der TikTok-Welt (spiegel.de, Markus Böhm).

5. Das Coming-out einer Transgender-Chefin im WDR
(wdr.de, Andrea Moos, Video: 4:16 Minuten)
Georgine Kellermann ist Chefin im WDR-Studio in Essen. Mit 62 Jahren hat sie ihr Coming-out als Transgender. Dass das für sie erst jetzt möglich ist, liege auch an ihrem Beruf: “Um die Welt fliegen und Geschichten erzählen — meine Angst war, dass das nicht mehr passieren würde. Ich war so glücklich in dem, was ich tat, dass meine Sorge einfach war: Wenn ich jetzt werde, wer ich bin, dass ich dann nicht mehr tun kann, was ich liebe.”

6. Böhmermanns Abschied: So war die letzte Ausgabe vom “Neo Magazin Royale”
(rnd.de, Imre Grimm)
Gestern lief die letzte Folge “Neo Magazin Royale” bei ZDFneo. Moderator Jan Böhmermann wechselt kommendes Jahr ins ZDF, also das richtige, große ZDF. Imre Grimm hat sich das “Neo Magazin Royale”-Finale angeschaut und überlegt, was Böhmermann fürs Hauptprogramm noch fehlt.

Bedrohung durch Neonazis, Redaktion im Schleudergang, Esoterik-Murks

1. So bedrohen Neonazis kritische Journalisten
(blog.zeit.de, Jonas Miller & Jens Eumann & Henrik Merker)
Journalistinnen und Journalisten, die über Rechtsextremismus und Neonazis berichten, sind immer wieder Einschüchterungsversuchen und Angriffen ausgesetzt. Im “Störungsmelder”-Blog bei “Zeit Online” erzählen Jonas Miller, Jens Eumann und Henrik Merker, “wie es ist, im Fadenkreuz der Szene zu stehen.”

2. Daphne Caruana Galizia: Druck auf Maltas Regierung steigt
(ndr.de, Ellen Trapp, Video: 6:00 Minuten)
Zwei Jahre ist es her, dass die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia durch einen Anschlag mit einer Autobombe ermordet wurde. In den vergangenen Wochen ist wieder Bewegung in den Fall und die dazugehörigen Ermittlungen gekommen — bis hin zu einer Rücktrittsankündigung von Maltas Premierminister Joseph Muscat. Ellen Trapp fasst die Ereignisse im Medienmagazin “Zapp” zusammen.

3. Eine Redaktion im Schleudergang
(sueddeutsche.de, Verena Mayer & Jens Schneider)
Die frühere Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde Marianne Birthler und der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk legten gestern ein Gutachten zur Stasi-Vergangenheit des Neu-Verlegers Holger Friedrich vor, der gemeinsam mit seiner Frau Silke den Berliner Verlag und damit auch die “Berliner Zeitung” gekauft hatte. Verena Mayer und Jens Schneider fassen die Ergebnisse des Gutachtens (und zusätzlich die weiteren Querelen rund um die Friedrichs) zusammen: “Die Gutachter betonen ausdrücklich ihren Respekt gegenüber den Redaktionen des Berliner Verlags, ‘die in einer schwierigen Situation versucht haben, trotz bestehender Abhängigkeitsverhältnisse so unabhängig wie irgend möglich vorzugehen und vor allem den Leserinnen und Lesern die Möglichkeit zu geben, sich ein eigenes Urteil zu bilden’.”
Weiterer Lesetipp: Die “Berliner Zeitung” richtet sich in einem “In eigener Sache” an die Leserinnen und Leser und veröffentlicht neben einem Brief des Gutachter-Duos Birthler und Kowalczuk auch dessen ausführlichen Bericht.

4. Medien wollen mehr
(taz.de, Christian Rath)
Ein Bündnis aus Journalistengewerkschaften und dem Deutschen Presserat, dem Netzwerk Recherche, Verlegerverbänden und dem Verband privater Medien sowie ARD und ZDF fordert vom Bundestag ein Presseauskunftsgesetz. Christian Rath erklärt: “Die Lücke, die ein derartiges Gesetz schließen soll, besteht seit 2013. Bis dahin galt für Medienanfragen an Bundesbehörden das Pressegesetz des jeweiligen Bundeslandes, in dem die Behörde ihren Sitz hatte. Für Anfragen an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Zirndorf galt zum Beispiel das bayerische Pressegesetz. Völlig überraschend stellte jedoch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig 2013 fest: Für Presseauskünfte gegen Bundesbehörden ist ein Bundesgesetz erforderlich. Ohne ein entsprechendes Bundesgesetz gelte nur ein ‘Minimalstandard’, der unmittelbar aus dem Grundrecht auf Pressefreiheit abzuleiten sei.”

5. Dieser Twitter-Account gibt sich als syrischer Flüchtling aus
(correctiv.org, Alice Echtermann)
“Dawuhd Nabil” ist angeblich “Syrian Refugee, Muslim, Activist” und twittert ziemlich provozierende Aussagen, die immer wieder für reale unverschämte Forderungen eines syrischen Flüchtlings gehalten werden. Alice Echtermann hat die Hintergründe des Accounts recherchiert und konnte keine Spuren eines echten “Dawuhd Nabil” finden. Ihr Fazit: Es handele sich “um einen Fake-Account”, der “Beiträge unter falscher Flagge veröffentlicht”.

6. Leuchtender Feind im Klassenzimmer
(kontextwochenzeitung.de, Jürgen Lessat)
In der SWR-Sendung “Marktcheck deckt auf” über “Das Geschäft mit LED-Lampen” gab es auch ein “Experiment” in einem Klassenzimmer: Können Schülerinnen und Schüler unter LED-Leuchten schlechter lernen als unter Halogenlampen? Jürgen Lessat hat sich den Beitrag für “Kontext” angeschaut und die Merkwürdigkeiten festgehalten, die Hintergründe der präsentierten “Lichtexperten” recherchiert und beim SWR nachgefragt: “Warum verschweigen die ‘Marktchecker’ das anthroposophische Weltbild der aufgebotenen Lichtexperten? Warum suggerieren sie Wissenschaftlichkeit, wo esoterische Maßstäbe angelegt werden? Das wollte Kontext vom SWR wissen.”

Herkunft von Tatverdächtigen, feindseliges Verhalten, DJV-Sexyness

1. Wie oft nennen Medien die Herkunft von Tatverdächtigen?
(mediendienst-integration.de, Jennifer Pross)
Die Hochschule Macromedia hat für eine Studie nachgeschaut, wie oft und in welchen Fällen Redaktionen die Herkunft von Tatverdächtigen in ihrer Berichterstattung nennen. Jennifer Pross fasst die Ergebnisse für den “Mediendienst Integration” zusammen: Die Herkunft werde “vor allem dann genannt, wenn die Tatverdächtigen Ausländer sind.” Außerdem hat Studienautor Thomas Hestermann für den “Mediendienst Integration” eine ausführliche “Expertise” erstellt (PDF). Er nennt darin teils erschreckende Zahlen, etwa: “Verglichen mit der Polizeilichen Kriminalstatistik, ergibt sich daraus ein stark verzerrtes Bild: Während die Polizei 2018 mehr als doppelt so viele deutsche wie ausländische Tatverdächtige erfasste, kommen in Fernsehberichten mehr als 8 und in Zeitungsberichten mehr als 14 ausländische Tatverdächtige auf einen deutschen Tatverdächtigen.”
Weitere Lesetipps: Keine “Lückenpresse” (deutschlandfunk.de, Gudula Geuther), Die Gefahr der Obsession (taz.de, Peter Weissenburger) und Bizarrer Fetisch: Mann wird nur von Verbrechen erregt, wenn sie von Ausländern begangen werden (der-postillon.com).

2. Impulse aus Straßburg zur grundrechtlichen Bewertung feindseligen Verhaltens Privater gegenüber Journalist*innen
(juwiss.de, Tobias Brings-Wiesen)
Nachdem die NPD zu einer Demonstration gegen drei Journalisten aufgerufen hatte, schreibt Jurist Tobias Brings-Wiesen darüber, “wie schwierig in der grundrechtlichen Bewertung die Abgrenzung zulässiger Opposition von grenzüberschreitender Oppression sein kann”: “Der Sachverhalt bietet daher Anlass zu grundsätzlichen Überlegungen, wie mit feindseligem Verhalten Privater gegenüber Journalist*innen — auch unterhalb der Schwelle physischer Attacken — auf Ebene der Grundrechte umzugehen ist.” Er bringt dazu die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ins Spiel, bei der es um ein “environment protective of journalism” geht.

3. Fehler im Atom-Kommentar
(blogs.taz.de, Malte Kreutzfeldt)
In einer “taz”-Beilage ist ein Text zum Thema Atomkraft erschienen (Überschrift: “Atomenergie als kleineres Übel”), der in einem Workshop von Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten entstanden ist. Malte Kreutzfeldt schreibt im “taz”-eigenen “hausblog” dazu: “Bei dem Text der beiden Workshop-Teilnehmer*innen handelt es sich um einen Kommentar, und natürlich kann man zum Sinn der Atomkraft unterschiedlicher Meinung sein. Aber auch in Kommentaren müssen die Fakten stimmen, auf denen die Meinungen beruhen. Und das ist in diesem Text, wie auch zahlreicher Leser*innen anmerkten, an mehreren Stellen leider nicht der Fall. Folgendes möchten wir darum an dieser Stelle klarstellen”.

4. Auf der Suche nach mehr Sexyness
(deutschlandfunk.de, Vera Linß)
Zum 70. Geburtstag des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) spricht Vera Linß über die “Attraktivitätsprobleme” der Gewerkschaft: “Die Mitgliederzahl ist seit 2003 um 10.000 gesunken — auf derzeit 32.000. Denn junge Leute bleiben fern. Früher ging man nach dem Volontariat direkt in die Gewerkschaft. Heute ist das nicht mehr so. Das hat zum einen finanzielle Gründe. Aber auch die Überalterung des DJV schreckt viele ab.”
Weiterer Hörtipp: Jörg Wagner und Daniel Bouhs hatten im Medienmagazin des rbb den DJV-Vorsitzenden Frank Überall zu Gast.

5. Werbe-Tracking: Datenschutzbeauftragte prüft Landesportal berlin.de
(heise.de, Stefan Krempl)
Berlins Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk sagt, “das offizielle Hauptstadtportal” Berlin.de handle “für das Land Berlin ‘rufschädigend'”, weil es über Werbetracker reichlich Daten der Benutzerinnen und Benutzer absaugt. Stefan Krempl erklärt bei heise.de: Die Betreiberfirma hinter Berlin.de, Berlin Online, gehöre zu 74,8 Prozent dem Berliner Verlag, der bekanntermaßen dem Neu-Verlegerpaar Silke und Holger Friedrich gehört.
Weiterer Lesetipp: Netzpolitik.org über “die wirre Geschichte einer Hauptstadt-Website”.

6. Wir müssen Autorinnen ermuntern
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jakob Buhre hat ein “Kurz-Interview” mit Jörg Schönenborn geführt. Gewohnt hartnäckig fragt Buhre bei dem Fernsehdirektor des WDR und Koordinator Fernsehfilm in der ARD nach, ob dieser Interesse daran habe, dass mehr Frauen die Drehbücher von “Tatort” und “Polizeiruf” schreiben (aktuell liege der Anteil bei unter 10 Prozent), und ob Schönenborn es in Ordnung finde, dass bei der ARD für Dokumentationen vergleichsweise wenige Gelder vorhanden sind (allein der “Tatort” erhalte beinahe so viel Budget wie alle Dokumentarfilme zusammen).

Schumachers Belästiger, Immer gehendes Blaulicht, Feinde des Sports

1. Gericht verbietet Luftaufnahmen von Schumachers Anwesen
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
“Das neue Blatt” aus dem Hause Bauer ist bekannt dafür, das Schicksal von Michael Schumacher besonders skrupellos auszuschlachten. Nun hat ein Gericht die Veröffentlichung von teilweise hochauflösenden Dronenaufnahmen eines Schumacher-Anwesens auf Mallorca verboten. Der Verlag gibt sich gewohnt hartleibig und uneinsichtig und will gegen den gerichtlichen Beschluss in Berufung gehen.

2. “In jedem Text lauert eine Relotius-Gefahr”: Warum Lead Awards-Macher Peichl ein Umdenken bei den Medien vermisst
(meedia.de, Gregory Lipinski)
Anlässlich der Verleihung der Lead Awards hat “Meedia” mit dem Lead-Award-Organisator Markus Peichl gesprochen. Es geht unter anderem um die Folgen der Relotius-Affäre und den Besitzerwechsel beim Berliner Verlag: “Die Übernahme der ‘Berliner Zeitung’ durch das Unternehmer-Ehepaar Silke und Holger Friedrich hat alle überrascht und baff gemacht. Doch man lernt: Macht es einen zuerst ‘baff’, kommt meist ein ‘Paff’ hinterher.”

3. Blaulicht-Themen gehen immer
(deutschlandfunk.de, Vanja Budde)
Die Auflage der “Märkischen Oderzeitung” ist in den vergangenen zehn Jahren um rund 20.000 Stück auf die derzeitige Gesamtauflage von etwa 77.000 Exemplaren zurückgegangen. Nun heißt das Motto: “online first”. Welche Themen besonders beliebt sind? Laut Online-Redakteurin Katrin Hartmann liefen die “Blaulicht”-Themen immer gut, aber auch Kitaplätze und -gebühren seien Dauerbrenner und, na klar, die Rückkehr des Wolfes.

4. Man hat den Sport durchkapitalisiert
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Der Journalist Hajo Seppelt ist für einige bemerkenswerte und folgenreiche Reportagen zu Manipulationen und Doping im Sport verantwortlich, in denen er illegale Praktiken aufdeckte. Nun hat er des Buch “Feinde des Sports” vorgelegt. Darin geht es um eine überaus spannende Thematik, über die sich Jakob Buhre von “Planet Interview” mit Seppelt unterhalten hat.

5. “Es wird nach wie vor nicht angemessen gezahlt”
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Als Vorsitzender des Bundesverbands der Fernsehkameraleute kritisiert Frank Trautmann die seiner Meinung nach zu niedrige Entlohnung von Kameraleuten. Im Gespräch mit “DWDL” geht es um Strategien, dies zu ändern, und die Frage eines Mindesthonorars für die Branche: “Wir haben uns lange dagegen gesträubt, ein Mindesthonorar zu nennen, weil wir dachten ein Minimum würde leicht als Standard missverstanden werden. Inzwischen haben wir festgestellt: Dieses Mindesthonorar ist oft noch mehr als das, was viele Kameraleute tatsächlich bekommen.”

6. Das Ende von “mehr, mehr, mehr”
(journalist-Magazin.de, Christian Lindner)
In der Serie “Mein Blick auf den Journalismus” äußern sich prominente Persönlichkeiten der Branche zu Gegenwart und Zukunft des Journalismus. Diesmal: Christian Lindner, ehemaliger Chefredakteur der “Rhein-Zeitung” und bis vor Kurzem stellvertretender “Bild am Sonntag”-Chef. Seine Vorstellung von der Zukunft: “Journalistische Kompetenz wird beim Aufspüren, Sammeln, Sichten, Sortieren, Übersetzen und Aufbereiten dieser Informationen weiter gefragt sein. Eine gewisse Klientel wird auch Fan-Freude an medialen Leitwölfen haben, die mit Verve oder gar Furor ihre Sicht der Welt unters Volk bringen. Die Zukunft aber wird nicht den Journalisten und Angeboten gehören, die vermitteln: ‘Das sollten Sie denken.’ In unsere auch durch das Digitale ebenso aufgeklärte wie verunsicherte Zeit werden vielmehr jene Medienmacher und Produkte passen, die ihrem Publikum aufzeigen: ‘Das haben wir für Sie gefunden, das könnte Folgendes für Sie, Ihr Leben und unser Land bedeuten, das sollten Sie kennen.'”

Hass-Meldepflicht, Streit-Ressort, “Bild” als Werkzeug des Attentäters

1. Soziale Medien müssen Hasspostings künftig dem BKA melden
(spiegel.de, Wolf Wiedmann-Schmidt)
Betreiber Sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Youtube müssen Hasspostings künftig dem Bundeskriminalamt melden. So sehen es jedenfalls die Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vor, auf die sich Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium verständigt haben. Das Löschen allein reicht nicht mehr aus. Die Betreiber sind verpflichtet, die IP-Adresse und Portnummer herauszugeben, mit denen man zumindest das verwendete Endgerät ermitteln kann. Beleidigungen seien jedoch nicht von der Regelung betroffen. Der Strafverteidiger Udo Vetter kommentiert bei Twitter: “Soziale Netzwerke werden jetzt zu Denunziationsmaschinen umgebaut. Freut euch, wenn ihr eure erste polizeiliche Vorladung bekommt, z.B. weil weder der hochqualifizierte Melder bei Twitter noch die Polizei Ironie verstehen.”

2. Ermitt­lungen gegen Jour­na­listen ein­ge­s­tellt
(lto.de)
Nach der Veröffentlichung des “Ibiza-Videos” hatte der frühere österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache zwei Journalisten, eine Journalistin und zwei Chefredakteure der “Süddeutschen Zeitung” angezeigt. Die Staatsanwaltschaft München hat die Ermittlungen nun jedoch eingestellt. Es habe ein “überragendes Interesse an der Berichterstattung über die thematisierten Missstände” gegeben.

3. Presserat: bild.de als Werkzeug des Attentäters von Halle
(stefan-fries.com)
Der Deutsche Presserat hat Bild.de für die Veröffentlichung von Videomaterial gerügt, das von dem Attentäter von Halle stammt. Der Presserat erkläre dazu: “In dem Video unter dem Titel ’35 Minuten Vernichtungswahn’ ordnete ein Reporter die gezeigten Sequenzen zwar ausführlich ein. Jedoch übernahm die Redaktion die Dramaturgie des Täters, indem sie seine Vorgehensweise chronologisch vom Laden der Waffen bis hin zu den Sekunden vor und nach den Mordtaten zeigte. Bei beiden Szenen konnten die Zuschauer aus der Perspektive des Täters quasi live dabei sein. Diese Darstellung geht über das öffentliche Interesse hinaus und bedient überwiegend Sensationsinteressen.”

4. Zeitungswende in Italien
(faz.net, Tobias Piller)
“FAZ”-Wirtschaftskorrespondent Tobias Piller kommentiert die Übernahmeschlacht um die italienische “La Republiucca”: “Ausgerechnet diejenige Zeitung, die einst als Stimme gegen das italienische Establishment gegründet worden war, wird nun von denen übernommen, die wie sonst niemand die etablierten Mächte in Italien repräsentieren — von der Familie Agnelli.”

5. NZZ: «Transparenz ist durchaus gegeben»
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Der “NZZ” lag eine zwölfseitige Verlagsbeilage zur Immuntherapie bei (“Wie unser Körper Krebs bekämpfen kann”). Die Beilage habe sich auf den ersten Blick nicht vom unabhängigen Redaktionsteil der “NZZ” unterschieden, sei jedoch vom Pharmakonzern MSD (Merck Sharp & Dohme) in Auftrag gegeben worden. Urs P. Gasche hat bei der Zeitung nachgefragt, ob es für die Leserinnen und Leser nicht transparenter gewesen wäre, statt “Verlagsbeilage” etwa zu titeln: “Beilage des Pharmakonzerns MSD”? Gasche hat eine Antwort auf seine Frage bekommen, die ihn jedoch nicht zufriedenstellt.

6. Und jetzt? Zoff!
(taz.de, Erica Zingher & Peter Weissenburger)
Seit einem Vierteljahr existiert das neue Streit-Ressort der “Zeit”. Erica Zingher und Peter Weissenburger haben sich das Ressort genauer angeschaut und ziehen eine vorläufige Zwischenbilanz: “‘Streit’ verdeutlicht, dass die Debatte über die Meinungsfreiheit im Kern an einer Grundannahme hängt: Wer glaubt, dass Deutschland drauf und dran ist, in der Mitte auseinanderzureißen, wird viel in Kauf nehmen, um dies zu verhindern, womöglich eine folgenschwere Öffnung nach rechts. Wer das anders sieht, muss davor warnen. Das alles ist, Sie ahnen es, eine Streitfrage.”

Wie aus dem “Pegida”-Handbuch, Bombenticker, Bushido fliegt raus

1. “Eindeutig Berufsverbot, Zensur ersten Grades”
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Wie erst kürzlich bekannt wurde (siehe dazu auch unsere “6 vor 9” von gestern), stellt der MDR die Zusammenarbeit mit dem Kabarettisten Uwe Steimle ein. “Ich wurde entfernt, das ist eindeutig Berufsverbot, Zensur ersten Grades!”, habe Steimle der Website “Tag24” gesagt. Ein Satz wie aus dem kleinen “Pegida”-Handbuch des Wutbürgers, denn natürlich verbietet keiner Steimle, seiner Tätigkeit nachzugehen. Nur der MDR will nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten.

2. Follower kaufen: Wir haben unseren Bürohund zum Influencer gemacht
(vice.com, Sebastian Meineck & Theresa Locker)
Die “Vice”-Redaktion hat ein Experiment angestellt: Wie kann man Bürohund Henri zum (Fake-)Influencer auf Instagram machen? Wie viel Zeit ist dafür nötig, wie lässt sich am besten schummeln, und wo bekommt man die meisten Follower für sein Geld? Das Ganze ist nicht nur ein lustiger Versuch, sondern sagt viel aus über die in großen Teilen manipulierte und künstliche Instagram-Welt.

3. “Investigative Geschichten sind überlebenswichtig”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Ulrike Bremm hat sich für den “Fachjournalist” mit dem Chefredakteur des Medienmagazins “Wirtschaftsjournalist”, Wolfgang Messner, unterhalten. In dem Interview geht es unter anderem um das journalistische Anforderungsprofil, konkrete Tipps für junge Kolleginnen und Kollegen und die Zukunft des Wirtschaftsjournalismus im Allgemeinen. Messners Prognose für Deutschland: “Ein neues Wirtschaftsmagazin wird es zumindest im Printbereich nicht mehr geben. Aber wir werden im Internet viel neuen starken und kämpferischen Journalismus und auch Wirtschaftsjournalismus erleben.”

4. Bushido fliegt bei Youtube raus
(faz.net)
Auf Veranlassung der Medienanstalt von Hamburg und Schleswig-Holstein hat Youtube einige Bushido-Videos für deutsche Nutzerinnen und Nutzer gesperrt. Hintergrund: Bushidos Album “Sonny Black” stehe in Deutschland wegen Frauen- und Schwulenfeindlichkeit sowie Gewaltverherrlichung auf dem Index. Dies sei erstmals 2015 festgestellt und Ende Oktober 2019 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden.

5. Bombenticker hinter Paywall: LVZ-Chefredakteur reagiert auf Shitstorm
(flurfunk-dresden.de, Peter Stawowy)
Da mit Werbung im Internet immer weniger Geld zu verdienen ist, stellen viele Medien Paywalls auf, so auch die “Leipziger Volkszeitung” (“LVZ”). Dafür wird auch jeder Verständnis haben, doch wie sieht es bei lebenswichtigen Informationen für die Allgemeinheit aus? Sollten diese Informationen frei zugänglich sein? Über diese Fragen wurde und wird heftig gestritten. Der konkrete Anlass: Ein “LVZ”-Liveticker zu einer Bombenentschärfung im Leipziger Norden, der nur mit kostenpflichtigem Abonnement zu lesen war.

6. Nichts war erfolgreicher als “Die Zerstörung der CDU”
(spiegel.de)
Zum Ende des Jahres veröffentlichen viele große Plattformen ihre Jahrescharts. Bei Youtube Deutschland wird die Hitliste erwartungsgemäß von Rezo und seinem Video “Die Zerstörung der CDU” angeführt. Neun der Top-Ten-Videos hierzulande kämen laut Youtube aus Deutschland oder hätten einen lokalen Bezug.

MDR trennt sich von Steimle, Löscht den Mist, Post-Relotius-Reporterpreis

1. Mitteldeutscher Rundfunk trennt sich von Uwe Steimle
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) trennt sich von seinem Kabarettisten, “Heimatforscher” und “Störenfried” Uwe Steimle. Dieser war die vergangenen Jahre immer wieder durch fragwürdige Äußerungen aufgefallen und hatte zudem die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage gestellt. In seinem Kommentar kritisiert Joachim Huber auch den MDR und fragt, warum der Sender Steimles Treiben so lange tatenlos zugesehen habe: “Offensichtlich verstand sich die ARD-Anstalt bei Uwe Steimle als Besserungsanstalt und den Programmauftrag als Erziehungsauftrag. Das ist schiefgegangen, genährt wurde Steimles Opferhaltung, aktuell befördert wird die gängige Haltung, man dürfe seine Meinung in diesem Land nicht mehr sagen.”
Weiterer Lesehinweis: Auf “Übermedien” wurde die Causa Steimle schon Mitte vergangenen Jahres thematisiert: Uwe Steimle und das verspätete Ende der Akzeptanz beim MDR (uebermedien.de, Philipp Greigenstein). 
Und auch bei “Zapp” waren Steimle und dessen fremdenfeindliche Geschichten bereits Thema: Grenzen der Satire? Der MDR und Uwe Steimle (ndr.de, Nadja Mitzkat, Video: 6:09 Minuten).

2. Auf in die nächste Dekade!
(detektor.fm, Christian Bollert)
Lange bevor der Podcast-Hype einsetzte, war bereits der Sender detektor.fm mit seinem starken Fokus auf Podcasts am Start. Nun feiert das detektor-Team sein zehnjähriges Bestehen mit einer Renovierung der Website und neuen Produktionen. Außerdem wurde das Redaktionsteam um zwei erfahrene Köpfe erweitert.

3. Der Post-Relotius-Reporterpreis
(deutschlandfunk.de, Samira El Ouassil, Audio: 4:17 Minuten)
Samira El Ouassil hat einen Blick auf die mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichneten Texte geworfen und ist im Großen und Ganzen zufrieden: “Diese und die anderen Gewinnertexte klingen in ihrer Schnörkellosigkeit geradezu wie Gegenentwürfe zu den prämierten Texten der Vorjahre. Sie machen genau die Fehler nicht, die zu Beginn des Jahres moniert wurden — aber das Wichtigste: kein Text klingt so als sei er nur geschrieben worden, um einen Reporterpreis zu gewinnen.”

4. Springer-Chef als Zeuge geladen
(taz.de, Kersten Augustin & Yossi Bartal)
Israels Generalstaatsanwalt hat Anklage gegen Premierminister Benjamin Netanjahu erhoben. Einer der Vorwürfe: Korruption. In der 63-seitigen Anklageschrift taucht auch der Axel-Springer-Verlag auf. Der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner soll sogar als Zeuge nach Israel geladen werden. Kersten Augustin und Yossi Bartal erklären den verwickelten, aber spannenden Wirtschaftskrimi.

5. Rücken “Berliner Morgenpost” und “Tagesspiegel” zusammen?
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Der Berliner Zeitungsmarkt kommt nicht zur Ruhe. Nach DuMonts Verkauf des Berliner Verlags samt “Berliner Zeitung” an das Ehepaar Friedrich, stehen jetzt eventuell neue Veränderungen an. Es wird spekuliert, ob die “Berliner Morgenpost” (Funke-Gruppe) und der “Tagesspiegel” (Holtzbrinck) enger zusammenrücken.

6. Tiktok, tiktok, die Uhr ist abgelaufen. Löscht den Mist.
(t3n.de, Enno Park)
Nachdem bekannt wurde, dass die Social-Video-App TikTok Content von Menschen mit Behinderung in der Sichtbarkeit reduziert beziehungsweise versteckt, ist für Enno Park endgültig Schluss mit der App: “In dunklen Zeiten wurden behinderte Menschen schamvoll von ihren Familien versteckt. Noch heute verbannt die Gesellschaft sie in versteckte Pflegeeinrichtungen und Werkstätten am Stadtrand. Und nun werden sie auch in der schönen neuen Tiktok-Welt aussortiert und unsichtbar gemacht. Da bleibt als Fazit nur: Tiktok ist menschenfeindlicher Dreck. Löscht eure Accounts, werft die App von euren Telefonen und erklärt euren Kindern, was Tiktok macht.”
Weiterer Lesehinweis: Warum TikTok im Azubimarketing und Recruiting tabu sein sollte (personalmarketing2null.de, Henner Knabenreich).

Narrativ der Kulturverdrängung, Falsch gekachelt, Aufkleber

1. Narrativ der Desinformation: Migration verdrängt deutsche Traditionen
(correctiv.org, Cristina Helberg)
Seit Jahren erzählen rechtspopulistische Politikerinnen und Politiker, Blogger und Websites immer dasselbe Märchen von den bösen Andersgläubigen, die uns angeblich unserer christlichen Traditionen berauben. Es ist das “Narrativ der Kulturverdrängung durch Toleranz”. Cristina Helberg zählt einige Beispiele auf und hat zum Schluss eine schöne Pointe aus dem “AfD-Werbemittelshop” parat.

2. Was ist Rundfunk?
(sueddeutsche.de, Benedikt Frank)
Der veraltete Rundfunkstaatsvertrag mit seinem Fokus auf die traditionellen Medien soll demnächst durch einen Medienstaatsvertrag ersetzt werden, der auch die neuen Medien im Visier hat. Benedikt Frank erklärt in einer Art FAQ, was das für Produzenten und Publikum bedeutet.

3. Mit Unwahrheiten für die “Wahrheit” kämpfen: Die falschen Zahlen der AfD
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Die AfD provozierte unlängst mit einem “Aussteigerprogramm für Mainstreamjournalisten”. Beworben wurde die Aktion unter anderem mit einer Social-Media-Kachel mit vermeintlichen Zuschauer- und Marktanteilen. Stefan Niggemeier hat nachgerechnet und befindet: Es sei “schwer, die vielen verschiedenen Ebenen von Falschheit, die sich hier aufs Falscheste miteinander verbinden, überhaupt zu würdigen.”

4. Fast alle Schweizer Medien liefern freiwillig Daten an Facebook
(medienwoche.ch, Benjamin von Wyl & Matthias Eberl)
Ungeachtet der vielen Kontroversen lassen fast alle Schweizer Medienunternehmen ihre Leser und Leserinnen von Facebook tracken, so die Beobachtung von Benjamin von Wyl und Matthias Eberl. Das ist besonders interessant im Zusammenhang mit der sogenannten Login-Allianz einiger Schweizer Medien, denn: “Ein konsequentes Abschirmen gegen Facebook wäre das beste Argument für die Registrierung bei der Login-Allianz gewesen.”

5. Phoenix: Anti-Rassismus-Aufkleber waren “unangebracht”
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Als Phoenix am vergangenen Wochenende vom AfD-Bundesparteitag berichtete, kam eine Gerätebox eines Dienstleisters zum Einsatz, die mit politischen Parolen und Anti-Rassismus-Sprüchen beklebt war. Die Leitung des technischen Dienstleisters habe sich im Nachhinein davon distanziert, weil damit die gebotene Neutralität verletzt worden sei. Auch Phoenix nahm dazu Stellung: Private Meinungsäußerungen seien an einem professionellen Fernseh-Set “unangebracht” und “sollten unterbleiben”.

6. Spotify-Charts: Post Malone ist der Streamingkönig des Jahres
(rnd.de)
Zum Ende des Jahres verrät Streaminganbieter Spotify, was 2019 weltweit am meisten gehört wurde. Auf den ersten fünf Plätzen liegen der US-Rapper Post Malone (mehr als 6,5 Milliarden Streams), die Newcomerin Billie Eilish sowie Ariana Grande, Ed Sheeran und Bad Bunny. In Deutschland führt Capital Bra die Charts an. Bemerkenswert ist die Hitliste der weltweit am meisten gehörten Spotify-Podcasts. Dort stehen gleich zwei deutsche Produktionen in den Top 5: “Gemischtes Hack” von Tommi Schmitt und Felix Lobrecht sowie “Fest & Flauschig” von Jan Böhmermann und Olli Schulz.

Apokalyptische Writer, TikToks Obergrenze, Taub für falsche Töne

1. Apokalyptische Writer
(uebermedien.de, Samira El Ouassil)
Samira El Ouassil kommentiert auf “Übermedien” den Weltuntergangs-Alarmismus vieler Medien angesichts des SPD-Mitgliederentscheids: “Der seltsam passiv-aggressive Sound der Stücke ist um keinen defätistischen Superlativ verlegen und klingt stellenweise, als sei man eingeschnappt darüber, dass die Wahl anders ausging, als vorhergesagt; kompensatorisch musste sie ins Katastropheske hinabgeschrieben werden.” (Dass der Text nicht, wie vorgesehen, hinter die Paywall gepackt wurde, ist übrigens der Vergesslichkeit eines der “Übermedien”-Verantwortlichen zu verdanken.)

2. TikToks Obergrenze für Behinderungen
(netzpolitik.org, Chris Köver & Markus Reuter)
netzpolitik.org hat die Moderationsregeln des aus China stammenden Sozialen Videonetzwerks TikTok eingesehen und dabei allerlei besorgniserregende Besonderheiten festgestellt (Teil 1, Teil 2). Im aktuellen Beitrag geht es um den Umgang mit “Bildern von Subjekten, die hochgradig verwundbar für Cyberbullying sind” wegen ihrer “physischen oder mentalen Verfassung”. Der Versuch, Mobbing zu bekämpfen, habe bei TikTok bedeutet, dass man Videos von Menschen mit Behinderungen, aber auch Videos von queeren und dicken Nutzern und Nutzerinnen weniger oft angezeigt beziehungsweise sie “versteckt” habe.

3. “Wilde Kerle”, zahme Zahlen: Warum Sparer Kai Diekmanns “Zukunftsfonds” links liegen lassen
(meedia.de, Gregory Lipinski)
Mehr als 20 Milliarden Euro wollten Ex-“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann und sein Geschäftspartner für ihren “Zukunftsfonds” einsammeln. Nach zwei Jahren sind es gerade mal 12 Millionen geworden. Eines von Diekmanns weiteren Projekten ist das Online-Finanzmagazin “Zaster”, das unabhängig vom “Zukunftsfonds” sein soll, es aber irgendwie doch nicht so ganz zu sein scheint.

4. Reporter entlassen
(buzzfeed.com/de, Pascale Müller)
Wie “BuzzFeed News” berichtet, habe der Berliner “Tagesspiegel” einem Reporter gekündigt, dem mehrere Frauen vorgeworfen hatten, sie bedrängt, gestalkt und sexuell belästigt zu haben. Der Reporter soll über Jahre hinweg seine Stellung gegenüber Praktikantinnen, Volontärinnen und freien Journalistinnen ausgenutzt haben. Zum Hintergrund siehe auch: Ein Reporter des “Tagesspiegel” soll Kolleginnen bedrängt, gestalkt und sexuell belästigt haben (buzzfeed.com, Pascale Müller).

5. Wir fragen die Parteimitgliedschaft nicht ab.
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jakob Buhre von “Planet Interview” hat sich am Rand der ARD-Pressekonferenz mit dem ARD-Rundfunkratsvorsitzenden Lorenz Wolf unterhalten und ihn in bewährter Hartnäckigkeit dazu befragt, was es mit den Parteibüchern in den Rundfunkräten auf sich hat. Buhre hat dazu auch eine Liste erstellt (PDF), die zeigt, von welchen Mitgliedern des Rundfunkrats die Sender NDR und BR die Parteimitgliedschaft transparent machen und von welchen nicht.

6. Taub für die falschen Töne
(faz.net, Harald Staun)
“FAZ”-Redakteur Harald Staun hat sich die für den Reporterpreis nominierten Arbeiten angesehen, den ersten Reporterpreis der Post-Relotius-Ära. Staun will gar nicht glauben, “wie taub die Jury immer noch für die falschen Töne ist, die sich schon von Ferne anhören wie das Detailgeklingel, welches Claas Relotius so perfekt beherrschte, bis in die Satzmelodie hinein”. Mittlerweile wurde der Reporterpreis vergeben, unter anderem an den “lautesten Text dieses Jahres”.

Bestechungsvorwürfe, Job-Angst bei Springer, Kunst des Interviews

1. Bestechung beim Rundfunk Berlin-Brandenburg?
(tagesspiegel.de, Joachim Huber & Kurt Sagatz)
Nach einem von “Bild” thematisierten Bericht des Brandenburger Landesrechnungshofs soll es bei der Fernsehproduktionsgesellschaft Dokfilm Unregelmäßigkeiten gegeben haben. Das Unternehmen, im Besitz von RBB und NDR, soll regelmäßig Redakteure öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Restaurants bewirtet und mit Geschenken bedacht haben. Der RBB habe Korruptionsvorwürfe gegen seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgewiesen. Es handele sich zwar um teilweise erhebliche Abrechnungsmängel, die aus diesen Mängeln konstruierten Korruptionsvorwürfe seien jedoch abwegig.

2. Die Kunst des Interviews
(faz.net, Timo Frasch)
Die “FAZ” veröffentlicht eine gekürzte Fassung der Einleitung zu Timo Fraschs Interviewband “Sie stellen mir Fragen, die ich mir nie gestellt habe”. Die Lektüre lohnt sich schon deshalb, weil einem unter Umständen der naive Glaube genommen wird, ein veröffentlichtes Interview entspräche stets dem tatsächlichen Gesprächsverlauf: “Die Dramaturgie eines Gesprächs kann man nachträglich noch ganz gut gestalten — bestimmte Kniffe sollte man sich sogar für die Bearbeitungsphase aufheben. Eine provokante Frage zum Auftakt mag sich im gedruckten Interview gut machen, es empfiehlt sich aber nicht, im tatsächlichen Gespräch damit einzusteigen. Man will die Leute ja nicht gleich vor den Kopf stoßen.”

3. Ein Gespräch mit dem Medienforscher und Filmemacher Lutz Hachmeister
(medienkorrespondenz.de, René Martens)
René Martens hat sich mit dem Medienforscher und Filmemacher Lutz Hachmeister zu einem längeren Gespräch zusammengesetzt. Es geht unter anderem um die Krise des öffentlich-rechtlichen Politikjournalismus. Hachmeisters ernüchterndes Fazit: “Was fehlt, sind Fachwissen, Souveränität, handwerkliche Fähigkeiten im Interview — wobei die Schwächen bei der ARD noch etwas stärker ausgeprägt sind als beim ZDF. Man würde sich da lieber irgendwelche Live-Kanäle ohne Kommentar anschauen, wo die Politiker direkt etwas in die Kamera sagen, als diesen Statisten, die Pseudo-Fragen stellen, noch irgendwelche Aufmerksamkeit zu schenken. Man hat das Gefühl, die Berichterstattung besteht zum einen aus Zahlensalat und zum anderen aus hilflosen Interviewern. An solchen Wahlabenden wird deutlich: Dem öffentlich-rechtlichen Politikjournalismus würde nur ein härtestes Weiterbildungsprogramm weiterhelfen. Doch ich fürchte, im real existierenden System ist es dafür wohl zu spät.”

4. Axel Springer: Die “Bild” vom Betriebsrat
(clap-club.de, Daniel Häuser)
“Clap” (“Das People-Magazin der Kommunikationsbranche”) veröffentlicht Fotos einer offenbar vom Axel-Springer-Betriebsrat initiierten Sonderausgabe der “Bild”-Zeitung, in der es um die “Job-Angst bei Springer” und die bevorstehenden Umstrukturierungen geht. Der Betriebsrat wird darin mit den Worten zitiert: “Die Stimmung bei Springer war noch nie so schlecht.”

5. “Ey, Ihr verarscht uns” – Interview mit Rezo aus dem Film “Die Notregierung”
(youtube.com, dbate, Video: 11:04 Minuten)
Heute Abend strahlt das Erste die Doku “Die Notregierung – Ungeliebte Koalition” (SWR, NDR, RBB) von Autor Stephan Lamby aus. Auf Youtube gibt es bereits Auszüge daraus zu sehen, wie zum Beispiel das hier verlinkte Interview mit Rezo, der sich unter anderem zur oft unverständlichen Sprache von Politikerinnen und Politikern sowie deren Umgang mit den Medien äußert.

6. Sehnsucht nach Nähe
(taz.de, Martin Krauss)
Mit der Tennisspielerin Andrea Petkovic wechselt eine weitere Berufssportlerin in den Sportjournalismus: Petkovic führte am Sonntag erstmals als Moderatorin durch die “Sportreportage” des ZDF. Martin Krauss kommentiert: “Es fällt bei den Sendeanstalten gar nicht mehr auf, dass große Kenntnis von einem Gegenstand, egal ob Sport oder Wirtschaft, nicht einhergehen muss (und im Journalismus nicht einhergehen darf) mit Abhängigkeit davon. Dass Andrea Petkovic viel vom Sport im Allgemeinen und noch mehr vom Tennis im Besonderen versteht, ist ja unstrittig. Aber ist jemand, dessen Karriere gerade ausklingt und der folglich noch Gegenstand der Berichterstattung ist, automatisch qualifiziert, die Seite zu wechseln?”

7. Mario Barth und die Heiligen Drei Burger-Könige
(uebermedien.de, Lorenz Meyer)
Als zusätzlicher Link, weil unter Mitwirkung des “6 vor 9”-Kurators: Auf “Übermedien” gibt es einen Adventskalender mit 24 neuen Versionen der Weihnachtsgeschichte! Tag für Tag aus der wechselnden Sicht von bekannten Medienpersönlichkeiten. Gestern gab es einen fiktiven Auftritt von Mario Barth (“Pass uff! Waaahre Jeschichte! Waaaahre Jeschichte!!! Kennste Kaiser Aujustus? Kennste??”). Heute twittert uns “heute Journal”-Moderator Claus Kleber die Weihnachtsgeschichte, bei der er live zugegen war. Für Kleber eine “Lifetime-Experience” mit “goosebumps”.

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