Privat-TV, Verkehrskreisel, Skizzen

1. Bild.de schreibt offenbar aus der NZZ am Sonntag ab
(klartext.ch, Nick Lüthi)
Karl Wendl, bei bild.de für die “Zusammenhänge der Weltpolitik” zuständig (bildblog.de), schreibt eine Kolumne, die in weiten Teilen an einen Artikel in der NZZ am Sonntag erinnert. Damit konfrontiert, spricht Wendl von einen “Irrtum” – bild.de habe fälschlicherweise eine “Skizze” veröffentlicht.

2. “25 Jahre Privat-TV”
(tagesspiegel.de, Harald Martenstein)
Harald Martenstein freut sich über ein Vierteljahrhundert Privatfernsehen und erklärt, was sich geändert hat: “Das Fernsehen ist nicht mehr pädagogisch. Das Fernsehen sendet, jedenfalls meistens, nicht mehr das, was eine gebildete Elite sich wünscht oder dem Volke, mit guten Gründen vielleicht, zuzuteilen geruht. Seit es Privatfernsehen gibt, wird gesendet, was die Leute sehen möchten.”

3. Migros stellt seine Werbung in Frage
(persoenlich.com, Matthias Ackeret und Christian Lüscher)
An der Verlegertagung stellt ausgerechnet der Chef der Migros, Marktleader im Detailhandel, seine bisherige Werbestrategie in Frage. Für die klassischen Verlage ein massive Bedrohung, denn schon die Kürzung des Budgets für 2009 um 50 Millionen Franken wird massive Restrukturierungsmassnahmen nach sich ziehen.

Read On…

neu  

Mit leichten Abwendlungen

Karl Wendl ist Bild.de-Kolumnist und schreibt seit gut zwei Jahren über nichts Geringeres als “die Zusammenhänge der Weltpolitik”. Schließlich ist Wendl viel herumgekommen: Kriegsreporter in Bosnien und im Irak war er, in Österreich langjähriges Mitglied der Chefredaktion der Wiener Info-Illustrierten “News” und zwischenzeitlich auch mal Auslandschef bei Springers “Welt am Sonntag”. 1998 spürte er (für “News”) den österreichische Millionenbetrüger Wolfgang Rieger in den Bergen vor Nizza auf, zehn Jahre später traf er (für “Bild”) Margot Honecker in Nicaragua; er interviewte Radovan Karadczic (für “News”) und Al Gore (für “Bild”). Für “Bild” beantwortete er im US-Wahlkampf u.a. auch “die wichtigsten Fragen zum ‘schwarzen Kennedy'” und andere (“Der Fluch der Kennedys: Was hat das Schicksal bloß gegen diesen Clan?”, “Ist der Krieg im Irak am Ende doch ein Erfolg?”).

Die “FAZ” nannte Wendl mal einen “Vollprofi”.

Schlagzeilen macht Wendl jedoch zuletzt vor einem Jahr, als ihn der US-amerikanische “Star-Kolumnist und Pulitzer-Preisträger” Jim Hoagland “in der renommierten ‘Washington Post’, größte Tageszeitung der amerikanischen Hauptstadt”Äh, Quatsch! Schlagzeilchen machte Wendl zuletzt vor zwei Jahren, als sich “News” (die er 1992 mitgegründet hatte) kurzerhand von ihm trennte. Der Vorwurf damals: In der deutschen Ausgabe der Zeitschrift “Vanity Fair” war zu einigen umstrittenen Fotos des österreichischen Ex-Ministers Karl-Heinz Grasser ein Grasser-Portrait gedruckt worden, das Wendl ohne Rücksprache mit seinem Arbeitgeber für das deutsche Magazin verfasst hatte. Die “Zeit” schrieb dazu:

Das ist schon mal schlecht. Noch schlechter ist aber, dass die im Artikel verwendeten Zitate von [Grasser] aus diversen anderen Interviews zusammengesucht waren – ohne Quellenangaben.

Schlecht war das mit den zusammengeklaubten Zitaten offenbar vor allem deshalb, weil Wendls Text damit den Eindruck erwecken konnte, als habe Grasser (der laut “Süddeutsche Zeitung” Wünsche des Magazins nach einem Interview immer abgelehnt haben soll) eine gemeinsame Sache mit der “Vanity Fair” gemacht.

Nun ja.

Wenig später jedenfalls bekam Wendl dann seinen Job bei “Bild” — und eine Bild.de-Kolumne über nichts Geringeres als “die Zusammenhänge der Weltpolitik”.

Darin schrieb er gestern über den arabischen TV-Sender Al Jazeera (siehe Screenshot [pdf]).

Man könnte auch sagen: Wendl schrieb ab — aus einem Artikel über den arabischen TV-Sender Al Jazeera, veröffentlicht am Vortag in der Schweizer “NZZ am Sonntag”, ohne Quellenangabe oder einen Hinweis auf das “NZZ”-Original, dafür aber mit kleinen Abwendlungen (“Gaza-Krieg” statt “Gaza-Krise”, siehe folgende Beispiele).

“NZZ am Sonntag” Wendls Bild.de-Kolumne
Kein anderer Sender berichtet so ausführlich über die Gaza-Krise, keiner ist so populär und einflussreich in der arabischen Welt. (…) Kein anderer Sender berichtet so ausführlich über den Gaza-Krieg, keiner ist so populär und einflussreich. (…)
(…) Doch die israelische Regierung tut derzeit genau das Gegenteil. Sie sucht die Nähe zum 1996 gegründeten Sender aus dem Emirat Katar. Aussenministerin Tzipi Livni versorgte den Sender vergangene Woche mit einem Exklusivinterview. Der Oppositionsführer Benjamin Netanyahu gab sich ebenfalls die Ehre, Sprecher der israelischen Regierung und der Armee tauchen im Stundentakt zu Live-Interviews und Talkrunden auf al-Jazira auf. (…) Die Regierung in Jerusalem macht deshalb das genaue Gegenteil. Sie sucht sogar die Nähe des mächtigen TV-Kanals. Außenministerin Tzipi Livni gab dem Sender ein Exklusivinterview. Oppositionsführer Benjamin Netanyahu trat ebenfalls auf. Die Sprecher der israelischen Regierung und der Armee informieren seit Beginn der Bodenoffensive fast im Stundentakt in Live-Interviews und Talkrunden über die jeweiligen Entwicklungen.

Es sind nicht die einzigen, fast wörtlichen Übereinstimmungen. Kaum eine Info, kaum ein Gedanke in Wendls Kolumne, der sich nicht auch in der “NZZ am Sonntag”-Vorlage fände und von Wendl bloß kunstvoll auseinandergeschnippelt und neu zusammengestückelt wurde.

Aufgefallen war das alles gestern dem Chefredakteur des Schweizer Medienmagazins “Klartext”, Nick Lüthi, der nicht nur in seinem Blog darüber schrieb, sondern auch Wendl um Stellungnahme zum Plagiatsvorwurf bat. Eine Antwort erhielt Lüthi nicht.

Aber seit heute ist die aktuelle Kolumne des “Vollprofis” Wendl aus dem Angebot von Bild.de verschwunden.

Nachtrag, 20.45 Uhr: Karl Wendl weist uns darauf hin, dass Nick Lüthi von ihm inzwischen eine Antwort erhalten habe. Lüthi selbst fasst sie in einem Update seines Blog-Eintrags so zusammen:

Karl Wendls Erklärung für den “Irrtum” lautet wie folgt. Er habe der Redaktion versehentlich eine “Skizze”, statt des fertigen Artikels gemailt und das unfertige Stück sei dann veröffentlicht worden. Als er nach unserem Hinweis den “Irrtum” bemerkte, habe er die Redaktion umgehend angewiesen, den Text von der Webseite zu entfernen.*

*) Wir halten diese Erklärung für unplausibel, sind von Bild.de-Kolumnisten aber auch nichts anderes gewohnt.

Suchet, so werdet ihr finden (Matthäus 7,7)

Auf der Internetseite “Catholic Google” kann man sich die Ergebnisse einer Google-Suche so filtern lassen, dass für Katholiken möglicherweise anstößige Inhalte nicht angezeigt und christlich orientierte Seiten bevorzugt ausgegeben werden.

Das Thema macht gerade die Runde und ist gestern Abend auch auf Bild.de angekommen, wo man allerdings einen entscheidenden Aspekt missverstanden hat:

Im Internet ist die Sünde oft nur einen Klick entfernt. Wer nicht ständig in Versuchung geführt werden möchte, kann sich über den neuen Dienst CatholicGoogle.com freuen. Dort versucht Google, alle Suchergebnisse nach katholischen Grundsätzen zu filtern... (...) Wie lange der Suchmaschinen-Primus die Katholiken so unterstützt, ist offen.

Denn der Anbieter ist keineswegs Google selbst. Google bietet nur jedem die Möglichkeit, Suchen nach eigenen Vorgaben einzuschränken. Um zu wissen, dass der “Suchmaschinen-Primus” die Katholiken gar nicht “unterstützt” oder selbst “versucht”, die Ergebnisse “nach katholischen Grundsätzen zu filtern”, hätte Bild.de nicht einmal mitdenken, sondern nur auf das Wort “Disclaimer” auf catholicgoogle.com klicken müssen. Dort heißt es:

The site is not associated or affiliated with Google.com (…)

Mit Dank an Marcel S., Michael D., Thomas S. und spass-guru.de.

Zensur, Bund, Hulu

1. “Wirres zum ‘Bund’ aus Berlin”
(bernergazette.ch)
Roland Mischke schreibt in der Berliner Zeitung einen Text über “das absehbare Ende” der Schweizer Tageszeitung Bund. Die Berner Gazette hat ihn gelesen und ist damit nicht zufrieden: “Um den Medienjournalismus bei der ‘Berliner Zeitung’ steht es schlecht, wenn ein derart sinn- und faktenfreier Text durchgeht und auch noch gedruckt wird.”

2. Interview mit Margrit Sprecher
(tagesanzeiger.ch, Rico Bandle)
Reportagejournalistin Margrit Sprecher hat den Schweizer Kultursender DRS2 besucht und ein Buch darüber geschrieben: “Seit ich das Buch geschrieben habe, höre ich mehr DRS 2 als je zuvor. Ich begreife aber nicht, weshalb der Sender ausschliesslich bewundert und gelobt wird. Mit so viel Mitteln und Freiheiten ist es keine Kunst, ein gutes Kulturradio zu machen. Im Vergleich zu Print-Journalisten sind die wahnsinnig verwöhnt.”

3. Interview mit Karin Storch
(tagesspiegel.de, Thomas Eckert und Joachim Huber)
Die Leiterin des ZDF-Studios in Tel Aviv schläft zurzeit “miserabel”. Zur Informationsfreiheit sagt sie diesen bemerkenswerten Satz: “Ich fühle mich überhaupt nicht manipuliert, wir unterliegen allerdings der israelischen Zensur.”

Read On…

Schnee von gestern

Wenn’s mal wieder schneit in Deutschland, kann man aus dem Fenster schauen – oder ins Internet. Im Online-Portal des Mitteldeutschen Rundfunks steht dann:

Und natürlich zeigt der öffentlich-rechtliche MDR seinen Gebührenzahlern auch noch, wie’s aussieht auf Thüringens Straßen:

Ein schönes Foto: Schnee, Glätte, behinderter Verkehr – und gerade mal vier Stunden Wochen alt, wie uns MDR.de selbst einen Link weiter beweist:

Damals, am 3. Dezember 2008, übrigens unter der Überschrift:


 
P.S.: Aber natürlich machen Schneeglätte, Streufahrzeuge und Effizienzdenken beim MDR nicht an der Thüringischen Landesgrenze halt. Im Gegenteil:

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Kurz korrigiert (488)

Über den Fußballverein TuS Koblenz schreibt “Bild” in echtem Sportberichterstatterdeutsch:

Koblenz (…) hat die Fühler nach Kickers-Stürmer Angelo Vaccaro ausgestreckt, der sich auf der Waldau nicht mehr wohlfühlt.

TuS-Trainer Uwe Rapolder hatte den Torjäger (5 Treffer) beim letzten Auswärtsspiel der Blauen vor der Winterpause in Paderborn (0:2) beobachtet.

Und jetzt für alle, die sich nicht mit (Drittliga-)Fußball auskennen:

  • Keine Bange, auf der Waldau, die Blauen und Kickers sind bloß gängige Synonyme (für den Fußballverein Stuttgarter Kickers), die dem Leser redaktionelle Kompetenz vermitteln sollen.
  • Keine Ahnung, wie “Bild” darauf kommt, Rapolder hätte Vaccaro beim 0:2 gegen Paderborn “beobachtet”. Schließlich hat Vaccaro da gar nicht mitgespielt.

Mit Dank an Buddy für den Hinweis.

Die Opfer, die “Bild” bringt (3)

Israelische Bomben töten keine Unschuldigen. Jedenfalls nicht in “Bild”.

Man konnte das schon beim Libanon-Krieg im Sommer 2006 erleben, als “Bild” israelische Opfer doppelt zählte und libanesische gar nicht, Kritik an Israel aus ihren Berichten fernhielt, aus unüberprüften Behauptungen der israelischen Armee Tatsachen machte sowie Zeitungszitate fälschte und Angaben über Opfer manipulierte.

Jetzt führt Israel Krieg im Gaza-Streifen, und alles ist wie gehabt. Seit Tagen scheint es keine zivilen Opfer auf palästinensischer Seite zu geben, jedenfalls kommen sie in “Bild” nicht vor. Die Toten und Verletzten sind “Terroristen”. “Bild” meldet heute über die ersten Folgen der israelischen Bodenoffensive:

35 Terroristen werden getötet, darunter mindestens drei ranghohe Hamas-Chefs.

Die “Neue Zürcher Zeitung” schreibt dagegen:

Bis zum Sonntagabend zählten die Palästinenser 35 Todesopfer und 130 Verletzte (…).

Es scheint, als gebrauche “Bild” das Wort “Terrorist” als Synonym für “Palästinenser” oder “Bewohner des Gaza-Streifens”. Das würde erklären, warum “Bild” heute auch schreibt:

Rund 400 Terroristen sollen in den letzten neun Tagen getötet worden sein.

Wieder zum Vergleich die “Neue Zürcher Zeitung”:

So zählte der Leiter der Notfalldienste im Shifa-Spital, dem grössten Spital von Gaza, am Samstag 100 Kinder und 40 Frauen unter den total 463 Todesopfern, das entspricht 30 Prozent. Die Leiterin des Uno-Hilfswerks Unrwa in Gaza, Karen Abuzeid, schätzte den Anteil ziviler Opfer auf 25 Prozent. Diese Indikatoren für zivile Opfer wären noch um eine unbekannte Zahl für männliche Tote zu erhöhen, weil unter diesen in der Eile gar nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden werden kann.

Vielleicht hat “Bild” aber auch einfach gerechnet: Die Nachrichtenagentur AP meldete gestern, die Zahl aller Toten sei “auf mehr als 500, darunter mindestens 100 Zivilpersonen” gestiegen. Macht für “Bild” einfach 400 getötete Terroristen — und die anderen Opfer zählen nicht.

PS: Den Ursprung des ganzen Konfliktes hat die “Bild”-Zeitung ihren Lesern bereits am 30. Dezember 2008 erklärt, und das sogar ganz ohne lästige geschichtliche Hintergründe:

WOHER KOMMT DIESER HASS AUF DIE JUDEN UND IHREN STAAT?

Ein Grund ist: Israel ist ganz anders als alle seine Nachbarn – eine Demokratie, die einzige der Region. Weltoffen, lebenslustig, modern, erfolgreich, Frauen sind gleichberechtigt. Das schafft Neid. Gerade bei denen, die nichts haben.

So einfach ist das.

Mit Dank an Tilman D. und Michael K.

Halstuch, Datum, 16:9, DRS2

1. Interview mit Klaus Stimeder
(derstandard.at, Harald Fidler)
Eine Erfolgsmeldung aus dem Zeitschriftenmarkt, das 2004 als “Selbstausbeutungsprojekt von Journalisten” gestartete Magazin Datum könnte überleben: “Autorenhonorare bezahlt ‘Datum’ seit mittlerweile 2 1/2 Jahren, leben davon kann mittlerweile nicht nur der Herausgeber, sondern auch eine Handvoll Angestellte. Was die Freien angeht: Nach viereinhalb Jahren und 50 Ausgaben gibt es keinen einzigen Mitarbeiter mehr, der unentgeltlich arbeitet. Und worauf wir besonders stolz sind: Das alles haben wir geschafft, ohne auch nur einen Cent Schulden zu machen. Zu verdanken ist das freilich jenen Leuten, welche in den ersten zwei Jahren nach der Gründung ihre Arbeits- und Tatkraft unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben, weil sie an die Idee des Blattes geglaubt haben.”

2. “Stell dir vor es ist Krieg – und einer geht hin”
(andremarty.com)
André Marty berichtet für das Schweizer Fernsehen “ein paar Meter neben israelischen Panzern an der Grenze zum Gaza-Streifen”. Sein Arbeitgeber macht sich Sorgen um ihn. Unter anderem, ob er den richtigen Schal trägt: “Derweil kommt aus der Redaktion in der fernen Schweiz die dringende Bitte, doch auf ein Halstuch zu verzichten, mache mich irgendwie zum Palästinenser, einer meint gar zum Taliban…” So sieht das Halstuch aus, auf mich wirkt das mehr wie ein Mittel gegen die Kälte, weniger wie eine politische Manifestation.

3. “Schnittbericht”
(filmtagebuch.blogger.de, Thomas Groh)
“Zum Jahreswechsel strahlte 3sat Eisensteins Das Alte und das Neue in der neuen rekonstruierten Fassung aus – in 16:9. Was insofern verwunderlich ist, da sich dieses Bildformat erst Jahre nach Eisensteins Film etablierte. Folgerichtig wurde einfach unten und oben vom Bild was weggeknuspert, vermutlich um den Zuschauern zuhause an den neuen TV-Geräten unzumutbares wie schwarze Streifen rechts und links vom Bild zu ersparen. Mittig abgeschnittene Gesichter sind im Gegensatz dazu schließlich ohne weiteres erträglich.”

Read On…

Kehraus 2008

… und wieder ist es an der Zeit, schnell noch ein wenig Gerümpel wegzuräumen, das während unseres Winterschlafs liegengeblieben ist.

Denn dass Dieter Althaus kein “CSU-Ministerpräsident” ist, hat man bei “Bild” inzwischen immerhin selbst gemerkt. Ob Britney Spears, wie Bild.de behauptet, wirklich über Weihnachten in Indien war, ist zumindest fraglich; so fraglich wie die Bild.de-Behauptung, DJ Tommek DJ Tomekk habe 2007 “auf RTL” mit einem Hitlergruß geschockt. (Soweit wir uns erinnern, schockte “Bild” damit.) Doch wenn es auf Bild.de heißt…

"Sexy Schlamm-Grätschen - Der schärfste Kick des Jahres als Video"

Pünktlich zum Jahresende in der bundesligafreien Zeit begeistert uns die US-Sportseite dbbsports.com mit dem heißesten Kick des Jahres!

… dann wollen wir an der Begeisterung der Bild.de-Redaktion nicht zweifeln. Die 14-teilige Screenshot-Galerie zum Thema und eine Bild.de-Version des Videos (“Es ist das schärfste Fußballspiel des Jahres, was das amerikanische Sport-Portal dbbsports.com seinen Lesern zum Ende des Jahres beschert!”) sprechen für sich. Weshalb wir nur mal kurz darauf hinweisen wollen, dass es sich, wenn überhaupt, um den schärfsten/heißesten Kick des Jahres 2007 handelt – genauer: um ein vor anderthalb Jahren veröffentlichtes Musikvideo, das nun von dbbsports.com bloß wiederverwertet wurde.

Und dann war da noch der Versuch der “Bild”-Zeitung, eine “Spiegel”-Geschichte zu entkräften, die den Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Schwierigkeiten brachte. Im “Spiegel” hatte der ehemalige US-General James Marks gesagt, dass zwei deutsche Geheimagenten im Irak-Krieg den Amerikanern mit Wissen des Kanzleramtes wertvolle Informationen für ihre Kriegsführung geliefert hätten. Eine solche “aktive Unterstützung” hat Steinmeier, der das Kanzleramt damals leitete, immer bestritten.

Rolf Kleine, Leiter des “Bild”-Hauptstadtbüros und so etwas wie Pressesprecher, Schönfärber und Ausputzer für Steinmeier, veröffentlichte daraufhin in “Bild” und auf Bild.de einen Artikel, in denen er dem “Spiegel” vorwarf, “offenbar einem bezahlten Propagandisten des Pentagon aufgesessen” zu sein. Marks Aussagen seien deshalb nicht ernst zu nehmen. Kleine nahm damit exakt die Verteidigung Steinmeiers am selben Tag vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Rolle der BND-Agenten vorweg (und erklärte schon vorab: “Jetzt deutet alles darauf hin, dass der SPD-Kanzlerkandidat unbeschadet aus der Affäre herauskommt”).

Auf den “Bild”-Artikel antwortet in der aktuellen Ausgabe nun wieder der “Spiegel” — mit einem “Münchhausen-Test”. Unter Berufung auf detaillierte Aussagen mehrerer Journalisten, des Pentagons und von Marks selbst kommt der “Spiegel” zu dem nüchternen Ergebnis: “Es finden sich keine Belege, dass Marks ein ‘bezahlter Propagandist’ des Pentagon ist.”

Mit Dank an diverse Hinweisgeber und kleinefragen.de.

Nekrolog, Paviane, Nuhr

1. “Nekrolog 2008”
(retromedia.de, Jens Schröder)
Der/das jährliche Nekrolog der nicht mehr erscheinenden Zeitschriften ist da, mit einem neuen Rekord von 95 verstorbenen Publikumszeitschriften. Darunter die Revue, die nach 62 Jahren eingestellt wurde. Ebenfalls eingestellt wurden einige auf medienlese.com getestete Zeitschriften, nämlich das Second Life Magazin SLM (Test), IQ Style (Test), Matador (Test) und blond (Test).

2. Interview mit Mitchell Stephens
(sueddeutsche.de, S. Weichert, A. Matschke und L. Kramp)
“Blogs gibt es etwa erst seit knapp sieben Jahren, ihr Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft! Wir haben eigentlich keine Ahnung, was das Internet an journalistischen Möglichkeiten in Zukunft noch alles bereithalten wird. Junge Menschen sind diejenigen, denen es obliegt, neue Ausdrucks- und Vermittlungsformen selbst zu entwickeln und auszuprobieren. Wir müssen also Lehre mit Pioniergeist verbinden und darüber grübeln, wie sich der Journalismus neu erfinden könnte.”

3. “SPIEGEL-Artikel über rechte Gewaltdelikte inhaltlich fern der Fakten und rhetorisch fragwürdig”
(spiegelblog.info, DHH)
Spiegel Online entfernt den Artikel “Gewaltdelikte in Deutschland – Zahl rechtsextremer Straftaten steigt drastisch” und ersetzt ihn mit einer kurzen Korrektur. Auslöser war wohl die Kritik auf spiegelblog.info: “Jeder von einem Neonazi gezeigte Hitlergruß wird seit Frühjar 2008 genauso als rechtsextreme Straftat gewertet wie jedes von einem Linksradikalen auf ein CDU-Wahlplakat gepinseltes Hakenkreuz oder von einem Türken aus Jux an die Wand gesprühte SS-Runen. Dass diese Veränderung in der statistischen Zählweise auch einen Einfluss auf eine von SPIEGEL Online deklarierte ‘drastische Steigerung’ haben könnte, liegt auf der Hand. SPIEGEL Online teilt seinen Lesern diese wesentliche Information aber nicht mit.”

Nachtrag: Über Engelbrecht und seine “journalistische” und “wissenschaftliche” Arbeit gibt es mehrere kritische Berichte – zum Beispiel bei ScienceBlogs und bei Esowatch. Mit dem Spiegelblog und der Argumentation des Autors hat sich Torsten Dewi ausführlich beschäftigt, erst mittels Kommentaren im Spiegelblog, jetzt in einem ausführlichen Beitrag in seinem Blog. (19.1.2009, ore)

Read On…

Blättern:  1 ... 804 805 806 ... 1158