Sind immer die andern V

Angenommen, jemand behauptet fälschlicherweise über Sie, Sie würden regelmäßig Giraffen mit Hustenbonbons bewerfen. Und dieser jemand erzählt das der “Bild am Sonntag”. Und die “Bild am Sonntag” ruft bei Ihnen an und fragt Sie, ob das stimmt. Und Sie haben keine Lust, mit der “Bild am Sonntag” zu reden, und sagen das auch der “Bild am Sonntag”. Darf die “Bild am Sonntag” dann über Sie schreiben: “… bewirft regelmäßig Giraffen mit Hustenbonbons”?

Natürlich nicht. Aber genau wie ihre Schwesterzeitung “Bild” glaubt die “Bild am Sonntag”, das zu dürfen.

Und findet es deshalb sehr ungerecht, heute diese Gegendarstellung von Günther Jauch abdrucken zu müssen:

Gegendarstellung Jauch. Die Anordnung meines persönlichen Erscheinens ist vom Landgericht Potsdam mit Beschluss vom 30. Mai 2006 aufgehoben worden.

Am 6. August 2006 hatte die “Bild am Sonntag” behauptet, Jauch müsse wegen einer Klage des Boxers Rene Weller vor Gericht erscheinen:

Richter zitiert Jauch vor Gericht

Diese Behauptung, die offenbar vom Anwalt von Rene Weller stammte, war zweifellos falsch. Das räumt nach Bild.de heute auch die “Bild am Sonntag” ein. Sie fügt aber u.a. hinzu:

Die BamS-Redaktion hat vor der Veröffentlichung Dr. Christian Schertz, den Anwalt von Günther Jauch, angerufen und danach befragt, ob sein Mandant tatsächlich am 7. September 2006 vor Gericht erscheinen müsse. Obwohl Dr. Schertz zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, dass das Landgericht inzwischen die Anordnung des persönlichen Erscheinens von Günther Jauch aufgehoben hatte, lehnte er nach Rücksprache mit seinem Mandanten eine Stellungnahme ab. Hätte uns Dr. Schertz über den neuen Sachverhalt informiert, hätten wir auf eine Berichterstattung verzichtet.

Mit anderen Worten: Wenn es der “Bild am Sonntag” nicht gelingt, korrekte Tatsachen über Günther Jauch zu recherchieren, liegt das nicht an den Recherchemängeln von “Bild am Sonntag”, sondern an der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft von Günther Jauch.

Noch aus einem anderen Grund scheint die “BamS” es ungerecht zu finden, dass sie gerichtlich zum Abdruck der Gegendarstellung gezwungen wurde. Sie schreibt:

[Wir haben] unsere Leser bereits in der Ausgabe vom 13. August darüber informiert, dass Günther Jauch vom persönlichen Erscheinen vor dem Landgericht befreit worden ist.

Das klingt, als hätte die “BamS” ihren Fehler schnell korrigiert. Und wenn sie das getan hätte, wäre Jauch es tatsächlich schwer gefallen, eine Gegendarstellung durchzusetzen.

Richtig ist zwar, dass die “BamS” am 13. August berichtet hatte:

Richter: Jauch muss nicht zum Prozess erscheinen

“BamS”-Redakteurin Angelika Hellemann, die schon den falschen ersten Artikel geschrieben hatte, vermied dabei aber konsequent den Hinweis, dass dies bereits seit Monaten feststand. Mit vielen Formulierungen erweckte sie den Eindruck, erst nach ihrem ursprünglichen Artikel hätte sich der neue Sachverhalt ergeben:

“Sie müssen sich vor Gericht doch nicht in die Augen blicken.”

“…braucht nicht mehr persönlich im Gerichtssaal zu erscheinen…”

“…teilte Gerichtssprecher Dr. Tiemann jetzt mit.”

Jetzt ist Weller enttäuscht…”

(alle Hervorhebungen von uns)

Einen Fehler zuzugestehen, war der “Bams” offenbar nicht möglich. Kein Wunder: Nach ihrem journalistischen Verständnis lag der Fehler ja nicht bei ihr, sondern bei Jauch.

PS: Unmittelbar über die große Jauch-Gegendarstellung hat die “BamS” heute dieses Stück u.a. von Angelika Hellemann platziert:

Sicher reiner Zufall.

“taz” verhöhnt deutsche Chefredakteure

Woher kommt bloß dieser Haß?

Die “taz” verhöhnt Deutschlands bekannteste Journalisten, druckt eine intime Fotomontage von Helmut Markwort und Kai Diekmann. Angeblich aufgenommen von “taz-Leserreportern”!

Es sind Fotomontagen aus dem Privatbereich, die kein Mensch von sich in der Zeitung sehen möchte. Sie zeigen das Paar Markwort/Diekmann “beim Nackt-Boulen am Strand”.

Dazu brachte die “taz” heute auf Seite 1 prominent in der Mitte die hämische Schlagzeile “Mehr als nur Kollegen?”. Das deutsche Wort “Kollege” bedeutet laut Duden “jmd., der mit anderen zusammen im gleichen Beruf tätig ist”.

Diekmann wird in der Überschrift als “BILD-hübsch” bezeichnet. Er assistiere Markwort mit einer TitelGeschichte, lasse sogar Gaga-Kolumnist Franz Josef Wagner von der Leine.

Der Artikel beginnt mit dem spöttischen Satz: “Wie ‘Focus’ und ‘Bild’ mit nichtpublizierten FKK-Fotos von EU-Kommissar Günter Verheugen Politik zu machen versuchen”. Darüber die zweideutige Überschrift “Nackten, Nackten, Nackten”. Das heißt eigentlich soviel wie “unbekleidet” — könnte aber auf den “Focus”-Werbespruch anspielen: “Fakten, Fakten, Fakten”.

Und wenn Ihnen dieser kursiv gesetzte Text jetzt irgendwie bekannt vorkommt: Keine Sorge, uns auch!

Kurz korrigiert (298)

Wir wissen wirklich nicht, wen unter den durchschnittlich über elf Millionen “Bild”-Lesern es interessieren könnte, wieviele Tage zwischen den Geburtstagen von Karlheinz Kögel und Bill Clinton liegen.

Wir wissen nur, dass die Differenz heute im Rahmen der “Ich weiß es!”-Kolumne von Christiane “Ich weiß es!” Hoffmann in der “Bild”-Zeitung steht (siehe Ausriss) — und dass die Zahl 111 nicht mal stimmt.

Mit Dank an Holger K. fürs Nachzählen.

Beinahejournalismus

+++Wir unterbrechen dieses Blog für eine Eilmeldung. Das südliche Bayern wäre, wie wir soeben erst erfahren, am Mittwoch beinahe durch ein Flammeninferno dem Erdboden gleichgemacht worden. Ein Papierkorb in einer Damentoilette in München war in Brand geraten. Nur durch den Einsatz eines Feuerlöschers konnte ein Übergreifen der Flammen auf Herrentoilette, Flur, Etage, Haus, Straße, Stadt und Freistaat verhindert werden.+++

Ja: Bei der “Süddeutschen Zeitung” hat’s gebrannt. Die Berufsfeuerwehr informierte die Öffentlichkeit über das Geschehen mit den Worten (pdf):

Im vierten Obergeschoss eines Münchner Zeitungsverlags geriet in der Damentoilette am Mittag ein Mülleimer in Brand. Noch vor Eintreffen der Einsatzkräfte der Feuerwache Mitte hatten Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes den Brand mit einem Schaumlöscher gelöscht.

Und “SZ”-Redakteur Karl Forster schreibt heute in seiner Kolumne:

Da diese Zeilen hier in unmittelbarer Nachbarschaft der gebrannt habenden Toilette entstehen, ist festzustellen: Seitens der Behörde ist alles korrekt berichtet.

Zum Erstaunen der Toilettennachbarn aber war laut einer vierbuchstabigen Zeitung sehr viel mehr geschehen: Unter der Rubrik “Flammen bis zur Decke” steht geschrieben: “Das Stammhaus an der Sendlinger Straße wäre beinahe abgebrannt.” Und dass der Sicherheitsdienst sich durch den Qualm habe “kämpfen” müssen. Haben wir da vielleicht eine Katastrophe verpennt?

Vielen Dank an “SoWhy” und Holger G.!

“Bild” zahlt Leser-Touristen 500 Euro

“Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner beklagt heute, wenn wir ihn richtig verstanden haben, dass man als Politiker nirgends mehr unbeobachtet ist. Schuld daran sei: der “totale Tourismus”.

Wagner schreibt an Günter Verheugen, über dessen NacktFotos anscheinend “ganz Deutschland” diskutiert, ohne sie überhaupt gesehen zu haben:

(…) es gibt auf unserer Erde leider keinen Flecken mehr, wo ein verheirateter EU-Kommissar mit seiner Kabinettschefin unbegafft nackt baden kann. Wir leben nun einmal im totalen Tourismus, der auf Einzelschicksale keine Rücksicht nimmt.

Touristen knipsen alles, den schiefen Turm von Pisa und den nackten EU-Kommissar mit seiner ebenfalls nackten Bürochefin.

Ich wünschte, die Fotos gäbe es nicht. (…)

Zufälligerweise hat sich am vergangenen Sonntag auch der Komiker Michael Mittermeier über die Auswirkungen des, äh, totalen Tourismus geäußert. Auf SWR 1 sagte er:

Der “Bild”-Leser-Reporter ist meines Erachtens einfach eine böse, voyeuristische Aktion, die leider Gottes uns Leuten einfach schadet, uns Künstlern. Weil Leute dich wirklich verfolgen mit Foto-Handys. Und ich hab mich schon mit Leuten gestritten, die mich angemacht haben, weil sie sagen: Ey, wieso gönnst Du mir kein Foto, ich will 300 Euro verdienen, und da muss ich sagen: Das ist schon ‘ne ziemliche Sauerei. Weil: Wenn ich privat bin, bin ich privat. Und es geht nicht, jemanden zu fotografieren, wenn er im Tengelmann steht, ich meine, das ist wirklich eine böse Aktion.

Danke an Tim S.!

Als Hellseher ist “Bild” nur so mittel

Zum Wesen von Verhandlungen gehört es, dass man, solange sie laufen, nicht weiß, wie sie am Ende ausgehen.

Zum Wesen von “Bild” gehört es, aus Möglichkeiten Tatsachen zu machen.

Keine gute Kombination. Und im Fall der Verhandlungen, ob Jürgen Klinsmann Nationaltrainer der USA wird, hatte kaum eine Tatsachenbehauptung von “Bild” Bestand.

Eine kleine Chronologie der Berichterstattung von “Bild”, “Bild am Sonntag” und Bild.de.

15. September:

Gehaltsfrage der Knackpunkt
Klinsmann bald Ami-Coach?

27. Oktober:

Klinsi: Ich muss wieder als Trainer arbeiten!
…er verhandelt bereits mit den Amis

28. Oktober:

Ami-Trainer KLINSI. Bei der nächsten WM gegen uns!
Er hat Deutschland eine schwarz-rot-goldene WM beschert. In vier Jahren bei der nächsten WM wird er unser Gegner sein…

29. Oktober:

KLINSI: USA-Trainer bis 2010. Er kriegt die ganze Macht

30. Oktober:

Dass Klinsi ab 2007 den Job als US-Nationaltrainer annimmt, gilt als so gut wie sicher.
Er wird einen Vertrag bis 2010 bekommen, rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr verdienen.

3. November:

“Sun” und “Daily Mirror”: US-Verband legt Verhandlungen auf Eis
Ist Klinsi den Amis zu teuer?

13. November:

Klinsmann
Vertrag mit Amis keine Gehaltsfrage

28. November:

Klinsi
JA zu USA! Spieler verplapperte sich

8. Dezember:

Klinsi sagt USA ab!
(…) Grund für Klinsis Rückzug soll nicht das Thema Geld (rund 2,5 Mio. pro Jahr) gewesen sein. Es ging Klinsi hauptsächlich darum, seine konzeptionellen Vorstellungen zu verwirklichen. Doch die konnte er nicht durchsetzen.

Was “Bild”-Leser nicht wissen müssen

Aha, bei “Bild” liest man also auch die “taz”.

Und wenn es sein muss, wird aus der “taz”-Lektüre bei “Bild” sogar eine Schlagzeile für die Seite 1 (siehe Ausriss).

In der Tageszeitung “taz” offenbarte die Schauspielerin, woran die Liebe zerbrach: “Ganz einfach. Ich hab mich neu verliebt – ausgerechnet, als ich Pierre [Besson] beim Dreh zu ‘Afrika, mon amour’ in Kenia besucht habe.” (…)
Vier Jahre lang waren Baumeister und Besson ein Paar (…). Jetzt die Trennung!
(hervorhebung von uns.)

So. Und jetzt (Hervorhebung von uns) zitieren wir mal, was sonst noch in dem Interview stand, aus dem “Bild” heute eine Seite-1-Schlagzeile macht und das die “taz” gestern unter der Überschrift Verweigerung macht Medien scharf — Die Schauspieler Muriel Baumeister und Pierre Besson über ihren Ärger mit den Boulevardmedien und die Schwierigkeit, ein ungestörtes Privatleben zu führen” veröffentlichte:

taz: Frau Baumeister, seit Wochen rätseln die Boulevardmedien darüber, ob Sie sich von Ihrem Lebensgefährten Pierre Besson getrennt haben. Wie fühlt sich das an?
Muriel Baumeister: Beschissen, weil das niemanden was angeht. (…) Weil nicht alle Kollegen so denken, meinen die Boulevardjournalisten aber, sie hätten ein Recht darauf, ungefragt in unsere Privatsphäre einzudringen.

Wie gehen die dabei vor?
Baumeister: Neulich hat mich die Bunte auf dem Handy angerufen und mich unter Druck gesetzt, mich zu meiner Trennung zu äußern – eine absolute Farce, es immer wieder zu probieren, obwohl man mich kennt und weiß, dass ich über mein Privatleben in der Öffentlichkeit keine Auskunft gebe. (…)

Wo wir schon mal beim Thema sind: Sie haben sich also tatsächlich getrennt?
Baumeister: Ja, allerdings schon vor einem knappen halben Jahr. Und die Wahrheit ist so langweilig …
Besson: … dass der Boulevard damit nichts anfangen kann.(…)

Warum verbeißen sich die Boulevardjournalisten so in Sie?
Baumeister: Weil ich nicht mit denen rede. Das ist eine Art Journalismus, an der ich mich nicht beteilige. Diese Verweigerungshaltung scheint die Leute allerdings auf eine fast schon sexuelle Art scharf zu machen.(…)

Es ist doch absurd: Wir reden öffentlich darüber, warum Sie sich sonst aus der Öffentlichkeit raushalten.
Baumeister: Stimmt, aber durch dieses Gespräch möchten wir zeigen, dass wir die Deutungshoheit über unser Leben nicht dem Boulevard überlassen. (…)

Waren die Reaktionen auf den Selbstmord Ihres Vaters vor zwei Jahren der Gipfel der Zudringlichkeiten?
Baumeister: Dass die Bild-Zeitung* versucht hat, meine Putzfrau mit 1.000 Euro zu bestechen, war eine Unverschämtheit, die mir in dieser Lebensphase besonders wehgetan hat. Da war das Maß dessen, was man als öffentliche Person einstecken können muss, eindeutig voll. (…)

*) “Bild” berichtete am 29.6.2004 unter der Seite-1-Schlagzeile “TV-Star Muriel Baumeister — Vater erschießt sich” detailliert über den Selbstmord von Edwin Noël Baumeister.

6 vor 9

Die Sprache Entenhausens
(Deutschlandfunk, Eva-Maria Götz)
Mickey-Mouse-Übersetzerin schuf eine Sprachkultur voller Witz.

Teuer und kompliziert
(Berliner Zeitung, Björn Wirth)
Das digitale Fernsehen kommt in Deutschland nur langsam voran.

Bastelanleitung für einen Schumacher
(FAZ.NET, Jörg Thomann)
Günther Jauch richtete für Michael Schumacher eine Abschiedsgala aus. Die Show bot ein Musterbeispiel frühkindlicher Förderung – und einen Moderator, der sich alkoholisiert ans Steuer setzte.

Lasst 1000 Lügen blühen: Agentur KCNA wird 60
(Tagesspiegel, Haral Maass)
Die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA, die in dieser Woche ihr 60-jähriges Jubiläum feiert, ist eine der wenigen Möglichkeiten, überhaupt etwas aus Nordkorea zu erfahren.

‘Start up’ ist ein Experiment, kein Hurra-Format
(persoenlich.com, Interview: David Vonplon)
Drei Tage vor Anmeldeschluss haben fast 700 junge Unternehmer ihre Geschäftsidee für die neue SF-Doku-Soap “Start up” eingereicht. “Wir bilden allein die Wirklichkeit ab”, sagt Alexander Mazzara, Projektleiter der Sendung im Interview mit “persoenlich.com”.

Trennungs-Tagebuch (2): Since U been gone
(TAZ-Blog, Paula Z.)
12 Lieder bei Liebeskummer.

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