Stoppschilder jetzt in “Bild”-Rot

1.) Die Farbe der Marke “Bild” ist rot. So viel steht ja mal fest.

2.) Das neue Auswärtstrikot der deutschen Fußballnationalmannschaft ist auch rot. Der Ausrüster Adidas nennt den Farbton “Toro”.

3.) Generalsponsor des Deutschen Fußballbundes und seiner Nationalmannschaften ist seit 1990 Mercedes-Benz. Der aktuelle Vertrag läuft noch bis 2006.

4.) Bei allen Spielen zwischen Nationalmannschaften, die unter der Schirmherrschaft der FIFA ausgetragen werden, ist Sponsorwerbung auf sämtlichen Ausrüstungsgegenständen nach Artikel 13 des FIFA-Ausrüstungsreglements verboten.

5.) Fragt man beim DFB nach, was es mit der heutigen Seite-1-“Bild”-Schlagzeile, “Nationalmannschaft jetzt in BILD-Rot” auf sich haben könnte, kriegt man zur Antwort, dass die Entscheidung für die neuen Trikots und deren Farbe “überhaupt nichts mit der ‘Bild’-Zeitung zu tun” hat.

“Bild” sprach zuerst mit… dem Friseur

(Nur nicht aufregen!)
Es stimmt, dass dieser Schnappschuss in der gestrigen “Bild”-Zeitung kurzzeitig Beachtung fand. Kaum ein TV-Promimagazin beispielsweise, das ihn (im Zusammenhang mit der Berichterstattung über eine Aids-Gala, während der das Foto entstand) nicht beiläufig gezeigt hätte: RTL-Dschungelshow-Gewinnerin Désirée Nick und Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister, küssen sich inmitten einer von zahlreichen Kamerateams und Journalisten besuchten Benefizveranstaltung, zu der Wowereit in Begleitung seines langjährigen Lebensgefährten gekommen war.

Und wer weiß, vielleicht stimmt es ja wirklich, vielleicht hat “Bild” ja Recht, wenn sie heute, groß, auf der Titelseite, unter der völlig sinnentleerten Überschrift “Wowereit nicht mehr schwul?” behauptet: “Ganz Deutschland diskutiert über einen Zungenkuss.” Wer weiß. (Wir wissen ja alle nicht mal, ob das, was der Schnappschuss zeigt, überhaupt ein Zungenkuss war: Nicks “Bild”-Statement gestern war gewohnt kokett, und Wowereit hatte “nicht die Absicht, das zu kommentieren.“)

Allerdings nennt “Bild” heute für die Behauptung, dass “ganz Deutschland diskutiert”, keinerlei Belege. Nein, stattdessen hat “Bild” offenbar ausschließlich mit “Promi-Friseur Udo Walz (60)” gesprochen – und mit dem Sexualwissenschaftler Wilhelm Preuss (keine Altersangabe). Doch dazu später.

Walz jedenfalls sagt laut “Bild” nicht, wie diese zur Titelstory gehörige Schlagzeile suggeriert: “Solche Küsse küsst doch kein schwuler Mann!” Nein, Walz plaudert nur ein wenig drauflos, findet, solche Küsse gehörten “nicht in die Öffentlichkeit”, und beendet sein längliches “Bild”-Statement mit den nichtssagendem Worten:

“Aber bei Wowi reden wir ja nur von einem Kuß. Und abgesehen davon, daß es wirklich wichtigere Probleme auf der Welt gibt als so ein Bussi. Ein Kuß, ganz egal zwischen wem, ist und bleibt doch eine der schönsten Sachen der Welt.”

Das war’s. Beziehungsweise war’s das noch nicht ganz. Denn “BILD-Medizin-Redakteur Dr. Christoph Fischer” hat ja noch mit erwähntem Sexualforscher gesprochen, der auf die drängenden Fragen der “Bild”-Macher (“Ist Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (51, SPD) gar nicht mehr schwul?” bzw. “Kann ein Schwuler wieder Frauen lieben?” und “Kann ein Schwuler wieder Frauen sexuell begehren?” usw.) sogar eine Antwort hat. Sie lautet zusammengefasst:

“Das ist ganz unwahrscheinlich.”

PS: Und nachdem das gesagt ist, kann man das, was darüber hinaus “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner zum Thema beizutragen zu haben glaubt, bestenfalls ignorieren — und (mit Dank an Tommy für den sachdienlichen Hinweis) daran erinnern, dass “Bild” am 16.2.2002 unter der Überschrift “Kann Sabine Christiansen Wowereit umdrehen?” schon mal fast dieselbe Story druckte, was die “Zeit” damals übrigens “praktizierte Offenheit gegenüber dem Schwachsinn” nannte…

Ja, irre!

Irre! Der Luxuswagen-Hersteller, die Porsche AG, hat dank Cayenne den dicksten Gewinn ihrer Unternehmensgeschichte eingefahren!”

Das jedenfalls schreibt “Bild” heute an derselben Stelle, an der für “Bild” doch vor fünf Tagen erst Porsche-Chef Wendelin Wiedeking “Gewinner” des Tages war – wegen des Erfolges des Geländewagens Cayenne natürlich, für den es einen Preis gab, der (wie wir wissen) im Vorjahr an “Bild” verliehen worden war.

PS: Noch irrer ist da nur, was “Bild” heute über diesen Schnappschuss zu berichten hat.

Allgemeine Verunsicherung

“Tausende Arbeitslose sind verunsichert durch die Hartz-Briefe.”

So berichtet “Bild” heute auf Seite 2 und “klärt wichtige Fragen”. Zum Beispiel: “Kriege ich noch Stütze, wenn ich ein Auto habe?” Die Antwort:

“Ja, sofern der aktuelle Wert des Autos unter 5000 Euro liegt. Ist der Wagen mehr wert, kann die Stütze gestrichen werden.”

Huch! Müssen jetzt alle Fahrezeugbesitzer ohne Arbeit noch schnell ein paar Dellen in ihren Wagen fahren, damit dessen Zeitwert sinkt und sie überhaupt Arbeitslosengeld bekommen? Besser nicht. Die Bundesagentur für Arbeit klärt auf (PDF):

“Ein angemessenes Auto oder Motorrad ist (…) nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Schließlich sollen Sie als Arbeitnehmer flexibel sein – und für eine neue Arbeitstelle ggf. pendeln können. (…) Ist ein Verkaufserlös abzüglich ggf. noch bestehender Kreditverbindlichkeiten von maximal 5.000 Euro erreichbar, ist eine Prüfung und Ermessensentscheidung, ob ein Kfz angemessen ist, entbehrlich.”

Das heißt: Selbst Arbeitslose, die ein Auto besitzen, das mehr als 5000 Euro wert ist, müssen nicht gleich ihr Fahrzeug verkaufen, sofern sie es noch abzubezahlen haben, da die entsprechende Summe auf den relevanten “Wert” angerechnet wird.

Wenn dieser danach 5000 Euro übersteigt, wird nicht gleich “die Stütze gestrichen”. Dann setzt eine Angemessenheitsprüfung ein, bei der “Größe der Bedarfsgemeinschaft, Anzahl der PKW im Haushalt, Zeitpunkt des Erwerbs” einbezogen werden. Und wenn die negativ ausfällt, gibt’s überhaupt kein Geld mehr? Nein, nicht ganz:

“Soweit ein Kfz ‘nicht angemessen’ ist, wird der übersteigende Wert auf die Vermögensfreibeträge angerechnet“,

berichtet die “Süddeutsche” in ihrem Hartz-Lexikon – übrigens ähnlich knapp wie “Bild”. Bloß unmissverständlicher. Fraglich ist also, was “tausende Arbeitslose” mehr verunsichert: “die Hartz-Briefe” oder die Hartz-Tipps in “Bild”.

Allgemein  

Keine Widerrede!

Vergangenen Donnerstag stand auf Seite 3 der “Bild”-Ausgabe für Mecklenburg-Vorpommern eine große Geschichte über einen Vorfall, der sich kurz und knapp hier nachlesen lässt.

In der Dachzeile in “Bild” heißt es:

Das Drama von Wasungen. Die Großmutter spricht

Die Überschrift lautet:

Die Justiz ist schuld am Tod meiner Lieben

Und in einer weiteren Zwischenüberschrift steht:

Der Rügener Killer hatte bei Gericht erfahren, wo sich seine Familie versteckt hält

Im Text, der sich unter diesen Zeilen befindet, steht dann noch, “Angehörige erheben schwere Vorwürfe”. Aber das nur nebenbei.

Kommen wir zu den Vorwürfen, die “Bild” im vorletzten Absatz des Artikels erhebt:

Am Montag dann der fatale Fehler der Justiz: Norbert F. stand wegen Diebstahls wieder in Bergen vor Gericht. Dort wurde auch die Zeugenaussage seiner Frau verlesen – und ihre neue Adresse genannt! Stunden später war Norbert F. schon auf dem Weg zu ihr…

Woher “Bild” diese Information hat, lässt sich dem Text nicht entnehmen, die Großmutter oder sonstige Angehörige jedenfalls werden in diesem Zusammenhang nicht zitiert. Da wäre es natürlich wichtig und sinnvoll gewesen, mal diejenigen, die den “fatalen Fehler” begangen haben sollen, mit dem Vorwurf zu konfrontieren. Doch “Bild” hat offenbar darauf verzichtet, weshalb man z.B. in der “Osterländer Volkszeitung” nachlesen muss, was Rainer Eggers, Amtsgerichtsdirektor in Bergen, nach der Veröffentlichung des “Bild”-Artikels gesagt hat:

Die neue Adresse der Ehefrau lag dem Gericht nicht vor, sagte Amtsgerichtsdirektor Rainer Eggers gestern. Sie könne demnach gar nicht verlesen worden sein. “Bild” hatte berichtet, der mutmaßliche Täter habe die neue Adresse seiner Frau vom Amtsgericht erfahren.

Die treffende Überschrift

Bei langen Interviews kann es schon einmal schwer sein, eine knappe Überschrift zu finden, die dem ausführlichen Gespräch gerecht wird. Bei einem Kurz-Interview, das genau drei Fragen und Antworten umfasst, sollte das dagegen sogar ein “Bild”-Redakteur hinbekommen.

Testen wir das mal in der Praxis. Nehmen wir ein Interview, das “Bild” mit dem Finanzminister geführt hat.

BILD: Italien will eine SMS-Steuer einführen, um den Haushalt zu sanieren. Ein Modell für Deutschland?

Hans Eichel: Kommt nicht in Frage – wir wollen keine neue Steuer. Wo wir aber genauer hinsehen werden, ist der Internethandel. Da läuft zuviel an der Umsatzsteuer vorbei. Die Besteuerung des Internethandels muß auf europäischer Ebene geregelt und dann schärfer kontrolliert werden.

So, jetzt konzentrieren. Welche Überschrift würde passen?

(a) Eichel will neue Internet-Steuer
(b) Eichel will keine neue Internet-Steuer

Na? Okay, und hier ist die Antwort, die “Bild” gegeben hat:

Zum Hintergrund: Es geht darum, dass viele Händler im Internet keine Umsatz- oder Gewerbesteuer zahlen, obwohl dies ab einem gewissen Professionalisierungsgrad Pflicht wäre. Diese Grauzone will Eichel schließen — es geht aber keineswegs um eine “neue Steuer”, sondern um die klare Regelung und Durchsetzung längst bestehender Steuern. Das Finanzministerium hat inzwischen dementiert: “Bild” habe die Aussagen Eichels “verzerrt” wiedergegeben. Oder “übergeigt”, wie Kai Diekmann sagen würde.

Weil “Bild” die falsche Nachricht an die Agenturen gegeben hat, taucht die Meldung mit Quelle “Bild” auch in anderen Medien auf. Mit solchen Enten erhöht die “Bild”-Zeitung also ihren Status als meist zitierte und daher “mit Abstand wichtigste deutsche Tageszeitung”.

Danke an diverse Hinweisgeber! Mehr zum Thema auch bei “Spiegel Online”.

“Super unterhaltsam”

Eine durchschnittliche Schlagzeile bei Bild.de, mit der “die multimedialen Erweiterung der Marke BILD” auf einen der stets unabhängigen und überparteilichen Artikel in “Bild” oder “BamS” hinweisen will, sieht so aus:

Oder so:

Vielleicht auch so:

Oder beispielsweise so:

Oder etwa so?

Nein! Denn hinter dieser Ankündigung finden sich bloß allerhand Texte über ein Kabelfernsehangebot namens “Kabel Digital”, die sich optisch und inhaltlich kaum von den Promo-Texten auf der “Kabel Digital”-Website unterscheiden. Vor allem aber, dass dann auch noch “Bild.T-Online-Redakteur Andreas Koesler” ins Spiel kommt (“Bild.T-Online-Redakteur Andreas Koesler hat einen Tag lang getestet, wie gut das Angebot wirklich ist”), der das alles “super unterhaltsam” findet, hat mit der im Pressekodex (Ziffer 7) festgeschriebenen “Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken” endgültig nur noch wenig zu tun. Und vielleicht sogar gar nichts.

Nachtrag, 10:54: Naja, die augenscheinliche Vermischung von Inhalt und Werbung bei Bild.de hat sogar noch weniger mit dem Pressekodex zu tun als behauptet, sorry. Denn für Diensteanbieter wie Bild.de gilt ja der Mediendienstestaatsvertrag, in dessen Paragraph  13 es allerdings ebenfalls ausdrücklich heißt: “Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein.”

Große Frage

Am Samstagabend wurde in der ZDF-Sendung “Wetten, dass…?” das offizielle Maskottchen der Fußball-WM 2006 der Öffentlichkeit präsentiert. Es ist “Goleo”, ein sprechender Löwe im T-Shirt mit einem ebenfalls sprechenden Ball namens “Pille”.

Und die “Bild am Sonntag” hat für die Titelseite ihrer heutigen Ausgabe nichts Wichtigeres gefunden als die große Frage:

“Warum hat unser WM-Löwe keine Hose?”

Erstaunlicherweise gibt es darauf 24 Seiten später sogar eine (wenig spektakuläre) Antwort: “Wir haben ihn mit und ohne Hose getestet – und so sieht er einfach schöner aus”, zitiert das Blatt einen Sprecher des Organisationskomitees.

Dem ist wenig hinzuzufügen – außer natürlich, dass Goleos Bekleidungsstil, der der “BamS” heute die Titelschlagzeile wert ist, in der Welt der Maskottchen (und beileibe nicht nur dort) als ziemlich normal gelten kann.

Geklitterte Geschichte

“Bild” druckt in ihrer heutigen Berlin-Ausgabe dieses Foto. Der Fotograf Will McBride hat es am 26.6.1963 in Berlin gemacht, und “Bild” nennt es zu Recht “eines seiner berühmtesten Bilder”, wie überhaupt der Anlass, währenddessen es entstand, ein ziemlich berühmter ist, den jeder kennt und den “Bild” so beschreibt:

“John F. Kennedy (links) besucht Berlin. Auf dem Weg zum Roten Rathaus fährt der amerikanische Präsident (…) am Brandenburger Tor vorbei.”

Dumm nur, dass (wie beispielsweise der “Tagesspiegel” bereits am 25.6.1963 zeigte) Kennedy natürlich keineswegs “auf dem Weg zum Roten Rathaus” war. Schließlich steht das so genannte “Rote Rathaus” im Ost-Teil der Stadt und befand sich damals jenseits der Berliner Mauer. Kennedys Fahrt dorthin wäre eine Sensation gewesen. Dass Kennedy stattdessen bloß zum Rathaus Schöneberg im West-Teil der Stadt fuhr, von wo aus er mit Blick auf den (anschließend sogar nach ihm benannten) Vorplatz eine ziemlich historische Rede hielt, kann man ohne Mühe überall nachlesen. Nur nicht in “Bild”.

Mit Dank an Björn S. für den sachdienlichen Hinweis.

Outing

Dass “Bild” in ihrer “In & Out”-Liste gelegentlich den Eindruck erwecken kann, es werde dort die Grenze zur Schleichwerbung überschritten, ist journalistisch gesehen bedenklich, aber bekannt. Am gestrigen Donnerstag zum Beispiel war für “Bild” die am Montag erscheinende “‘BILD-Volksbibel’ zum Supergünstigpreis von 9,95 Euro” ganz doll “in”.

Aber dass gestern in der (derzeit von Kai Diekmann geleiteten) “Bild” als erstes “Der gegelte Wet-Fett-Look auf dem Kopf” auf der “out”-Seite steht, gibt einem dann doch zu denken

Mit Dank an Gunther S. für den sachdienlichen Hinweis.

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