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Mein Freund Photoshop

Wir müssen etwas korrigieren. Wir haben hier den Eindruck erweckt, “Bild” habe sich einfach mit ein Tagen Verspätung eine öffentlich zugängliche Pressemitteilung im Internet heruntergeladen, um daraus ein exklusives “Geheimpapier” zu machen. So einfach ist die Sache natürlich nicht.

Tatsächlich muss man die öffentlich zugängliche Pressemitteilung im Internet natürlich vor der Veröffentlichung erst retouchieren. Wenn Sie bitte vergleichen mögen:

Dies ist das Originaldokument:

Und dies die “Bild”-Version des gleichen Papiers:

Interessanterweise fehlen auf dem “Geheimpapier” von “Bild” zwei Details: Die Überschrift “TELEFAX” und das Datum. Was für ein Zufall. Auch ein durchschnittlich begabter “Bild”-Leser hätte sich vermutlich sonst gefragt, warum erstens ein “Geheimpapier” lustig durch die Gegend gefaxt wird und zweitens das ach-so-brisante Papier, dass ihm seine Zeitung da präsentiert, schon mehrere Tage alt ist.

Nur gut dass “Bild” beim Fälschen Bearbeiten von wirklich wichtigen Dokumenten sorgfältiger ist.

Danke an (einen anderen) Alexander S. für diesen Hinweis!

Das letztere Tabu

Na, das hat ja nicht lange gedauert. Am Freitag hatten wir vermutet, dass mit der Ausstrahlung eines Brustwarzen-Piercings womöglich doch nicht “das letzte Tabu” im Fernsehen gebrochen sei, wie “Bild” sich erregte. Und siehe da, keine halbe Woche später fällt laut “Bild” schon wieder was im Fernsehen? “Das letzte Tabu”. Diesmal in Form einer von RTL live übertragenen Brustvergrößerung.

Sowas ist natürlich höchst bedenklich und muss dringend mit vielen Fotos angeprangert werden (“Bilder wie dieses will RTL morgen zeigen”). Und diesen Chirurgen, der sich dafür hergibt, nimmt “Bild” im Interview hart ran:

BILD: Meinen Sie nicht, dass Sie junge Menschen zu ähnlichen Eingriffen ermuntern?
Dr. Hecker: “Nein! Die so genannten Vorher-/Nachher-Bilder oder Kurzausschnitte in den Medien animieren viel eher dazu.”

Ts, Vorher-/Nachher-Bilder! Wer macht denn auch sowas Unverantwortliches?

Tränen, Blut, Schreie

Wie findet “Bild” eigentlich Mädchen, die sich piercen oder tätowieren lassen? Geil. In Wort und — vor allem — Bild präsentiert das Blatt gerne die Resultate. “Bild” zeigt “sexy Girls mit ‘Nippel-Sonnen'”, erklärt ungewöhnliche Piercings für angesagt, gibt Tipps zum Selbermachenlassen (“schon etwas schmerzhaft”) und sucht seit Wochen Deutschlands schönstes “Arschgeweih”, jene “heißen Hingucker”, “zauberhaften”, “sexy Bildchen”, “Tattoo-Rücken, die entzücken”. Body-Modification? Yes please!

Äh, außer:

…heute riesengroß auf Seite 1 der “Bild”. Was ist passiert? “Big Brother”-Kandidatin Daniela hat sich im Container vor laufenden Kameras piercen lassen. Resultat, laut “Bild”:

Tränen, Blut, Schreie.

Oder genauer, nicht laut “Bild”: Keine Tränen, kein Blut, ein Schrei. “Bild” behauptet:

“Big Brother” bricht letztes Tabu.

— och, da würden uns noch ein paar letztere einfallen. Und wo wir gerade dabei sind: Sado-Maso hat mit Folter nichts zu tun, Folter hat mit Piercings nichts zu tun, Piercings haben mit Sado-Maso nichts zu tun.

Warum lässt sich dieses Mädchen vor der TV-Kamera quälen?

Vielleicht weil sie auch so geil aussehen will wie die gepiercten “Bild”-Mädchen und keine Lust hatte auf ein Ansteck-Plastik-Piercing aus dem Kaugummiautomaten?

…widerliche Bilder von einem Busen-Piercing…

So widerlich, dass “Bild” seinen Lesern auch extra nicht mehr als drei Großaufnahmen davon zumutet. Na gut: vier.

Sadomaso-Folter im deutschen TV — jetzt wollen Politiker den Irrsinn stoppen!

Mit anderen Worten: Klicken Sie vor dem Verbot schnell noch rechts neben den Artikel, wo “hier geht’s zum BB-Livestream” steht. Von den 0,98 Euro, die 12 Stunden Big Brother Live kosten (mögliche Sado-Maso-Folter inklusive), kommt ein Teil einem guten Zweck zugute: bild.de.

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Geheime “Bild”-Quelle enttarnt!

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, wie “Bild” immer an diese Exklusivmeldungen und Geheimpapiere kommt? Wie gestern, als das Blatt auf einer halben Seite einen “Geheimbrief an die Formel-1-Bosse” enhüllte, der “Bild” “vorlag”?

Klar, an sowas kommt man nicht einfach so. Da muss man sich über Jahre Kompetenz erarbeiten, muss Kontakte pflegen, Telefonnummern sammeln, Archive durchpflügen und im entscheidenden Moment zuschlagen und die brandheiße Ware veröffentlichen, möglichst ohne dabei die Quelle zu verbrennen, aber zur Not auch ohne Rücksicht auf Verluste. So geht das mit den Geheimpapieren.

Oder, im konkreten Fall: Man geht auf die Homepage des Rennsportverbandes FIA, klickt auf “Pressemitteilungen” und lädt sich die Geheimdokumente zwei Tage, nachdem sie dort veröffentlicht wurden, hier und hier herunter. Ach so, und damit die Geschichte heiß wird, muss man natürlich die Tatsache, dass es sich bei dem Inhalt um Vorschläge für mögliche Veränderungen handelt, ignorieren und so tun, als seien es bereits beschlossene Vorschriften.

Danke für den sachdienlichen Hinweis an Alexander S.

“Bild” sehnt sich nach einer Schlagzeile

Liz Taylor sehnt sich nach dem Tod

Was müsste passieren, damit diese “Bild”-Überschrift gerechtfertigt wäre? Liz Taylor könnte versucht haben, sich das Leben zu nehmen. (Hat sie nicht.) Liz Taylor könnte ein Interview gegeben haben, in dem sie ungefähr sagte: “Ich möchte gar nicht mehr leben!” (Hat sie nicht.) Freunde von Liz Taylor könnten erzählt haben, die Schauspielerin sei lebensmüde. (Haben sie nicht.)

Was ist tatsächlich passiert? Liz Taylor hat Parkinson und Altersdemenz. (Glaubt “Bild”, jeder Parkinson-Kranke sehne sich nach dem Tod?) Sie rüttelt an Türen, weil sie nicht merkt, dass sie verschlossen sind. (Weiß “Bild” exklusiv, dass Liz Taylor nur die Tür zum Himmel sucht?) Stundenlang sieht sie sich alte Filme von sich und ihrem Ex-Ehemann Richard Burton an. (Zählt das schon als Selbstmordversuch?)

Dann hat “Bild” noch diese Information:

Britische Medien berichten von Liz Taylors bizarrem Plan: Sie will Burton, der in der Schweiz begraben ist, umbetten lassen. Der Filmstar soll in seiner walisischen Heimat seine letzte Ruhe finden, die Taylor will sich neben ihm beerdigen lassen.

So bizarr klingt der Plan laut britischen Medien gar nicht: Das Grab neben dem von Burtons Eltern haben er und Taylor gemeinsam gekauft, als sie verheiratet waren, und Burton soll gesagt haben, dass er eigentlich dort begraben werden soll. Einige seiner Angehörigen haben Taylors Plan angeblich schon zugestimmt. Und dass eine parkinsonkranke 72-jährige Frau Pläne für ihr Begräbnis macht, ist ja nun so abwegig nicht.

Aber, hey, die Schlagzeile “Liz Taylor sehnt sich nach dem Tod” ist eindeutig besser als alles, was die Fakten hergegeben hätten. Mal abgesehen von “‘Bild’ sehnt sich nach Liz Taylors Tod”, natürlich.

Mit Dank an Hendrik L.

Immer mehr Ferwechslungen

Auch das noch! “Neue Studie beweist: Schüler machen wegen Schlechtschreibreform mehr Fehler!“, schreibt “Bild” und beruft sich auf eine Untersuchung des Leipziger Forschers Harald Marx. “Seit Einführung der neuen Regeln stieg die Zahl der Fehler um bis zu 22 Prozent.”

Nebendran steht diese Liste mit den “schlimmsten Fehlern”:

Und die Bemerkung:

“Die Verunsicherung ist nach der Studie des Leipziger Wissenschaftlers schon so groß, dass Schüler immer mehr Wörter falsch schreiben, bei denen sich die Schreibung gar nicht geändert hat.”

So? Nun ja, die Ergebnisse des Professors aus dem Jahr 1998 gaben das in dieser Form noch nicht her (pdf), aber vielleicht hat sich das ja geändert. Der dpa hat Marx allerdings jetzt auch bloß anvertraut, dass er in seiner Untersuchung der Diktate von Kindern der 2., 3. und 4. Klasse vor allem Probleme bei der Unterscheidung von “ß”,”ss” und “s” feststellen konnte.

Was das Dehnungs-E, die Konsonantenverdoppelung, F- und V-Ferwechselungen, D- und T-Verwechselungen, Schwierigkeiten mit Q sowie B- und P-Verwechselungen mit der Rechtschreibreform zu tun haben, erklärt “Bild” nicht.

Und nun? Nun ja: Der dpa hat Marx gesagt, dass er eine Rückkehr zur alten Schreibung trotz der erkannten Probleme für “nicht denkbar” halte: “Sie würde das Chaos nur verstärken und zu noch mehr Verunsicherung führen”. Na dann…

Dank an Alexander H. für seinen sachdienlichen Anstoß.

Jegliches Ethos abgegeben

Auf Homestories von Politikern will “Bild” zukünftig angeblich verzichten; von Artikeln aus dem Privatleben von anderen Prominenten, um die es im “Caroline-Urteil” im Kern geht, ist nicht die Rede. Schade eigentlich — denkt man, wenn man einen Artikel im heutigen “Tagesspiegel”* gelesen hat, der sich die Arbeit des “Bild”-Unterhaltungsressorts unter seinem Chef Martin Heidemanns genauer ansieht.

Zu lesen ist in der ausführlichen Geschichte unter anderem:

… wie die Methoden von Martin Heidemanns in der Branche beschrieben werden: Anschreien, Drohen, Erpressen.

… wie “Bild” versucht haben soll, Prominente wie Charlotte Roche, Ursula Karven und Esther Schweins in persönlichen Notsituationen zu Interviews zu erpressen.

…wie “Bild am Sonntag” falsche Fotos von Andreas Türck (wie er angeblich nach den Vergewaltigungsvorwürfen zu seiner “Mama” flieht) und Oliver Kahn (wie er angeblich wieder seine Ehefrau betrügt) zeigte.

Die Chefin der Agentur Barbarella, die viele Prominente vertritt, zitiert der “Tagesspiegel” mit dem Fazit:

Journalisten der ,Bild’-Zeitung scheinen darauf trainiert zu werden, jeglichen Ethos abzugeben.

Weder Heidemanns noch sein Chef Kai Diekmann wollten mit dem “Tagesspiegel” reden. Ein Sprecher des Verlages sagte:

Die Unterstellungen des Tagesspiegels gegenüber “Bild” sind so haarsträubend, dass sich darauf eine Antwort verbietet. Genauso wie beim Tagesspiegel sind dies auch für “Bild” keine üblichen Arbeitsmethoden.

Ach ja. Oder wie Kai Diekmann der Zeitschrift “Cover” sagte: “Nur Moralisten können gute Journalisten sein.”

(Verspäteter) Nachtrag, 29. Dezember 2005:
Von Martin Heidemanns erschien am 14. November 2004 eine Gegendarstellung zu dem Artikel im “Tagesspiegel”. Darin heißt es unter anderem:

Durch die Formulierung: “Spricht man mit Prominenten und ihren Managern, mit ehemaligen und aktuellen Kollegen über jenen Mann, der bei BILD für das Unterhaltungsressort verantwortlich ist, fallen drei Worte immer wieder: Anschreien, Drohen, Erpressen”, erwecken Sie den Eindruck, dass ich bei meiner Berufsausübung schreie, drohe, erpresse.

Das ist falsch. Ich schreie nicht, ich drohe nicht, und ich erpresse auch nicht.

*) Nachtrag, 25.1.2006:
Der strittige Artikel ist im Online-Archiv des “Tagesspiegel” nicht mehr (oder nicht mehr frei) verfügbar, aber im Wortlaut hier nachzulesen. Zwei weitere Gegendarstellungen dazu finden sich hier und hier.

Hof ohne Berichterstatter

“Bild” will als Konsequenz auf das “Caroline-Urteil” bis auf weiteres auf Homestories über Politiker verzichten. Nach dem “Straßburger Maulkorburteil” sei rechtlich unklar geworden, was an kritischer Berichterstattung über Prominente, vor allem über Politiker, noch erlaubt sei, sagte Chefredakteur Kai Diekmann dem “Focus”. “Deshalb müssen wir umgekehrt beim Leser jetzt von vornherein jeden Anschein vermeiden, wir würden mit eingebauter Schere im Kopf nur noch Hofberichterstattung betreiben.”

“Homestories” ist natürlich ein Begriff, der Fragen offen lässt: Würden wir in Zukunft nicht mehr aus “Bild” erfahren, dass die dreijährige Adoptivtochter der Schröders schon “Papa” zum Kanzler sagt? Oder wie das aussah, als er das Grab seines Vaters besuchte? Dass Guido Westerwelle einen Freund hat?

Ist das das Ende von allem?

Partei, die schrumpft

Am Freitag machte “Bild” PDS-Chef Lothar Bisky zum Verlierer des Tages. Weil seiner Partei die Mitglieder weglaufen:

Vergangenes Jahr gaben 5052 Genossen ihr Parteibuch ab – ein Minus von rund 7 Prozent. Nur noch 65 753 Menschen gehören der SED-Nachfolgepartei an. In den alten Bundesländern gibt es gerade einmal 4378 bekennende Sozialisten.

BILD meint: PDS – Partei, die schrumpft!

Stimmt. Richtig ist auch, dass die PDS in aktuellen Umfragen bundesweit auf 7 Prozent kommt, im Osten mit 28 Prozent zweitstärkste Partei nach der CDU würde und bei der Landtagswahl in Brandenburg mit 34 Prozent der Stimmen die mit Abstand meisten Stimmen bekommen könnte.

Und: Nein, das wird Bisky nicht zum Gewinner des Tages in “Bild” machen.

Ätzend teuer!

„Warum sind Schulbücher bloß so ätzend teuer?“, fragte „Bild“ am Dienstag zum (- je nach Bundesland – baldigen) Beginn des neuen Schuljahres und klagte an: „Für Schulbücher müssen Eltern richtig tief in die Tasche greifen!“ Wegen der „Lernmittelfreiheit“, die z.B. in Niedersachsen gerade entfallen ist. Das bedeutet: „Schulbücher müssen von den Eltern komplett selbst bezahlt werden!“ (Fast jedenfalls.)

Von „Bild“ befragte Mütter erklären:

„Das trifft uns mit zwei Kindern doppelt hart.“

Und:

„Ich bin allein erziehend. 450 Euro bei drei Kindern sind für mich unerschwinglich.“

Ein Skandal also.

Von der „Schlechtschreib-Reform“ und der Rückkehr zur „alten“ Rechtschreibung bzw. den Kosten, die den Eltern bei Neudruck der gerade teuer erstandenen Bücher in „neuer“ Rechtschreibung entstehen würden, ist in dem Artikel übrigens nicht die Rede.

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