Post vom Presserat (1)

Wenn Sie in der Zeitung lesen, dass die Polizei “ohne Vorwarnung ein Tempo-80-Schild” aufgestellt und dann mit einer Radarfalle “ohne jede Schonfrist” Autofahrer “abkassiert” hat — was glauben Sie, ist passiert?

(a) Die Polizei hat eine neue Geschwindigkeitsbegrenzung erlassen, sofort eine Radarfalle aufgestellt und alle Autofahrer zur Kasse gebeten, die schneller waren als das neue Tempolimit.

(b) Die Polizei hat eine neue Geschwindigkeitsbegrenzung erlassen, nach einer Schonfrist von vier Wochen eine Radarfalle aufgestellt und nur die Autofahrer zur Kasse gebeten, die schneller waren als das vorher schon herrschende Tempolimit.

Nach Ansicht des Deutschen Presserates sind beide Interpretationen möglich. Er wies eine Beschwerde von uns gegen einen “Bild”-Artikel zurück, der den Sachverhalt (b) (Schonfrist, Vorwarnung) mit den eingangs geschilderten Worten (“ohne Schonfrist”, “ohne jede Vorwarnung”) kommentierte. Die Rechtsabteilung von Axel Springer hatte dem Presserat mitgeteilt,

dass man für den Kommentar Meinungsäußerungsfreiheit in Anspruch nehme, vor allem das Recht, ein Thema zu überspitzen und plakativ zu überzeichnen.

Mit sieben Ja-Stimmen bei einer Enthaltung gab der Beschwerdeausschuss “Bild” Recht (Originaldokument rechts):

[Die Aussagen des Kommentars] behaupten keine falschen Tatsachen im Sinne der Ziffer 2 des Pressekodex.

6 vor 9

Lawrence Lessig über die Medienwelt als Buchgeschäft
(elektrischer-reporter.de, Video)
Im zweiten Teil unseres Gesprächs wirft Lawrence Lessig einen Blick auf die Zukunft der Medien am Beispiel der guten(?) alten(!) Flimmerkiste: ?Der Charakter des Fernsehens wird sich radikal ändern.? Eine Entwicklung, die nicht alle Zeitgenossen begrüßen: ?Viele machen sich Sorgen, dass gemeinsame Bezugspunkte unserer Kultur verschwinden werden.?

?Die haben uns vom Stuhl gehauen?
(onlinejournalismus.de, Fiete Stegers)
Einschätzungen für 2007 – diesmal von Mathias Müller von Blumencron, seit sechs Jahren und ein paar Tagen Chef von Spiegel Online. Das Interview wurde im Rahmen einer Recherche für einen Artikel im Medienmagazin Insight geführt.

Der Spiegel feiert seinen 60. Geburtstag
(drs.ch, Dossier)
Am 4. Januar 1947 erschien die erste Ausgabe des Nachrichten-Magazins «Der Spiegel». Gründer und Herausgeber des Magazins war der damals 23-jährige Rudolf Augstein (1923-2002). Seine Devise lautete: «Ohne Rücksicht auf Verluste aufklären.»

“Der Spiegel” wird 60 Jahre alt
(sf.tv, Video, 2:15 Minuten)
Vor 60 Jahren ist die erste Ausgabe des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” erschienen.

Von Pilgern und Pionieren
(merkur.de, Ralf Siepmann)
Zusatzgeschäfte zum redaktionellen Inhalt werden in einer digitalisierten Welt immer wichtiger. Ob Telefon, Briefversand oder Konzertkarten: Mit günstigen Angeboten werben lokale Blätter um die Leser.

Altes “heute journal”
(yigg.de, Video)
Der legendäre BTX Hack.

Saddam-Video, Director’s Cut

“Spiegel Online” hat gestern in einem Artikel versucht, die letzten Minuten im Leben von Saddam Hussein zu dokumentieren. Als Grundlage dient das inzwischen berüchtigte Video von seiner Hinrichtung, das offenbar mit einem Mobiltelefon aufgenommen wurde und nach übereinstimmenden Berichten gut zweieinhalb Minuten lang ist. Allerdings fügt der Autor hinzu:

Die “Bild”-Zeitung berichtete, es gebe auch ein zehn Minuten langes Video.

Liegen der “Bild”-Zeitung also weitgehend unbekannte, viel längere Aufnahmen von der Hinrichtung Saddam Husseins vor? Immerhin hatte sie ihren Aufmacher über das “neue Schock-Video” am Dienstag auf Seite 1 mit folgenden Worten begonnen:

ES IST BARBARISCH! Saddams (+ 69) Tod am Galgen — einer der Henker hat ihn heimlich mit dem Handy gefilmt! Grauenvolle 10 Minuten! Das Video zeigt, wie ihn seine Henker beschimpfen, wie Saddam zurückpöbelt und am Strick stirbt.

Der Inhalt des Zehn-Minuten-Videos, wie ihn die “Bild”-Zeitung wiedergibt, scheint jedoch nicht wesentlich über das hinauszugehen, was auch auf dem Zweieinhalb-Minuten-Video zu sehen ist. Vielleicht gibt es also gar keine längere Version. Vielleicht hat “Spiegel Online” den Fehler gemacht, “Bild” beim Wort zu nehmen. Vielleicht hat sich “Bild” einfach vertan.

Das ließe sich natürlich leicht aufklären. Und deshalb haben wir bei “Bild” nachgefragt, ob der Zeitung “exklusiv eine andere Fassung des Videos vorliegt”, es also “weitere, bisher nicht bekannte Szenen von der Hinrichtung Saddam Husseins” gibt.

Ein “Bild”-Sprecher teilte uns daraufhin mit, dass “das Handyvideo, auf dem die Hinrichtung vollständig zu sehen ist, auf Bild.-T.Online definitiv weder gezeigt noch verlinkt” werden wird — eine Information, nach der wir gar nicht gefragt hatten. Er fügte hinzu:

“Darüber hinaus gibt es von unserer Seite aus dazu nichts Weiteres zu sagen.”

Schade.

Die Rückkehr der Killerkeksdose

Ist diesen Terroristen denn gar nichts heilig?

Erst vergangene Woche deckte “Bild” den Fall einer “unheimlichen Keksdose” aus dem Jahr 1999 auf, die neben dem World Trade Center (WTC) ein Flugzeug zeigt — was “Bild” vermuten ließ, dass sich die Terroristen des 11. September 2001 auf diesem Weg “geheime Botschaften” mitteilten (wir berichteten).

Nun ist “schon wieder so ein unheimlicher Fund” aufgetaucht — und diesmal ist es keine Keksdose, sondern ein Anhänger für den Christbaum! Eine “Bild”-Leser-Reporterin hat ihn 2000 “ausgerechnet auf der Aussichtsplattform des WTC” gekauft! Und er zeigt: “Ein Flugzeug, das über den Türmen des World Trade Centers kreist”! Angeboten als Weihnachtsbaum-Schmuck! “Bild” zahlt ihr dankbar 500 Euro und fragt:

Terror-Botschaft im Christbaum-Schmuck

Dann wäre das Ding allerdings eine Sensation. Wir lesen aus der Darstellung (Ausriss links) nämlich die versteckte Terroristen-Botschaft: Vergesst den Keksdosen-Plan, wir greifen die Freiheitsstatue an!

Vielen Dank an Frank B.!

6 vor 9

Saddam und die alten Medien
(blog.handelsblatt.de, Thomas Knüwer)
Vielleicht sollte ich die “Tagesthemen” nicht mehr schauen. Wäre besser für meinen Blutdruck. Denn egal ob Anne Will, Tom Buhrow oder gestern WDR-Kommentarsprecher Birand Bingül – sie alle demonstrieren ihre Überforderung mit der medialen Welt.

Dürfen Medien Saddams Todesvideo zeigen?
(fudder.de)
Ein Handy-Video schockiert die Welt. Es zeigt in voller Länge, wie Saddam Hussein hingerichtet worden ist. Das Video ist inzwischen auf vielen Seiten im Netz zu finden. Wie sollen Journalisten mit solchen Inhalten umgehen? fudder hat sieben deutsche Medienmacher gefragt: Dürfen Online-Medien das vollständige Exekutionsvideo zeigen und verlinken?

Web-2.0-Bubble jetzt auch in Deutsch: Holtzbrinck kauft StudiVZ
(konvergenz.kaywa.com, Andreas Göldi)
Das war ja eigentlich nur eine Frage der Zeit: Die umstrittene deutschsprachige Facebook-Kopie StudiVZ ging heute über den Ladentisch. Der glückliche (?) Käufer ist die Verlagsgruppe Holtzbrinck, die für die Website mit einer Million registrierten Usern 85 Millionen Euro hinblättert (davon 50 Mio. gleich bar auf die Hand).

Aufbruchstimmung
(azrael74.de)
Mit aller Macht ins Internet drängt die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck.

Rückkehr der rasenden Reporter
(spiegel.de, Frank Patalong)
Die Zukunft der Zeitung liegt im Netz – das ist inzwischen allen großen Verlagen klar. Die “Washington Post” wagt jetzt zaghafte Schritte, Print und Online näher zueinander zu bringen. Andere Medienhäuser sind ihr da Längen voraus.

Montags wird nicht mehr gebibbert
(fr-aktuell.de, Roderich Reifenrath)
Eine in die Jahre gekommene Institution des deutschen Journalismus feiert Geburtstag: Der “Spiegel” wird 60.

Bild.de ringt mit der Wahrheit

Heute spielen wir “Was passiert hier”. Das geht folgendermaßen: Wir zeigen Ihnen drei Fotos aus einer Bild.de-Galerie, die Kevin Federline beim Wrestling zeigen, und Sie müssen raten, was auf den Fotos zu sehen ist. Um das Ganze zu erschweren, behalten wir aber die Original-Fotounterzeilen von Bild.de bei.

Los geht’s:

a.

b.

c.

Auflösung:

Mit Dank an Martin K. für den sachdienlichen Hinweis.

Es muss nicht immer Frischfleisch sein

Wir schreiben den 3. Januar 2007, und die Tageszeitung “Bild” berichtet in ihrer heutigen Ausgabe über einen Steinadler, der “sich in Finnlands Süden über einen Fuchs hermachte” (siehe Ausriss).

Wörter wie “jetzt”, “jüngst”, “unlängst” oder “vorgestern” sucht man in der “Bild”-Meldung vergeblich. Zu Recht. Denn das Foto ist dort, wo “Bild” es jetzt her hat, auf den 22. Februar 2006 datiert.

ZWEITENS schreibt “Bild”:

“Der Adler hatte den Fuchs in seinen Krallen, als der sich noch einmal losriss und entkam. Doch der Raubvogel (…) stürzte sich wieder auf den Fuchs — und erlegte ihn.”

Auf den finnischen Originalfotos ist jedoch von einer zweiten, tödlichen Attacke nichts zu sehen. Stattdessen sieht man dort nicht nur Adler und Fuchs, sondern auch ein großes Stück Aas im Bildvordergrund, was die Vermutung nahelegt, dass es sich beim Fuchs nicht um “eine fette Beute” (“Bild”) handelt, sondern bloß um einen Rivalen — was dann natürlich bedeuten würde, dass “Bild” hier also nicht nur irgendein altes Foto betextet, sondern das alte Foto außerdem auch falsch betextet hätte…

Naja, vielleicht kennt ja der Fotograf die Antwort. Wir haben ihm jedenfalls einfach mal eine Mail geschickt und sind gespannt.

Die Korrektur des Jahres (nicht von “Bild”)

Die amerikanische Internetseite “Regret the Error”, die sich auf Berichtigungen in den Medien spezialisiert hat, wählt in ihrem Jahresrückblick immer die “Korrektur des Jahres”. Gewinner in diesem Jahr ist die britische Zeitung “The Sun” mit folgender Klarstellung und Entschuldigung:

Nach unserem Artikel über die Geburtstagsfeiern von Prinzessin Eugenie sind wir gebeten worden, darauf hinzuweisen, dass die Party die ganze Zeit von Erwachsenen beaufsichtigt wurde und dass zwar ein bisschen Unordnung am Ende des Abends weggeräumt wurde, es aber keine Schäden an Möbeln gab, keine Zecher in die Schlafzimmer hechteten, um betrunken miteinander rumzumachen, und es unkorrekt war, das Haus als verwüstet zu beschreiben.

Wir freuen uns, dies klarstellen zu können, und bedauern jedweden Kummer, den unser Bericht verursacht hat.

(Übersetzung von uns.)

Dabei war der ursprüngliche Artikel durchaus detailliert und farbenfroh und beschrieb, wie minderjährige Gäste besoffen ohnmächtig wurden, alles vollkotzten und Zigaretten auf den Möbel ausdrückten.

Schöne Korrektur in der “Sun” jedenfalls. Und warum steht das hier alles? Ach ja.

6 vor 9

Iran: Neues Gesetz zur Kontrolle des Internet
(telepolis.de, Thomas Pany)
Es sollen sich alle Iraner, die einen Blog oder eine Webseite betreiben, binnen zwei Monaten auf der Regierungswebseite Samendehi mit Namen und Adresse registrieren.

Lebenslänglich Bloggen?
(basicthinking.de)
Robert Basic fragt sich, ob er lebenslänglich bloggen muss.

Weblogs am Wendepunkt
(ftd.de, Björn Maatz)
Weblogs haben sich innerhalb weniger Jahre als fester Bestandteil der Web 2.0-Generation etabliert – Blogs wie BoingBoing gewinnen immer mehr Zulauf. Doch das Phänomen erreicht in diesem Jahr seinen Höhepunkt, prophezeien die Analysten des Beratungsunternehmens Gartner.

Strick, Falltür und – Schnitt
(taz.de, Bettina Gaus)
Auch seriöse Medien wie der Sender BBC zeigten Ausschnitte der Hinrichtung des Despoten Saddam Hussein. Nur die Sekunde des Todes nicht. Dem westlichen Wertesystem scheint das zu entsprechen.

Google gewinnt mit Print
(spiegel.de)
Für Zeitungsverleger werden die Zeiten immer schwerer. Zuerst hat das Internet ihnen den Markt verdorben, weil es schneller ist – nun droht es, den Anzeigenmarkt zu verderben. Weil das Schalten von Werbung übers Netz so einfach ist.

Wrabetz lässt ORF-Auge wieder auferstehen
(diepresse.com)
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz will den “öffentlich-rechtlichen Mehrwert” steigern. Er setzt sich für eine schnelle Neubesetzung des Stiftungsrates ein – und am Küniglberg prangt wieder das ORF-Auge.

Kehraus 2006

So, dann räumen wir schnell noch ein wenig Gerümpel weg, das vom letzten Jahr liegengeblieben ist.

Gib mir die Kugel - Neue Fun-Sportart aus NeuseelandDie “neue Fun-Sportart” Zorbing beispielsweise, die Bild.de jetzt in Neuseeland entdeckt hat — nur zehn Jahre und zweieinhalb Monate, nachdem die “Bild am Sonntag” sie entdeckt hat und am 13. Oktober 1996 groß darüber berichtete.

Oder die Fotoserie von den “dümmsten Autofahrern 2006”, die (wie unsere Ausriss zeigt) leider wieder einmal von dem dümmsten Bild.de-Praktikanten betextet wurde:

Nicht zu vergessen auch dieses Foto vom “Handy mit Musikplayer”, das Apple möglicherweise in diesem Jahr herausbringen will. Das Projekt sei “streng geheim” schreibt Bild.de richtig, zeigt aber schon ein Foto vom “Hersteller”…

…in Wahrheit ist es eines von vielen Fakes, oder freundlicher: von vielen künstlerischen Impressionen, wie das sagenumwobene Ding aussehen könnte.

MONROSE: Mandy (16) suchte Mann im InternetDann war da noch der Skandal, der es am 28. Dezember auf die Seite 1 der “Bild”-Zeitung schaffte (siehe Ausriss): Mandy, eine der Sängerinnen der Popgruppe Monrose, soll sich in einer Kontaktbörse registriert haben, obwohl sie einen Freund hat und selbst in der Anzeige schrieb: “Ich mag es nicht, wenn man seine Freunde hintergeht.” Was “Bild” “übersah”: Das Profil ist alt, seit 3.1.2006 war keine Aktivität mehr feststellbar. Und wann hat Mandy ihren Freund kennengelernt? Silvester 2005/06.

Und schließlich noch ein “Bild”-Höhepunkt zum Jahreswechsel:

“Das Geheimnis der unheimlichen Keksdose”

Auf einer 1999 hergestellten Porzellandose ist neben dem World Trade Center eine Passagiermaschine zu sehen (siehe Ausriss unten). “Es scheint”, staunt “Bild”, “als steuere sie die Türme an. Fast genau so, wie es geschah!”

Tja. Was könnte dahinter stecken? “Bild” weiß es nicht, neigt aber zu der These, dass sich die Attentäter des 11. September 2001 von Deutschland aus mit Hilfe der Keksdose “eine geheime Botschaft” zuschickten. Noch einmal: dass sich die Attentäter des 11. September 2001 von Deutschland aus mit Hilfe der Keksdose “eine geheime Botschaft” zuschickten.

Falls es so war, haben sich die Terroristen allerdings entgegen der ursprünglichen Keksdosenplanung dann doch entschieden, den Anflug nicht schon hinter dem Eiffelturm über Big Ben zu beginnen.

Danke an Martin M., Reinhard B., Alexander S., Malte L., Matthias R., Mathias K., Till V., Andy S., Cay D., Tobias G., Andreas R. und das redblog!

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