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“Bild” ist treuer als Oliver Pocher II

Gestern erst hatten wir gewettet, dass “Bild” alsbald mit Neuigkeiten über Annina Ucatis aufwarten würde, die angeblich ehemalige “Geliebte von Oliver Pocher” (sie behauptet, mit Pocher vor sieben Jahren mal ausgegangen zu sein).

Und tatsächlich heißt es auf der heutigen “Bild”-Titelseite:

Gestern berichtete BILD über die Ex-Geliebte von Oliver Pocher (…).

Aber darüber, wie “Bild” heute berichtet, sind wir dann doch überrascht (siehe Ausriss): Mit der Schlagzeile “Jetzt schlägt Pochers Freundin zurück” und der Frage “Na, wer hat hier die überzeugenderen Argumente?” wirbt “Bild” für die aktuelle Ausgabe des Magazins “Maxim”. “Maxim” wird (wie “Bild”) vom Verlag Axel Springer herausgegeben und ist (laut “Bild”) “im Handel erhältlich” — seit gestern übrigens.

Allerdings ist das nicht alles, was es heute in der Ucatis-Sache nachzutragen gibt. Denn entgegen unserer ersten Annahme, dass sie erst 2003 als “Bingo-Fee” in “Bild” aufgetaucht sei, kennen sich Ucatis und “Bild” schon viel, viel länger:

“Bild”-Mitarbeiter Holger Bloehte*, dessen Name zuletzt im Januar 2007 über einem Ucatis-Artikel stand, hatte ihr nicht nur 1998 schon zu einem Job als “Super-Ische” in der “Harald Schmidt Show” verholfen (Quelle: “taz”, 1998), sondern Ucatis vor inzwischen fast zehn Jahren überhaupt erst für die Öffentlichkeit “entdeckt” (Quelle: “Hustler”, 2001). Und tatsächlich findet sich in der “Bild”-Zeitung vom 23. Juni 1997 ein Artikel Bloehtes über Ucatis. Er ähnelt demjenigen, der gestern in “Bild” erschien, insofern, als Ucatis damals behauptete, in einer “Bremer Promi-Disco” mal kurz mit Dieter Bohlen geredet zu haben.

*) Wenn Holger Bloehte (von “Bild” gelegentlich auch “Holger Bloethe” genannt) gerade nicht über Annina Ucatis schreibt, druckt “Bild” Geschichten von ihm, die Überschriften tragen wie “Asyl-Familie kassiert 50000 Euro Stütze und hortet einen Schatz” (2.12.2004), “Warum zahlt der Staat einem 3fachen Mörder das BWL-Studium?” (19.4.2006) oder “Dieser Dackel rettet diesem Dackel das Leben” (10.3.2006). BILDblog-Lesern könnte Bloehte zudem wegen eines Artikels im November 2006 bekannt sein, in dem er Helmut Pflugradt als “Skandal-Politiker” bezeichnete. “Bild” entschuldigte sich damals anschließend öffentlich bei Pflugradt dafür, ihm “Unrecht getan” zu haben.

Mit Dank auch an Max V.

“Bild” ist treuer als Oliver Pocher

Wenn sich eine Frau mit Körbchengröße 75 G plötzlich erinnert, dass sie vor sieben Jahren mal mit Oliver Pocher “ganz öffentlich ins Kino, Hand in Hand über die Straße gegangen” sei (und Oliver Pocher sich dazu bislang “gegenüber BILD nicht äußern” wollte), dann…

… muss das natürlich auf die Tittelseite von “Bild” (siehe Ausriss). Zumal die Frau doch laut “Bild” behauptet, dass sie auch “die Geliebte von Oliver Pocher” gewesen sei bzw. (wie “Bild” selbst es formuliert) “eine Affäre mit dem TV-Star” hatte und “Oliver Pocher ganz nahe kam”.

Überrascht fragt “Bild” deshalb: “Wer ist die hübsche Blonde?” Und hat sogar eine Antwort:

Annina wurde in Bremerhaven geboren, arbeitet heute als selbstständige Immobilienmaklerin in Köln. Sie ist Single, ließ sich in drei Operationen den Busen auf Körbchengröße 75 G vergrößern.

Das ist dann zwar alles, was “Bild” heute über “Annina U. (29)” zu berichten weiß — aber längst nicht alles, was es über Annina Ucatis (so ihr voller Name) zu berichten gäbe. Allein im “Bild”-Archiv fände sich da beispielsweise der Hinweis, dass Ucatis im Frühjahr 2003 von “Bild” als “Bingo-Fee” entdeckt wurde und anschließend in einer “BILD-Sommeraktion” wochenlang “den leckersten Kerl vom Bau” suchen durfte — aber auch diese zweifellos etwas übergeigte “Bild”-Geschichte vor anderhalb Wochen:

"Busen-Süchtig! Maklerin gefeuert"

Oder diese aus dem Januar:

""Schönheits-Wahn -- Maklerin ließ sich 3-mal ihre Brüste vergrößern"

Ja, damals wusste “Bild” sogar noch, dass Ucatis “als TV-Assistentin von Harald Schmidt und Verona Feldbusch” aufgetreten ist.

Außerdem tingelte Ucatis mit ihrer “Busen-Sucht” in den vergangenen Monaten durch die diverse TV-Boulevardmagazine. Und RTL fasste zusammen:

Annina (…) entdeckte, dass zwei Argumente reichten, um in den Medien und auf Promi-Parties Karriere zu machen. Annina trat als Nummerngirl in der Erotik-Sendung “Peep” auf, lernte Dieter Bohlen kennen, hatte Kurzauftritte bei “Veronas Welt” und war die Assistentin von Harald Schmidt. Und irgendwann (…) wurde Annina angeblich auch die Freundin von Party-König Michael Ammer. (…) Doch irgendwie verlief sich Anninas Medien-Karriere. Je riesiger ihr Busen wurde, desto weniger war sie gefragt. (…) Zur Zeit ist Annina Single. Ihr letzter Freund hat sie verlassen, weil er ihre Begeisterung für die Riesenbrüste bei nunmehr drei Kilogramm Silikon nicht mehr teilen konnte. Die 29-Jährige will sich jetzt ganz auf ihre Arbeit als Immobilienmaklerin konzentrieren. Nebenbei macht sie Fotos, die in den pornografischen Bereich gehen. (…)

Es wäre jetzt natürlich völlig unangebracht, einen Zusammenhang zwischen Körbchengröße und Glaubwürdigkeit herzustellen. Aber jede Wette, dass “Bild” demnächst wieder Neues von Frau Ucatis zu berichten hat — und sei’s auch sieben Jahre alt.

Mehr dazu hier.

“Der große Selbstbetrug” von Kai Diekmann

“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann hat ein Buch angekündigt. Unter dem Titel “Der große Selbstbetrug” schreibt er darin u.a.:

“Das Erbe der 68er hat uns in eine Sackgasse geführt. Es wird Zeit, endlich umzukehren.”

Alan Posener, Kommentarchef der “Bild”-Schwesterzeitung “Welt am Sonntag”, antwortet Diekmann auf “Welt Debatte” mit beißender Ironie:

Ah ja, klar. (…) Die 68er haben K.D, gezwungen, als Chefredakteur der Bildzeitung nach Auffassung des Berliner Landgerichts “bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung Anderer” zu ziehen. Die 68er zwingen ihn noch heute, täglich auf der Seite 1 eine Wichsvorlage abzudrucken, und überhaupt auf fast allen Seiten die niedrigsten Instinkte der Bild-Leser zu bedienen, gleichzeitig aber scheinheilig auf der Papst-Welle mitzuschwimmen. (…) Man kann nicht die Bildzeitung machen und gleichzeitig in die Pose des alttestamentarischen Propheten schlüpfen, der die Sünden von Sodom und Gomorrha geißelt. So viel Selbstironie muss doch sein, dass man die Lächerlichkeit eines solchen Unterfangens begreift. (…)

Wenn man ein bisschen zynisch ist, auf miniberöckte Vorzimmermiezen großen, auf Ernsthaftigkeit eher weniger Wert legt, kann man [bei “Bild”] Karriere machen, und das ist völlig OK so. Einer muss es ja machen, so wie einer den Dieter Bohlen machen muss, und einer den Papst. Aber wenn Dieter Bohlen den Papst geben würde, müsste man auch lachen, oder?

Nachtrag, 11.47 Uhr: Der Beitrag von Alan Posener wurde offenbar aus dem Angebot von “Welt Online” entfernt.

Nachtrag, 15.30 Uhr: Der Autor Alan Posener sagte auf unsere Frage nach dem Verbleib des Textes, er wolle sich dazu nicht äußern und bat dafür um Verständnis.

Nachtrag, 16.55 Uhr: Auf Nachfrage erhielten wir von der Springer-Pressestelle folgende “Stellungnahme der Axel Springer AG zum Beitrag von Alan Posener über Kai Diekmann”:

Dies ist die Entgleisung eines einzelnen Mitarbeiters. Der Beitrag von Alan Posener über Kai Diekmann ist ohne Wissen der Chefredaktion in den Weblog von Alan Posener gestellt worden.

Der Beitrag ist eine höchst unkollegiale Geste und entspricht nicht den Werten unserer Unternehmenskultur.

Bei Axel Springer gilt Meinungspluralismus, aber nicht Selbstprofilierung durch die Verächtlichmachung von Kollegen.

Laut “Absatzwirtschaft Online” (bzw. Handelsblatt.com missbilligt Springer-Chef Mathias Döpfner die Äußerungen Poseners.

Nachtrag, 18.40 Uhr: Auf Kress.de (nicht frei online) heißt es unter Berufung auf einen Springer-Sprecher, der Vorgang werde für Posener “keine personalrechtlichen Konsequenzen” haben.

Nachtrag, 10.5.2007: Peter Schink, Leiter der Produktentwicklung von “Welt Online”, kommentiert den Fall in seinem privaten Weblog “Blog Age” und schreibt:

Doch was sollte mit der Löschung des Postings bezweckt werden? Wenn der Zweck war, ein deutliches Statement abzugeben, dass Welt-Autoren nichts böses über Bild schreiben dürfen, hat es funktioniert. (…)

Und turi2.de dokumentiert den kompletten Posener-Text.

Nachtrag, 14.5.2007: Inzwischen hat sich auch “Welt Online”-Chef Christoph Keese öffentlich zum Fall Posener geäußert und die Verantwortung für die Löschung des Beitrags übernommen:

Ich habe den Text von der Seite genommen, weil er stilistisch und argumentativ nicht unseren Anforderungen entsprach. (…) Überdies enthielt der Text Ausdrücke, die nicht zu uns passen. (…) In der Diskussion taucht immer wieder der Begriff des Zensors auf. Doch wer sich als professioneller Autor redigieren lässt, unterwirft sich keiner Zensur, sondern der Bearbeitung durch einen Kollegen. Dies ist etwas ganz und gar anderes.

Ja, und wer’s unbedingt noch genauer wissen will, kann sich ja jetzt das komplette Keese-Interview auf sueddeutsche.de durchlesen.

Mehr dazu hier und hier und hier.

Königsberger Klopse

Man mag darüber streiten, ob die Frage “Welche großen "Welche großen Persönlichkeiten stammen aus Ostpreußen?"Persönlichkeiten stammen aus Ostpreußen?” wirklich zu den “wichtigsten Fragen zum ARD-Drama ‘Die Flucht'” gehört. Aber sei’s drum. “Bild” meint das jedenfalls (siehe Ausriss) und nennt insgesamt acht Namen: Immanuel Kant, Heinrich von Kleist, Carl Friedrich Goerdeler, Rudi Schuricke, Hannah Arendt, Lovis Corinth, Joseph Freiherr von Eichendorff, und Udo Lattek.

Von diesen acht Persönlichkeiten müssen wir leider fünf abziehen, weil sie gar nicht aus Ostpreußen stammen: Heinrich von Kleist zum Beispiel wurde in Frankfurt (Oder) geboren und hielt sich bloß vom Mai 1805 bis zum Januar 1807 in Königsberg auf. Carl Friedrich Goerdeler wiederum war zwar zeitweise 2. Bürgermeister von Königsberg, wurde jedoch in der Provinz Posen geboren. Rudi Schuricke wuchs in Ostpreußen auf, wurde jedoch in der Stadt Brandenburg geboren. Hannah Arendt verbrachte zwar ihre Kindheit und Jugend in Königsberg, wurde aber in Linden bei Hannover geboren. Und Joseph von Eichendorff war von 1824-1831 Oberpräsidialrat in der vereinigten Ost- und Westpreußischen Regierung, wurde aber in Oberschlesien geboren.

Erstaunlicher Weise nennt “Bild” nicht Dieter Bohlen als große Persönlichkeit, die aus Ostpreußen stammt. Der Musiker und Produzent lebte zwar selbst nie in Ostpreußen, immerhin stammen aber seine Großeltern aus Königsberg.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Geschwätz von gestern

Vor knapp zwei Wochen hatte “Bild” ja “50 Prominente gefragt, welches Auto sie fahren – und was sie für die Umwelt tun”. Unter ihnen natürlich: Dieter Bohlen. Und abgesehen davon, dass Bohlen behauptete, Fahrradfahren “sexy” zu finden, “Spaziergänge ins Dorf” bzw. überhaupt “viel zu Fuß” zu machen und “am Wochenende so gut wie nie” zu fahren (“Es ist gesund für mich und gut für die Umwelt”), zitierte ihn “Bild” mit den Worten:

Ich fahr zurzeit am meisten einen Opel Astra GTC, Baujahr 2006.

Bohlen als Fahrer eines Opel Astra (CO2-Emmission ab 130g/km): Das hätte man ihm gar nicht zugetraut! Zumal er doch noch im Frühjahr 2006 “pünktlich zur Cabrio-Saison” von seinem winterlichen Hummer H2 (294g/km CO2) auf “ein neues Corvette Cabrio” (ca. 310g/km CO2) umgesattelt war — “frei nach dem Motto ‘rechts ist Gas'”, wie es damals stolz in einer Pressemitteilung seines Corvette-Händlers hieß.

Der Eindruck aber, dass Bohlen neuerdings auch als Vorbild in Sachen Umweltschutz taugen könnte, wie “Bild” noch vor knapp zwei Wochen suggerierte, trog: Wie man der heutigen “Bild” entnehmen kann, hat Bohlen gestern morgen “seine neue Corvette beim Autohändler abgeholt”.

Und das steht nicht etwa unter der Überschrift:

“Von wegen ‘gut für die Umwelt’, Herr Bohlen…
POP-TITAN MIT CO2-SCHLEUDER ERWISCHT!”

Mit Dank an Stefan M. für den Hinweis.

Die Wahrheit über die Wahrheit über Superstars

Allan Garnelis hat es nicht geschafft. Im Casting von “Deutschland sucht den Superstar” ist er zwar weit gekommen, aber bei der Auswahl der besten 20 Sänger für die Liveshows hat ihn die Jury aussortiert.

Allan Garnelis hat es geschafft. In der “Bild”-Zeitung ist er heute groß auf die Seite 1 gekommen:

1. Kandidat packt aus! Die Wahrheit über Superstars: Die Finalisten stehen längst fest. Unser Jubel ist nur gespielt. Wir wurden sogar eingesperrt

Die “Wahrheit über Superstars” fasst “Bild” so zusammen: Beim Casting habe Garnelis erst “vor Ton-Ingenieuren vorsingen” müssen. Im sogenannten “Recall” mussten alle Kandidaten morgens aus dem Hotel auschecken, weil ja jeder im Laufe des Tages rausfliegen konnte — “so spart RTL Produktionskosten”, erklärt “Bild”. Weil die Freude mancher Teilnehmer “zu actionlos” gewesen sei, hätten sich viele “auf Kommando” noch einmal stärker freuen sollen. Und nachdem Garnelis ausgeschieden sei, habe er sich zum Heulen in eine Garderobe gesetzt, sei aber von der Kamera verfolgt worden. “Im ersten Moment dachte ich: ‘Verpisst euch’.”

Soweit, so naja.

Wie aufregend die “Bild”-Zeitung selbst die Geschichte fand, kann man vielleicht daran ablesen, dass sie sie offenbar erst einmal liegen ließ. Das Freiburger Online-Magazin “Fudder”, auf das “Bild” sich beruft, hat Garnelis’ Erfahrungen schon vor drei Wochen veröffentlicht.

Dort lesen sie sich allerdings wesentlich unaufgeregter. Und die Enthüllung, dass die Finalisten schon länger feststehen, steht da gar nicht ausdrücklich, vermutlich weil das gar kein Geheimnis ist. RTL hat nie versucht zu verschweigen, dass diese Shows, wie üblich, aufgezeichnet sind. Gestern wusste das auch “Bild” noch.

Dass die “DSDS”-Bewerber bei den Castings vor Ort nicht sofort vor der Jury singen, sondern erst von Mitarbeitern der Produktion getestet werden, ist auch keine Sensation. Bei “Popstars” funktioniert das genauso, allein schon aus Zeitgründen.

Außerdem sagt Garnelis in “Fudder” über den Moment nach dem Rauswurf, als die Kamera auf ihn zusteuerte:

“Der Umgang von denen war schon menschlich. Die müssen das nunmal machen. (…) Da hockt immer einer schräg unter der Kamera und stellt dir Fragen. Der war sichtlich ergriffen. Ich habe heute mehr mit den Leuten vom Team zu tun als mit den anderen Kandidaten.”

In “Bild” war dafür kein Platz mehr.

Aber so, wie es bei “Fudder” steht, wäre drei Wochen später vermutlich keine “Bild”-Seite-1-Geschichte mehr draus geworden.

Danke an Jörg W., Benjamin S., Timm H., Katharina M. und majestic!

PS: Bei “Spiegel Online” liest und glaubt man “Bild”.

Allgemein  

Raum-Zeit- und Wahrheits-Kontinuum gestört

Bohlen plötzlich ganz lieb!

Nach dem Wirbel um seine Hammer-Sprüche bei “Deutschland sucht den Superstar” und dem drohenden TV-Verbot (BILD berichtete) ist der Pop-Titan plötzlich lieb!

So steht es heute in “Bild”.

Und wenn das stimmen würde, hätte Bohlen den Titel “Titan” wahrlich verdient. Es würde nämlich bedeuten, dass der Musikproduzent auf die Debatte über die Härte seiner Sprüche, die Ende Januar 2007 geführt wurde, schon ein Vierteljahr vorher reagiert hätte. Die Ausschnitte der RTL-Sendung von gestern wurden nämlich am 3. Oktober 2006 in Stuttgart und am 6., 7. und 8. November 2006 in Köln aufgenommen.

Es scheint sich bei der Bohlen umgebenden Störung des Raum-Zeit-Kontinuums doch um ein dauerhaftes Phänomen zu handeln.

Andererseits täte man “Bild” unrecht, wenn man behauptete, dass an dem Artikel nur der vermutete zeitliche Ablauf Nonsens sei (der immerhin an einer Stelle mit der Frage relativiert wird: “Wird Bohlen jetzt von RTL zensiert?”). Der Artikel ist nämlich vollständig Unfug — wie ein heute veröffentlichter Artikel von Bild.de, der sich auf dieselbe Sendung bezieht, eindrucksvoll beweist:

Pop-Titan Dieter Bohlen stand seinem Jury-Kollegen in punkto miese-fiese Sprüche in nichts nach. Kleine Kostprobe: “Du steht wie eine Rolle Drops da und singst wie ein verklemmter Furz.” (…)

“Du musst auch mal in den Spiegel gucken zu Hause. Das sieht so aus, als wenn da ein seltsames Tier gestorben ist in deinem Gesicht.”

Die Sammlung “Bohlens neue Hammer-Sprüche” steht bei Bild.de unmittelbar über dem Link zum Artikel “Dieter Bohlen plötzlich ganz lieb”. So ist das im Hause “Bild”: Im Zweifelsfall ist immer auch das Gegenteil richtig.

Danke an Sebastian K. und Marcel!

“Spannertum und sittliche Empörung”

Schräg, kultig, schmutzig? Mit sinkender Auflage und wachsender Hysterie? “Bild” enthüllte, dass der CSU-Politiker Horst Seehofer eine “heimliche Freundin” habe, die von ihm im 4. Monat schwanger sei. Deshalb ist “Bild” heute auch Thema in anderen Medien. Ein kleine, unvollständige Presseschau:

“Berliner Zeitung”:

Mittlerweile hat sich die Bild-Zeitung, obwohl ihre Auflage seit Jahren sinkt, eine gewisse Beachtung auch in sogenannten besseren Kreisen verschafft, wo man im Kokettieren mit dem, was man “schräg” oder “kultig” findet, seine Vorurteilslosigkeit beweist. Und so kam es, dass in diesen Tagen ein solches Organ in den Streit um Stoiber eingreifen kann, indem es über einen möglichen Nachfolger schreibt, er habe eine Geliebte, die von ihm schwanger sei. (…) [E]inen Nutzen aus der Geschichte zieht die Bild-Zeitung selbst, die seit je mit der Mischung aus Spannertum und sittlicher Empörung ihre Leser befriedigt. (…) Wie jemand sein Sexualleben führt, ist allein seine Sache und die seiner Partner (…). Es geht nicht darum, irgendjemandem seine Freuden zu verleiden. Aber was ist es für eine Gesellschaft, die sich täglich, millionenfach und öffentlich anzoten lässt?

 
“Süddeutsche Zeitung”:

Das Blatt selbst hat sich in der Überschrift des ersten Artikels zutreffend charakterisiert: Da steht das Wort “schmutzig”. Dieser Selbstbeurteilung kann man nicht widersprechen, denn auf diesem Terrain kennt das Blatt sich aus.
(Link von uns.)

 
Michael Haller auf Stern.de:

Die “Bild” verliert seit zehn Jahren kontinuierlich an Auflage. Mit wachsender Hysterie sucht sie nach Knallern, mit denen sich Auflage machen lässt. Und bei Politikern hat sie keine Hemmungen, schließlich sind da die Anzeigenkunden außen vor. Wenn es um Wirtschaftsthemen geht, sucht die “Bild” viel eher Möglichkeiten der Kooperation – deutlich erkennbar zum Beispiel beim Fall Dieter Bohlen und “Deutschland sucht den Superstar”. Das hat nichts mehr mit Journalismus zu tun, hier geht es um Win-Win-Geschäftsmodelle.

 
“Augsburger Allgemeine”:

In gut informierten Berliner Kreisen wird eine ganz andere Version gehandelt: Seehofers Freundin selbst soll das Boulevardblatt informiert haben. Und zwar, weil der Minister mit ihr Schluss machen und zur Familie zurückkehren wollte, heißt es. Bild soll die Story schon seit Wochen in der Schublade gehabt haben und nur auf einen günstigen Zeitpunkt zur Veröffentlichung gewartet haben.

Verarschen kann “Bild” uns alleine!

Einen der größten Erfolge unter Chefredakteur Kai Diekmann feierte die “Bild”-Zeitung im Jahr 2003 mit ihrer wochenlangen Berichterstattung über einen in den USA lebenden deutschen Sozialhilfeempfänger, den sie “Florida Rolf” nannte. Die Kampagne erreichte nicht nur, dass der Mann nach Deutschland zurückkehrte, sondern auch, dass der Bundestag in kürzester Zeit die Gesetzeslage verschärfte. Dabei betraf die Regelung nicht einmal 1000 vermeintliche “Sozialschnorrer” und bedeutete möglicherweise sogar höhere Ausgaben für die Steuerzahler.

In diesen Tagen arbeitet sich “Bild” wieder an einem vermeintlichen “Abzocker” ab: Henrico Frank, ein Arbeitsloser, der SPD-Chef Kurt Beck dafür verantwortlich machte, Hartz-IV-Empfänger zu sein, und dafür von ihm gesagt bekam, er solle sich erst einmal waschen und rasieren, dann bekomme er auch Arbeit. Frank ließ sich von Journalisten zu einem Friseurbesuch überreden, Beck vermittelte ihm darauf mehrere Stellenangebote, Frank ließ ein Treffen mit Beck jedoch platzen und lehnte auch die angebotenen Jobs ab. Seitdem ist er für “Bild” “Deutschlands frechster Arbeitsloser” und heute zum zweiten Mal großer Seite-1-Aufmacher:

Warum kriegt so einer Stütze?

Die Frage klingt, als wollte “Bild”, ähnlich wie bei “Florida-Rolf”, eine vermeintliche oder tatsächliche Ungerechtigkeit im Gesetz anprangern. In Wahrheit hat der Bundestag erst vor kurzem die Gesetzeslage für Menschen wie Henrico Frank drastisch verschärft. Wer innerhalb eines Jahres drei Angebote seiner Arbeitsagentur ohne guten Grund ablehnt, bekommt vom kommendem Jahr an für ein Vierteljahr sämtliche Zahlungen gestrichen, ist nicht krankenversichert, bekommt kein Geld für Unterkunft und Heizung. Nach Ansicht von Kritikern dieses Gesetzes kann das für viele hartnäckige Arbeitsverweigerer bedeuten, obdachlos zu werden. Die neue Regelung ist juristisch umstritten, weil eigentlich jeder Mensch einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf das Existenzminimum hat.

“Faulenzern” und “Abzockern” wie Henrico Frank droht also nach dem verabschiedeten Gesetz, nichts zu bekommen. Da es schwer ist, Menschen weniger als nichts zu geben, ist nicht ganz klar, auf welche Art Gesetzesverschärfung die “Bild”-Kampagne zielen könnte: Die Möglichkeit, “Faulenzer” und “Abzocker” aus dem Land zu jagen?

Aber vielleicht geht es der “Bild”-Zeitung hier auch nicht um das Gesetz. Vielleicht hat sie mit Henrico Frank eine persönliche Rechnung offen. Darauf deutet zum Beispiel der gestrige “Bild”-Artikel hin, der so begann:

ER HAT UNS ALLE VERARSCHT!

Die “Bild”-Zeitung lässt offen, ob sie mit “uns” uns meint oder “Bild”-Mitarbeiter. Deren Gefühl, “verarscht” worden zu sein, könnte aber daher rühren, dass die Geschichte so schön auf ein Happy-End hätte hinauslaufen können: Dank tatkräftiger Unterstützung der Medien wird aus nichtsnutzigem Hartz-IV-Suff-und-Schmuddel-Punk ein glückliches Mitglied der arbeitenden Gesellschaft. Henrico Frank wollte dieses Spiel, hinter dem er eine PR-Aktion von Beck vermutet, offenbar nicht mitspielen — ob er dabei klug vorging, ist eine andere Frage.

Die “Bild”-Zeitung jedoch erweckt den Eindruck, Frank habe sie in die Irre geführt. Dabei zeigte Frank von Anfang an wenig Bereitschaft, die ihm von dem Medien zugeteilte Rolle zu spielen — selbst den Frisurwechsel bereute er schnell. Dass Frank “vier Handys” hat (nach eigenen Angaben alle Prepaid, ohne laufende Kosten), war “Bild” ebenso bekannt, wie dass er weiter seinen Anstecker “Arbeit ist Scheiße” trug. Erst im Nachhinein machte sie daraus Belege, um Frank zu “Deutschlands frechstem Arbeitslosen” zu stempeln.

Die “Bild”-Berichte über den Arbeitslosen sind inzwischen voller bösartiger Interpretationen und einseitiger Verdrehungen. Aus dem Angebot, für “5,50 Euro / Stunde” zu arbeiten, macht “Bild” einen von acht “gut bezahlten Jobs”. Dass sich die Sprecherin Franks bei den Arbeitgebern erkundigte, ob sich die Stellen (u.a. Straßenbauarbeiter, Maurer, Maler) überhaupt eignen für jemanden, der “nur noch eine Niere, dazu einen Bandscheibenvorfall und eine Schulterprellung” hat, nennt “Bild” schlicht “dreist”: “Motto: Ich kann nicht, aber was gibt’s denn?” Nebenbei fabriziert “Bild” aus den Zitaten mehrerer Politiker der Linkspartei, die grundsätzlich begrüßen, wenn Arbeitslose in die Politik und die Parlamente gehen, eine mögliche Kandidatur Franks für den Bundestag.

Den CDU-Politiker Michael Fuchs hingegen zitierte “Bild” gestern mit den Worten:

Was wirft das für ein Licht auf all die anderen Arbeitslosen! Henrico Frank bringt sie alle in Verruf.

Tut er das wirklich? Oder tun das nicht “Bild” und die anderen Medien, die das Verhalten Franks in einer Breite diskutieren, die gar keinen Sinn ergäbe, wenn sie davon ausgingen, dass Franks Verhalten ein völliger Einzelfall wäre. Dadurch, dass sie den Fall seit einer Woche ausführlich begleiten, suggerieren sie erst, dass es sich um ein grundsätzliches Phänomen und Problem handelt.

Der Politologe Frank Oschmiansky hat vor einigen Jahren die Konjunktur der immer wiederkehrenden “Faulheitsdebatten” untersucht und befand, sie folgten “zu einem guten Teil politischen Kalkülen”. Sie ließen bei den Bürgern den Eindruck entstehen, der “Missbrauch sozialer Leistungen” sei eines der größten Probleme dieses Landes — dabei sei der Schaden rechnerisch “marginal” gegenüber Delikten wie Schwarzarbeit, Subventionsmissbrauch, Korruption oder Steuerhinterziehung. Oschmianskys Fazit:

Zudem zielen die “Faulheitsvorwürfe” darauf, das sozialpsychologische Klima zu schaffen, um Leistungseinschränkungen oder auch Zumutbarkeits- oder Sanktionsverschärfungen den Boden zu bereiten. (…) Durch die Skandalisierung des Leistungsmissbrauchs wird ein Klima erzeugt, in dem Kürzungen von Sozialleistungen leichter durchsetzbar sind.

Allgemein  

Raum-Zeit-Kontinuum in Tötensen gestört

Wenn man zynisch wäre, könnte man sagen: Was Dieter Bohlen passiert ist, ist das Beste, was “Bild” passieren konnte. Dass der “Pop-Titan” Dieter Bohlen, der Beruf und Privatleben in einem außerordentlichen Maße mit “Bild” teilt, in seinem Haus spektakulär überfallen und ausgeraubt wird und eine Überwachungskamera eine Fülle eindrucksvoller Aufnahmen von dem Geschehen liefert. Den größten Teil der Titelseite und zwei ganze Seiten im Inneren (siehe Ausrisse) füllte “Bild” am Dienstag mit Fotos, Zeichnungen, Berichten und Einzelheiten — und dass die Polizei Bohlen vorwirft, er habe dadurch, dass er gegenüber “Bild” und RTL so viele Details ausplauderte, die Ermittlungen erschwert, damit wird “Bild” leben können.

“Bild” war offensichtlich schon kurz nach dem Überfall vor Ort — oder versucht jedenfalls nachhaltig, diesen Eindruck zu erwecken. Ein langes “Bild”-Interview mit Bohlen beginnt so:

Gestern morgen, 11.42 Uhr. Dieter Bohlen (52) sitzt auf der Eckbank in der Küche seiner 600-Quadratmeter-Villa in Tötensen. Lebensgefährtin Carina (23) reicht ihm Früchtetee. Im Flur und an der Haustür sichern die Beamten der Kripo Buchholz Spuren. Es ist gerade 117 Minuten her, dass zwei bewaffnete Männer sein Haus gestürmt, ihn gefesselt und mit der Pistole bedroht haben. Dieter Bohlen wirkt sehr gefasst. An den Unterarmen hat er Schürfwunden, die er bei der Rangelei mit den Tätern erlitten hat.

BILD: Herr Bohlen, wie fühlen Sie sich? …

Und vermutlich meint “Bild” nicht 117, sondern 177 Minuten, denn der Überfall war um 8.45 Uhr. Dennoch ist das ja wirklich eindrucksvoll, das Tempo, mit dem die “Bild”-Leute und Bohlen sich nach so einem Überfall an die “journalistische” Aufbereitung des Geschehens machen. Allerdings endet das “Bild”-Interview, das um 11.42 Uhr begann, so:

BILD: Wie geht es Ihrer Lebensgefährtin?

Bohlen: “Carina war die ganze Zeit sehr tapfer. Aber am Nachmittag brach dann alles aus ihr raus. Sie bekam Beruhigungsmittel, inzwischen geht es ihr besser.”

(Hervorhebungen von uns.)

Und falls Bohlen diesen Satz überhaupt gesagt hat, dann jedenfalls nicht am Vormittag. Aber eine gute Erklärung für diese erstaunliche Diskrepanz müssen Sie sich schon selbst ausdenken. Wir haben nämlich keine.

Danke an Sebastian L., Svenja K., Günther F., Knut I. und Felix S.

Nachtrag, 13. Dezember. Die Störung des Raum-Zeit-Kontinuums ist anscheinend noch größer als bisher angenommen. Bohlens Freundin Carina sagt heute “EXKLUSIV” in “Bild”, sie habe es am Montag nicht mehr in dem Haus in Tötensen ausgehalten und sei deshalb am Nachmittag mit Bohlen nach Köln geflogen. Wenn das stimmt, wäre an dem “Bild”-Interview entweder nicht nur die Zeitangabe, sondern auch die Ortsangabe falsch — oder natürlich das Interview.

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