Suchergebnisse für ‘tempelhof’

“Gewonnen hat die Demokratie”, nicht “Bild”

Wir wollen nicht nachtreten. Aber wir wollen’s auch nicht unerwähnt lassen: Es ist in diesem Jahr bereits die zweite Niederlage der “Bild”-Zeitung.

Nachdem “Bild” vor drei Monaten erst, bei der hessischen Landtagswahl, die “Kriminelle Ausländer raus!”-Kampagne der hessischen CDU und ihres Vorsitzenden Roland Koch nach Kräften (und über die Grenzen des journalistisch Zumutbaren hinaus) unterstützt hatte, verlor die CDU zwölf Prozentpunkte.

Und gestern nun ist auch das Volksbegehren gegen die Einstellung des Flugbetrieb auf dem Berliner Flughafen Tempelhof gescheitert. Dabei hatten auch hier “Bild” und die anderen Springer-Zeitungen monatelang nach Kräften (und über die Grenzen des journalistisch Zumutbaren hinaus) versucht, ihren Lesern weiszumachen, dass sie am gestrigen Sonntag unbedingt für den Erhalt von Tempelhof als Flughafen stimmen sollen — und wollen. Aber genutzt hat es wieder nichts: Zwar stimmten 60,2 Prozent der Wähler mit “Ja”, doch weil es für einen Erfolg des Volksbegehrens nicht nur die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sondern auch mindestens ein Viertel aller Stimmberechtigten brauchte, waren es am Ende, bei einer Wahlbeteiligung von gerade mal 36,1 Prozent, doch zu wenig: statt 25 Prozent nur 21,7 Prozent — oder, um es mit der örtlichen “Bild” zu sagen:

Tolles Ergebnis des 1. Volksentscheids in der Hauptstadt! 530 231 Berliner haben gestern für den Erhalt des City Airports Tempelhof gestimmt! (…)

Ach ja: Die wahlentscheidende “21,7 Prozent”-Zahl sucht man in der heutigen “Bild” (Berlin-Brandenburg)* vergeblich. Sogar aus der offiziellen Tabelle des Statistischen Landesamts Berlin wurde sie von “Bild” rausgekürzt:

*) Anders als in Berlin-Brandenburg findet sich in anderen “Bild”-Ausgaben nur eine kleine Seite-1-Meldung, in der aber dafür die “21,7 Prozent” erwähnt werden.

medienlese – der Wochenrückblick

Flirtsprüche, Brummkreisel, Körpergerüche, Puff beim RBB.

“Ich trink Ouzo – was machst du so?” – Spiegel Online, das erfolgreichste Medienportal Deutschlands, glänzte mit den “Top Ten der schlechtesten Flirtsprüche“. Zwei Tage später auf 20 Minuten, dem erfolgreichsten Medienportal der Schweiz: “Die acht schlechtesten Anmachsprüche“. Urheber: “Eine Umfrage unter 4500 Usern des Onlinedienstes spin.de”.

Korrespondenten des ZDF kritisierten ihren Sender. Frankreich-Korrespondent Alexander Sobeck: “Seit sich der Präsident benimmt wie ein rasender Brummkreisel, bin ich froh, wenn ich in einem Beitrag über sein Privatleben fünf Halbsätze Politik unterbringe”. Balkan-Korrespondent Klaus Prömpers hingegen, der sich mal bei der F.A.Z. des Fernsehens wähnte, fühlt sich nun immer mehr wie bei der Bild-Zeitung. Als Beispiel führt er diesen Arbeitsvorschlag an: “Mach mal was über die Wahl in Bulgarien – aber ohne die Politiker. Die kennt ja sowieso kein Mensch.”
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Ver.di war schuld

“Solchermaßen webten und webten wir vor uns hin, als ich aufschrak
bei einem so seltsamen Ton, so langgezogen und wild harmonisch
und übernatürlich, dass mir das Knäuel des freien Willens aus der
Hand fiel und ich dastand und nach den Wolken aufstarrte, aus
welchen jene Stimme herabsank wie eine Flügelschwinge.”
(Herman Melville: “Moby Dick”, Kapitel XLVII)

Polizeiprosa

“Eine 14-jährige Radfahrerin ist heute in Tempelhof vom Anhänger eines LKW erfasst und tödlich verletzt worden.
Nach den bisherigen Erkenntnissen befuhr die Jugendliche mit ihrem Fahrrad gegen 13 Uhr 10 den Tempelhofer Damm in Richtung Mariendorf. Aus bisher noch ungeklärter Ursache geriet sie kurz hinter der Kreuzung Ecke Alt-Tempelhof unter den Anhänger eines 38-jährigen LKW-Fahrers. (…)”

Kein Scherz: Wenn plötzlich etwas unabänderlich Schreckliches passiert, wenn also beispielsweise das eigene Kind bei einem Autounfall stirbt, sucht das Gehirn nach Gründen. Oder nach Möglichkeiten, wie das Geschehene nur hätte ungeschehen bleiben können. Und wenn wir unseren Frieden nicht in Vorsehung und Gottes Willen finden wollen, stellen wir fest: Das Leben ist eine Kette von Ereignissen in einem unentwirrbaren Netz anderer Ereignisketten, kurzum: ein deterministisches Chaos, das irgendwann im Urknall oder Urschleim seinen Anfang nahm.

“Bild” macht es sich leichter – und aus den nüchternen Worten einer Polizeimeldung (siehe Kasten), dem Unfallzeitpunkt und der Verzweiflung einer Mutter schnell mal ein Politikum:

"Tod durch BVG-Streik"

Mit Dank an Ekkart K. für die Anregung.

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