Archiv für 6 vor 9

Volksverhetzer und “Volksverpetzer”, Erfolgsfaktor Gesicht, Beim Einkauf

1. Diese ganze negative Energie in etwas Positives verwandeln
(netzpolitik.org, Constanze Kurz)
Constanze Kurz hat sich für netzpolitik.org mit Thomas Laschyk vom “Volksverpetzer” unterhalten: Was treibt ihn an, regelmäßig gegen Verschwörungsmythen, AfD-Unsinn und Corona-Märchen anzuschreiben? Was hat es mit dem eigentümlichen Namen “Volksverpetzer” auf sich? Und was unterscheidet den “Volksverpetzer” von anderen Faktencheck-Seiten?

2. Gesichter laufen am besten
(deutschlandfunk.de)
Forschende aus den USA sind der Frage nachgegangen, warum manche Instagram-Profile von Politikerinnen oder Politikern beliebter sind als andere, und haben dazu mehr als 59.000 Instagram-Posts von etwa 160 Personen aus der Politik ausgewertet. Das Ergebnis: Die meiste Aufmerksamkeit hätten Bilder von Gesichtern erzielt. Außerdem bekämen Aufnahmen aus dem Privatleben mehr Likes als solche aus dem beruflichen Umfeld. Textgrafiken oder Bilder ohne Gesichter würden hinsichtlich der Likes und Kommentare am schlechtesten abschneiden.

3. Die Spur führt nach Peine
(sueddeutsche.de, Willi Winkler)
Im heutigen Spätabendprogramm des Ersten versuchen Cordt Schnibben und Peter Dörfler, die Verbindungen des Dutschke-Attentäters Josef Bachmann in die rechtsextreme Szene nachzuzeichnen. Zur Verschärfung der gesellschaftlichen Stimmung hatte damals auch die Berichterstattung der Springer-Zeitungen beigetragen. Das Dokudrama soll ab 18 Uhr in der Mediathek der ARD verfügbar sein.

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4. Umfrage: Wir recherchieren zu sexuellem Missbrauch in der Medizin
(buzzfeed.com, Juliane Loeffler)
“BuzzFeed News” recherchiert zu sexuellem Missbrauch in der Medizin und wendet sich mit einem Aufruf an die Leserinnen und Leser: “Haben Sie Sexismus, sexuelle Belästigung oder sexualisierte Gewalt im Medizinbetrieb erlebt? Dann erzählen Sie uns von Ihren Erlebnissen.” Selbstverständlich würden die zugesandten Hinweise vertraulich behandelt, allen Quellen werde Anonymität zugesichert.

5. “Genies werden müde, wenn irgendein Idiot alles abbürstet”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Jürgen von der Lippe spricht im “DWDL”-Interview über die aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise auf seine Arbeit sowie über Fernsehproduktionen damals und heute: “Als ich anfing, gab es nur einen Unterhaltungschef, der alles absegnete – und über ihm war schon der Intendant. Das führte dazu, dass die Redakteure sehr viel mehr Freiheiten hatten. Irgendwann kam dann ein Fernsehdirektor dazu und noch einer und exponentiell zum Zuwachs übergeordneten Personals sank das Budget fürs Programm. Mehr Bestimmer machen leider kein besseres Programm. In der Kunst sind Geniestreiche meist Einzelleistungen. Aber Genies werden müde, wenn irgendein Idiot immer alles abbürstet.”

6. Schämt Ihr Euch eigentlich nicht?
(twitter.com, Bodo Ramelow)
Die Politikreporterin Franca Lehfeldt (RTL/n-tv) hat auf Twitter ein Smartphone-Video veröffentlicht, das Angela Merkel beim Wochenendeinkauf zeigt. Als Kritik wegen der übergriffigen Paparazzi-Methode aufkam, argumentierte Lehfeldt, es sei “journalistisch relevant”, wenn die Regierungschefin “sich beim Einkauf zeige”. Raunend fügte sie an: “Mutmaßlich beabsichtigte sie sogar die Botschaft, sich zuhause zu versorgen und nicht am Wochenende vor dem #Teillockdown rauszugehen.” Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow antwortet mit einem “Schämt Ihr Euch eigentlich nicht?” und hängt zur Erinnerung einen “Bild”-Artikel aus dem vergangenen Jahr an, der ihn ebenfalls beim privaten Einkauf zeigt.

7. Presseschau durch die Menschheitsgeschichte
(mdr.de, Lorenz Meyer)
Zusätzlicher Link, da aus der Feder des “6 vor 9”-Kurators: Ich hatte die Ehre, zum 20-jährigen Bestehen des medienkritischen “Altpapiers” ein “Geschenkpapier” beizusteuern: Eine Presserundschau durch die Menschheitsgeschichte! Wie hätten die Medien von heute auf Ereignisse von damals reagiert? Wie hätte die Medienkolumne darüber berichtet, und welche Quellen hätte sie herangezogen? Hier steht es geschrieben! Von den Pharaonen, Napoleon und Hitler bis zum Wendler.

Der Todesschuss, Lauterbachs Wohnungskontrollen, Wirecard

1. Die Schuldvermutung
(sueddeutsche.de, Joachim Käppner & Ralf Wiegand)
1993 kamen bei einem Anti-Terror-Einsatz in Bad Kleinen ein Polizist und der Terrorist Wolfgang Grams ums Leben. Der “Spiegel” berichtete damals, Grams sei durch die Polizei quasi hingerichtet worden, und stützte seine Titelgeschichte “Der Todesschuß” auf einen angeblichen Zeugen. Es entstanden starke Zweifel an der Story. Mehr als ein Vierteljahrhundert später veröffentlicht das Nachrichtenmagazin nun den Bericht seiner “Aufklärungskommission” (PDF), die mit der Wahrheitsfindung in dem Fall betraut wurde. Stefan Niggemeier kritisiert den Bericht auf Twitter als schwer lesbar: “Offenbar war niemand involviert, der weiß, wie man einen so komplexen Sachverhalt mit widersprüchlichen Aussagen aufschreibt, ohne Schilderungen und Zitate dauernd zu wiederholen und den Leser vollends zu verwirren.” Umso besser, dass die ”Süddeutsche Zeitung” sich mit dem Vorgang befasst hat, der das Zeug zu einem Medien-Krimi hat.

2. Lauterbachs Wohnungskontrollen – Perfekte Zutaten für einen Shitstorm
(zdf.de, Florian Neuhann)
Hat der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach tatsächlich die anlasslose Kontrolle von Privatwohnungen durch die Polizei gefordert, wie einige Medien suggerierten? Florian Neuhann zeichnet nach, wie eine vielleicht nicht ganz so glücklich gewählte, da missverständliche Formulierung zu einem handfesten Shitstorm inklusive Morddrohungen führte.

3. Medientage München: Wolfgang Blau (Reuters Institute) über die Zukunft des Journalismus
(youtube.com, Wolfgang Blau, Video: 18:28 Minuten)
Wolfgang Blau leitete einige Jahre “Zeit Online”, bevor er eine Führungsposition beim britischen “Guardian” übernahm und vor dort zum Verlag Condé Nast wechselte, der unter anderem den “New Yorker” herausgibt. Inzwischen arbeitet Blau beim Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität von Oxford. In seiner Keynote für die Medientage München denkt er über grundsätzliche Fragen des Journalismus nach: Wie kann man die Wirksamkeit von Journalismus verbessern? Wie lassen sich Journalismusverweigerer erreichen? Wie kann Journalismus zu Corona-Zeiten authentisch Mitgefühl vermitteln, ohne sich anzubiedern oder gar selbst populistisch zu werden? Und welchen Wert sollte der Journalismus der Klimakrise beimessen?

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4. Wirecard-Ausschuss: GroKo gegen öffentliche Aussage von Reporter
(handelsblatt.com)
Beim Skandal um den insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard gibt es Vorwürfe gegen mehrere Spitzenmanager des Unternehmens, aber auch gegen die staatliche Finanzaufsicht BaFin. Die Behörde hatte sich jahrelange juristische Auseinandersetzungen mit der “Financial Times” geliefert, die Missstände bei Wirecard aufgedeckt hatte. Nun wollte “Financial Times”-Journalist Dan McCrum dazu öffentlich im Untersuchungsausschuss aussagen, was von Union und SPD jedoch abgelehnt worden sei. Die Oppositionsabgeordneten Fabio De Masi (Linke), Danyal Bayaz (Grüne) und Florian Toncar (FDP) kritisieren das Verhalten der Koalitionsfraktionen. De Masi spricht von einem unwürdigen Verhalten und einem Imageschaden für Deutschland.

5. Bitte nicht diskriminieren!
(taz.de, Peter Weissenburger)
An die Stelle des bisherigen Rundfunkstaatsvertrags soll der neue und erweiterte Medienstaatsvertrag treten. Bislang fehlte dazu nur noch die Ratifizierung durch das Landesparlament von Mecklenburg-Vorpommern, doch die liegt nun vor. Das Gesetz kann somit in Kraft treten. Peter Weissenburger beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das neue Regulierungswerk: Inwieweit betrifft es den normalen Konsumenten? Was ändert sich für Streamer und Content Creator auf Youtube, Twitch oder in den Sozialen Netzwerken? Welche Auswirkungen hat es auf die Angebote der öffentlich-rechtlichen Medien?

6. Sawsan Chebli erwirkt einstweilige Verfügung gegen “Tichys Einblick”
(spiegel.de)
Die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli hat sich erfolgreich gegen eine Beleidigung zur Wehr gesetzt. Dem Publizisten Roland Tichy wurde per einstweiliger Verfügung untersagt, eine frauenfeindliche und sexistische Aussage über Chebli weiter zu verbreiten.

Durchgesteckt und durchgestochen, SW-Denken, Merkwürdiges Porträt

1. Kommunikation in der Krise
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 5:57 Minuten)
In der politischen Berichterstattung scheinen Kontakte alles zu sein, denn sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, vor allen anderen mit Informationen versorgt zu werden. Aktuelles Beispiel sei die “Beschlussvorlage” für den gestrige Corona-Krisengipfel von Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten. Dieses Papier sei bereits einen halben Tag bei bestimmten Medien zirkuliert. Wer es durchgestochen hat, sei unbekannt. Auffällig sei jedoch, dass zu Themen der Unionsparteien und der Bundesregierung Medien wie “Welt” und “Bild” bevorzugt in den Genuss von Vorabinformationen kämen.

2. Nazi oder Gutmensch – und nichts dazwischen: Warum das Schwarz-Weiß-Denken zunimmt
(rnd.de, Imre Grimm)
Anlässlich der bevorstehenden US-Wahl macht sich Imre Grimm Gedanken über die zunehmende Polarisierung, das fortschreitende Schwarzweiß-Denken und die verhärteten Fronten der Debattierenden: “In einer komplexen Welt aber sind es die Zwischentöne, die der Wahrheit noch am nächsten kommen. Denn so wie kein Mensch eine Insel ist, ist keine Meinung die reine Lehre. Doch Zwischentöne und Komplexitäten passen nicht in die 280-Zeichen-Logik der digitalen Welt, die nur die grellsten Radikalpositionen mit Aufmerksamkeit und Reichweite belohnt. Dabei ist Ambiguitätstoleranz einer der wichtigsten Grundpfeiler der Demokratie. Sie bedeutet immer Kompromiss, Annäherung, Interessenausgleich auf der Basis eines stabilen Wertesystems. Das ist anstrengend. Dazu gehört die Bereitschaft, anderer Leute Bedürfnisse, die Realität der Welt sowie evidenzbasierte Fakten anzuerkennen.”
Weitere Lesehinweise: Der Kolumnist Ben Smith von der “New York Times” spricht im Interview mit der “Süddeutschen” über die Bedeutung von Skandalen für den Erfolg des “Mediengeschöpfs Donald Trump”. Und das “Social Media Watchblog” beschäftigt sich in einer frei zugänglichen Ausgabe mit der Frage, wie sich das Silicon Valley auf die US-Wahl vorbereitet. Das ernüchternde Fazit der lesenswerten und mit vielen Verweisen gespickten Analyse: “Die Plattformen rechnen mit dem Schlimmsten, die USA sind auf dem Niveau von Kriegs- und Krisenstaaten angekommen.”

3. Das merkwürdige Holger-Friedrich-Porträt von Spiegel-Reporter Alexander Osang
(kress.de, Markus Wiegand)
Im “Spiegel” erschien Anfang des Monats ein äußerst langes Porträt über Holger Friedrich (Bezahlartikel), den Verleger der “Berliner Zeitung”. Der Beitrag sorgte bei einigen Leserinnen und Lesern für Verwunderung, weil er seltsam einseitig und wohlwollend klang. Als ob es eine Nebensächlichkeit sei, erwähnte “Spiegel”-Autor Alexander Osang gegen Ende seiner Geschichte, dass seine Frau bei der “Berliner Zeitung” beschäftigt sei. Markus Wiegand kommentiert: “Man kann die Kritik an Osang wegen seines Interessenkonflikts natürlich kleinlich finden. Ganz so einfach ist es aber nicht: Auffällig an dem Osang-Porträt ist nämlich, dass überhaupt keine Kritiker zu Wort kommen, die in Redaktionskreisen nicht schwer zu finden sind. Entweder hat Osang schlampig recherchiert oder er wollte wegen Befangenheit nicht mit solchen Leuten sprechen. Beides ist so mäßig cool.”

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4. Was im Diversitäts-Diskurs fehlt
(mdr.de, Judyta Smykowski)
Judyta Smykowski setzt sich bei Leidmedien.de regelmäßig dafür ein, dass Medienschaffende für klischeefreie Sprache und Bildsprache sensibilisiert werden. In ihrem Gastbeitrag für das “Altpapier” verrät sie, was aus ihrer Sicht im Diversitätsdiskurs fehlt, was an “Inspiration Porn” problematisch ist, und warum wir mehr authentische Bilder von Menschen mit Behinderung brauchen. In Sachen Diversität lohne ein Blick auf US-amerikanischen Serien: “An dieser Stelle seien Serien wie Good Wife, Stranger Things, Sex Education und vor allem Game of Thrones positiv erwähnt. Ihnen gelingt es, Menschen mit authentischen Erkrankungen und Behinderung zu zeigen und sie als selbstbestimmte Menschen auftreten zu lassen, die weder ihre Behinderung überwinden oder verneinen müssen, noch ständig leiden.”

5. Minden: Lynchaufruf gegen die “Covid-Presse”
(ndr.de, Nils Altland & Tim Kukral, Video: 5:18 Minuten)
In Minden haben Unbekannte eine unbekleidete männliche Schaufensterpuppe mit einem Strick um den Hals an einer Brücke aufgehängt – vor dem Bauch ein Pappschild mit der Aufschrift “Covid-Presse”. Das Medienmagazin “Zapp” ist nach Minden gereist, hat sich in der Stadt umgehört und mit Benjamin Piel über den Fall gesprochen, dem Chefredakteur des “Mindener Tageblatts”.

6. Türkei kündigt Schritte gegen “Charlie Hebdo” an
(faz.net)
Die Türkei hat juristische und diplomatische Schritte gegen die aktuelle Erdoğan-Karikatur der französischen Satirezeitung “Charlie Hebdo” angekündigt. Erdoğans Sprecher Fahrettin Altun schreibt dazu auf Twitter: “Die antimuslimische Agenda des französischen Präsidenten Macron trägt Früchte! Charlie Hebdo hat gerade eine Reihe sogenannter Karikaturen veröffentlicht, die voller verachtenswerter Bilder sein sollen, die angeblich unseren Präsidenten darstellen. Wir verurteilen dieses äußerst verabscheuungswürdige Bemühen dieser Publikation, ihren kulturellen Rassismus und Hass zu verbreiten.”
Weiterer Lesehinweis: Für die “Süddeutsche Zeitung” ordnet Joseph Hanimann den Vorgang weltpolitisch ein: “Angesichts des Konflikts um Berg-Karabach und der griechisch-türkischen Kontroverse auf Zypern ist die türkische Regierung aber bemüht, Politik, Militäroptionen und Medienaspekte in einem einzigen Stimmungstopf zu verrühren. Der Boykott französischer Produkte, zu dem Erdoğan zu Beginn dieser Woche aufgerufen hatte, wird Charlie Hebdo etwa nicht weh tun. Manche Industrielle, Handwerker und Landwirte in Frankreich lachen aber womöglich etwas verkniffen über die neue Karikatur.”

Rechte Empörungsmaschine, Merz braucht sie doch, Einprozessautorin

1. Die rechte Empörungsmaschine
(netzpolitik.org, Tomas Rudl)
Tomas Rudl diagnostiziert bei Facebook einen deutlichen Rechtsdrall. Das Soziale Netzwerk sei mittlerweile tief im Ökosystem des US-Konservatismus verankert. Facebook-Chef Mark Zuckerberg pflege regelmäßigen Umgang mit rechten Kommentatoren, konservativen Aktivistinnen oder Vertretern der Trump-Regierung. Dahinter stecke die Furcht vor Regulierung. Eine aktuelle Studie bestätige den Eindruck, dass sich Facebook in eine “rechte, sich selbst verstärkende Empörungsmaschine” verwandelt habe. Rudls Forderung: “Facebook muss sich endlich der Frage stellen, warum es sich auf womöglich gewalttätige Auseinandersetzung nach der US-Wahl vorbereiten muss, wie jüngst durchgesickert ist. Und welche Rolle das Unternehmen dabei gespielt hat, dass es so weit gekommen ist.”

2. “Es steht kein Stein mehr auf dem anderen”
(mdr.de, Diemut Roether & Dieter Anschlag)
Diemut Roether und Dieter Anschlag können auf einige Jahre Medienkritik zurückblicken: Roether als Redaktionsleiterin des Mediendienstes epd medien, Anschlag als Chefredakteur der “Medienkorrespondenz”. Zum 20-Jahre-“Altpapier”-Jubiläum schauen sie zurück auf die Entwicklung der Massenmedien, beginnend mit der nostalgischen Erinnerung an die Zeit, in der Texte noch per Fax oder auf Floppy Disks zur Redaktion geschickt wurden.

3. Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 190 vom 27.10.2020
(netzwerkrecherche.org, Albrecht Ude & Daniel Drepper)
Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche setzt sich für Informationsfreiheit, investigativen Journalismus und die Vermittlung von Recherchetechniken ein. Und sie gibt regelmäßig einen Newsletter heraus, der eine Fundgrube mit aktuellen Themen rund um den Journalismus ist. Auch dieses Mal lohnt mindestens ein Blick ins Inhaltsverzeichnis.

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4. Wie über Menschen mit Behinderungen berichtet wird
(de.ejo-online.eu, Matthias Vollbracht)
Behindertenpolitik, schulische Inklusion und der Behindertensport bekämen noch eine gewisse Aufmerksamkeit. Menschen mit Behinderung seien in den Leitmedien jedoch kaum sichtbar, so das bittere Fazit von Matthias Vollbracht: “Die Berichterstattung über Menschen mit Behinderungen ist in Art und Umfang kaum als ausreichend zu bezeichnen, um den Status von gesellschaftlicher Inklusion nachverfolgen zu können. Die gesellschaftliche Relevanz des Themas bleibt weitgehend verborgen. Eine detaillierte Analyse der Berichterstattung über berufliche Inklusion zeigt, dass ein kontrafaktisches Bild vermittelt wird.”

5. Er braucht sie doch noch
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers)
Im Januar hatte der CDU-Politiker Friedrich Merz noch davon gesprochen, dass er die klassischen Medien nicht mehr brauche, um Menschen zu erreichen. Und tatsächlich: Merz kommuniziert inzwischen oft direkt über Sozialen Medien wie Twitter oder Instagram. Doch wenn es wirklich wichtig für ihn wird, nutzt (und braucht) er sie dann doch, die klassischen Medien.

6. Drehbuchautorin hat Recht auf Auskunft über Filmeinnahmen
(faz.net, Julia Encke)
Die Drehbuchautorin der Til-Schweiger-Filme “Keinohrhasen” und “Zweiohrkühen” hat sich vor Gericht das Auskunftsrecht über die Filmeinnahmen erstritten. Das Gericht habe argumentiert, dass “aufgrund des überdurchschnittlichen Erfolgs der beiden Filme Anhaltspunkte für einen möglichen Anspruch der Klägerin auf weitere Beteiligung bestünden”. Diese Ansprüche müssen jedoch gegebenenfalls in einem anderen Verfahren geklärt werden. Aber auch das bisherige Urteil könnte eine Signalwirkung für die Autorinnen und Autoren von Drehbüchern haben, so “FAZ”-Redakteurin Julia Encke.

Googles Medienförderung, Visa-Kürzungen der USA, Inside xHamster

1. Wes Brot ich ess …
(taz.de, Daniél Kretschmar)
In einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung geht es um Googles Zuwendungen an die Verlage. Mehr als 200 Millionen Euro soll der Internetkonzern in den vergangenen sieben Jahren an europäische Medienunternehmen ausgeschüttet haben. Die Untersuchung eröffne einen “seltenen Blick in ein völlig desolates Geschäftsfeld”, so “taz”-Autor Daniél Kretschmar: “Jahrzehnte sind vergangen, in denen Verlagshäuser einfach gebetet zu haben scheinen, dass dieses Internet wieder weggeht. Und jetzt, wo es schon lange zu spät ist, unterwirft man sich eben den Gewinnern der informationstechnischen Revolution und riskiert, wenn auch nicht unmittelbare Unabhängigkeit, so doch ein gutes Stück Glaubwürdigkeit zu verlieren.”
Weiterer Lesehinweis: Der Deutschlandfunk hat mit dem Studienautor sowie Medien- und Kommunikationswissenschaftler Ingo Dachwitz gesprochen, der als Redakteur bei netzpolitik.org beschäftigt ist: Warum Google Millionen an europäische Medien zahlt (deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 6:08 Minuten).

2. NDR bedauert fehlenden Abstand bei “Anne Will”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Nachdem die Corona-Infektionen in Deutschland einen neue Höchstwert erreicht hatten, hieß es am Sonntag bei Anne Will im Ersten: “Hat Deutschland noch die richtige Strategie?” Nach der angeregten Diskussion, bei der es auch um Vorsichtsmaßnahmen ging, schien für einen kurzen Moment alles vergessen: Während der Abspann lief, war zu sehen, dass sich einige Gäste bedenklich nahekamen. Anne Will reagierte bei Twitter: “Wie blöd von mir. Dabei haben wir schon im Rausgehen wieder #maskeauf gehabt.”

3. Gegen Visa-Kürzung für Korrespondenten
(mmm.verdi.de)
Die USA wollen Visa für Auslandskorrespondenten auf die Dauer von maximal 240 Tagen begrenzen, mit der Möglichkeit einer lediglich einmaligen Verlängerung. Dagegen protestieren Medienverbände und Medienschaffende. Die Begrenzung erschwere eine kontinuierliche Berichterstattung, die Anmietung von Redaktionsräumen sowie den Aufbau von Informantenbeziehungen und persönlichem Arbeitsnetzwerk. Dem Appell hätten sich der Europäische Journalistenverband, der Internationale Journalistenverband, die Europäischen Rundfunkunion und 21 weitere Organisationen aus der ganzen Welt angeschlossen.

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4. Ranking: Die reichsten Verleger 2020
(kress.de, Markus Wiegand)
“kress” hat sich angeschaut, welche Verleger und Verlegerinnen in der Liste der reichsten Deutschen auftauchen, die die “Welt”-Redaktion angefertigt hat, und hat daraus eine eigene Liste erstellt. Interessanterweise fehlt Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner in dem Ranking, der nach “kress”-Angaben auf Platz sechs stehen müsste.

5. Auch nach Monaten ist exakte Corona-Sprache in Medien selten
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Urs P. Gasche kritisiert die seiner Meinung nach immer noch unpräzise Sprache von Medien und Institutionen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Gasche hat dabei besonders die Schweiz im Fokus, aber seine Kritik dürfte auch auf Österreich und Deutschland übertragbar sein: “Unpräzise, unsachliche und dramatisierende Begriffe und Grafiken kratzen an der Glaubwürdigkeit von Behörden und Medien, fördern Misstrauen unter der Bevölkerung und spielen Verschwörungsphantasierern in die Hände. Eine differenzierte und einordnende Information, die glaubwürdig bleibt, würde die Menschen auf Dauer mehr dazu motivieren, sich wo immer nötig zu schützen und Empfehlungen von Behörden zu folgen.”

6. Inside xHamster
(vice.com/de, Sebastian Meineck & Yannah Alfering)
Die Investigativ-Reporter von “Vice” haben hinter die Kulissen der in Deutschland erfolgreichsten Pornoseite geschaut: “Inside xHamster”. In ihrer Recherche decken sie auf, wie die Plattform möglicherweise illegale Inhalte massenhaft durchwinke, welche Bedenken ein “Porno-Löscharbeiter” habe, und wie wenig xHamster zum Schutz von Opfern tue.

Reality-TV ohne Grenzen?, Die Ärzte in den “Tagesthemen”, Bad Practice

1. Wie weit zu weit ist
(taz.de, Carolina Schwarz)
Reality-TV scheint immer mehr von der Grenzüberschreitung zu leben. Das belegen Beispiele aus dem Ausland, aber auch welche aus dem Inland. In Sendungen wie “Sommerhaus der Stars” wird geschubst, gedroht, geschrien und gespuckt. “Wer trägt dafür die Verantwortung, dass ‘erfolgreiches’ Mobbing, Missbrauch und Beleidigungen im Fernsehen gezeigt werden? Die Kandidat:innen, die Produzent:innen, der Sender? Sie alle – und auch die Zuschauer:innen. Solange die Sendungen weiterhin so erfolgreich sind, werden wohl weitere Grenzen ausgetestet – und überschritten”, schreibt Carolina Schwarz.

2. Viel Zuspruch im Netz für Ärzte-Auftritt in den ARD-“Tagesthemen”
(rnd.de)
“Hier ist das Ärzte Deutsche Fernsehen mit den Tagesthemen”: Am Freitagabend gab es einen denkwürdigen Liveauftritte der Band “Die Ärzte” in den “Tagesthemen”. Neben dem musikalischen Beitrag appellierte das Trio in der ARD-Sendung an die Politik, in der Corona-Krise die Kulturbranche nicht zu vergessen. Die Aktion wurde von vielen Zuschauern und Zuschauerinnen gefeiert, hinterließ bei anderen jedoch einen schalen Beigeschmack: Sollte man einer Band die Möglichkeit geben, eine Nachrichtensendung als Werbeplattform für sich selbst und ihr parallel erscheinendes Album zu nutzen?

3. Das Streaming-Dilemma: Taugt die ARD Mediathek als zweites Erstes?
(dwdl.de, Peer Schader)
Weil immer mehr Menschen in Deutschland ihren Medienkonsum zu Streamingdiensten und Online-Plattformen verlagern, verwenden die Öffentlich-Rechtlichen einige Anstrengungen auf ihre Mediatheken. Doch reicht dies angesichts der immer größer und stärker werdenden Konkurrenz von Netflix, Amazon Prime und Co.? Peer Schader hat sich die Mediatheken-Nutzung genauer angeschaut und seine, für die Öffentlich-Rechtlichen teilweise schmerzhaften, Erkenntnisse aufgeschrieben.

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4. Bild steigt ins Sportwetten-Business ein
(wuv.de, Manuela Pauker)
“Bild” will sich mit dem internationalen Wettanbieter BetVictor zusammentun und noch dieses Jahr im Rahmen einer “strategischen Markenkooperation” eine neue Sportwetten-Plattform starten: “BildBet”. Anmerkung des Kurators: Es wäre interessant, eine Experteneinschätzung zu einer möglichen Interessenkollision zu hören: Wie verträgt es sich, einerseits durch die Sportberichterstattung (wenn auch nur indirekten) Einfluss auf die Wettquoten auszuüben und andererseits Wettanbieter zu sein?

5. Bad Practice
(datenjournalist.de, Lorenz Matzat)
Nicht einen Fall von “Best Practice”, sondern von “Bad Practice” hat der Datenjournalist Lorenz Matzat beim “Tagesspiegel” entdeckt. Dort habe man ein Diagramm des Robert-Koch-Instituts falsch interpretiert und auf entsprechende Korrekturhinweise nur verzögert und unzureichend reagiert. Matzat belässt es nicht bei seiner Kritik, sondern macht konstruktive Vorschläge, was der “Tagesspiegel” hätte besser machen können: “Plausibilätsprüfung, Fachmenschen um Einschätzung bitten, Quellen genau benennen und verlinken”.

6. Die Plattform Onlyfans erlebt in der Pandemie einen Hype, doch sie hat einen kontroversen Ruf
(nzz.ch, Corinne Plaga)
Weil viele Instagram-Influencer Geld mit ihren Inhalten verdienen wollen, docken sie sich an die Bezahlplattform OnlyFans an. Das Netzwerk erlebt seit Beginn der Corona-Pandemie einen wahren Boom und konnte die Zahl der registrierten Nutzerinnen und Nutzer auf über 50 Millionen verdoppeln. Da auch pornografische Inhalte erlaubt seien, würden sich auf der Seite immer mehr Sexarbeiter, Erotikmodels und Pornodarsteller tummeln. Corinne Plaga stellt das Geschäftsmodell für Influencer vor.

7. Seit 20 Jahren bürstet das Altpapier die Medienkritik gegen den Strich
(mdr.de, Steffen Grimberg)
Die Kollegen und Kolleginnen des Medien-Watchblogs “Altpapier” feiern ihren 20. Geburtstag! In der nächsten Zeit gratulieren zahlreiche Gastautorinnen und -autoren dem Team mit “Geschenkpapieren”. Den Anfang macht radioeins-Moderator Jörg Wagner mit “Medienkritik ist Langstrecke”. Das BILDblog schließt sich den Glückwünschen an und wünscht dem “Altpapier” alles Gute für die nächsten 20 Jahre!

Otto-Brenner-Preis, Audiovisuelles Erbe bei ARD-Retro, Hassbilder

1. Informationen zu den Preisträgern 2020
(otto-brenner-preis.de)
Die Otto-Brenner-Stiftung ist die Wissenschaftsstiftung der Gewerkschaft IG Metall. Namensgeber Otto Brenner war lange Jahre Vorsitzender der Gewerkschaft. Einmal im Jahr verleiht die Stiftung den renommierten Otto-Brenner-Preis an Journalistinnen und Journalisten und vergibt Recherche-Stipendien. Den ersten Preis erhielt diesmal Gregor Haschnik für seinen Beitrag “Wie starb Jan H.?” in der “Frankfurter Rundschau”. Der zweite Preis ging an Christian Schwägerl und Joachim Budde von den “RiffReportern” für “Streeck, Laschet, StoryMachine: Schnelle Daten, pünktlich geliefert”. Und den dritten Preis erhielt “Spiegel”-Redakteurin Cornelia Schmergal für ihren Artikel “Ausgeliefert”.

2. Daniel Hornuff: “Hass ist eine Technik der Kommunikation”
(philomag.de, Nils Markwardt)
Der Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff beschäftigt sich in seinem neuen Buch mit Hassbildern. Bei Hass-Postings dächten die meisten Menschen vor allem an die transportierten Texte. Eine große Rolle komme jedoch auch den übermittelten Bildern zu. Im “Philosophie Magazin” spricht Hornuff über die Entwicklung von historisch bekannten Hetzbildern zu den heutigen Hassbildern. Er beantwortet dabei auch die Frage, warum viele Bilder beziehungsweise Bildmontagen laienhaft und zusammengeschustert wirken: “Eine allzu perfekte Ausgestaltung dieser Bild-Text-Tafeln würde schnell als eine subtile autoritäre Geste wahrgenommen werden. Nach dem Motto: Was soll ich da jetzt noch mitmachen? Diese Ästhetik des Zusammengeschusterten kommuniziert hingegen: Man kann ein Teil davon werden.”

3. Studie zu Vielfalt in Serien
(taz.de, Carolina Schwarz)
Eine Studie der Universität Rostock hat sich mit “Geschlechterdarstellungen und Diversität in Streaming- und SVOD-Angeboten” beschäftigt (PDF). Carolina Schwarz fasst das Ergebnis zusammen: “Streamingangebote sind zwar diverser als lineares Fernsehen, aber auch hier bestehen noch große Lücken. Beispielsweise bei der Repräsentation von nicht-binären und trans Personen.”

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4. ZDF: Petra Gerster gendert jetzt
(genderleicht.de, Christine Olderdissen)
Das Webportal “Genderleicht” richtet sich an Medienschaffende aus allen Bereichen und will zeigen, “wie sich mit einfachen Methoden die Qualität der Berichterstattung steigern lässt”. Endlich sei das Gendern auch in den Fernsehnachrichten angekommen: “ZDF-Anchorwoman Petra Gerster hat es in die heute-Sendung um 19 Uhr eingeführt. Wenn sie gendert, macht sie es eher elegant als provokant. Mal ein Sternchen hier, ein Partizip da. Dann wieder eine Beidnennung oder ein Relativsatz: Die heute-Nachrichtenmoderatorin nutzt das ganze Repertoire gendergerechten Schreibens, und damit genau das, was wir in den Schreibtipps von Genderleicht empfehlen.” Im Interview verrät Petra Gerster, wie sie beim gendergerechten Texten der Nachrichten vorgeht.

5. Da isser … der neue Bericht zur Lage der Bibliotheken 2020/2021
(blog.bibliothekarisch.de, Dörte Böhner)
Der Deutsche Bibliotheksverband hat seinen Bericht zur Lage der Bibliotheken veröffentlicht (PDF). Dörte Böhner bündelt in ihrer Aufzählung die aus ihrer Sicht wichtigsten Forderungen des Verbands. Naturgemäß geht es dabei vor allem um die Themen Förderung, Unterstützung und Würdigung.

6. ARD Retro startet am 27. Oktober 2020 in der ARD Mediathek
(ard.de)
Der von der UNESCO ausgerufene Welttag des audiovisuellen Erbes am 27. Oktober soll die Bedeutung audiovisueller Dokumente herausstellen: “Dieses Erbe zu erhalten und sicherzustellen, dass es für die Öffentlichkeit und künftige Generationen zugänglich bleibt, ist ein wesentliches Ziel für alle Institutionen wie auch für die Öffentlichkeit im Allgemeinen.” Zu diesem Anlass wollen die ARD-Sender und das Deutsche Rundfunkarchiv Tausende zeitgeschichtlich relevante Videos frei zugänglich in die ARD-Mediathek stellen. Der Fokus liege dabei auf Fernsehproduktionen aus der Zeit vor 1966. Geplant sei auch ein “Retro Spezial DDR” mit Einblicken in die Nachrichten- und Magazin-Beiträge des DDR-Fernsehens.

Carolin Emcke ist auch müde, Deftiges Minus, Kartellklage gegen Google

1. Ich bin auch müde
(sueddeutsche.de, Carolin Emcke)
Carolin Emcke hat eine Entgegnung auf den “SZ”-Artikel über den Pianisten Igor Levit vom 16. Oktober geschrieben. In dem herausragenden Text stecken viele kluge Fragen und Gedanken. Ein Einwurf, den man gerne auch ein zweites Mal liest, weil er nicht nur den konkreten Fall, sondern Grundsätzliches berührt.

2. “Die Zeit” bleibt im Aufwind, dickes Minus für “Die Welt”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Auch das dritte Quartal bescherte der Print-Branche deftige Minuszahlen. Besonders schwer erwischte es die Zeitungen und Zeitschriften, die ihre Auflage mit kostenlosen Bordexemplaren aufhübschen: Da der Flugverkehr coronabedingt weitgehend zusammengebrochen ist, ging auch die Verbreitung der in Flugzeugen verteilten Exemplare zurück, teilweise dramatisch. Beim “Focus” ging es von über 64.000 Heften im Sturzflug auf gerade mal 408 herunter, ein Minus von über 99 Prozent. Auch die “Bild”-Zeitung hat den Bordexemplar-Effekt zu spüren bekommen. Dort fehlten ebenfalls mehr als 60.000 Exemplare, insgesamt lag das Auflagen-Minus von “Bild” sogar bei fast 200.000, was einem Rückgang von 14 Prozent entspricht.

3. Wer, wenn nicht Google?
(spiegel.de, Max Hoppenstedt & Benjamin Bidder & Patrick Beuth & Malin Möller)
Das US-Justizministerium hat eine Kartellklage gegen den Suchmaschinenkonzern Google angestrengt. Damit könnten Alternativen zu Google interessant werden. Die 64-seitige Klageschrift nenne einige davon als Konkurrenten im US-Suchmaschinenmarkt: darunter Bing aus dem Hause Microsoft, das datenschutzfreundliche DuckDuckGo sowie die russische Suchmaschine Yandex. Der “Spiegel” ordnet Eigenschaften und Chancen der Google-Alternativen ein.

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4. Jetzt mit Arsch in der Hose
(taz.de, Steffen Grimberg)
“USA Today” ist eine der auflagenstärksten Zeitungen in den USA und hat noch nie eine Wahlempfehlung gegeben, obwohl das dort üblich sei. Doch dieses Jahr ist alles anders: “Elect Joe Biden. Reject Donald Trump”, titelte das Blatt. Endlich, findet Steffen Grimberg: “Bei den letzten Wahlen war Trump USA Today zwar auch schon reichlich suspekt. Aber zu einem klaren Bekenntnis fehlte es 2016 noch an Arsch in der Hose.”

5. Corona-Bundeshilfen für privaten Hörfunk
(blmplus.de, Lisa Priller Gebhardt)
Private Radiosender leiden in der Corona-Krise unter erheblichen Einnahmeausfällen durch entgangene Werbeeinnahmen. Von bis zu 40 Prozent Umsatzeinbußen ist zumindest in Bayern die Rede. Dort soll es nun neben Geldern aus dem Bundesprogramm Neustart Kultur auch Landeshilfen geben. Die werden wohl dringend benötigt, denn neben dem klassischen On-Air-Geschäft fallen auch Events, Spot-Produktionen für Firmenkunden sowie Konzerte als Einnahmequellen weg.

6. Zäh wie erkaltetes Kaugummi
(deutschlandfunk.de, Arno Orzessek, Audio: 4:25 Minuten)
Angesichts des bevorstehenden TV-Duells zwischen US-Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden erinnert Arno Orzessek an einige große Redeschlachten der Fernsehgeschichte. Die seien jedoch alle nichts gegen Trump: “Dass man ihm im zweiten TV-Duell mit Joe Biden das Maul per Stummschaltung stopfen will, zeugt von jener tiefen Verzweiflung, die Donalds Schwester Maryanne Trump Barry in unvergängliche Worte gekleidet hat: ‘Das Ändern der Geschichten. Die fehlende Vorbereitung. Das Lügen. Heilige Scheisse.'”

“Focus”-Sprachmüll, “Süddeutsche” bittet um Entschuldigung, US-Wahl

1. Chefredaktion bittet Igor Levit und SZ-Leser um Entschuldigung
(sueddeutsche.de, Wolfgang Krach & Judith Wittwer)
In der “Süddeutschen Zeitung” erschien vor wenigen Tagen ein Text über den Pianisten Igor Levit. Darin ging es auch um Levits politisches Engagement und seine Äußerungen in Sozialen Netzwerken. Der Text stieß vor allem in den Sozialen Medien auf breite Ablehnung. Nach einer anfänglich noch deutlich anders klingenden Stellungnahme bittet die “SZ”-Chefredaktion Levit und die “SZ”-Leserschaft nun um Entschuldigung.
Weiterer Lesetipp: Eine gute Zusammenfassung zu den Hintergründen gibt es bei BR-Klassik: Auch Levit nimmt Stellung (br-klassik.de, René Gröger).

2. “Focus”-Seminar: Wie man eine Titel­geschichte aus altem Sprachmüll bastelt
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Der “Focus” hat in seiner aktuellen Titelgeschichte auf sieben Seiten ausgebreitet, was man angeblich alles nicht sagen darf, und dabei die verschiedensten Begriffe miteinander verrührt. Boris Rosenkranz erklärt auf ironische Weise und anhand konkreter Beispiele, wie man sich eine ähnliche Empör-Story zusammenbasteln kann. Er hat sogar einen Tipp, was man machen kann, wenn das Echo darauf nicht so gut ausfallen sollte: “Seien Sie abschließend überrascht, dass sich die neue Gegenöffentlichkeit nicht an die alten Regeln hält und auch diesem Text widerspricht. Nehmen Sie das als Beweis und lassen Sie sich Ihre Deutungshoheit nicht nehmen. Bleiben Sie tapfer!”

3. Ist das Journalismus?
(deutschlandfunk.de, Burkhard Schäfers, Audio: 5:32 Minuten)
Job-Netzwerke wie LinkedIn und Xing leisten sich den Luxus eigener Redaktionen oder lassen ihre Nutzer und Nutzerinnen über Themen schreiben. Bei “Xing News” arbeiten rund 20 Journalistinnen und Journalisten an Newslettern und Beiträgen. Beim deutschsprachigen LinkedIn sind es immerhin vier Personen in der Redaktion, die dort für Inhalte sorgen. Wie verfahren sie bei der Auswahl der Inhalte und der Experten? Was unterscheidet die Plattformen von klassischen Medien? Und worin besteht der Mehrwert?

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4. US-Wahl 2020: Eine Wahlnacht wie noch nie zuvor
(ndr.de, Sinje Stadtlich)
Die US-Präsidentschaftswahl am 3. November stellt sowohl die klassischen als auch die neuen Medien in den USA vor gewaltige Herausforderungen. Im Vorfeld haben es die Journalistinnen und Journalisten mit Donald Trumps andauerndem Medienbashing zu tun, müssen Falschinformationen richtigstellen und dabei nach Möglichkeit sachlich bleiben. Doch der Wahlabend selbst werde noch einmal alles übertreffen, so MaryAlice Parks, stellvertretende Politik-Chefin beim Sender ABC News: “Wir müssen hier alle mal einen Moment durchatmen und uns klarmachen, dass wir einfach nicht wissen, wie es an dem Abend ablaufen wird. Und darauf müssen wir auch unser Publikum vorbereiten.”
Weitere Lesehinweise: “Wie sich Forscher und sogar die angesehensten wissenschaftlichen Fachzeitschriften in den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf einmischen, ist ungewöhnlich und bemerkenswert.” Forscher im US-Wahlkampf: Mittendrin statt nur dabei (de.ejo-online.eu, Stephan Russ-Mohl).
Und außerdem: “Die geplante Kürzung der Visa-Dauer für deutsche Journalisten mache eine kontinuierliche Berichterstattung unmöglich, kritisieren führende Journalisten- und Medienverbände”: Arbeitsfähigkeit von Korrespondenten in den USA bedroht (meedia.de).

5. Die Freienbibel 2
(startnext.com, Jakob Vicari & Jens Eber & Anja Reiter & Jan Schwenkenbecher & Oliver Eberhardt & Katharina Jakob)
Der Berufsverband Freischreiber setzt sich für die Belange freier Journalisten und Journalistinnen sowie die Anerkennung und Wertschätzung ihrer Arbeit ein. Nun starten die Freischreiber das Crowdfunding für die zweite Ausgabe ihrer “Freienbibel”: Wie schreibt man das unwiderstehliche Exposé? Wie macht man sich unabhängig von Verlagen? Woraus kann Journalismus heute und in Zukunft bestehen? Auf der Kampgagnenseite stellt der Verband das Projekt vor, für dessen Verwirklichung die Unterstützung von mindestens 308 Personen benötigt wird.

6. Rassismus in Disney-Filmen: Konzern blendet künftig Hinweise ein – eine gute Idee
(rnd.de, Imre Grimm)
In alten Disney-Filmen gibt es hin und wieder problematische, anachronistische oder verletzende Szenen, die so heute vermutlich nicht mehr in den Werken unterkämen. Nun will der Konzern bei seinem Streamingdienst Disney+ Warnhinweise einblenden: “Dieses Programm enthält negative Darstellungen und/oder Misshandlungen von Völkern oder Kulturen. Diese Stereotype waren damals falsch und sind heute falsch. Anstatt diese Inhalte zu entfernen, wollen wir ihre verletzende Wirkung anerkennen, daraus lernen und das Gespräch darüber anregen, um gemeinsam eine inklusivere Zukunft zu erreichen.” Ein sinnvoller Kompromiss, wie Imre Grimm findet.

Respekt geht anders, Fischer trennt sich von Maron, Neue BBC-Konkurrenz

1. Gabriele Krone-Schmalz im Gespräch auf der ARD-Buchmessenbühne
(youtube.com, Hessischer Rundfunk, Video: 20:47 Minuten)
In ihrem neuen Buch “Respekt geht anders” macht sich Gabriele Krone-Schmalz Gedanken über die derzeitige Streit- und Debattenkultur. Deutschland sei “im Kampfmodus”. Andersdenkende würden oftmals verunglimpft, und statt aufeinander zuzugehen, breite sich in der Öffentlichkeit ein aggressives Klima der Intoleranz aus. Auf der ARD-Buchmessenbühne unterhält sich die Radiomoderatorin Marion Kuchenny mit Krone-Schmalz darüber, wie sich zielführender und respektvoller miteinander streiten lässt.
Weiterer Lesetipp: Thematisch passend dazu, schreibt Kuchenny in einem Thread über die Debattenkultur auf Twitter: “Diese Mischung aus permanenter Aufregung, großer Empfindlichkeit bei den eigenen Themen und gleichzeitig einer kompletten Hemmungslosigkeit im unerbittlichen Umgang mit den Themen und Argumenten anderer scheint ein Markenkern dieser Plattform zu sein.”

2. Wenn Bildredaktionen und Kompetenz fehlen
(mmm.verdi.de, Felix Koltermann)
Das Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung n-ost ist eine internationale Nichtregierungsorganisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, die journalistische Berichterstattung über Osteuropa zu verbessern. Der Kommunikationswissenschaftler und Journalist Felix Koltermann hat mit Stefan Günther gesprochen, der bei n-ost als Bildredakteur arbeitet. In dem Interview geht es um den fotografischen Auslandsjournalismus und die bildredaktionelle Praxis von Medien allgemein.

3. Neue Konkurrenz für die BBC
(deutschlandfunk.de, Christine Heuer, Audio: 5:20 Minuten)
Wer an das britische Fernsehen denkt, denkt zunächst vermutlich an die BBC, die mehrere Fernseh- und auch Hörfunkprogramme sowie eine Nachrichtenwebsite betreibt. Doch mit GB News und News UK stehen zwei Konkurrenten in den Startblöcken, die nicht nur für Konkurrenz, sondern auch für eine Polarisierung der britischen Medien sorgen könnten.

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4. Das sind die Podcast-Tipps im Oktober
(sueddeutsche.de, Elisa Britzelmeier & Aurelie von Blazekovic & Stefan Fischer & Marlene Knobloch & Harald Hordych)
In den Podcast-Tipps für den Oktober verraten “SZ”-Autoren und -Autorinnen ihre derzeitigen Lieblings-Hörtipps. Mit dabei: ein Nachrichtenpodcast (“0630”), die “Kohl Kids”, ein Polit-Thriller (“Der V-Komplex”), ein von Frauen präsentierter Tech-Podcast (“She Likes Tech”) und der “sportstudio-Podcast” des ZDF.

5. Zu “rechts”? Fischer-Verlag trennt sich von Autorin Monika Maron
(br.de, Peter Jungblut, Audio: 2:03 Minuten)
Nach vierzigjähriger Zusammenarbeit trennt sich der Fischer-Verlag von seiner Autorin Monika Maron. Die verlegerische Geschäftsführerin des Verlages habe sich in einer kurzen Pressemitteilung zu den Gründen geäußert: “Man kann nicht bei S. Fischer und gleichzeitig im Buchhaus Loschwitz publizieren, das mit dem Antaios Verlag kooperiert.” Anmerkung des “6 vor 9”-Kurators: Das Buchhaus Loschwitz gilt als pegida-nah, Antaios wird dem Netzwerk der Neuen Rechten zugeordnet.
Weiterer Lesehinweis: Kein Platz für Maron (sueddeutsche.de, Hilmar Klute).

6. Deswegen wurde 14 Jahre lang gebaut
(interaktiv.tagesspiegel.de)
Keine explizite Medienmeldung, aber ein tolles Beispiel für innovative Darstellungsformen im Journalismus: Der “Tagesspiegel” zeigt (wieder einmal) eindrucksvoll, wie sich eine Reportage interaktiv und multimedial aufbereiten lässt, ohne dabei in reine Technik-Spielerei abzugleiten.

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