Welt-exklusiv zurückgepfiffen

"Welt-Exklusiv! Der erste Blick in die Frauenkirche"

So steht es oben, ganz oben, bei Bild.de über einem “Bild”-Textchen vom letzten Freitag, aus dem wir zunächst mal ein wenig zitieren wollen. Schließlich heißt es dort:

“Das Innere der Dresdner Frauenkirche – es ist längst fertig, und doch darf es noch niemand sehen. (…) Verirrt sich ein Tourist zufällig mit seiner Kamera zur Hauptportale, wird er streng zurückgepfiffen.”

Grund sei, so “Bild”, dass erst am 30. Oktober “die ganze Pracht des Gotteshauses der Weltöffentlichkeit präsentiert werden” solle. Aber lässt sich “Bild” sowas bieten? Nein:

“BILD kam trotzdem rein: durchs Schlüsselloch. Beim Aufstieg auf die 67 Meter hohe Plattform paßte BILD-Fotograf Ulrich Hässler (62) zufällig die Beleuchtungsprobe ab. Für wenige Minuten waren die Planen verschwunden, die Ränge unverhüllt. Dann gingen die Lichter schon wieder aus.”

Dazu gibt’s online “erste Eindrücke” mit sieben Fotos, die “noch nicht an die Öffentlichkeit gelangen” sollten.

Aber jetzt mal im Ernst:

Der “Bild”-Blick in die Frauenkirche ist nicht “welt-exklusiv”. Andreas Schindler aus Flöha beispielsweise hatte ganz ähnliche Fotos offenbar schon im Mai 2005 gemacht. Und nicht nur das: Immerhin fünf der insgesamt sieben Fotos (von denen zwei nicht einmal, wie behauptet, “Bilder vom Inneren der Frauenkirche” sind) stammen von der Nachrichtenagentur dpa, weil dpa-Fotograf Matthias Hiekel sie gemacht und dpa sie ebenfalls vergangenen Freitag veröffentlichte. Ein weiteres Foto ist vom Dresdner Erotik-Fotografen Dirk Sukow, ein weiteres mit dem Namen “Stefan Haessler” gekennzeichnet, von dem wohl anzunehmen ist, dass damit “BILD-Fotograf” Ulrich Häßler gemeint ist. “Durchs Schlüsselloch” hat allerdings keiner der Fotografen fotografiert. Stattdessen entstanden vier der fünf Bilder vom Frauenkircheninneren, das “Bild” ja “welt-exklusiv” zu zeigen behauptet, beim Kuppelaufstieg, von wo aus jeder Tourist, jeder Fotograf, soviel er will, fotografieren kann. Denn was laut “Bild” “noch niemand sehen darf” sei “in Wirklichkeit erlaubt”, so Jochen Kindermann, Pressereferent der Stiftung Frauenkirche Dresden.

Was derzeit tatsächlich niemand fotografieren soll oder veröffentlichen darf, sind laut Kindermann “Totalfotos vom Innenraum”. Bis zum 30. Oktober nämlich, wenn also “die ganze Pracht des Gotteshauses der Weltöffentlichkeit präsentiert” wird, wie “Bild” schrieb, besitzt die Exklusivrechte daran die “Welt am Sonntag”.

Mit Dank an Carsten F. für seinen Hinweis.

Nachtrag, 19.10.2005:
Anders als von uns angenommen, handelt es sich bei “Stefan Haessler”möglicherweise nicht um eine falsche Schreibweise Ulrich Häßlers. Das allerdings müsste dann bedeuten, der von “Bild” zitierte “BILD-Fotograf Ulrich Hässler (62)” hätte zufällig eine Beleuchtungsprobe abgepasst – und “Bild” sich anschließend für die dazugehörige Berichterstattung ausnahmslos für Fotos anderer Fotografen entschieden.

Kurz korrigiert (19)

“Bild” berichtet, dass heute im Länderspiel gegen China “ein neuer Frings” auftreten wird. Unwahrscheinlich ist dennoch, dass Torsten Frings deshalb gleich von Bremen nach Gladbach wechselt, neun Jahre jünger wird und ihm 43 Länderspiele aus der Statistik gestrichen werden. Dann hätte man ja gleich Marcell Jansen aufstellen können.

Danke an Philipp W. und Leo E.

(K)ein Dementi

Man wird ja noch mal fragen dürfen. Und so scheint die Frage, die “Bild” heute in einer Überschrift formuliert, berechtigt:

“Wird Schröder Berater für Russen-Gas?”

Schließlich hatten verschiedene internationale Medien (unter Bezugnahme auf “diplomatische Kreise”) berichtet, Gerhard Schröder werde in allernächster Zeit ein Angebot unterbreitet, künftig als Berater im russischen Energie-Konzern Gazprom tätig zu sein. “Bild” referiert das Gerücht und beendet die Meldung mit dem bedeutungsschwangeren Hinweis:

“Gasprom hielt sich gestern bedeckt. Ein Sprecher des Unternehmens wollte sich gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Interfax dazu nicht äußern — dementierte aber auch nicht!”

Hätte “Bild” allerdings tatsächlich ein Dementi veröffentlichen wollen, es hätte eins gegeben — von Bela Anda nämlich, dem Regierungssprecher. Schon gestern gegen 18 Uhr berichtete der Nachrichtenagentur dpa, laut Anda sei der Wahrheitsgehalt des Gerüchts “gleich null”. Und heute nun zitierte die Nachrichtenagentur Reuters den Regierungssprecher mit den Worten:

“Das stimmt nicht.”

Weiter heißt es bei Reuters:

“Dabei bezog er sich ausdrücklich auf einen Bericht der ‘Bild’-Zeitung, der er vorwarf, trotz Kenntnis seines Dementis dies nicht in ihrer Berichterstattung erwähnt zu haben.”

Aber, wer weiß: Vermutlich fehlte “Bild” einfach der Platz für ein Dementi. Am Ende stand schließlich schon keins.
 
Nachtrag, 12.10.2005 (nur der Vollständigkeit halber):
Der Dementi-Beauftrage von “Bild” hat seines Amtes gewaltet und dafür gesorgt, dass man heute in “Bild” folgende Sentenz lesen kann: “Eines ist auch klar: Bundeskanzler Gerhard Schröder wird nicht Berater des russischen Energiekonzerns Gazprom.”

Fiese Erfindung

Aktuell verlinkt Bild.de wieder einen Artikel von Anfang Juni dieses Jahres. Darin ist “Bild” empört. Es sei kaum zu glauben, mit welchen “fiesen Methoden” sogenannte “Handy-Betrüger” arbeiteten. Die “Abzocker” wüssten, dass “Gefühlsreaktionen” wie Freude, Anteilnahme oder Geschmeicheltsein dazu verleiteten, “einfach zurückzurufen”. Glücklicherweise kennt “Bild” “die Tricks der miesen Betrüger” und teilt sie dem Leser mit (“hier klicken!”).

Unter anderem weiß Bild.de, dass sich hinter der Rufnummer +49137799090269 eine Fangnummer verberge, “die bei Rückruf eine bis zu einer Stunde andauernde Verbindung” aufbaue, die der Anrufer nicht selbst trennen könne.

Das klingt unheimlich “fies” und unglaublich: eine Fangnummer, die die rote Taste zum Auflegen blockiert, die Ausschalttaste deaktiviert und die Klappe zum Akkufach verklemmt, so dass man den nicht mehr herausnehmen kann?

Die Fangnummer, die einen Anruf “bis zu einer Stunde halten” kann, ist nicht nur “fies”, sondern auch eine Legende, ein sogenannter Hoax, ein Jux, Scherz, Schabernack — eine Erfindung für Leichtgläubige. Das kann man seit zweieinhalb Jahren hier oder hier nachlesen oder auch beim Schwesterunternehmen von Bild.T-Online, bei T-Mobile. Dort heißt es:

Noch ein wichtiger Hinweis: Der Anruf wird nicht bis zu einer Stunde gehalten. Dies war fälschlicherweise in einigen Meldungen und Warnhinweisen zu lesen.

Aber wer trotzdem unbedingt sein Geld loswerden will, findet dazu im Bild.de-Erotik-Ressort reichlich Gelegenheit. Einfach auf die Bilder klicken, die “Gefühlsreaktionen” hervorrufen (“Dicke Hupen”, “Die sexy Blondine will jetzt mit Dir chatten”, “Teuflisch gute Nacktfilme”).

Danke an Torsten G. für den Hinweis.

Nachtrag, 14. Oktober: Inzwischen ist der angebliche “Trick” mit der wundersamen nicht-trennbaren Verbindung bei Bild.de spurlos verschwunden.

Horst Seehofer (SPD)

Erst dachten wir, gut, das kann jedem passieren, in dem ganzen Spekulationswirrwarr um die große Koalition, dass man ein wenig den Überblick verliert. Aber jetzt steht dieser Fehler seit mindestens 12.50 Uhr unkorrigiert im Aufmachertext von Bild.de, und das passiert dann doch nicht jedem, sondern vor allem “Bild”.

Seit mindestens sechseinhalb Stunden also behauptet der Online-Ableger der vermeintlich gut informierten “Bild”-Zeitung in ein und demselben Text, dass die SPD das Umweltministerium bekommen soll und dass Horst Seehofer (CSU) das Umweltministerium bekommen soll.

(Richtig ist: Seehofer ist als Verbraucherminister im Gespräch.)

Danke an René G., Matthias K., Oliver F., Filippo R. und Jan I.!

Nachtrag, 11. Oktober. Inzwischen hat Bild.de den Satz mit Seehofer ersatzlos gestrichen.

Übrigens hätte Bild.de sogar auf zwei Arten merken können, dass mit dem eigenen Text etwas nicht stimmte. Nicht nur, weil er sich offensichtlich selbst widersprach. Sondern auch, weil die Nachrichtenagentur dpa, die fälschlicherweise von Seehofer als möglichem Gesundheitsminister geschrieben hatte, sich selbst in einer Eilmeldung gestern um 12.15 Uhr ausdrücklich korrigiert hatte.

“Bild” findet Rumänien nicht

Mist, die Vogelgrippe ist da. Also, noch nicht ganz hier, aber schon vor unserer Haustür. Jetzt sind die ersten Tiere in Rumänien an der Vogelgrippe gestorben, und Rumänien ist ja gleich… ähm… nicht so weit irgendwo im Osten, oder?

Ja, liebe Freunde von “Bild”, das, was ihr hier markiert habt (siehe Ausriss), ist allerdings Moldawien. Rumänien ist der viel größere Block links davon, quasi noch näher an uns dran.

Der gleiche Fehler findet sich auch in der gedruckten “Bild am Sonntag”, dort steht allerdings wenigstens das Wort “EUROPA” in weißen Buchstaben auf dem gleichnamigen Kontinent. Für Bild.de hat jemand die Buchstaben wegradiert und nicht gemerkt, dass dadurch Mitteleuropa merkwürdig grenzenlos geworden ist.

Europa ist aber auch unübersichtlich.

Danke an Christian K. für den sachdienlichen Hinweis!

Schmuddel-Journalismus

Die “Bild”-Zeitung braucht Schmuddel. Um sich über ihn zu erregen und ihn gleichzeitig groß im Blatt zeigen zu können. Aber nicht immer ist die Schmuddel-Produktion der Welt ausreichend für ein Blatt wie “Bild”. Dann muss “Bild” ein bisschen nachhelfen. Aber das ist ja kein Problem.

“Bild”-Leser, die am Montagabend die neue Sat.1-Hochglanzserie “Bis in die Spitzen” einschalten, werden vermutlich enttäuscht sein. Ihre Zeitung gab ihnen allen Grund zur Annahme, dass es sich mindestens um eine Art Soft-Porno handelt. Sie beschrieb die Serie unter anderem mit den Formulierungen: “Schmuddel-TV”, “‘Bis in die Spitzen’ schamlos!” und “neue Sat.1-Serie setzt auf Sex, Sex, Sex”, fragte: “Wie versaut ist unser Fernsehen?” und “Wie schmutzig darf das Fernsehen noch werden?” und behauptete:

Aufgrund der Freizügigkeit und der Nackt-Szenen in der deutschen Serie werden die Folgen immer erst ab 21.15 Uhr ausgestrahlt — in der Hoffnung, daß Kinder und Teenager dann schon im Bett sind.

In Wahrheit ist “Bis in die Spitzen” nicht halb so “schmuddelig” wie “Bild” sich wünscht fürchtet. Die ersten beiden Folgen sind bereits freigegeben für die Ausstrahlung im Tagesprogramm (das entspricht einer Kinofreigabe ab 6 Jahren). In ihnen gibt es keine einzige Sex- oder Nacktszene. In Folge 3 ist ungefähr eine Sekunde lang eine einzelne weibliche Brustwarze zu sehen. Folge 4 enthält tatsächlich mehrere Sexszenen; zu sehen sind aber ausschließlich die Oberkörper der jeweiligen Partner, und die Frauen tragen BHs. “Bild” behauptet, der “Obergockel im lustvoll bösen Liebesreigen (…) treibt’s mit fast jeder im Laden seiner Frau, und manchmal auch mit zweien, oder dreien…”. Tatsächlich “treibt” er es in den ersten vier Folgen mit niemandem aus dem Laden seiner Frau (allerdings mit Mitarbeiterinnen der Konkurrenz) und kein einziges Mal mit mehr als einer.

Doch “Bild” hat noch mehr zu bieten, um scheinbar zu beweisen, dass es sich um Schmuddel-TV handelt: Eine der Schauspielerinnen habe sich ausgezogen. Oder wörtlich:

Die Erste macht sich jetzt schon nackig. (…) Ein Vorgeschmack auf das, was wir künftig jeden Montag zu sehen bekommen.

Auch das ist quatsch. Erstens haben die Fotos, auf die sich “Bild” bezieht (und die Bild.de natürlich in einer Fotogalerie präsentiert), nichts mit der Serie selbst zu tun, sondern sind Aufnahmen für “Maxim”, einer Schwesterzeitschrift von “Bild”. Und zweitens macht sich Annabelle Mandeng darin keineswegs “nackig”, sondern trägt Unterwäsche aus Spitze. Oder um es deutlicher zu sagen: Kein einziges Mal sind die Brüste von Frau Mandeng unverhüllt zu sehen.

Im Gegensatz zu denen der täglichen Seite-1-Mädchen von “Bild”.

Kurz korrigiert (18)

Bild.de gibt zur Zeit Tipps, woran man die Echtheit von Bargeld erkennt. Ein optisches Merkmal sei, so Bild.de, “die Unterschrift des EZB-Präsidenten Wim Duisenberg”.

Wim Duisenberg ist seit fast zwei Jahren nicht mehr Präsident der Europäischen Zentralbank (und seit mehreren Monaten tot). Deshalb tragen immer mehr Banknoten die Unterschrift seines Nachfolgers Jean-Claude Trichet — und sind genauso gültig.

Danke an Jan W. für den sachdienlichen Hinweis!

Nachtrag, 10. Oktober: Nach dem verdienten Wochenende hat der Fälschungs-Beauftragte von Bild.de heute morgen seinen Dienst wieder angetreten und den Artikel korrigiert.

15

Vielleicht erinnern wir noch einmal kurz an den Fall der 15-jährigen Anne. “Bild” berichtete mehrmals über einen angeblichen “Behörden-Skandal”, weil das Jugendamt nicht verhinderte, dass das Mädchen mit einem viel älteren Mann zusammenlebte — offenbar freiwillig. “Bild” veröffentlichte Bilder der 15-jährigen, bezeichnete den Mann als “tätowiertes Liebesmonster”, behauptete wahrheitswidrig “Ihre Liebe ist verboten!” und stöhnte: “Keiner tut etwas dagegen”.

Und damit zu einem ganz anderen Thema. Die Golferin Michelle Wie ist 15 Jahre alt. Die “Bild”-Zeitung berichtet über ihr erstaunliches Talent. Bei Bild.de haben sie ihr eine Bildergalerie gebaut. In den Texten ist die Rede vom “süßen Schulmädchen”. “Bild” schreibt: “Sie ist bildhüsch! Sie ist erst 15! Und beim Golf lehrt sie die Männer das Fürchten!” Und: “Beim Putten muß man schon genau hinschauern, damit der Ball auch ins Loch paßt.” Und: “Oh Michelle, was für ein Blick! Kein Wunder, daß die 15jährige den Männern den Kopf verdreht.”

Schumis Winterurlaub

“Bild” hatte gestern mal wieder eine Exklusivmeldung.

Schumi kürzt seinen Urlaub

BILD erfuhr: Für WM-Sieg Nr. 8 kürzt Schumi (36) sich selbst den Winterurlaub! Nix mehr Mammut-Ferien im Schnee: Bis Weihnachten Test- statt Ski-Piste… (…)

Nach dem Saison-Finale in Schanghai (16. Oktober) schuftet Schumi dieses Mal weiter.

Heute steht im Online-Magazin “F1total.com” ein Interview mit Schumacher und folgender Passage:

Frage: “Was wirst du nach dem letzten Rennen in Shanghai machen?”
Schumacher: “Nach Hause fahren!”

Frage: “Wirst du nicht weiterhin testen? Die ‘Bild’-Zeitung schreibt ja, dass du diesmal weniger Urlaub machen wirst. Ist das richtig?”
Schumacher: “Nein, überhaupt nicht.”

Danke an Matthias K. für den Hinweis!

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