Was “Bild” und den Papst verbindet

Andreas Englisch, Vatikan-Korrespondent von “Bild”, erklärte gestern in der ARD-Dokumentation “Benedikt Backstage” die Parallelen zwischen seiner Zeitung und dem Papst:

Andreas Englisch“Bild” covert den Papst selbstverständlich. Den deutschen Papst sowieso. Aber jeden Papst. Das ist eine andere Institution als Politiker. Das gibt den Leuten Vertrauen. Viele sind da ja auch gegen. Aber es hat so etwas, es hat ‘ne Botschaft, die mit “Bild” viel zu tun hat: Es ist knapp, es ist präzise, und es versucht, den Menschen etwas zu geben.

Englisch gab auch Einblicke, worauf es für Journalisten im Gefolge des Papstes wirklich ankommt — etwa an Bord des päpstlichen Flugzeugs:

Man würde eigentlich erwarten, dass da so schick angezogene, brave Menschen drinsitzen, die also alle auch wahnsinnig fromm sind und auch fromm in diese Maschine steigen. Das exakte Gegenteil ist der Fall. Weil: der Papst kommt während des Fluges meistens raus und macht sowas wie ‘ne kurze Pressekonferenz. Und nur die Leute, die ganz vorne sitzen, haben eine Chance mit ihm zu sprechen. Also ‘ne Frage zu stellen, zum Beispiel. Und deshalb ist die einzige Regel, die man beim Papstbesuch beherzigen muss: Rein in den Bus, der einen zum Papstflieger bringt, und dann sich vor die Tür stellen und dann mit allen Mitteln — hauen, kneifen, kratzen! — zu erreichen, dass man als erstes auf der Treppe ist, als erstes in der Maschine drin, und hinter dem Vorhang sitzt. Und dann hat man gewonnen. Und es gibt zwei oder drei, die in der Regel gewinnen. Ich gehöre da übrigens auch zu, ja.

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Nachsitzen bei Ulla Schmidt (zeit.de)
Wie das zuständige Ministerium versucht, kritische Journalisten auf Linie zu bringen.

Endlich: Schmidt liest Proust (Teil 2) (netzeitung.de)
Proust gehört zu den Großen der Weltliteratur, die man sich vornimmt, mal zu lesen. Jochen Schmidt ist mit gutem Beispiel vorangegangen. In einem Blog berichtet er über seine Lektüre. Und im Gespräch mit der Netzeitung.

“CNN à la française” (fr-aktuell.de)
Mit France 24 will Frankreich den US-amerikanischen Nachrichtensendern die globale Vorherrschaft streitig machen.

Die ARD demontiert sich selbst (faz.net)
Je größer der Schlamassel, desto länger der Vertrag. Nach diesem Prinzip scheint die ARD in der Jan-Ullrich-Affäre zu handeln. Die darin Verstrickten dürfen noch lange bleiben. Wer soll das verstehen?

Die Tunichtsguten (tagesspiegel.de)
112 schlaue Menschen am “Runden Tisch”: ein einziger Quatsch.

Die unterirdischen Behelliger (taz.de)
Sie geistern durch die U-Bahnen der Metropolen und geben sich alle Mühe, uns zu nerven.

“In krass rechtswidriger Form Auflage machen”

Sie war die Frau des großen Klausjürgen Wussow (77), sie verdiente viel Geld als Drehbuchautorin. Jetzt kaufte sich Yvonne Wussow (51) in ein Bordell ein. Geldnot macht erfinderisch…

“Bild”, 2. September 2006

 

In ihrer Ausgabe vom 7. September meldete “Bild” auf Seite 1 den Tod von Yvonne Wussow. Das war eine schlechte Nachricht für die Zeitung, denn es bedeutete, dass sie erst einmal keine großen Schlagzeilen mehr über Frau Wussow und etwa ihr angeblich mieses Geschäft mit Krebskranken oder ihre angebliche Beteiligung an einem Bordell machen könnte.

Aber ein paar große Schlagzeilen waren noch drin. Diese hier stand am 8. September auf Seite 1:

Yvonne Wussow † : Ihr Krebstagebuch

Im Inneren schrieb “Bild”:

Es ist ein Dokument der Hoffnung, des Kampfes und des Scheiterns.

Yvonne Wussow (†51) schrieb ein Krebstagebuch — berührend, erschütternd, ernüchternd.

BILD dokumentiert den Lebenskampf einer Frau, die nie aufgab.

An zwei Tagen füllte “Bild” jeweils ungefähr eine halbe Seite mit ausführlichen Auszügen aus Yvonne Wussows Buch.

Es ist, gelinde gesagt, schwer vorstellbar, dass Frau Wussow gewollt hätte, dass ihr Text ausgerechnet von der “Bild”-Zeitung veröffentlicht wird, der sie vorwarf, auch in jüngster Zeit — “wie so oft in der Vergangenheit” — überwiegend und absichtlich falsch über sie berichtet zu haben.

Und tatsächlich hatte “Bild” nach den Worten ihres Anwaltes Sven Krüger kein Recht, diese Texte zu veröffentlichen. Gegenüber dem NDR-Medienmagazin “Zapp” sagte er:

Es hat eine Anfrage gegeben der Bild-Redaktion, unter anderem bei mir, ob denn man nicht Teile dieses Krebsbuches abdrucken könne. Eingeleitet mit einem Satz etwa wie: Wir wollen gerne etwas für [Yvonne Wussows Sohn] Benjamin tun, wir möchten es abdrucken und etwas zahlen dafür, das soll Benjamin bekommen. Nun konnte ich nicht am Telefon, ohne Rücksprache zu halten mit dem Berechtigten, ohne überhaupt erst mal zu besprechen, ob das sinnvoll ist, ob das gewollt ist, so eine Genehmigung geben. Sie wurde also nicht prompt erteilt, also entschloss sich die BILD-Zeitung abzudrucken, ohne Genehmigung.

Krüger wirft “Bild” vor, in “krass rechtswidriger Form auch nach dem Tod von Frau Wussow mit ihr Auflage zu machen”.

Auf Bild.de fehlen inzwischen die Auszüge aus dem Buch.

PS: Nachdem “Bild” ihr in großen Buchstaben auf Seite 1 ein “mieses Geschäft mit Krebskranken” vorgeworfen hatte, erläuterte Yvonne Wussow uns gegenüber am 30. Juli ihre Sicht der Dinge. Ihre Mail endete mit den Worten:

UND DAS ALLES; OBWOHL HERR [Martin] HEIDEMANNS [zuständiges Mitglied der “Bild”-Chefredaktion] SOWOHL WUSSTE UND WEISS DASS ICH AN METASTASIERENDEM BRUSTKREBS LEIDE ALS AUCH AN EINER AKUTEN LEBERENTZÜNDUNG MIT GERADE 40 GRAD FIEBER

Allgemein  

“Bild” berichtet falsch und steht nicht mal dazu

Was sich am vergangenen Sonnabend während des DFB-Pokalspiels von Borussia Dortmund gegen die TSG Thannhausen auf der Tribüne abspielte, sah offenbar nach Randale aus. In der “Bild” von Montag (und in der “BamS”) klang es dann auch danach:

"BVB-Fans nahmen Tribüne auseinander"

“Bild” und “BamS” waren offenbar nicht die einzigen, die berichtet hatten, die Dortmunder Fans hätten randaliert. Was Borussia Dortmund und die BVB-Fanabteilung veranlasste, am Montag auf ihren Internetseiten Stellungnahmen zu veröffentlichen. Auf schwatzgelb.de heißt es u.a.:

Im Gespräch mit schwatzgelb.de erklärte Alexander Graf von Schönborn, der Ehrenvorsitzende der TSG Thannhausen (…), im Stadion selbst seien zwar einige Tribünenteile beschädigt worden, er wolle hier jedoch ausdrücklich keine Absicht unterstellen.

Zumindest von Seiten der TSG hat man also keine Randale oder mutwilligen Sachbeschädigungen zu beklagen gehabt.

Gerd Olbrich, der Vorstandsvorsitzende der TSG Thannhausen, sagte uns gegenüber, dass er mit dieser Darstellung durchaus einverstanden sei.

Und die zuständige Polizeidirektion Krumbach bestätigte uns, dass es “keine strafbaren Handlungen und keine Sachbeschädigung” gegeben hat.

Die Darstellungen in “Bild” und einigen Lokalzeitungen waren also mindestens irreführend. Aber, Schwamm drüber.

Heute berichtet “Bild” wieder über den Fall. Unter der Überschrift, “Und jetzt will es keiner gewesen sein…” wiederholt “Bild” die Randale-Vorwürfe noch einmal und schreibt zur Stellungnahme der BVB-Fanabteilung:

Und jetzt stehen sie noch nicht mal dazu!

Außerdem schreibt “Bild” über die Darstellung der Dortmunder:

Die TSG Thannhausen sieht’s anders: “Die 800 BVB-Fans fielen vor allem dadurch auf, dass sie die Tribüne demolierten.”

Woher genau “Bild” dieses Zitat hat, wissen wir nicht, es gleicht jedoch auffällig einem Satz, der in einem Text auf der Internetseite der TSG Thannhausen steht. Vereinsvorstand Olbrich sagte uns jedoch, dass der Text nicht vom Verein stamme, sondern aus einer Lokalzeitung übernommen wurde und eben nicht die Haltung des Vereins widerspiegele.

Der TSG Thannhausen hat den Text zwar nicht entsprechend gekennzeichnet, vielleicht hätte “Bild” aber die Anregung am Ende der Stellungnahme der Fanabteilung etwas ernster nehmen sollen. Dort steht nämlich:

Nachfragen zu diesem Thema werden auch von den beteiligten Ordnungsbehörden oder von Graf von Schönborn (TSG Thannhausen) beantwortet.

Mit Dank an Stefan S., Nicolai M. und Arne K. auch für den Scan.

Mini-Meldung so falsch wie eine große

Tatsächlich ist der Mann auf dem Foto, wie “Bild” heute auf Seite 1 schreibt, Steve Jobs.

Was er hochhält, heißt allerdings nicht iPod, sondern iPod Shuffle. Das Ding hat nicht bis zu 80 Gigabyte Speicherplatz, sondern 1 Gigabyte. Das reicht nicht für mehrere zehntausend Songs, sondern für bis zu 240. Der Preis beträgt nicht ab 249 Dollar, sondern rund 80 Euro (umgerechnet etwa 100 Dollar). Und der Termin für die Markteinführung ist nicht unklar, sondern jetzt, versandfertig im Oktober.

Aber zum Glück scheint jemand bei “Bild” über diesen Text noch mal kritisch drübergeschaut zu haben. Und deshalb ist der Artikel in manchen “Bild”-Ausgaben korrigiert: Denn es heißt natürlich der iPod, nicht das iPod.

Danke an Christian K.!

Wiederenthüllung

Das DeutschlandRadio Berlin zum Beispiel brachte am 2. August 2004 einen Beitrag über den beliebten DDR-Showmaster O.F. Weidling. Und erzählte natürlich auch die bekannte Geschichte seiner letzten Moderation: am 27. April 1984, zur Eröffnung des Friedrichstadtpalastes, live im Fernsehen. Weidling spielte darin auf den Milliardenkredit für die DDR an, den der bayerische Ministerpräsident bei einem DDR-Besuch eingefädelt hatte:

“Wir haben die [Dresdner] Kathedrale schon fertig gestellt, dass sie Franz-Josef Strauß schon sehen konnte. Gegen ein geringes Entgelt. Der Genosse Mittag hat nicht gelacht. Doch, jetzt schmunzelt er. Ein Stein vom Herzen.”

DeutschlandRadio weiter:

Wenige Tage danach wurde die Sendung im DDR-Fernsehen wiederholt — ohne O.F Weidling. Das war die DDR — offiziell hatte die Moderation Weidlings keine Folgen. Honecker selbst hatte im Friedrichstadtpalast gelacht — und dem Conferencier auch einen anerkennenden Brief geschrieben. Weil aber bei der Fernsehwiederholung seine Auftritte herausgeschnitten wurden, bekamen viele Partei- und Kulturfunktionäre im Lande Angst, Weidling noch einmal zu beschäftigen. Der Star unter den DDR-Conferenciers war in Ungnade gefallen. Auch ohne Politbürobeschluss.

So war das damals.

Und natürlich kann man das ruhig alles noch einmal aufschreiben, wenn gerade der Sohn Weidlings ein Buch über seinen Vater veröffentlicht. So wie “Bild” das gestern getan hat:

Dann spielte Weidling auf den Milliarden-Kredit an, den die DDR von der BRD [sic] durch die Vermittlung von Strauß bekam. “Unseren Dredner Zwinger haben wir aufgebaut, wir haben damit schon 1945 begonnen. Eine große kulturpolitische Tat, wir haben die Kathedrale rechtzeitig fertiggestellt, daß sie Franz Josef Straß schon sehen konnte, gegen ein geringes Entgelt.”

Alle lachten. Außer Politbüromitglied Günter Mittag (war für Wirtschaftsfragen verantwortlich). Darauf Weidling spontan: “O, Genosse Mittag kann nicht lachen.” Pause. “O, er lächelt zumindest — ein Stein vom Herzen.”

(…) Drei Tage nach der Live-Sendung wurde die Show im DDR-Fernsehen wiederholt. O. F. Weidling kam darin nicht mehr vor. Und er verschwand komplett von der Bühne und aus dem Fernsehen.

Etc. pp.

Ja, zugegeben: Die “Bild”-Geschichte ist ein bisschen langweilig, wenn man sie schon aus dem DeutschlandRadio oder einer der vielen anderen Quellen kennt. Ihre Überschrift lautet übrigens:

Enthüllt! Das Rätsel um O.F. Weidlings letzten Auftritt

Danke an Daniel S.

Kurz korrigiert (263, 264)

Da “Bild” offenbar in der gestrigen Ausgabe keinen Fehler gefunden hat:

Das Wappen, mit dem “Bild” die Mannschaftsaufstellung des Champions-League-Gegners von Bayern München, Spartak Moskau, illustrierte (siehe Ausriss), ist gar nicht das Wappen von Spartak Moskau, sondern das Wappen von ZSKA Moskau. Die sind zwar auch in der Champions League, spielen aber in einer anderen Gruppe als der FC Bayern München.

Und wo wir gerade dabei sind: Auch im Sportteil von heute hat “Bild” geschlampt. Unter der Spielernoten-Grafik für das gestrige Spiel Werder Bremens gegen Chelsea, taucht bei den Auswechslungen plötzlich “Juventus” auf (siehe Ausriss). Dabei sind die dieses Jahr nicht mal in der Champions League.

Mit Dank an Paragleiber, Christian W., Erich D., Daniel F. und Chrisitan B. für die sachdienlichen Hinweise.

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Medienwirtschaft vor grösstem Umbruch seit Gutenberg (dbresearch.de)
Der Medienkonsument auf dem Weg zum Medienmacher (pdf, 478 kb)

Moderatorin gewinnt Wahl-Duell (stefan-niggemeier.de)
Gestern im RBB-Fernsehen, das große Berliner Wahl-Duell zwischen Klaus Wowereit und Friedbert Pflüger, moderiert von Chefredakteurin Petra Lidschreiber.

Fernsehen hilft Kindern (fr-aktuell.de)
Es kommt nur darauf an, was man daraus macht: Medienforscherinnen sehen TV-Sendungen als Steinbruch für die kindliche Fantasie.

ARD hat auch Ullrichs Berater Pevenage bezahlt (faz.net)
Der Saarländische Rundfunk hat nach F.A.Z.-Informationen für die ARD nicht nur einen Vertrag mit dem Radsportler Jan Ullrich ausgehandelt. Auch dessen umstrittener Berater, Rudy Pevenage, erhielt Geld von der ARD.

Die anarchische Wiki-Welt (zeit.de)
Wikipedia, die Online-Enzyklopädie, kommt ohne Experten aus. Hier kann jeder mitmachen, Artikel schreiben und vorhandene ändern. Kann daraus ein seriöses Lexikon entstehen?

Bildungssystem steht infrage (falter.at)
Berater Max Friedrich erklärt, warum nach dem Fall Kampusch die Lehrbücher umgeschrieben gehören, warum das Bildungssystem wankt und warum es Kollateralschäden verursacht, ihn der Eitelkeit zu zeihen.

Dieter Bohlen irrt

Unser Vorschlag für die morgige Korrekturspalte in “Bild”:


Weil wir wieder einmal keinen Fehler in “Bild” gefunden haben, berichtigen wir diesmal Dieter Bohlen. Der behauptete gestern bei RTL, er und Estefania seien “jetzt seit ‘nem Dreivierteljahr auseinander”. Das ist falsch. In Wahrheit erfolgte die Trennung bekanntlich am 9. Juni.

Allgemein  

Bauarbeiter schwimmen den Fellen davon

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel-Springer-AG, hat nach einem Bericht der “taz” seinem Unternehmen vorgeworfen, inakzeptabel mit den Kunden umzugehen. Springers Zeitungen und Zeitschriften hätten sich den veränderten Lebensbedingungen ihrer Leser nicht angepasst, soll Döpfner bei einer internen Management-Tagung vorletzte Woche gesagt haben:

Bei Premium-Titeln wie Bild oder Welt, so Döpfner zum Punkt “Lebensumstände”, ginge man mittlerweile von falschen Leser-“Archetypen” aus. Der deutsche Bauarbeiter, der sich in der Pause mit den Kollegen an der “Seite-1-Mieze” (Döpfner) der Bild ergötze, sei so einer: “Heute kommt der typische Bauarbeiter aus Stettin oder Istanbul.” Und wenn der überhaupt lese, dann Hürriyet — “oder im besten Fall Fakt”, spielte der Springer-Chef auf den eigenen polnischen Boulevard-Ableger an.

PS: Vergangene Woche begann “Bild” mit einem Wettbewerb und forderte die Leser auf: “Schreiben Sie einen Reim, ein kleines Gedicht, auf das Mädchen von der ersten Seite.”

Die ersten Kandidaten sind schon da:

O pralle Brust!
O große Lust!
O Frau, du Volle,
Du machst mich tolle.
Ich trink jetzt Schnaps und Bier
bis alle ist all mein Hartz IV.

Man muss also gar nicht auf dem Bau arbeiten.

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