Da hatte der Zuckerbäcker von Bild.de vor einem Monat so ein schönes Tortendiagramm gebacken, und uns wollte es trotzdem nicht so recht schmecken. Kein Wunder eigentlich. Doch nachdem wir uns öffentlich über den Pfusch beschwert hatten, wurde die Tortengrafik nicht etwa entsorgt, sondern — husch-husch — umdekoriert und erneut in die Auslage gestellt. Enttäuscht haben wir den Bild.de-Backshop seitdem gemieden und erst jetzt, als wir geschäftlich mal wieder in der Gegend waren, festgestellt, dass der Konditor offenbar eine neue Torte gebacken und sie stickum gegen das ungenießbare Teil ausgetauscht hat.
Schön sieht sie aus, die neue. Pfusch ist es trotzdem: Aus einem 20-Prozent-Anteil sind nun “18 %” geworden (siehe Ausriss) — so dass die Umfrageergebnisse in der aktuellen Fassung nicht mehr nur falsch dargestellt, sondern auch erstmalig falsch sind.
Mit Dank an Sine W. für den Hinweis.
Nachtrag, 18.6.2006: Um’s mit unserem Leser Frederik B. zu sagen: Offenbar haben sie’s gebacken gekriegt.
Gestern berichtete “Bild” über eine Frau, die in einem ziemlich großen Haus wohnt:
“Bild” schreibt:
Sie führt dreist ein Leben im Luxus auf Steuerzahlerkosten — und findet überhaupt nichts dabei …
Hartz-IV-Empfängerin Bärbel P. (52) residiert sorglos in einer 500-Quadratmeter-Traumvilla in Laer (NRW). Das kann sie sich leisten, denn das Amt überweist jeden Monat pünktlich die Miete!
Wir wissen zwar nicht, wie “sorglos” es sich mit 345 Euro im Monat (das ist der Regelsatz für das ALG II) “residiert”, aber zumindest soviel stimmt an dem “Bild”-Text: Bärbel P. ist Hartz-IV-Empfängerin und das Amt überweist pünktlich Miete, wie uns die zuständige Kreis-Sprecherin Kirsten Weßling bestätigt.
Bärbel P. erhält laut Weßling genau das, was ihr zusteht: “Sie bekommt das Geld für die ortsübliche Miete von 45 Quadratmetern Wohnraum und einen entsprechenden Heizkostenzuschuss.” Hinzu kämen noch Zuschüsse für zwei weitere Personen, die im Haushalt leben.
Über die genauen Zahlen wollte Weßling aus nachvollziehbaren Gründen weder “Bild” noch uns gegenüber Auskunft geben. Aber es erscheint nicht unrealistisch, wenn der Vermieter “Bild” sagt, er bekomme vom Kreis 470 Euro für Bärbel P. sowie 260 und 160*165 Euro für Bärbel P.s Tochter und deren Freund, die ebenfalls in dem Haus wohnen. Insgesamt also nur 895 Euro, obwohl die Miete laut “Bild” eigentlich 1200 Euro beträgt.
Spätestens hier hätte “Bild” klar sein müssen, dass das eigentlich gar keine Hartz-IV-Geschichte ist. Denn der “Staat zahlt” zwar, aber offenbar nicht die komplette Miete der “500-Quadratmeter-Traumvilla”, sondern lediglich für angemessenen Wohnraum — ganz so wie Hartz IV es vorsieht.
Da kann “Bild” noch so oft “auf Steuerzahlerkosten” und “auf Staatskosten” schreiben, dreist sind die “dreisten Mieter” offenbar nur insofern, als sie (bzw. das Amt) zu wenig Miete zahlen. Nur haben das wohl weder “Bild” noch der Vermieter verstanden, wie folgendes Zitat am Ende zeigt:
“Eigentlich müßte ich ja froh sein, daß jetzt wenigstens vom Staat Geld kommt. Aber es ist eine Frechheit, daß ehrliche Steuerzahler geschröpft werden. Und solche Leute auf Kosten der Allgemeinheit in Saus und Braus leben. Bei Gericht sagte man mir, eine Räumungsklage dauert anderthalb Jahre …”
Klar, und bei “Bild” macht man einfach kurzen Prozess.
Mit Dank an Tobias M. für den sachdienlichen Hinweis.
Heute nimmt sich “Bild” Volker Kauder vor, den Chef der Unionsfraktion im Bundestag. Der will angeblich “den Deutschen tiefer in die Tasche greifen (…) als je ein Politiker zuvor”, weshalb “Bild” ihn “Schauder-Kauder” nennt. Der Mann sei für Gesundheits-Soli, Maut und Politiker-Luxus-Pensionen, empört sich “Bild” und beendet den Artikel lapidar wie folgt:
“Alle Deutschen haben das Recht, vom Stuhl zu fallen”, überschrieb dieser Tage die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” einen Bericht über den CDU/CSU-Fraktionschef.
Und jetzt die Preisfrage: Wie hat die “FAZ” das gemeint? Hat sie Kauder auch, wie “Bild”, scharf wegen seiner Ideen für höhere Steuern und Abgaben gerügt? Vermutet sie auch, wie “Bild”, dass Kauder die Wähler für “gaga” halten könnte? Bemäkelt sie auch, wie “Bild”, dass Kauder vor der Wahl gegen Steuererhöhungen kämpfte, hinterher aber dafür war?
Keineswegs. In dem “FAZ”-Artikel ging es um ganz etwas anderes, als “Bild” suggeriert. Die “FAZ” berichtete ausführlich von einer Diskussionsveranstaltung zum Thema “Leitkultur” im Bonner Haus der Geschichte. Kauder habe dabei so heftig diskutiert, dass er vom Stuhl zu fallen drohte, weshalb ihm der Moderator empfohlen habe, “er solle sich doch einfach zurücklehnen”, woraufhin Kauder empört erwidert habe, “er lasse sich von Journalisten nicht sagen, wie er zu sitzen habe”.
Interview of the President by Kai Diekmann of BILD
The Oval Office
May 5, 2006
1:55 P.M. EDT
(…)
Q BILD has 12 million readers. It’s the largest newspaper in Germany. And there’s one thing which is really special about our newspaper — every German who wants to work for the newspaper, he has to sign in his working contracts some beliefs — and there’s the belief you have to be for reunification, you have to be against totalitarianism from riots on the right side and the left side, and you have to be for the peace and for the understanding with Israel, and, since September 11th, we have a new belief — you have to be for partnership with America. Otherwise, you can’t work for us, you can’t come — you have to sign it in your contract.
THE PRESIDENT: My kind of guy. (Laughter.)
(Aus der ungekürzten und unredigierten Fassung des Interviews von “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann mit US-Präsident George W. Bush, die das Weiße Haus auf seiner Homepage veröffentlicht hat.)
Es ist natürlich auch ein bisschen rücksichtslos von der Stadt Gotha, gleich zwei Schlösser zu haben, die mit “Fried” beginnen: Schloss Friedenstein und Schloss Friedrichsthal. Wer soll die denn bitte auseinanderhalten können?
Die “Bild”-Zeitung jedenfalls nicht. Sie bebilderte am vergangenen Samstag ihren Artikel über die MDR-Show “Ein Schloss wird gewinnen”, in der auch die Orangerie des Schlosses Friedenstein ein Kandidat war, munter mit einem Foto des Schlosses Friedrichsthal.
Danke an Markus L. für den sachdienlichen Hinweis!
Nachdem die Berliner Boulevardzeitung “B.Z.” am Dienstag vergangener Woche vorab hatte verbreiten lassen, was anderntags Titelschlagzeile werden sollte (siehe Ausriss), stand die Sache, wie berichtet, natürlich auch in “Bild”. Unter Verweis auf die “B.Z.”-Meldung hieß es dort am Mittwoch auf der Titelseite:
“Der Grüne Hans-Christian Ströbele schockte Deutschland gestern mit einem unglaublichen Vorstoß: Er will, daß es von der dritten Strophe unserer Nationalhymne eine türkische Version gibt.”
Und “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner schrieb (an Ströbele):
“Sie fordern eine offizielle türkische Version der deutschen Nationalhymne.”
Außerdem hatte “Bild” bei verschiedenen Politikern nachgefragt, was sie von dem “Vorstoß” hielten, woraufhin sie ihn als “völlig absurde Idee” (Frank Henkel) oder “absolut durchgeknallt” (Markus Söder) bezeichneten. Nur auf die Idee, vielleicht doch noch mal bei Ströbele selbst nachzufragen, ob’s überhaupt stimmt, was die Schwesterzeitung über ihn zu berichten wusste, kam bei “Europas größter Tageszeitung” offenbar niemand.
Ein Fehler. Denn laut Ströbele stammt die “völlig absurde Idee” gar nicht von ihm. Vielmehr habe die “B.Z.” bei ihm nachgefragt, “ob angesichts der vielen Menschen aus der Türkei, die in Deutschland leben, die deutsche Nationalhymne ins Türkische übersetzt und auch in türkischer Sprache gesungen werden könne”: “Meine Antwort war, dagegen hätte ich nichts, auch das sei OK”, so Ströbele in einer Stellungnahme.
Wie wenig Ströbeles lapidares “OK” mit einem “unglaublichen Vorstoß” gemein hat (und wenig offenbar “Bild” — wie vielen anderen Medien — an einer sachdienlichen Berichterstattung gelegen war), zeigt jedoch eine weiterer Absatz in Ströbeles Stellungnahme. Dort heißt es nämlich:
“Nachträglich habe ich erfahren, dass es bereits seit dem Jahr 2000 ein Taschenbuch des Referats Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz in deutscher und türkischer Sprache gibt. Und auf der Umschlagseite findet sich die dritte Strophe des Deutschlandliedes mit Noten in deutscher Sprache — und mit einer Übersetzung in die türkische Sprache.”
Eigentlich lustig. Lustiger jedenfalls als die “590 Hassbriefe von beleidigten Deutschen”, die Ströbele seither offenbar zugeschickt bekam.
“Als sie um 17.29 Uhr unserer Zeit dort ankamen, war ihr erster Wunsch an Botschafter Bernd Erbel: ‘Haben Sie ein kühles Bier, bitte?’ (…) Dann wollten die Sachsen den Stand der Fußball-Bundesliga (…) wissen.”
Soweit “Bild”. Doch was sagt der Entführte René Bräunlich selbst zu Bier und Bundesliga?
“Das Letztere ist eine freie Erfindung. Als wir in der Botschaft waren, hatten wir zunächst das tiefe große Gefühl der Dankbarkeit, vor allem auch für die vielen jungen Sicherheitskräfte aus Deutschland, die da waren, für den Botschafter und für all die anderen Leute. Die begrüßten uns so herzlich, das war richtig wohlig-warm. Als erstes wollten wir sofort mit unseren Familien in Kontakt treten. Das war aber ein wenig schwierig, weil die Verbindung nicht gleich zustande kam. Und dann war es, so glaube ich, der Botschafter Erbel, der meinte, Mensch, jetzt stoßen wir aber mit einem kühlen Bier auf ihre Freiheit an. So war das mit dem Bier. Und nach der Bundesliga haben wir uns überhaupt nicht erkundigt.”
(Zitiert aus einem Interview mit Bräunlich und Nitzschke in der “Leipziger Volkszeitung” vom vergangenen Samstag.)
Nach einer Woche, in der die “Bild”-Zeitung jeden Tag über Heide Simonis “berichtete”, sie abwechselnd verhöhnte und bedauerte, könnte man sagen: Simonis hat aufgegeben. Oder auch: Sie hat wenigstens einen letzten, kleinen Sieg über die “Bild”-Zeitung errungen. Am Tag, an dem das Blatt mit einer großen Schlagzeile auf dem Titel von einem angeblichen, “knallharten” “Geheim-Vertrag” berichtete, der es ihr unmöglich mache, vorzeitig aus der RTL-Show “Let’s Dance” auszusteigen, stieg Heide Simonis vorzeitig aus der RTL-Show “Let’s Dance” aus.
RTL gab in einer Pressemitteilung gesundheitliche Gründe für den Ausstieg an. Moderator Hape Kerkeling sagte in der Show, der “öffentliche Druck und der damit verbundene Stress” hätten ihren Tribut gefordert.
Die beiden Geiseln aus Leipzig haben alles richtig gemacht. Nach ihrer Freilassung im Irak haben sie (laut “Bild”) ein Bier verlangt, sich nach dem Stand der Bundesliga erkundigt, bei ihren Familien angerufen und sich sofort bei den Behörden und den Unterstützern bedankt. Das gibt volle Punktzahl von “Bild” und eine freundliche Erwähnung auf der Titelseite.
Susanne Osthoff hat alles falsch gemacht. Und sie macht immer noch alles falsch. Am Donnerstag bei “Johannes B. Kerner” trug sie merkwürdige Irak-Anstecker, rauchte in der Sendung, schimpfte auf Deutschland. Sie hat (laut “Bild”) “bis heute keinen Kontakt zu ihrer Familie aufgenommen”, will nicht sagen, wovon sie lebt, und ihr Bruder ist “nach BILD-Recherchen” gerade von einer vierwöchigen Ägypten-Reise mit Nil-Kreuzfahrt zurückgekehrt. Was immer uns das sagen will.
Und was immer “nach BILD-Recherchen” bedeutet. “Bild”-Autor Sebastian Voigt, der vermutlich das mit der Nil-Kreuzfahrt recherchiert hat, behauptet nämlich auch:
Bis heute hat sich Susanne Osthoff nicht öffentlich für die Anteilnahme an ihrem Schicksal und den Einsatz unserer Behörden bedankt.
Der Vorwurf schaffte es sogar in die Unterzeile der Überschrift:
Mag sein, dass sich Frau Osthoff nach Meinung der nationalen Punktrichter von “Bild” nicht genug bedankt hat. Aber bedankt hat sie sich. Vor einem Millionenpublikum am 9. Januar 2006 in der ARD-Talkshow “Beckmann”. Sie sagte wörtlich:
“Ich bin jedem dankbar, der sich für mich engagiert hat und für mich seine Zeit geopfert hat.”
Bereits am Tag vor der Ausstrahlung verbreitete dpa eine Zusammenfassung des aufgezeicheten Gesprächs. In der Agenturmeldung hieß es auch:
Die Archäologin kritisierte, dass der deutsche Krisenstab nicht frühzeitig einen Mittelsmann bestellt habe. Trotzdem bedankte sie sich ausdrücklich beim Krisenstab und allen, die zur Beendigung der Geiselnahme beigetragen haben.