Was erwarten wir uns von einem Zeitungsartikel? Halbwegs aktuell sollte er sein, irgendwie relevant, möglichst korrekt und wenigstens im Kern zutreffend? Dann schauen wir uns mal diese Meldung von der Seite 1 der “Bild”-Zeitung an:
Deutschlands Fischhändler brauchen jetzt ein Lateinlexikon! Der Grund: Laut einer EU-Verordnung (Fischetikettierungs-Gesetz) sollen Fische mit ihrem lateinischen Namen ausgezeichnet werden. Erste Fischhändler haben schon auf die Sprache der alten Römer umgestellt (Pflicht ist das nur für Großhändler).
Das betreffende “Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Fischen und Fischereierzeugnissen (Fischetikettierungsgesetz — FischEtikettG)” ist vom 1. August 2002.
Es geht nicht um die “Sprache der alten Römer”, sondern die wissenschaftliche Bezeichnung der Fische.
Der atlantische Hering heißt wissenschaftlich nicht “Clupea harngus”, sondern “Clupea harengus”.
Kein Fischhändler braucht ein Lateinlexikon, um zu verstehen, was er da (ver)kauft, denn laut Gesetz ist der wissenschaftliche Name zusätzlich zur üblichen Handelsbezeichnung zu verwenden.
Der Rollmops heißt nicht “jetzt” “Clupea har(e)ngus”, sondern immer schon, vor allem aber heißt er auf deutschen Etiketten auch weiterhin “Rollmops”.
Tja. Vielleicht erwarten wir uns von einem Artikel in “Bild” auch einfach nichts — außer dass er Vorurteile gegen die EU wiederholt und bestärkt.
Nachtrag, 16:30: n-tv.de hat aus der “Bild”-Meldung eine lustig gemeinte Bilderserie gemacht und einfach mal alle Fehler übernommen.
Noch ein Nachtrag, 17:20: Die EU-Kommission sah sich inzwischen veranlasst zu reagieren. Sie bezeichnete den “Bild”-Artikel laut “Rheinischer Post” als “schlichtweg falsch”. In einer Pressemitteilung schrieb sie:
Erstaunlich ist …, dass die sonst so gut informierte BILD-Zeitung eine “Geschichte” aufwärmt, die bereits vor zwei Jahren das britische Boulevardblatt Sun verbreitete. Denn auch nach zwei Jahren bleibt eine Ente eine Ente. Nur ist der Bart jetzt deutlich länger… .