Schlechtes Gespür

Ja, es stimmt tatsächlich, “Bild” hatte am vergangenen Dienstag exklusiv berichtet, dass der Fußballnationalspieler Kevin Kuranyi einen Werbevertrag mit der Softwarefirma Microsoft unterschrieben hat. Oder, in den Worten von “Bild”:

Im Text, dessen einzige Quellen offenbar die Vermarktungsfirma Sportfive und Kuranyi selbst sind, heißt es so schön:

Was für ein Jahr für Kevin Kuranyi. (…) und jetzt ist er auch noch der begehrteste deutsche Spieler. Sogar US-Milliardär Bill Gates will ihn! Der reichste Mann der Welt holt sich (…) die besten Spieler der Welt (…). Und aus Deutschland eben Kuranyi! Nicht Ballack, nicht Kahn — für Microsoft ist der Schalke-Stürmer der richtige Mann.

Und dann darf Sven Müller von der Vermarktungsfirma Sportfive, die laut “Bild” den Kontakt zwischen Microsoft und Kuranyi hergestellt hat, ausführlich zu Wort kommen, Kuranyi ein wenig lobhudeln und mit folgenden Worten schließen:

“Mit der Firma Rogon und Roger Wittmann hat er ein seriöses Team um sich.”

Nun ja, wir wissen zwar nicht, warum dieses PR-Gewäsch diese Information unbedingt in den Text musste, dafür aber, dass man über die Seriosität der Firma Rogon geteilter Meinung sein kann, wie sich heute beispielsweise im “Tagesspiegel” nachlesen lässt, und wie es gestern im “Kölner Express” stand.

Aber das sei hier nur nebenbei erwähnt. Ebenso wie die Tatsache, dass es sich bei dem Deal zwischen Microsoft und Kuranyi laut “Bild” um einen “Millionen-Vertrag” handeln soll, während “Express” und “Tagesspiegel” bloß von 200.000 Euro bzw. 300.000 bis 400.000 Dollar Honorar ausgehen.

Der “Express” macht auch ansonsten einen recht gut informierten Eindruck und wusste gestern schon, dass Lukas Podolski ein ähnliches Angebot der Firma Microsoft erhalten hatte:

Für Gates´ Imperium Microsoft sollte Poldi während der WM unter anderem ein Internet-Tagebuch führen. Dafür hätte der 20-Jährige 300.000 Euro kassiert. Podolskis Berater sagte ab.

In demselben Artikel konnte man gestern auch nachlesen, dass zuvor bereits Oliver Kahn und Michael Ballack entsprechende Anfragen “abgeblockt” hatten. Womit wir wieder bei “Bild” wären. Die schreibt nämlich heute, zwei Tage nach der Jubel-Meldung über den Deal zwischen Kuranyi und Microsoft und einen Tag nach dem “Express”-Artikel dies:

Aha. Der Text endet mit folgenden Worten:

Da hatten die zuerst gefragten Kahn, Ballack und Podolski ein besseres Gespür. Und das Angebot gleich abgelehnt…

Fassen wir also zusammen: Erst verbreitet “Bild” eine PR-Meldung mit Begeisterung als Exklusiv-Geschichte und überlässt die Recherche anderen. Und wenn die dann herausfinden, dass es gar keinen Grund zur Begeisterung gibt, ist “Bild” enttäuscht. Vom eigenen Überschwang bleibt bloß der Satz: “BILD berichtete exklusiv” — und Häme.

P.S.: Die Nachrichtenagentur dpa gab übrigens am Dienstag unter Berufung auf “Bild” eine Meldung heraus, die die Überschrift trug: “Kuranyi deutsche Werbe-Lokomotive für Microsoft — Millionenvertrag”. Und heute berichtet die “Netzeitung” über den “Ärger um Kuranyis Microsoft-Vertrag”. Dabei geht sie fälschlich davon aus, dass es sich bei den Absagen von Kahn, Ballack und Podolski um “Bild”-Informationen handelt. Auch nicht schön.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Hendrik G.

Was “Bild” erstaunt

Mann, da hat “Bild” aber gestaunt, als “Newsworld” [sic] berichtete, was Sonya Kraus vergangenen Samstag bei einer Veranstaltung der Wiener Aidshilfe gesagt haben soll! Klar, dass das sogleich in die Zeitung musste:

“Männertraum Sonya Kraus (…) erstaunt plötzlich mit einer offenen Beichte:”

Klar auch, dass “Bild” sowas noch konkreter wissen will (“BILD wollte es konkreter wissen”) und extra noch mal bei Kraus nachgefragt hat, die dann auch brav antwortet:

“Ich liebe Männer und Frauen – bin aber nicht bisexuell! (…) Jede Frau sollte mal eine Frau küssen!”

Nur: Was “Bild” daran so erstaunlich finden kann, weiß der Himmel. Schließlich stand das, was Kraus da laut “Bild” so “plötzlich” und “offen” gebeichtet haben soll, schon vor vier Jahren in der Zeitung — genauer gesagt: in der “Bild”-Zeitung.

Mit Dank an D.P. für Hinweis und Scans!

Kurz korrigiert (36)

Anders als Bild.de gestern berichtete, heißt der Mann, den Elton John heiraten will, nicht David Furnisch, sondern David Furnish.

Anders als Bild.de gestern berichtete, soll die Hochzeit nicht am 31. Dezember stattfinden (“am allarletzten Dezembertag, also Silvestar“), sondern am 21. Dezember.

Und anders als Bild.de gestern berichtete, ist auch das Datum, von dem an gleichgeschlechtliche Partnerschaften in England geschlossen werden können, nicht der 31. Dezember, sondern der 21. Dezember.

Danke an Olek für den Hinweis!

Nachtrag, 13.35 Uhr. Lustig: Da steht die fehlerstrotzende Meldung einen Tag lang online, aber keine 45 Minuten, nachdem wir drüber geschrieben haben, ist sie korrigiert.

Kann man sich irgendwie ausmalen II

“Kann man sich ja irgendwie ausmalen”, wie die Hochzeit von so einem Gruseltypen wie Marilyn Manson aussieht, schrieb Bild.de am Montag. Als dünne Verbindung in die Realität diente ihr die englische Beschreibung der Zeremonie als “non-religious”, was Bild.de erschrocken mit “unreligiös” übersetzte (statt einfach mit “nicht kirchlich”).

Immerhin kam Bild.de am Dienstag darauf auf die Idee, seinen Bericht nachträglich mit dem anderer Zeitungen zu vergleichen, die sich bei der Entscheidung zwischen Recherche und Irgendwie-Ausmalen für das erste entschieden hatten. Und staunte und staunte:

Und, wissen Sie was? — die Marilyn-Horror-Hochzeits-Show war gar nicht sooo gruselig wie gedacht. Ganz im Gegenteil: Das Fest hatte Stil, war klassisch — und so gar nicht zum Fürchten.

Ja, die Welt ist voller Überraschungen. Diese hier wartete schon seit Sonntag darauf, von Bild.de gefunden zu werden.

Nachtrag, 15.00 Uhr: Anders als Bild.de in seiner Quasi-Richtigstellung des Berichts vom Vortag schreibt, ist Max Raabe nicht 41, sondern 42 Jahre alt.

Danke an Roland H., Mathias U., Martin R. und — für den Nachtrag — Jürgen H.!

“Schickt die Käse-Tussi nach Hause!”

Na, das ist ja mal eine Überraschung:

Anscheinend haben sich in der Frage, wer “Deutschland sucht den Superstar” moderieren soll, tatsächlich fünf Prozent der Anrufer für die “Käse-Tussi” Tooske Ragas entschieden, die laut “Bild” “wirklich Käse ist”, “nichts als Langeweile verbreitet”, “fast schon gewohnt farblos leierte” und “unsexy” war…

…und nicht für die “schöne Michelle” Hunziker, die “schön, sexy, atemberaubend” war, “begeisterte” und “so bezaubernd moderierte”!

(Konkret heißt das auch, dass fünf Prozent der “Bild”-Leser, die angerufen haben, nicht die Nummer neben dem Herz gewählt haben, sondern die neben dem Stück Käse.)

Und das, wo “Bild” schon vor fast drei Wochen im direkten Vergleich feststellte: “Klarer Punktsieg für Superstar Michelle!” und foderte: “Schickt die Käse-Tussi nach Hause!”

Und wir sind nur froh, dass es sich bei Frau Ragas um eine Holländerin handelt und wir uns nicht ausmalen müssen, welche lustigen Witze sich die “Bild”-Redakteure bei einer langweiligen Türkin oder einer nicht sexy aussehenden Schwarzen ausgedacht hätten.

Mit Harry Potter kennt “Bild” sich aus

Am 31. Dezember 1999 erschien in der amerikanischen Zeitschrift “People” ein Interview mit der Schriftstellerin J. K. Rowling. Darin sagte sie, dass sie das letzte Kapitel des letzten “Harry Potter”-Buches schon geschrieben habe. Sie überarbeite das zwar ständig, aber im Moment laute das letzte Wort “scar”.

Nicht einmal sechs Jahre später hatte Bild.de Wind von dieser Neuigkeit bekommen:

Obwohl top-secret, sickerte das letzte Wort des Buches bereits durch: "scar", "Wunde..."

Tja: Anscheinend haben nicht nur “top-secret” und “durchsickern” bei “Bild” eine andere Bedeutung, sondern auch “scar”, das man landläufig mit “Narbe” übersetzt. Es ist für Harry Potter ein relativ unspektakuläres Wort, denn eine Narbe trägt er seit dem ersten Band auf der Stirn.

Nach mehreren Stunden hat Bild.de heute abend die Übersetzung von “scar” schließlich korrigiert. Und vielleicht erbarmt sich dort auch noch jemand des Darstellers von Harry Potter und ändert die Schreibweise seines Namens von “Daniel Ratcliff” in “Daniel Radcliffe“. Dass jemand den ganzen anderen Quatsch korrigiert, damit ist ja nicht zu rechnen.

Danke an die vielen Hinweise!

Nachtrag, 23.15 Uhr: Der Name ist nun korrigiert worden.

Symbolfoto XX

Gnadenlos: Die DSDS-Juroren Dieter Bohlen, Silvia Kollek und Hienz Henn zeigen den Kandidaten die kalte Schulter.

Jaha, so fies sind die bei “Deutschland sucht den Superstar”: wenden jungen Menschen, die “all’ ihre Hoffnungen auf diesen einen Moment” gesetzt haben (“Bild”), einfach gnadenlos den Rücken zu. Die Zeitung fragt heute scheinbar besorgt: “Wie übersteht man als Kandidat den ‘Superstar’-Rausschmiß”, und illustriert das Thema u.a. mit diesem Foto, das ja auch für sich spricht…

…außer, dass sich die Juroren gar nicht aus Gemeinheit umgedreht haben, sondern um einer Kandidatin einen Gefallen zu tun. RTL beschreibt die Szene so:

Die 18-jährige Mandy war beim Casting in Köln zuerst so nervös, dass sie keinen Ton heraus brachte. Damit sie lockerer wurde, drehte die Jury sich kurzerhand um.

Danke an Sven K. für den Hinweis!

Tabubrecher “Bild”

“BILD bricht das letzte Geld-Tabu – und sagt, was die Deutschen wirklich verdienen.”

So stand es gestern in “Bild” unter der Titelschlagzeile (siehe Ausriss). Und während man sich noch fragt, wie oft so ein “letztes Geld-Tabu” eigentlich gebrochen werden kann (und nebenbei ein wenig googelt), hat man auch schon die Antwort gefunden: offenbar alle 19 Monate.

Hieß es doch noch im Mai 2004 in “Bild”:

“BILD bricht das große Tabu, druckt in einer neuen Serie Deutschlands Gehaltslisten.”

Und nicht nur das: So mancher Bruttoverdiener von 2005 (also u.a. DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp, Radrennfahrer Jan Ullrich, VW-Chef Bernd Pischetsrieder, Formel-1-Rennfahrer Michael Schumacher, RWE-Chef Harry Roels, Post-Chef Klaus Zumwinkel, ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz, Handballspieler Stefan Kretzschmar, Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke, IG-Metall-Chef Jürgen Peters, Schering-Chef Hubertus Erlen oder der Bundespräsident) war schließlich auch schon damals, vor 19 Monaten, mit von der Partie gewesen. Dass also der IG-Metall-Chef beispielsweise vor 19 Monaten noch 16.900 Euro pro Monat verdient haben soll und jetzt angeblich 563 Euro pro Tag verdient, ist also weniger ein Tabu-Bruch als gewöhnliche Arithmetik.

Und mal abgesehen davon, was von solchen (u.a. auf “Branchenschätzungen” beruhenden) “Bild”-Gehaltslisten und Tabubrüchen überhaupt zu halten ist: Dass es ein Tabu-Bruch sein soll, gesetzlich festgelegte Politikerdiäten oder längst veröffentlichte Jahresbezüge Monate später noch einmal zusammenzusammeln, ist ebenso kurios wie die Tatsache, dass der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle und der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt von “Bild” gleichermaßen als “FDP-Chef”* bezeichnet werden.

PS: Vor einem allerletzten Geld-Tabu schreckt “Bild” selbst bislang allerdings immer noch zurück, weshalb wir hier noch einmal auf die “Berliner Zeitung” vom 31.7.2004 verlinken wollen, die damals aus aktuellem Anlass darauf hinwies, dass Springer-Chef Mathias Döpfner pro Jahr “auf geschätzte 5 Millionen Euro kommen” dürfte, was ja (nach “Bild”-Berechnung) immerhin ca. 13.698,63 Euro* pro Tag wären.

*) Branchenschätzungen

Allgemein  

Kann man sich irgendwie ausmalen

“Hast du das hier gelesen? Der Marilyn Manson, dieser fiese Gruseltyp, hat geheiratet, und die Zeremonie soll unreligiös gewesen sein.” — “Echt? Woher weißt du das?” — “Steht hier bei teenhollywood.com. Krass, oder?” — “Der Hammer. Sollen wir da mal recherchieren?” — “Ach quatsch, das kann man sich ja wohl vorstellen, wie sowas aussieht, so total unreligiös, ich schreib’s schnell auf.”

Also fanden sich gestern in der Rubrik “Der neueste Klatsch aus dem Web” bei Bild.de folgende Zeilen:

Die Zeremonie fand auf einem alten Schloß in Irland an statt. Diese Tatsache plus dem gruseligen Bräutigam hört sich ja irgendwie nach einer unheimlichen Hochzeit an. Wie “Teenhollywood” meldet, soll die Trauung absolut unreligiös gewesen sein. Den Rest kann man sich ja irgendwie ausmalen — falls das nicht die Grenzen der Vorstellungskraft überschreitet.

Was konkret die “Grenzen der Vorstellungskraft” von Bild.de überschritt, lässt sich etwa so zusammenfassen: Das Paar tauschte kein Blut aus, heiratete “ganz brav und ohne große Skandale”, gab sich “ganz gesittet” und lauschte dem deutschen Revue-Sänger Max Raabe. Etwas anderes deutet übrigens auch teenhollywood.com nicht an.

Danke an Leander K. und “holy_moly”.

Ganove Ede

Anlässlich der gestern auf RTL ausgestrahlten Doku-Soap “Haltet den Dieb!”, bei der laut RTL zwei ehemalige Einbrecher den Zuschauern zeigen sollten, “wo die Schwachstellen an ihren Häusern liegen”, berichtet heute auch “Bild” und fragt:

Darf ein Einbrecher TV-Star werden?

Man kann die Frage mit Ja oder Nein beantworten. “Bild” hat sich augenscheinlich für Letzteres entschieden und schreibt:

“Kennen die TV-Sender überhaupt kein Tabu mehr?”

Außerdem hat “Bild” offenbar zwei Menschen gefunden, die bereit waren, sich öffentlich über das angebliche “Ganoven-TV” zu empören. Einer der beiden ist “Eduard Zimmermann (76), Erfinder von ‘Aktenzeichen xy'”. Zumindest steht in der Zeitung, dass “Ganoven-Ede zu BILD” gesagt habe:

"Verbrecher als TV-Stars auftreten zu lassen, ist in keinster Weise mit dem Auftrag eines Fernsehsenders vereinbar."

Wie gut jedoch die Idee ist, hier ausgerechnet Zimmermann herbeizuzitieren, zeigt ein Blick ins “Bild”-Archiv. Schließlich sah doch vor nicht mal vier Monaten eine Titelstory über den “beliebten TV-Moderator” so aus:

Lebensbeichte von Eduard Zimmermann: Ich war selbst ein Krimineller

Mit Dank an chakamoto fürs gute Gedächtnis.

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