Die Kompetenz der “Bild”-Zeitung in Sachen Harry Potter ist eher nur so mittel. Insofern würden wir der Behauptung der “Bild am Sonntag”, Harry Potter werde entgegen früherer “Bild”-Behauptungen im siebten Band der Reihe nicht sterben, keine größere Bedeutung schenken.
Insbesondere, da “Bild” in dem Artikel sowohl das Erscheinungsdatum des Buches falsch angibt (der Verkauf der englischen Ausgabe beginnt nicht am 7. Juli, sondern am 21. Juli) als auch den Titel: Es heißt nicht “Harry Potter and the Deathly Hollows” (etwa: …und die tödlichen Hohlräume), sondern “Harry Potter and the Deathly Hallows” (etwa: …und die tödlichen Weihen).
Danke an Verena D. und Volker für die sachdienlichen Hinweise!
Die Regel, dass man Fragen in “Bild”-Schlagzeilen bis zum Beweis des Gegenteils getrost mit “Nein” beantworten kann, gilt auch bei diesem großen Artikel vom Freitag:
“Bild”-Autor Christian Schmidt malt sich die Sache lustvoll aus:
Schwarze Wolken jagen über den Himmel, schwere Regentropfen fluten auf die Strandpromenade von El Arenal, Sturmböen zerfetzen die Werbeschilder der Kioskbesitzer. Ein Hurrikan trifft Mallorca.
Ein Horror-Szenario für Millionen Sommerurlauber, das schon bald Wirklichkeit werden könnte! (…)
HURRIKAN-ALARM auf MALLORCA!
Nun denkt sich “Bild” ja solche Geschichte nicht aus. Also, jedenfalls nicht ganz. Im konkreten Fall beruft sich die Zeitung auf den Meteorologen und Hurrikan-Experten Thomas Sävert von der Firma Meteomedia, der beim Hamburger Extremwetterkongress die “alarmierendste Studie” vorgestellt habe:
Pro Jahr ziehen bis zu drei Hurrikane über die Mittelmeer-Region. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis einer Mallorca trifft.
Sävert ist die einzige Quelle für das Mallorca-Katastrophenszenario von “Bild”. Ausführlich referiert das Blatt seine angeblichen Erkenntnisse, zum Beispiel die Prognose, dass in Folge der Klimaveränderung im Mittelmeer stärkere Hurrikane entstehen könnten.
Erstaunlich nur: In anderenBerichten von der Konferenz ist von dieser akuten Bedrohung für “unser” Mallorca keine Rede. Oder, vielleicht doch nicht erstaunlich. Gegenüber BILDblog erklärt Thomas Sävert:
“Ich bezog eindeutig Stellung, dass es zwar hurrikanähnliche Stürme im Mittelmeeraum gibt, die aber keinesfalls die Stärke der tropischen Hurrikane erreicht und daher auch nicht als solche bezeichnet werden sollten. Die Insel Mallorca habe ich mit keinem Wort erwähnt, und ich habe auch nicht davon gesprochen, dass diese ‘Hurrikane’ stärker werden sollen. Alle Zitate sind gefälscht. Ich bin eigentlich als seriöser Wissenschaftler bekannt, der solche Aussagen, wie sie in der ‘Bild’-Zeitung getroffen wurden, nie machen würde.”
Sävert hält den Artikel für rufschädigend und prüft rechtliche Schritte.
Das gefährlich aussehende Wirbelwinddings auf der großen Fotomontage, mit der “Bild” die vermeintliche Hurrikan-Gefahr illustriert, ist übrigens nicht einmal ein Hurrikan. Sondern ein Tornado.
Von der wissenschaftlichen Forschung immer noch unbeantwortet ist die Frage, ob es theoretisch denkbar ist, eine Nachricht so kurz und schlicht zu formulieren, dass es nicht einmal dem Überschriftenpraktikanten von Bild.de gelingt, sie falsch zu verstehen.
Danke an Florian K. und Thomas R.!
Nachtrag, 22.30 Uhr. Der Überschriftenpraktikant hat sich die Meldung dann nachträglich doch noch einmal ganz genau durchgelesen.
Die Axel-Springer-AG hat gestern einige weitere Wechsel in der “Bild”-Redaktion bekanntgegeben. Interessant ist die Person des neuen Redaktionsleiters von “Bild”-Hamburg: Gerald Selch führte zuletzt für das Magazin der “Süddeutschen Zeitung” ein Interview mit Michael Ballack, in dem der unter anderem erklärte, warum er nicht mit “Bild” spricht.
Vor fast genau einem Jahr musste Selch als stellvertretender Chefredakteur bei der Münchner Boulevardzeitung “tz” gehen, nachdem die behauptet hatte, Bastian Schweinsteiger, Paul Agostino und Quido Lanzaat seien in einen Wettskandal verwickelt. Die “tz” widerrief dies später und entschuldigte sich bei den Spielern, von Selch trennte man sich “im gegenseitigen Einvernehmen”.
Wenn aus bloggen Literatur wird (blogpiloten.de, Thomas Gigold) ?Leipzig liest? ist Europas größtes Lese-Festival. Blogger durften da nicht fehlen. Wer nicht glauben mag, das man aus Blogs öffentlich vorlesen darf, wurde am Donnerstag eines Besseren belehrt.
Tom Kummer: Journalismus ist Krieg (netzeitung.de, Roland Düker)
Weil er Interviews gefälscht hat, gilt Tom Kummer als bad boy des deutschen Magazin-Journalismus. Er muss heute als Tennislehrer arbeiten.
Senden fürs Sorgenkind (merkur.de, Ingo Petz) In Europas letzter Diktatur werden die Medien scharf kontrolliert. Westliche Radioprogramme bringen unabhängige Informationen ins Land.
Der große Fritz (taz.de, Steffen Grimberg) Der WDR würdigt seinen scheidenden Intendanten mit einem zweiteiligen, eindimensional-peinlichen Rührstück (“Rastlos gelassen“, 20.15 Uhr).
Laut “Spiegel Online” hat die Ex-Terroristin Eva Haule den Springer-Zeitungen “Bild” und “B.Z.” per einstweiliger Verfügung untersagen lassen, Fotos zu veröffentlichen, “die – heimlich geschossen – sie als Freigängerin zeigen”. Außerdem sei es den Zeitungen untersagt, Einzelheiten über Haules Ausbildung zu verbreiten.*
Und auch der “Bild am Sonntag”, die (wir berichteten) Fotos der Ex-Terroristin Brigitte Mohnhaupt aus dem “Trostberger Tagblatt” “geklaut” und u.a. auf der Titelseite veröffentlicht hatte, wurde nun per einstweiliger Verfügung verboten, diese Fotos zu zeigen.
*) “Bild” hatte Haules Gesicht verpixelt. Laut “Spiegel Online” prüft man bei Springer, ob man gegen die einstweilige Verfügung vorgehen will.
Radikales Umdenken (werbewoche.ch, Karl Lüönd) Das tägliche Informationsmenü soll nicht den Röhrenblick der Spezialisten, sondern die offene und neugierige Sicht der Menschen prägen.
“Fakten sind langweilig” (++) (taz.de, Johanna Schmeller)
Tom Kummer sorgte mit gefälschten Starinterviews für einen Medienskandal. Jetzt hat er eine Autobiografie geschrieben: “Blow up”. Will er sich rehabilitieren?
Die nackte Wahrheit (facts.ch, Markus Schär)
Der «Kassensturz» tat alles, um den Arzt Peter Meyer-Fürst als Sexualtäter darzustellen. Jetzt zeigt sich: Das eingeleitete Verfahren gegen den Schönheitschirurgen beruht auf der Anzeige einer Betrügerin.
Gestern enthüllte “Bild” das Trikot des Fußballvereins Hertha BSC für die Bundesliga-Saison 2007/2008. Zum “Hintergrund” schrieb “Bild”, dass “einige Fans” nie “warm wurden” mit dem aktuellen Trikot. Insbesondere das “Adler-Wappen aus den Meister-Jahren 1930/1931” kam offenbar nicht so gut an. Und nachdem es am 2. Spieltag der laufenden Saison einen Trikot-Vorfall (Fans warfen nach einem Spiel “von den Herthanern in die Fankurve geworfene Trikots wieder zurück”) gab, hatte sich, so ist jedenfalls der “Bild”-Zeitung zu entnehmen, Ex-Hertha-Präsident Wolfgang Holst als Sprecher des Ältestenrates “in den Zoff” eingeschaltet:
Holst damals: “Man muss die Fans ernst nehmen. Wir haben ihre Wünsche angehört und protokolliert. Das Papier geht der Geschäftsleitung zu.” Und die hat reagiert: Schluss mit dem Adler auf den neuen Schmuckstücken für die Fans!
Hertha BSC nahm dazu in einer Pressemitteilung Stellung. Der Verein stellt darin fest, dass “bereits seit der Spielzeit 2005/2006 das Trikotdesign (…) verabschiedet worden ist”. Insofern sei auch der Hinweis auf den Ältestenrat in der “Bild”-Zeitung “nicht relevant”.
Das klingt nachvollziehbar. Insbesondere, wenn man weiß, dass Hertha BSC bereits zwei Wochen vor dem Trikot-Vorfall (und damit offenbar auch vor der Äußerung von Holst) in einer Mitteilung schrieb:
Um es ganz deutlich zu machen: In keiner Sekunde wurde daran gedacht, das HERTHA-Logo mit der Fahne durch das Logo mit dem Adler zu ersetzen. (…) [Das aktuelle] Trikot ist eine Sonder Edition und wird es nur in dieser Spielzeit geben. Die weiteren Trikots, und auch das aktuelle Auswärtstrikot werden selbstverständlich mit dem Original-Logo mit der Fahne gespielt. Auch zukünftig wird das alte HERTHA-Logo erhalten bleiben und auf den neuen Trikots zu sehen sein. (Links von uns.)
Das muss aber laut gewesen sein am vergangenen Sonnabend beim Spiel Schalke 04 gegen den VfB Stuttgart. 129 Dezibel! Das sei, schrieb “Bild” am Montag, “so laut wie nirgendwo anders in der Liga”. Außerdem sei das fast so laut wie eine startende Rakete und lauter als ein startender Düsenjet. So stand es jedenfalls in der “Lärm-Tabelle”, die “Bild” abdruckte und in der sie sogar erklärte, was ein Dezibel ist. Wie “Bild” auf diese “129 Dezibel” gekommen war, stand auch im Text:
Der Lärm-Check wird in der Veltins-Arena mehrfach pro Spiel angezeigt.
Der “Bild”-Artikel wird seit seinem Erscheinen eifrig im Schalke-Forum diskutiert. Für eine gewisse Verwirrung sorgt dabei, dass der “ELE-Soundcheck” (vom Stromversorger ELE), den “Bild” “Lärm-Check” nennt, bekanntermaßen nicht in Dezibel misst und in der Vergangenheit schon viel höhere Werte angezeigt hat als 129 (der Rekord scheint so bei 183 zu liegen). Entsprechend werden die “129 Dezibel” von “Bild” im Schalke-Forum vereinzelt angezweifelt. Zuweilen wird aber auch die Theorie ventiliert, dass man den ELE-Wert circa durch 1,5 teilen muss, um auf Dezibel zu kommen.
Diese schöne Theorie können wir leider nicht bestätigen. Wie uns jetzt ein Sprecher der Veltins-Arena mitteilt, misst der ELE-Soundcheck Volt, die dann in eine Fantasie-Skala übersetzt werden, die bis 200 reicht. Und, so der Sprecher: