Blumentopf, Journalistik, Flashmob

1. “Die nach unten offene Richterskala”

(kleinreport.ch)

Klare Worte des Branchendienstes Kleinreport an die Spitze der Schweizer Printbranche. Die “Verleger in vierter und fünfter Generation” würden sich ans Taschentuch klammern und in ihren Zeitungen vom Übel der Gratiskultur jammern: “Man braucht kein Prophet zu sein, um zu sehen, dass die Schweizer Printbranche mit solch larmoyantem Personal an der Spitze nirgends mehr einen Blumentopf gewinnen wird.”

2. “Journalistik, ein Leerfach”

(sueddeutsche.de, Detlef Esslinger)

Detlef Esslinger rät Menschen, die Journalisten werden wollen, davon ab, irgendwas zu studieren, das “nach ihrem Traumberuf” benannt ist. Stattdessen schlägt er vor: Volkswirtschaft, Jura, Biologie, Orientalistik, Sinologie, Indologie.

3. “Meister der Enteignung”

(taz.de, Kai Schächtele)

Für den freien Journalisten sieht Kai Schächtele eigentlich nur zwei Auswege aus der finanziellen Misere: “Entweder passt er seinen Arbeitsaufwand dem Honorar an und steckt weniger Zeit in die Recherche. Oder er sucht nach besser bezahlten Alternativen: Die PR-Branche etwa spannt freie Journalisten dafür ein, ihre Botschaften in die Medien zu hieven.” Damit entsteht aber “ein irreparabler Schaden” an der Glaubwürdigkeit der Verlage.

4. “Wenn der Chef PR-Artikel schreibt…”

(buergler.net, Patrick Bürgler)

Patrik Müller, Chefredaktor des Sonntag (AZ Medien), schreibt unter dem Kürzel “pmü.” in seiner Zeitung einen Artikel darüber, dass Roger und Mirka Federer die Zeitschrift Wir Eltern (AZ Medien) abonnieren. Müller macht zwar transparent, dass die beiden Titel vom gleichen Verlag sind, doch als Leser fragt sich Patrick Bürgler nun bei jedem Text von Müller: “Wem könnte er damit einen Gefallen erweisen wollen?”

5. “Eine Woche ohne Google – ein Aufruf für mehr Vielfalt”

(eine-woche-ohne.de)

Der Journalist Albrecht Ude ruft in einem neuen Blog dazu auf, einfach mal eine Woche auf alle Dienste von Google zu verzichten. Damit könne man “die echte Vielfalt des Netzes” entdecken.

6. “BouncE Flash Mob @ Gröna Lund”

(youtube.com, Video, 1:53 Minuten)

Ein Flashmob im Vergnügungspark Gröna Lund in Stockholm.

Piratenpartei kämpft für Bärtewandel

Irgendwie lag die Überschrift nah, die die “Hannoversche Allgemeine Zeitung” (HAZ) am Freitag in der Druckausgabe über ihren Artikel über die Piratenpartei setzte:

Und dann doch ganz fern. Denn in dem Stück geht es gar nicht um aufkommende Stürme, die das Parteiboot zum Kentern bringen lassen könnten, auch nicht in irgendeinem metaphorischen Sinne, sondern um ihre erstaunliche Popularität im Netz und die Vorstellung der Filme und Plakate, mit denen sie vor der Bundestagswahl für sich wirbt.

Aber das ist nicht das einzig Merkwürdige an dem Artikel, den Michael Grüter, der stellvertretende Leiter der Berliner Redaktion der “HAZ”, geschrieben hat. Er beginnt so:

Zum Schluss ertönt erst ein friesisches Volkslied, vorgebracht in einer kraftvollen Rock-Version, und dann die Hymne der neuen Partei: “Alle, die mit uns den Bundestag kapern, müssen Piraten mit Bärte sein.” Die Leadsängerin Lena Simon, ihr fehlt das besungene Attribut, singt unverdrossen weiter: “Freiheit, Gleichheit, Demokratie, die haben Bärte, wir kämpfen für sie!” Danach fließt Rum in Maßen.

Höhö, diese Deppen, “Piraten mit Bärte”, und die singt das einfach “unverdrossen” mit, die Frau Simon, auch ohne das “besungene Attribut”.

Was natürlich daran liegen könnte, dass Grüter den Text einfach nicht richtig verstanden hat und sich nicht die Mühe machen wollte, ihn zum Beispiel im, äh: Internet nachzuschlagen. Die Hymne geht nämlich so:

Alle, die mit uns den Bundestag entern
Müssen Piraten mit Werten sein
Freiheit, Gleichheit, Demokratie
Wir haben Werte, wir haben Werte
Wir haben Werte und kämpfen für sie

Nachtrag, 17. August. Die “HAZ” hat den Artikel heute online verbessert — zunächst vorübergehend durch schlichtes Ersetzen der “Bärte” durch “Werte”, was eher unglücklich war für Lena Simon:

Mit Dank an Torben F., David Jonathan S. und Matthias S.!

Jungtürken, Auftragsmorde, Precht

1. Klassenkampf zwischen “Jungtürken” und “neutralen Vermittlern”

(nzz.ch, Stephan Weichert und Christian Zabel)

Kämpfe zwischen “Profi-Journalisten und bloggenden Amateuren” erschöpfen sich “längst nicht mehr in blossen rhetorischen Scharmützeln”: “Sie markieren vielmehr den Beginn eines publizistischen Klassenkampfs um die Vormachtstellung in der Öffentlichkeit, der seinen Höhepunkt noch nicht erlebt hat.”

2. Interview mit Richard David Precht

(merkur.de, Dieter Anschlag)

Richard David Precht mag Kulturmagazine am Fernsehen nicht. Er möchte, dass mit dem Thema Kultur selbstverständlicher umgegangen wird und nicht “mit spitzem Mund, mit dünkelhaftem Gesichtsausdruck und in einer Designerkulisse” vorgetragen wird: “Es ist unglaublich kleinbürgerlich, eine solche Designerattitüde an den Tag zu legen, wenn es um die Präsentation von Kultur geht.”

3. “Der gute Sarkozy”

(fr-online.de, Rudolf Walther)

Laurent Joffrin, Chef der Libération, greift die Nachrichtenagentur AFP an: “Wenn Libération schreibt, die Erde sei rund und der Elysée-Palast verkündet, sie sei flach, würde AFP zunächst das Dementi aus dem Elysée-Palast veröffentlichen oder beide Meldungen gleichwertig behandeln, ohne Stellung zu nehmen, oder – im besten Fall – mitteilen, die Wahrheit liege in der Mitte”.

4. “Der gläserne Journalist”

(taz.de, Felix Lee)

“Sicherheitsüberprüfungen haben auch bei Journalisten seit 2001 zugenommen. Wie streng sie ausfallen, ist unterschiedlich und willkürlich.”

5. “Auftragsmorde für eine bessere Quote?”

(tagesschau.de, Gottfried Stein)

“Die brasilianischen Behörden werfen einem populären Fernsehmoderator vor, für seine Sendung Morde in Auftrag gegeben zu haben.”

6. Interview mit Michael Münzing und Luca Anzilotti

(sz-magazin.sueddeutsche.de, Kerstin Greiner)

“Mit ihrem Hit The Power landete die Popgruppe SNAP! vor 20 Jahren einen Welthit. Was sie damals noch nicht ahnten: Heute ist ihr Stück der Lieblingssong der Werbeindustrie.”

Urheberrecht, WIB, Postjournalismus

1. “Ich bin Opfer einer Urheberrechtsverletzung geworden”

(dirkvongehlen.de)

Dirk von Gehlen entdeckt beim Spaziergang durch die Innenstadt von München – “ein Ort, von dem ich bisher dachte, er sei keinesfalls ein rechtsfreier Raum” – wie ein Bekleidungsgeschäft sein geistiges Eigentum zur Umsatzsteigerung nutzt.

2. Projekt Postjournalismus

(betathoughts.wordpress.com, Michel Reimon)

Angelehnt an das Buch “Postdemokratie” von Colin Crouch startet Michel Reimon “das Recherche- und Forschungsprojekt ‘Postjournalismus'”, ein “Langzeitprojekt mit niedriger Intensität”.

3. “Boulevard aus dem Osten”

(taz.de, Daniel Bouhs)

“Wie tickt der Osten? Wer das wissen will, kommt an ‘SuperIllu’ und ‘Brisant’ nicht vorbei. Zwei Redaktionsbesuche.”

4. “Ein Magazin für Wirtschaftsfrauen”

(werbewoche.ch, Markus Knöpfli)

“Mitten in der Krise wagt der Basler Kleinverleger Dominique Hiltbrunner einen grossen Schritt: Er lanciert Ende August das Frauenmagazin Women in Business mit einer Auflage von 25‘000 Exemplaren.”

5. “Home Story 33/09”

(jungle-world.com)

“Und auch wenn es uns selbstverständlich nicht um Klickzahlen geht: Besuchen Sie unsere Homepage! Klicken Sie! Klicken Sie, was das Zeug hält! (…) Denn glauben Sie uns: Auf Papier ist die Jungle World einfach schöner.”

6. “I am loving this trip, Erica”

(mcsweeneys.net, Colin Nissan)

“IT’S WEIRD | TO THINK | THAT ONE DAY | I’LL PHOTOSHOP | YOU OUT OF | THESE VERY | VACATION PHOTOS.”

SF-Videoportal, Kasinos, Entlassungen

1. “Die große Qualitäts-Lüge”

(meedia.de, Stefan Winterbauer)

Fünf Beispiele, wie es wirklich steht um die Qualität der Medien im Netz: 1. Medien klauen Inhalte, 2. Medien schinden online Klicks und tricksen, 3. Medien vermischen PR und redaktionelle Inhalte, 4. Medien übernehmen ungeprüft Inhalte, 5. Medien verfälschen und übergeigen.

2. “Faule und Unfähige entlassen?”

(klartext.ch, Hanspeter Spörri)

Hanspeter Spörri, der beim Bund selbst schon Sparmassnahmen umsetzen musste, denkt über die vielen Für und Widers bei Entlassungen nach: “Das Entlassen ist ein banales Werk: Je länger die Namensliste wird, desto unklarer ist, nach welchen Kriterien sie erstellt wurde; auch die Verantwortlichen wissen nicht, weshalb dieser Name nicht draufsteht, jener aber schon.”

3. Schweizer Fernsehen mit neuem Videoportal

(sf.tv)

Unter videoportal.sf.tv hat das Schweizer Fernsehen eine neue Mediathek gestartet, die auf den ersten Blick sehr gut aussieht. Der Rückschritt ins Mittelalter im Februar 2008 scheint damit rückgängig gemacht.

4. Kanzler-Duell vs. Simpsons

(faz-community.faz.net/blogs/fernsehblog, Peer Schader)

Das TV-Kanzler-Duell zwischen den Kandidaten Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier findet am 13. September um 20:30 Uhr statt. Jüngere Zuschauer werden so kaum für Politik begeistert werden können, denn auf Pro7 findet gleichzeitig die Deutschlandpremiere von “Die Simpsons – Der Film” statt.

5. “Keine Fragen – keine Berichterstattung”

(ingeseibel.de)

“Der spanische Journalist Juan Varela kämpft gegen die Selbstherrlichkeit der politischen Kaste und prangert gleichzeitig die Feigheit der eigenen Zunft an. Seine Thesen zum Umgang mit politischen Themen könnten durchaus auch Vorbildcharakter für deutsche Medien haben.”

6. “Kasino-Reservate sollen Zeitungen retten”

(spiegel.de, Laszlo Trankovits)

Endlich ist eine Lösung für die darbende Zeitungsbranche gefunden: Kasinos! “Der Kongress soll den Verlagen erlauben, ihre Web-Portale als Kasinos – mit Glücksspielen und Wetten online – zu nutzen.”

Großer Bruder nicht im Haus

Wie vergangene Woche auf vielen deutschsprachigen Nachrichtenseiten zu erfahren war, werden die Bewohner von England nicht nur auf der Strasse oder in der Bank überwacht. Nein, sogar in den eigenen Räumlichkeiten!

“Überwachung in den eigenen vier Wänden ist in England schon Realität”, schrieb beispielsweise netzwelt.de, denn “Haushalte werden mit Überwachungskameras ausgestattet”, so derstandard.at. Auch der österreichische “Kurier”, das Schweizer “20 Minuten” sowie winfuture.de und gulli.com berichteten.

Wie die meisten dieser Medien zugeben, basieren ihre Storys auf einer Geschichte in der britischen Tageszeitung “Daily Express” vom 23. Juli 2009.

Die Hauptaussage dieses Artikels lautet:

The Children’s Secretary set out £400million plans to put 20,000 problem families under 24-hour CCTV super-vision in their own homes.

They will be monitored to ensure that children attend school, go to bed on time and eat proper meals.

(Das Erziehungsministerium hat 400 Millionen Pfund teure Pläne, 20.000 Problemfamilien in ihren eigenen Wohnungen unter 24-Stunden-Videoüberwachung zu setzen.

Sie werden überwacht, um sicherzustellen, dass Kinder zur Schule gehen, rechtzeitig ins Bett gehen und sich richtig ernähren.)

Tatsächlich werden in “family intervention projects” Familien mit unsozialem Verhalten von Sozialarbeitern besucht und überwacht. Aber persönlich, und nicht mit Überwachungskameras (CCTV), wie es im Artikel heißt. Wenn auch der “Telegraph” 2008 ein von Sozialarbeitern per Video überwachtes Paar vermeldete — von einer breitangelegten Videoüberwachung in englischen Wohnzimmern kann nicht die Rede sein.

Erziehungsminister Ed Balls bezeichnete deshalb den Vorwurf der Videoüberwachung in einem von mehreren Einträgen auf twitter.com als “complete and total nonsense”.

Auf der Website des “Department for Children, Schools and Families” dcsf.gov.uk heißt es dazu:

Families will not be monitored by CCTV in their own homes.

(Familien werden nicht per Video in ihren Wohnungen überwacht.)

Auch Blogs nahmen die Meldung auf und versuchten darauf, die Falschmeldung irgendwie zu retten. So schrieb Gadgetlab auf wired.com in einem Update, dass der Einsatz von Überwachungskameras zwar nicht speziell erwähnt, aber auch nicht dementiert wurde (doch, eben hier). Das Blog fefe.de wies in einem zweiten Update einfach mal auf eine Ausstrahlung des Films “1984” hin.

Über die Pressekonferenz, bei der der “Express” von den Plänen mit den Überwachungskameras erfahren haben will, berichteten übrigens auch diverse andere britische Medien — allerdings korrekt, ohne den “Big Brother”-Aspekt. Auf Europareise ging aber nur die spektakuläre Falschmeldung. Vermutlich steckt darin eine Lehre.

Mehr dazu auch im Notizblog von Torsten Kleinz.

Bild  

Kai Diekmanns “Sorgen”

Erinnern Sie sich an den Wahlkampf zur Hamburger Bürgerschaftswahl Anfang vergangenen Jahres? Also, den Wahlkampf von “Bild” für den CDU-Spitzenkandidaten Ole von Beust?

Das NDR-Medienmagazin “Zapp” hatte damals darüber berichtet und formulierte:

[…] Bild-Chef Kai Diekmann sorgte schon im letzten Wahlkampf [2004] dafür, dass sein Blatt für Ole von Beust trommelte.

“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann versucht seit eineinhalb Jahren, dem NDR diesen Satz verbieten zu lassen. Er argumentiert, dass die Formulierung, er habe “dafür gesorgt”, nur im Sinne einer konkreten Weisung, Vorgabe oder Leitlinie von ihm an die Redaktion zu verstehen sei, über von Beust durchgängig oder ganz überwiegend positiv zu berichten. Die habe er aber nicht erteilt.

Diekmann verlor sowohl in erster als auch in zweiter Instanz. Im Juni wies das Hamburger Oberlandesgericht Diekmanns Klage ab (324 O 442/08) und erklärte, die Aufmerksamkeit des Zuschauers werde nicht auf “interne Vorgänge im Bereich der BILD-Redaktion gelenkt, sondern es werden ausschließlich die im Jahr 2004 in der Zeitung erschienenen Beiträge als ein ‘Trommeln’ für von Beust bewertet”. Und weiter:

Der Begriff des “Sorgens” enthält in dem Kontext der Berichterstattung einen lediglich diffusen Tatsachenkern, der darin besteht, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Chefredakteur die (positive) Berichterstattung gebilligt und ihre Veröffentlichung ermöglicht hat. Die Person des Klägers wird dabei als Chefredakteur und damit Vorgesetzter der anderen Redaktionsmitglieder in die Wertung einbezogen. Ob und in welcher Weise der Kläger persönlich von seiner tatsächlich bestehenden Möglichkeit, auf die kritisierte Berichterstattung Einfluss zu nehmen, Gebrauch gemacht hat, ist der beanstandeten Passage nicht zu entnehmen. Vielmehr wird mit dem Begriff des “Sorgens” lediglich darauf hingewiesen, dass er in seiner Funktion als Chefredakteur an der positiven Berichterstattung mitgewirkt habe.

Diese Aussage ist nicht unwahr.

Kai Diekmann ist nicht bereit, dieses Urteil zu akzeptieren. Weil das Oberlandesgericht keine Revision zugelassen hat, ließ er “Nichtzulassungsbeschwerde” einlegen, um weiter dagegen vorgehen zu können.

Spiegel, Otte, Meyer, Satiremagazine

1. “Reality-TV: Die Wahrheit setzt sich durch”

(faz.net, Stefan Niggemeier)

Stefan Niggemeier gibt zu bedenken, dass Reality-Formate oft unzulänglich sind und nicht als gutes Fernsehen bezeichnet werden können. Dennoch ist mit ihnen “die Realität mit großer Wucht ins Hauptabendprogramm der Privatsender geschwappt, in dem sie vor ein paar Jahren noch fast völlig fehlte.”

2. “SPIEGEL vs. SPON: Das doppelte Spiel”

(ennomane.de)

Ein Vergleich zwischen Print und Online beim Spiegel. Thema: das Internet.

3. Interview mit Romanus Otte und Oliver Michalsky

(meedia.de, Nils Jacobsen)

Romanus Otte, stellvertretender Chefredakteur von welt.de: “Die Zeiten, in denen Artikel in Print ‚wertvoller’ waren als in Online, sind definitiv vorbei. Ein guter Text ist ein guter Text ist ein guter Text! Ein Online-Text mag anderen Kriterien der Aufbereitung unterliegen – das wichtigste Kriterium bleibt immer die Qualität.”

4. “Frank A. Meyer: Basta, abtreten!”

(dorian.freeflux.net/blog)

Frank A. Meyer, der in einer Kolumne im SonntagsBlick “allen Ernstes das Internet für für die Finanzkrise verantwortlich” macht, wird gebeten, sich zurückzuziehen: “Herr Meyer, zeitgeschichtliche Entwicklungen lassen sich nicht einfach unterdrücken, auch wenn Sie das punkto Internet wünschen. In der Regel fressen sie diejenigen, die es versuchen. Deswegen und zu Gunsten des Medienhauses Ringer: Basta mit derart fahrigen Rundumschlägen, Herr Meyer – Abtreten!”

5. “Die Humorlosigkeit der Deutschen im Wandel der Zeit”

(netzfeuilleton.de)

Ein Blick zurück auf deutschsprachige Satiremagazine – mit vielen historischen Ausschnitten.

6. “Wir müssen wütend werden”

(byzero.de, Video, 3:50 Minuten)

“ein Ausschnitt aus dem Film ‘Network‘ aus dem Jahre 1976. Der Herr regt sich furchtbar auf. Und das zurecht.”

Fehlen noch OSZE-Medienbeobachter …

Wenn man den Artikel heute in der Druckausgabe der “Financial Times Deutschland” (FTD) liest, ahnt man nicht, was für ein Aufsehen er vorab verursacht hat.

Er erzählt die unspektakuläre, aber interessante Geschichte, dass das Auswärtige Amt die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) eingeladen habe, die Bundestagswahl zu beobachten — ähnlich wie sie es in vielen demokratischen und nicht so demokratischen Ländern regelmäßig tut. In der Bundesrepublik waren sie allerdings noch nie. Vor Monaten schon habe das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte zugesagt, und nun gebe es sogar eine “heikle Frage” zu prüfen: Ob es fair war, mehrere kleinere Parteien nicht zuzulassen.

Das ist allerdings nicht die Geschichte, die am Wochenende unter Berufung auf die “FTD” von den Nachrichtenagenturen verbreitet wurde und durch die Medien ging. Die stellte nämlich einen ganz anderen Zusammenhang zwischen den Wahlbeobachtern und der Nichtzulassung her:

dpa, 13:27 Uhr:

Die umstrittene Nichtzulassung kleinerer Parteien zur Bundestagswahl ruft jetzt internationale Wahlbeobachter auf den Plan.

dpa, 14:09 Uhr:

Die Kritik am Ausschluss mehrerer kleiner Parteien von der Bundestagswahl im September hat internationale Wahlbeobachter auf den Plan gerufen.

AP, 15:23 Uhr:

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) will dieses Jahr erstmals ein Expertenteam zur Beobachtung einer Bundestagswahl nach Deutschland schicken. Dies sagte OSZE-Sprecher Jens-Hagen Eschenbächer der “Financial Times Deutschland”. Hintergrund ist die umstrittene Entscheidung des Bundeswahlausschusses, mehreren Parteien, darunter den “Grauen” und “Die Partei” den Parteienstatus abzuerkennen.

Erst dann erreichte dpa endlich selbst jemanden von der OSZE und zitierte den OSZE-Sprecher Thomas Rymer, der dementierte, dass die Entscheidung der Anlass für die Wahlbeobachtung sei.

Und wie kamen die Agenturen darauf, am Sonntag unter Bezug auf die Montagsausgabe der “FTD” einen Zusammenhang herzustellen, den die Montagsausgabe der “FTD” so gar nicht herstellt? Nun, die “FTD” hatte den Agenturen vorab in einer E-Mail mitgeteilt, sie werde folgendes berichten:

Die umstrittene Nichtzulassung kleinerer Parteien zur Bundestagswahl wird ein Fall für die OSZE: Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollen die Entscheidung des Bundeswahlausschusses prüfen, mehrere Parteien von der Bundestagswahl auszuschließen.

“Wir schicken in diesem Jahr zum ersten Mal ein Expertenteam zur Beobachtung einer Bundestagswahl nach Deutschland, sagte der Sprecher des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte”, Jens-Hagen Eschenbächer, der Financial Times Deutschland (Montagausgabe). “Da die Nichtzulassung mehrerer Parteien in Deutschland ein Thema ist, werden sich unsere Wahlbeobachter das genau ansehen.” (…)

Die Vorabmeldung der Zeitung lud also zu Fehlinterpretationen förmlich ein. AP und dpa mussten sie nur ein bisschen zuspitzen, um eine Falschmeldung zu verbreiten, die dann dementiert wurde, und als die Zeitung am nächsten Tag selbst berichtete, war ihr Artikel sauber und korrekt. So bizarr funktioniert der Vorabmeldungsjournalismus in Deutschland.

Focus  

Ulla Schmidt & die Quadratur der Parteikreise

Er wirkt heute ein bisschen selbstironisch, der Slogan “Kurz, präsise und schnell auf den Punkt”, den der “Focus” seiner Rubrik “Periskop” am Anfang des Heftes mitgibt:

Denn der Bericht war schon am Samstagmittag überholt — um nicht zu sagen: als Falschmeldung entlarvt. Um 14:37 Uhr brachte die Nachrichtenagentur dpa diese Eilmeldung:

Nach ihrer Entlastung durch den Bundesrechnungshof hat SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in sein Wahlkampf-Team geholt.

(Ursprünglich hatte dpa vor lauter Aufregung “Renate Schmidt” geschrieben, sich aber schnell verbessert.)

Für eine Korrektur der ExklusivFalschmeldung im gedruckten “Focus” war es da natürlich zu spät. Und die Redaktion war so stolz auf ihre Information “aus Parteikreisen” gewesen, dass sie sie vorab an die Agenturen gegeben und auf “Focus Online” veröffentlicht hatte — was dort für einen ziemlichen Eiertanz sorgte.

Die ursprüngliche Überschrift “Schmidts Karriere ist beendet” schwächte die Redaktion irgendwann ab zu “Schmidts Karriereende ist besiegelt”. Aber auch nachdem am Samstagvormittag bekannt geworden war, dass der Bundesrechnungshof keine Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung des Dienstwagens in Spanien feststellen konnte, beharrte “Focus Online”:

Nach FOCUS-Informationen ist es für Schmidts politische Zukunft unerheblich, dass der Bundesrechnungshof keine Verstöße festgestellt hat.

Als “Focus Online” schließlich nicht mehr umhin kam zu melden, dass Schmidt doch von Frank-Walter Steinmeier ins Schattenkabinett berufen worden sei*, fehlt jeder Hinweis darauf, dass man genau das gerade noch ausgeschlossen hatte.

*) Erstaunlicherweise trägt die entsprechende dpa-Meldung auf “Focus Online” den Zeitstempel 10:02 Uhr, obwohl die Nachricht erst über vier Stunden später kam.
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