Der “Gewinner des Tages” vom heutigen 28. September ist kein Springer-Chefredakteur, kein Springer-Herausgeber und auch keine Publikation aus dem Springer-Verlag. Es ist Hans-Olaf Henkel, laut “Bild” “Deutschlands klügster Manager”. Der hat kürzlich ein Buch geschrieben, aus dem “Bild” vorab Auszüge abgedruckt und das Ganze online mit einem “Buchtipp” verbunden hatte, der einen mit einem Klick zu Amazon bringt, wo man das Buch bestellen kann. Dieses Buch steht nun auf Platz 4 der Bestsellerlisten von “Focus” und “Spiegel”, was natürlich ein prima Grund ist, Henkel zum “Gewinner des Tages” zu machen – na ja, und außerdem ist Henkel ja schon seit dem Jahr 2001 Springer-Autor. Er schreibt Kommentare in “Bild”.
Kalte Dusche
Schließen Sie bitte die Augen und stellen sich eine “Sex-Attacke” vor – Die “Sex-Attacke” einer Frau auf einen Mann. Sie ist wunderschön, weltberühmt, Oscar-Preisträgerin. Er ein Zwei-Meter-Hühne, Muskel bepackt, Schwergewichts-Boxer, mit Oberarmen so dick, wie anderer Leute Oberschenkel.
So.
Zur Abkühlung lesen Sie nun bitte, was Wladimir Klitschko wirklich mit Julia Roberts erlebte und in seiner “spannenden” (“Bild”) Biografie enthüllt, die nächste Woche erscheint, und aus der “Bild” vorab Auszüge veröffentlicht, was sie auf der Titelseite in fünf Zentimeter hohen Lettern ziemlich heiß ankündigt (s. Ausriss):
Bei einer Gelegenheit … spürte ich plötzlich, wie sie ihre Hand auf meinen Hintern legte. Ich hätte schwören können, dass sie ihn streichelte.
Und es wird noch doller:
Also ließ ich es mir nicht nehmen, sie zum Tanz aufzufordern. Gut möglich, dass die Sache mit meinem Hintern auch hierbei geschah.
Gut möglich auch, dass man sich unter einer “Sex-Attacke” für gewöhnlich etwas spannenderes vorstellt. Etwas mit mehr Sex und mehr Attacke zum Beispiel.
Bittere Rache
Am Donnerstag berichtete “Bild” erstmals, dass Roberto Blancos Ehefrau Mireille die Scheidung eingereicht hat, weil er ihr des öfteren untreu war. Heute schlagzeilt “Bild”:
Drunter steht:
Und im Text? Da ist zu lesen, dass Mireille Blanco vom Familiengericht vorläufig einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 7100 Euro zugesprochen bekommen hat, den ihr Mann zahlen soll, weil sie selbst mittellos ist, und dass ursprünglich eine Unterhaltsforderung von 15.000 Euro eingereicht wurde, die nun im weiteren Scheidungsverfahren geprüft wird.
Vor Gericht wurde Roberto Blanco nicht “gezerrt”. Im Gegenteil:
“Die festgelegte Summe hat Herr Blanco (…) bisher nicht gezahlt. Dabei wollten und wollen wir eine einvernehmliche Lösung. Wir haben ihn schon vor Monaten dezent angeschrieben und eine großzügige Frist gesetzt. Doch er teilte uns nur mit, dass er in der Klinik sei. Dabei war er lediglich in Marbella zum Abspecken”,
zitiert “Bild” Mireille Blancos Anwältin.
Und was ist mit den Grausamkeiten, die “enthüllt” wurden? Ganz einfach: nichts. Mireille Blanco hat schlicht und einfach ihrer Anwältin anvertraut, welche Gründe sie zu der Scheidung bewogen haben. Von einer “Enthüllung” kann keine Rede sein. Und “bittere Rache” sieht womöglich auch anders aus.
Die korrektere Schlagzeile “Roberto Blanco: Ehefrau will einvernehmliche Lösung” stand bei “Bild” vermutlich trotzdem nicht zur Diskussion.
Typisch “Bild”
“Typisch Beckham“, schreibt “Bild”, weil der Fußballspieler David Beckham, genannt “Becks”, kürzlich mit einem neuen Auto zum Training beim Fußball-Klub Real Madrid gefahren kam, was wiederum für “Bild” Grund genug ist, gleich mal über “Beckhams teuren Fuhrpark” zu berichten. Und zwar so:
Der Frauenschwarm fuhr auf dem Parkplatz vor Reals Trainingsgelände noch eine Extrarunde, um zu erreichen, dass seinen ‘Millionaros’-Kollegen auch ja die Spucke wegbleibt.”
Und wir sehen die Szene (Brumm-brumm, Extrarunde, quietsch!) vor unserem geistigen Auge. Dumm nur, dass sie überhaupt nicht stimmt. Denn in der britischen Boulevardzeitung “The Sun”, aus der “Bild” die Geschichte abgeschrieben hat, hieß es stattdessen bloß:
“England skipper Becks even turned around to get another glimpse as he went to join his team-mates.”
(Was übersetzt bedeutet, dass Beckham sich auf dem Weg zu seinen Team-Kollegen nach dem Aussteigen noch mal umgedreht und einen kurzen Blick aufs Auto geworfen hatte.)
Aber mal ehrlich: Ist so ein kleiner Übersetzungsfehler (turn around statt turn a round) in Europas größter Tageszeitung denn wirklich der Rede wert? Oder etwa typisch “Bild”?
Mit Dank an Nils für den sachdienlichen Hinweis.
Muss denn das sein?
Erst kürzlich, nicht wahr, war der Herausgeber der neuen Springer-Zeitschrift “Der Freund” für die ebenfalls im Springer-Verlag erscheinende “Bild”-Zeitung der “Gewinner” des Tages. Und kaum ist das Magazin erschienen, taucht “Der Freund” wie zufällig in der “In & Out”-Rubrik der “Bild”-Zeitung auf – natürlich auf der “In”-Seite, wo auch sonst?
Dabeisein ist alles
“BILD-Leser entscheiden!”
Oh, toll! Was denn?
“Jetzt können BILD-Leser Fußball-Geschichte schreiben.”
Auch gut! Aber wie das denn?
“BILD-Leser entscheiden, wie das offizielle WM-Poster 2006 aussehen wird!”
Echt? Da haben sich die 45 Cent ja mal richtig gelohnt, oder?
Nun ja: Quasi eine ganze Zeitungsseite hatte “Bild” am Donnerstag für die Wahl des “offiziellen WM-Posters 2006” geopfert, hat die insgesamt fünf verschiedenen Alternativen abgebildet, die dazugehörigen 0137-Nummern und SMS-Kurzwahlen angegeben – und überall in großen Buchstaben “BILD-Leser entscheiden!” drübergeschrieben.
Aber das ist natürlich Unsinn: Obwohl es in der “Bild” so aussieht, hat die Aktion mit “Bild” gar nichts zu tun. Der “Gestaltungs-Wettbewerb” wird von der FIFA veranstaltet, die Preise (50 x 2 Eintrittskarten) von der FIFA gestellt, weshalb also beileibe nicht nur “Bild”-Leser entscheiden, sondern jeder, wirklich jeder, der irgendwie irgendwo auf die Aktion aufmerksam geworden ist. Und: “Interessierte Redaktionen können die fünf Postermotive zum Abdruck am 22. und 23. September 2004 bei der FIFA per e-mail (..) anfordern”, heißt es in der dazugehörigen FIFA-Pressemitteilung…
“Bild”-Leser wissen mehr
Eine Gruppe von Deutschen hat in Bahrain einen russischen Spaceshuttle entdeckt, der dort unbeachtet in der arabischen Wüste vor sich hin lag. Es soll eine Sensation sein. Schön. Irgendwie ein Grund zur Freude.
Ganz besonders für die “Bild”-Zeitung, denn die drei Jungs, die so clever waren, dem Kronprinzen Scheich Salman bin Hamad al-Khalifa das Geheimnis zu entlocken, waren nicht irgendwelchen Deutschen, nein:
Jetzt haben BILD-Leser einen der russischen Raumgleiter in der arabischen Wüste gefunden!
Glückwunsch. Wohl dem Blatt, das so weitgereiste und geschickte Leser hat. Wer herausfinden will, wie diese Leute dazu kamen, mal eben so mit dem Kronprinzen zu plaudern (“Guten Tag, wir sind “Bild”-Leser und wollen Herrn Scheich Salman bin Hamad al-Khalifa sprechen, bitte”?), wird in dem “Bild”-Artikel allerdings nicht fündig. “Spiegel Online” jedoch hat dazu ein paar Antworten:
Ein Düsseldorfer TV-Team stieß bei Dreharbeiten zur Formel 1 in Bahrein zufällig auf das Gerücht vom russischen Spaceshuttle…
Genauer gesagt handelt es sich um die Firma von Chris G. Meier, der sonst für “Blitz”, “taff”, “RTL-Explosiv” etc. arbeitet.
Aber wer weiß, womöglich ist er auch “Bild”-Leser.
Danke an die BILDBlog-Leser Patrick C. und Simon R.
Saufen ist out
Ehrlich! Siehe zum Beispiel die “Bild”-“In/Out”-Liste vom Mittwoch. “Out” sind:
“Diese Oktoberfest-oder-sonstwo-ich-sauf-so-viel-dass-
mein-Hirn-aussetzt-Trinker – macht den Menschen zum Schwachmaten.”
Siehe aber auch die “Bild”-“In/Out”-Liste vom Donnerstag.
“Out” ist:
“Ein Mitten-in-der-Woche-Kater – lässt einen jedes Schlückchen zu viel und jede Sekunde Schlaf zu wenig bereuen.”
Was machen “Bild”-Redakteure eigentlich in ihrer Freizeit?
Sieben Monate später
Die letzten Geheimnisse
Seit Beginn der Woche berichtet “Bild” Frankfurt täglich über “die letzten Geheimnisse des Mörders” Magnus Gäfgen, der vor zwei Jahren den 11-jährigen Jakob von Metzler entführte und umbrachte. “Bild” druckt Auszüge aus dem Buch “Sie werden dich nicht finden”, für das die Journalistin Adrienne Lochte die Hintergründe des Falls recherchiert hat, und reichert diese mit Bemerkungen wie “Es sollte noch schlimmer kommen” an.
Heute nun die Schockschlagzeile: “So grausam quälte der nette Jugendleiter kleine Kinder.”
Gäfgen leitete “jahrelang (…) Kinderfreizeiten für seine Kirchengemeinde”! Um Gottes Willen, mit welch grausamen Methoden hat er die Kinder denn gequält?
Na ja: Auf einer Nachtwanderung erschreckte er gemeinsam mit einer Gruppe von Größeren die Kleinen, “die vor Grausen und Entzücken” “quietschten” (Lochte). Und in der Gruppenstunde spielten Kinder, die zu spät kamen, die “sterbende Kakerlake”, indem sie sich auf den Boden legten und mit Armen und Beinen strampelten.
Das mag zwar nicht gerade dem entsprechen, was man von einem Gruppenleiter in einer Kirchengemeinde erwartet. Ob es allerdings dazu reicht, Gäfgen in seiner Jugendgruppenzeit eine “dunkle, sadistische Seite” zu unterstellen, sei mal dahin gestellt.