Geht immer schief: “Bild” und Aids

Man darf die Hoffnung nicht aufgeben. Irgendwann wird auch der Letzte, also die “Bild”-Zeitung, verstanden haben, dass es einen Unterschied zwischen einer HIV-Infektion und einer Aids-Erkrankung gibt. Aber noch ist es nicht so weit.

Heute schafft es “Bild” in einem Artikel zum gestrigen Welt-Aids-Tag, beide Begriffe wieder munter so zu verwenden, als wären sie synonym, und sie in der Schlagzeile gleich ganz zu verschmelzen:

Grundlage für den Bericht ist eine Pressemitteilung des Robert-Koch-Institutes (RKI) vom 24. November, die die “Bild”-Zeitung auch eine Woche später noch nicht verstanden hat. Dass nach wie vor rund jeder siebte HIV-Infizierte in Deutschland in Berlin lebt, nennt sie eine “Schock-Zahl” und schreibt weiter:

2008 steckten sich vermutlich 500 Menschen in Berlin neu mit dem HI-Virus an — 88 mehr als im Jahr zuvor.

Die Warnung des RKI:

Die vom RKI zusammengestellten Eckdaten zur Abschätzung der Zahl der HIV-Neuinfektionen (…) erfolgt in jedem Jahr neu auf der Grundlage aller zur Verfügung stehenden Daten und Informationen und stellen keine automatische Fortschreibung früher publizierter Daten dar. Durch zusätzliche Daten und Informationen sowie durch Anpassung der Methodik können sich die Ergebnisse der Berechnungen von Jahr zu Jahr verändern und liefern jedes Jahr eine aktualisierte Einschätzung des gesamten bisherigen Verlaufs der HIV-Epidemie. Die jeweils angegebenen Zahlenwerte können daher nicht direkt mit früher publizierten Schätzungen verglichen werden.

Es hat also nichts genützt, dass das Robert-Koch-Institut den Hinweis, dass diese Zahlen nicht mit denen des Vorjahres vergleichbar sind (siehe Kasten rechts), in seinen Veröffentlichungen [pdf] gleichzeitig fett, kursiv und unterstrichen hervorgehoben hat. “Bild” vergleicht sie trotzdem.

Und das auch noch falsch: Das Institut unterscheidet zwischen den Neudiagnosen eines Jahres (nach dem Zeitpunkt, zu dem jemand positiv auf HIV getestet wird) und den Neuinfektionen eines Jahres (nach dem geschätzten, oft viel früher liegenden Zeitpunkt, zu dem er sich infiziert hat). Wie uns eine Sprecherin des RKI auf Anfrage bestätigt, vergleicht “Bild” offenbar die gemeldeten Neudiagnosen 2007 mit den geschätzten Neuinfektionen 2008.

Vielleicht ist die “Bild”-Rechnung selbst in der Tendenz falsch. Zwar gibt das Robert-Koch-Institut für einzelne Bundesländer keine Vergleichszahlen über Neuinfektionen aus den Vorjahren an. Für die gesamte Bundesrepublik aber schätzt es, dass die Zahl 2008 erstmals seit längerer Zeit gegenüber dem Vorjahr nicht zugenommen hat, sondern stagniert.

Mit Dank an Holger W.!

Nicolaus Fest verzockt sich

“Zockerschutz auf Staatskosten” lautet die Überschrift der aktuellen Bild.de-Kolumne von Dr. Nicolaus Fest. Scharf kritisiert er darin, dass die Bundesregierung “die Anlagen deutscher Sparer bei der isländischen Kaupthing-Bank mit einem Millionenkredit sichern” wolle.

Und scharf kritisiert Fest in seiner Kolumne auch die Sparer, die Geld bei der isländischen Kaupthing-Bank angelegt haben. Für ihn sind das “Zocker”, die sich “von hohen Zinsversprechen anlocken ließen”. Auf “Spekulationsgeschäfte” hätten sie sich eingelassen. Die Kreditsicherung durch die Bundesregierung sei eine “Abwälzung des Zockerrisikos von Privatleuten auf den Steuerzahler”. Der Staat würde damit “300 Millionen Euro für den Schutz von spekulativen Anlagen locker (…) machen”.

Über all das könnte man diskutieren – aber nicht mit Fest.

Denn abgesehen davon, dass Tages- und Festgeld-Anlagen (und um solche geht es in erster Linie bei Kaupthing), anders als Fest behauptet, grundsätzlich nicht als spekulativ gelten, hatte die Stiftung Warentest zwar bereits im Mai dieses Jahres speziell bei Kaupthing Edge eindringlich “zur Vorsicht” geraten (und auch “Welt”, “Frankfurter Neue Presse” und boerse.ard.de hatten etwas später deutlich auf die Risiken hingewiesen).

Die Zeitung jedoch, für die Fest arbeitet, war damals weniger hilfreich: Noch Mitte September dieses Jahres hatte “Bild” unter der Überschrift “Wo lege ich mein Geld gut und sicher an?” die Angebote der Kaupthing Bank besonders hervorgehoben. Unter den “besten” Tages- und Festgeld-Angeboten belegte Kaupthing in einer “Bild”-Liste Platz eins und Platz zwei (wir berichteten).

Fragt sich also, warum der Bild.de-Kolumnist Nicolaus Fest – im Hauptberuf immerhin Mitglied der “Bild”-Chefredaktion – die damaligen “Bild”-Artikel, die “Spekulationsgeschäfte” (Fest) und Geldanlagen für “Zocker” (Fest) als “gut und sicher” (“Bild”) verkauften, nicht einfach verhindert hat.

Luther, Vogt-Köppel, Bund

Die Presseschau heute mit diesen Fragen: Was würde Luther heute tun? Wohin treibt es den Bund? Was bringen Quoten? Was ist zwischen Roger Köppel und Rachel Vogt?

Luther-Ausstellung: Wo ist die virtuelle Kirchentür? (Keystone)
1. “Auf zu neuen Höhen”
(fr-online.de, Daland Segler)
Daland Segler schreibt über die veränderte Medienlandschaft: “Da kommt so ein junger Radikaler daher, findet das ganz System korrupt und beschließt, seinen Protest öffentlich zu machen. Greift sich ein Blatt Papier, schreibt das alles auf, nimmt sich Hammer und Nagel und haut seine Thesen an den öffentlichsten Ort der Welt: die Kirchentür. Was würde Luther heute tun?”

2. “Der ‘Bund’ lebt”
(bundblog.derbund.ch, Artur Vogel)
Eine weitere sogeannte Qualitätszeitung scheint zu sterben. Doch die (Chef)redaktion stemmt sich dagegen und hofft auf “eine neue, hoffentlich bessere und mit mehr Mitteln ausgestattete Zeitung”. Für eine gute Zeitung habe man nämlich immer gekämpft: “Die Redaktion, eigentlich zu klein für eine Zeitung, die in den oberen Ligen mitspielen will, hat gelegentlich dem Prinzip der Selbstausbeutung gehuldigt; Kolleginnen und Kollegen haben sich weit über das übliche Mass hinaus engagiert; viele agieren am Rand ihrer Leistungsfähigkeit.”

3. “Schock für Liebhaber von Qualitätszeitungen: Den Bund gibts nicht mehr lange”
(blog.jacomet.ch, Andi Jacomet)
Tatsächlich würde der Bund vermisst: “Als Medienjunkie gehört die Lieblingszeitung zu den Hauptpfeilern des Tagesablaufs. Ich habe die letzten 15 Jahre fast jeden ‘Bund’ gelesen – wenn er stressbedingt liegen blieb oder ich in den Ferien war, habe ich halt 30-40 Ausgaben auf langen Zugfahrten nachgelesen. Ein Leben ohne ‘Bund’ kann ich mir momentan schlicht nicht vorstellen.”

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Kurz korrigiert (486)

Von der “Bild”-Zeitung, die sich bekanntlich wie kaum ein anderes Medium regelmäßig an Geschichte und Gegenwart der RAF abarbeitet, sollte man doch eigentlich erwarten können, dass sie wenigstens die groben Eckdaten des Deutschen Herbstes kennt. Auch in ihrem Online-Angebot. Zumal gestern mit “Mogadischu” ein “bewegender Teil” dieser Geschichte “im TV gezeigt” wurde. Oder?

"Mit dem Geiseldrama zur Freipressung der RAF-Köpfe Andreas Baader, Gudrun Enslin und Ulrike Meinhof aus dem Gefängnis Stuttgart-Stammheim wurde gestern ein bewegender Teil deutscher Geschichte im TV gezeigt."

Ulrike Meinhof war zum Zeitpunkt der Entführung der Landshut schon seit fast anderthalb Jahren tot.

Mit Dank an R. B. und Philip M. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 21.50 Uhr. Bild.de hat Ulrike Meinhof aus dem Artikel entfernt, hält aber an der Schreibweise “Enslin” für Ensslin fest.

Nachtrag, 2.12.2008: Inzwischen weiß Bild.de auch wieder, wie man Gudrun Ensslin schreibt.

Schnapsidee

Bierernst berichtete die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) gestern von der “ersten ökumenischen Pferdesegnung in Hamburg”, an der am Samstagnachmittag “mehr als 40 Vierbeiner und 100 Menschen” teilgenommen hätten:

Die Idee zur ersten ökumenischen Pferdesegnung im Norden entstand in dem mehr als 200 Mitglieder zählenden Harburger Reitverein im Süden Hamburgs. Dort sei der Wunsch nach einer Weihnachtsfeier aufgekommen, die zeigt, “dass es auch anders geht im Reitsport”, erklärte die Vereinsvorsitzende Andrea Sjursen-Stein.

Und auch beim “Hamburger Abendblatt” hat der ein oder andere am Wochenende offenbar schon so’n büschen Weihnachten gefeiert. Danach ist dann wohl die Idee entstanden, aus der KNA-Meldung diese kleine Nachricht zu machen (hicks):

"Die Idee zur ersten ökumenischen Pferdesegnung im Norden war in dem mehr als 200 Mitglieder zählenden Harburger Reitverein nach eine Weihnachtsfeier entstanden."

Mit Dank an Flo F. für den sachdienlichen Hinweis.

neu  

Bild.de beweist: Welt-Aids-Tag immer noch nötig

Heute ist Welt-Aids-Tag. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sieht ihn u.a. als Anlass, “Solidarität mit den Betroffenen auf der ganzen Welt zu zeigen” und “aufzuklären”. Weiter heißt es auf welt-aids-tag.de:

Und jeder kann mitmachen.

Bild.de hat sich das nicht zweimal sagen lassen und präsentiert:

"Die wichtigsten Fragen und Antworten zu HIV und Aids"

Eine der Fragen lautet:

"Gibt es Risikogruppen?"

Und die Bild.de-Antwort kann sich sehen lassen:

"Homosexuelle Männer und Drogenanhängige sind besonders gefährdet, aber leider auch Unschuldige: Unter den 63 500 Infizierten sind auch etwa 400 Kinder, die HIV über ihre Mutter bekommen haben."

Mit Dank an Kermit für den Hinweis!

Nachtrag, 17.40 Uhr: Bild.de zeigt plötzlich doch noch ein wenig Solidarität mit den Betroffenen und hat die Antwort geändert. Nun heißt es: “Homosexuelle Männer und Drogenabhängige sind besonders gefährdet. Unter den 63 500 Infizierten sind aber auch etwa 400 Kinder, die HIV über ihre Mutter bekommen haben.”

Genosse Klar, Arbeitslose, Augenhöhe

1. “Was unterscheidet Stars von ‘Bild’-Artikeln?”
(bildblog.de, lupo)
Die Bild-Zeitung und bild.de recyclen fröhlich alte Beiträge. Und zwar nicht uralte Beiträge, sondern welche, die erst vor zweieinhalb Monaten gelaufen sind.

2. “‘Junge Welt’ verklärt RAF und Christian Klar”
(odenwald-geschichten.de)
Die Junge Welt schreibt über die Freilassung des wegen mehrfachen Mordes verurteilten Christian Klars und wünscht ihm “trotz alledem” nach 26 Jahren Knast ein “Willkommen in der Freiheit, Genosse Christian Klar“.

3. FAZ und Perlentaucher weiter ohne Einigung
(fr-online.de, René Martens)
Die grosse Frankfurter Allgemeine und der kleine Perlentaucher wollten sich auf einen Vergleich einigen, berichtet die Frankfurter Rundschau. Der Perlentaucher wünscht sich die Richtigstellung eines Artikels, die FAZ bot eine “Notiz” an, die dieser Tage erscheinen sollte. Es sah also nach einer Einigung aus – “sofern die Parteien nicht kurzfristig noch Argumente gegen den Kompromiss gefunden haben”. Genau dieser Fall scheint nun eingetreten zu sein – vorerst keine Notiz, vorerst kein Vergleich.

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Blick über den Weihnachtstellerrand

Es weihnachtet schon wieder. Und wir nutzen die Gelegenheit diesmal für einen Blick über den Weihnachtstellerrand – und machen im Advent “BILDblog für alle”: Statt nur auf die Unzulänglichkeiten einer großen deutschen Boulevardzeitung zu starren, schauen wir uns einfach mal genauer an, was an Fehlern, Falschmeldungen, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Irreführendem und Unsinn… kurzum: wieviel “Bild” in anderen Medien steckt.

Die kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme im “Trierischen Volksfreund” oder in der “Süddeutschen Zeitung”, auf RTL, im “heute journal”, auf “Spiegel Online” und natürlich, wie gehabt, in “Bild”.

Und so, wie das BILDblog ohne die sachdienliche Unterstützung unserer Leser nicht möglich wäre, freuen wir uns auch beim “BILDblog für alle” auf Hinweise zu Entgleisungen und (un)journalistischen Mängeln in einer großen deutschen Medienlandschaft.

Harry Potter, Twitter, ORF

1. “ORF baut bis 2012 1000 Angestellte ab”
(diepresse.com, Isabella Wallnöfer)
“Dem ORF droht der komplette Zusammenbruch. Das sagt nicht ein Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz: ‘Werden nicht einschneidende Maßnahmen gesetzt, wäre die Folge eine Insolvenz des Unternehmens und die Zerschlagung in Einzelteile. Und da stehen schon nationale und internationale Investoren bereit, sich den einen oder anderen Teil einzuverleiben.’ Die 100 Millionen Euro minus, die der ORF heuer einfahren wird, sind nur der Anfang.”

2. “Twitter mal wieder”
(don.antville.org)
Don Dahlmann macht sich Gedanken zur Aufnahme der Quellen bei Twitter anlässlich der Angriffe in Mumbai: “CNN hat rasend schnell gelernt und mitbekommen, wie ein dezentrales Nachrichtennetzwerk wie Twitter funktioniert. Nicht nur, dass man die Infos schneller bekommt, nicht nur, dass die Informationen häufig direkt mit Bildern oder pixeligen Videos verknüpft sind, sie haben auch noch den Vorteil, dass sie umsonst sind. Man kann mit wenig Mitteln sehr viel erreichen. Um so unverständlicher, dass bei N24 und n-tv nichts passierte, aber vielleicht ist das Schweigen der beiden Sender, die täglich Nachrichten simulieren, ein schönes Beispiel für den Zustand großer Teile des deutschen Journalismus.”

3. “Anschläge in Mumbai – Sollte ich Twitter doch noch eine Chance geben?”
(carosmedienschelte.blogspot.com, Carolin Neumann)
“Als ich zum ersten Mal von Twitter gehört und darüber gebloggt habe, hielt ich es für einen unnützen ‘Web-2.0-Hype’, der schneller wieder vorbei ist, als er angefangen hat.” Doch mittlerweile muss Caro zugeben, dass bei konkreten Ereignissen Twitter “in der Tat ein vielversprechenes Medium” ist. Dennoch: “Ich will nach wie vor wie keine Tweets von irgendwelchen Geeks lesen, die nichts zu sagen haben, was von Interesse ist.”

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