Schon erstaunlich: Eine Zeitung, die glaubt, dass Menschen Computerspiele nutzen, um reale Morde zu üben, empfiehlt ein Computerspiel, in dem man die Rolle eines Mafiaboss übernimmt:
Der “Bild”-Artikel vom Dienstag vergangener Woche beginnt mit den treuherzigen Worten:
Eigentlich spielen ja hauptsächlich Kids Videospiele, dieses könnte auch eins für die Papis sein!
Und “The Godfather — Der Pate” hat nach diesem Paragraphen von der Unterhaltungssoftware SelbstKontrolle (USK) keine Jugendfreigabe erhalten und darf an Jugendliche unter 18 Jahren nicht verkauft werden. Das Urteil der USK bedeutet:
Der Inhalt ist geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen.
Gestern kündigte Joachim Fuchsberger gegenüber BILDblog an, sich mit “Bild” trotz der falschen Schlagzeile “Nie wieder TV!” arrangieren zu wollen — zum eigenen Nutzen. Heute sieht man, wie das geht.
Fuchsberger und der in der “Bild”-Chefredaktion für Unterhaltung zuständige Martin Heidemanns veröffentlichten eine “gemeinsame Erklärung” mit folgendem Wortlaut:
Die in BILD vom 5. April veröffentlichte Kritik am Niveau einiger Sendungen des deutschen Fernsehens entspricht dem zwischen Herrn Fuchsberger und BILD geführten Gespräch.
Lediglich im Zusammenhang mit der Aussage, künftig nie mehr TV machen zu wollen, ist es zu einem bedauerlichen Mißverständnis gekommen. Er hat betont, daß er nie mehr eine große Samstag-Abend-Unterhaltungs-Serie machen werde.
Herr Fuchsberger war, ist und bleibt selbstverständlich immer bereit, seinem Alter entsprechende Rollen und andere Verpflichtungen im deutschen Fernsehen zu akzeptieren.
Na, also. “Bild” ist nur ein kleines (allerdings schlagzeilengroßes) Missverständnis unterlaufen, und Fuchsberger hat öffentlich daran erinnert, dass er für Angebote zur Verfügung steht.
Wer wollte da noch das Happy End stören und darauf hinweisen, dass Fuchsberger laut “Bild”-Artikel von gestern keineswegs das Niveau “einiger Sendungen” kritisiert hatte, sondern pauschal das Fernsehen insgesamt: “Es geht alles nur noch um Quote, nicht mehr um Qualität. Frei nach dem Motto: Millionen Fliegen können nicht irren — also schmeißen sie den Leuten Scheiße vor.”
Und wer wollte noch fragen, ob dieses Interview (wie bei Axel-Springer-Medien angeblich vorgeschrieben) autorisiert war. Dann hätte es ein Zitat wie “Auch ich werde mich aus dem TV zurückziehen!” nie in den Artikel schaffen dürfen, weil ja “selbstverständlich” das Gegenteil der Fall ist.
Die gute Botschaft ist: “Bild” und “Blacky” haben sich wieder lieb. Dafür kann man schon mal ein paar Tatsachen unter die Räder kommen lassen.
Zuweilen legt “Bild” ein sehr sonderbares Rechtsverständnis an den Tag. So wie gestern beispielsweise. Da hieß es in einem Text über eine Babysitterin, die verdächtigt wird, ein Kind misshandelt zu haben:
Im zweiten Absatz steht das. Und wenn die Schuld der Babysitterin erwiesen wäre, dann könnten Großbuchstaben hier vielleicht sogar angemessen sein. Nur ist es so, dass die Babysitterin gar nicht bestraft werden darf. Man kann nämlich in der Regel nur dann bestraft werden, wenn man auch verurteilt wurde. Und das geht nun mal nicht ohne vorherigen Prozess. Der hat aber noch gar nicht stattgefunden. Das weiß auch “Bild”, verrät es aber erst gegen Ende des Artikels:
Die Baby-Sitterin wurde später festgenommen, kam in U-Haft. Jetzt sollte der Prozeß wegen Mißhandlung von Schutzbefohlenen beginnen. Höchststrafe 10 Jahre Haft. Doch die Richterin ließ die Frau laufen! Ein Behörden-Sprecher: “Sie hält eine weitere Beweiserhebung für sinnvoll.”
Ob die Babysitterin bestraft wird oder nicht, steht also, anders als “Bild” wider besseres Wissen anfangs behauptet, noch überhaupt nicht fest. Abgesehen davon sollte man vielleicht wissen, dass die U-Haft ein gravierender Eingriff in die Freiheitsrechte eines möglicherweise Unschuldigen ist, bevor man sich darüber ereifert, dass jemand aus ihr entlassen wird. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Richterin offenbar der Meinung ist, die vorliegenden Beweise reichten für eine Anklageerhebung noch nicht aus.
Schon vor dem Beginn der Leipziger Buchmesse hatte “Bild” den ersten “Buchmesse-Skandal” ausgemacht. Der Gryphon-Verlag hatte eine Lesung mit Suzanne von Borsody und Karsten Speck abgesagt, und “Bild” glaubte auch zu wissen, warum: Weil Speck wegen Betrugs im Gefängnis sitzt (allerdings als Freigänger tagsüber raus darf). Die Zeitung zitierte die Verlagsmitarbeiterin Angelika Ruge am 16. März 2006 mit den Worten:
“(…) Herr Speck ist in der letzten Zeit nicht gerade positiv in Erscheinung getreten. Das paßt einfach nicht in unser Konzept.”
Frau Ruge sagt allerdings, sie habe sich nie so geäußert, weder wörtlich noch sinngemäß. Speck sei auch “nicht ausgeladen worden”. Die Hörbuch-Präsentation sei “in gegenseitigem Einvernehmen abgesagt” worden, und das habe “nichts mit der aktuellen persönlichen Situation” von Herrn Speck zu tun.
All das sagt nicht nur Frau Ruge, es bestätigen auch Kurt Stellfeld, der Inhaber des Gryphon-Verlages, und Karsten Speck selbst. Und so steht es auch in einer Gegendarstellung in der heutigen “Bild”, die alle gemeinsam durchgesetzt haben.
Sinn und Zweck eines Torten-oderauchKreisdiagramms ist es, das Verhältnis einzelner Teile zueinander und zu einem Ganzen darzustellen. Das heißt, dass alle Tortenstücke zusammen auch tatsächlich das Ganze ergeben müssen. Verstanden?
Testfrage: Was ist also falsch an diesem Tortendiagramm:
“Nix!”, wird jetzt vermutlich der diensthabende Zuckerbäcker von Bild.de sagen, weil die Torte ja schön rund ist, oder so. Und das ist leider falsch. Denn bei Angaben in Prozent muss das Ganze immer 100 ergeben und nicht, wie hier, bloß 80 (kleine Eselsbrücke: statt Prozent sagt man auch “von Hundert”). In der Hoffnung, dass das zukünftig besser klappt, hier noch ein paar Übungsaufgaben.
Mit Dank an Johannes B. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 6.4.2006: Bei Bild.de hat man sich mal wieder entschieden, die falsche Tortengrafik nicht zu korrigieren, sondern lieber einenSatz drunter zu schreiben, der das wohl ausgleichen soll (siehe Ausriss). Entweder ist also der Mathe-Stoff für Realschüler der 6. Klasse zu schwer für die Zuckerbäcker von Bild.de, oder es war auch hier keine Grafik zur Hand, die zufällig auf das Umfrageergebnis passte.
Nachtrag, 6.4., 12.40 Uhr: Unsere Bemühungen waren also doch nicht umsonst. Bei Bild.de hat man tatsächlich eine neue und endlich korrekte Torte* gebacken:
*) Nachtrag, 6.4., 13.20 Uhr: Okay, da waren wir wohl zunächst etwas zu begeistert. Wie zahlreiche unserer Leser richtig anmerken, ist die Torte nämlich nur auf den ersten Blick “korrekt”. Die Größenverhältnisse der Tortenstücke zueinander stimmen indes immer noch nicht. Und das liegt daran, dass die zusätzlichen 20 Prozent einfach bei Jens Lehmann abgezwackt wurden. So geht’s natürlich auch nicht.
“Das ist in dieser Form reiner Schwachsinn”, sagt Joachim Fuchsberger gegenüber BILDblog. “Das ist eine ‘Bild’-typische Übertreibung für eine gute Schlagzeile.” Und auch die markigen Sätze, mit denen er im Artikel von “Bild” zitiert wird, habe er nicht alle in dieser Form gesagt. Autorisiert habe er keinen einzigen davon.
Aber überrascht klingt er nicht. Vielleicht ist also das, was Fuchsberger einem so alles erzählt, wenn man ihn anruft, eine ganz normale Geschichte aus dem Alltag von “Bild”:
Fuchsberger sagt, er sei von “Bild” angesprochen worden, nachdem sein Freund Vicco von Bülow angekündigt hatte, nur dann noch einmal ins Fernsehen zurückzukehren, wenn Fuchsberger “noch einmal eine große Gala macht”. Der “Bild”-Reporter Malte Biss habe ihn daraufhin gefragt, ob denn eine solche Show geplant sei. Er habe geantwortet, was er seit vielen Jahren schon antwortet: Dass er ausschließt, im deutschen Fernsehen je wieder eine Samstagabend-Show zu machen. Von einem Rückzug darüber hinaus sei keine Rede gewesen, sagt Fuchsberger, im Gegenteil: Es gebe einige Pläne für neue Sendungen. Wenn aus diesen Projekten etwas werde, sei es ihm “eine große Freude”, weiter Fernsehen zu machen.
Gestern abend um halb zehn habe ihn Malte Biss dann angerufen und ein “sehr schlechtes Gewissen” gehabt, sagt Fuchsberger — offenbar wegen der sehr abwegigen Schlagzeile. Er habe das noch nie erlebt, dass ein Journalist ihn quasi vorab vor seinem eigenen Artikel gewarnt habe. Biss habe gefragt, ob Fuchsberger nun mit dem Anwalt gegen den Bericht vorgehen werde. Fuchsberger ließ das zunächst offen.
Gerade weil er mit verschiedenen Leuten über neue Fernseh-Projekte im Gespräch sei, hätte die falsche “Bild”-Schlagzeile geschäftsschädigend wirken können. Er habe dann heute erleichtert festgestellt, dass die meisten Menschen aus der Branche ohnehin nicht glaubten, was in “Bild” steht.
(Die “Nachricht” wurde dennoch weiterverbreitet. Die Agentur AP veröffentlichte heute nachmittag zwei Meldungen, in denen sie die “Bild”-Behauptungen ungeprüft übernahm. Überschrift: “Fuchsberger will kein Fernsehen mehr machen.”)
Fuchsberger ist überzeugt, dass “Bild” der Fehler nicht versehentlich unterlaufen ist. Dennoch will er nicht gegen die Zeitung vorgehen. Was könne ein Anwalt schon erreichen? “Eine Gegendarstellung? Who the hell cares!” Stattdessen habe er lieber einen “Deal” mit “Bild” gemacht, die nun bei ihm etwas gut zu machen habe.
Vermutlich wird also in den nächsten Tagen ein sehr freundlicher Artikel in “Bild” erscheinen, der ein neues Projekt von Fuchsberger vorstellt und ganz nebenbei den möglicherweise entstandenen Eindruck geraderückt, er könne sich für immer aus dem Fernsehen zurückziehen.
Zur Erinnerung: Chefredakteur Kai Diekmann rief vor eineinhalb Jahren eine neue “Null-Toleranz”-Politik gegenüber Verstößen gegen “unsere journalistische Standards” aus und gab vor, “übergeigte Überschriften” hätten in “Bild” “nichts zu suchen”. Ebenso behaupten Diekmann und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, dass für alle Medien des Konzerns “journalistische Leitlinien” gälten, wonach Journalisten bei Axel Springer Interviews ohne Ausnahme vom Gesprächspartner autorisieren lassen müssen.
“Drama um Brasiliens Trainer-Idol”, steht bei Bild.de. Und anders als dort behauptet wird, war es nicht Telé Santana, “der die brasilianische Nationalmannschaft 1982 und 1986 zum WM-Titel führte”. Tatsächlich führte nämlich in beiden Jahren niemand die Brasilianer zum WM-Titel. 1982 schied Brasilien in der Zwischenrunde aus und 1986 im Viertelfinale. Immerhin: Santana war tatsächlich in beiden Jahren Trainer Brasiliens.
Mit Dank an Armin D. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 21.15 Uhr: Bild.de hat die Meldung mittlerweile korrigiert. Jetzt ist Santana nur noch der Trainer, der die Brasilianer “bei der WM begleitete”.
Ausgesprochen unkritisch interviewt “Bild” heute den umstrittenen Historiker Arnulf Baring, nennt ihn “Deutschlands klügster Kopf” (obwohl man ihn mit derselben Logik auch den “naivsten Kopf Deutschlands” nennen könnte) und macht ihn zur Titelschlagzeile (siehe Ausriss).
Im (…) Interview erklärt der Historiker Arnulf Baring, der Deutschland schon vergangenes Jahr über Notverordnungen (!) regiert sehen wollte, dann jenen Satz, der seit dem Hilferuf der Rütli-Schule an jedem Stammtisch zu hören ist: “Multikulti ist gescheitert.” Schuld daran sind — so sehen es die Konservativen — natürlich die “Multikulti-Befürworter”, also jene rot-grünen Dummdeutschen, die in den vergangenen Jahrzehnten immer brav und arglos zwischen kurdischem Volksfest (vermutlich heimliche Terroristenversammlung) und libanesisch geführtem Italiener-an-der-Ecke (Schnauzbart, sehr suspekt) hin- und hergependelt sind. Freilich ohne zu merken, wie der Kurde und der südländische Kellner heimlich ihre blitzenden Messer wetzen, schlecht über unsere deutschen Frauen reden und hinter unserem Rücken ein unfriendly Takeover der Bundesrepublik vorbereiten. Wie gut, dass uns Arnulf Baring gerade noch rechtzeitig gewarnt hat!
Es ist deshalb höchste Zeit, mit ein paar Mythen aufzuräumen: Weder Rot-Grün oder die naiven Multikulti-Befürworter tragen die Hauptschuld an der jetzigen Integrationsmisere. Der Mann heißt Helmut Kohl. (…)
Auch ein Massenblatt wie die “Bild”-Zeitung könnte mit ihrer klaren Sprache hilfreich sein. Auf Ausgaben, in denen Kampagnen gegen erfolgreiche Schauspielerinnen türkischer Herkunft gefahren werden oder ein Arnulf Baring von der Leine gelassen wird, können wir dagegen verzichten.
“Den bösen Wolf gibt es wirklich!” (Link von uns.)
Aha. Und dann schreibt “Bild” noch:
“Oskar, das süße Osterlamm, ist tot. Das Tier mit dem weichen Fell wurde völlig zerfetzt — von einem Wolf!”
Sogar einen Kronzeugen hat die “Bild”-Zeitung für ihre Meldung — “Roland Schöbel (48, Landwirt)”, den Besitzer des Lamms. In “Bild” heißt es:
“(…) Roland Schöbel (…) entdeckte eindeutige Wolfsspuren.”
Seltsam nur, dass uns Jana Schellenberg, Leiterin des Kontaktbüros “Wolfsregion Lausitz”, sagt, die Höhe des Zaunes, hinter dem sich das Lamm aufhielt, die Größe eines Lochs im Zaun, die entdeckten Spuren, insbesondere aber die Bissverletzungen des Lammes, ließen ohne Zweifel darauf schließen, dass hier kein Wolf das kleine Lamm getötet habe, sondern “eindeutig ein Fuchs”. Es gebe ein Gutachten aus dem hervorgehe: “Ein Wolf war es definitiv nicht.”
Und siehe da, so steht es auch anderswo — in der “Lausitzer Rundschau” zum Beispiel unter der Überschrift:
“Lamm in Bärwalde vom Fuchs gerissen
Gerüchteküche sprach von einem Wolf”
Und in der “Sächsischen Zeitung” unter der Schlagzeile:
“Kein Wolf, ein Fuchs riss bei Boxberg ein Lamm”
Und selbst beim kleinen Lokalrundfunk Elsterwelle heißt es:
“Fuchs tötet Lamm in Bärwalde”
Nur “Europas größte Tageszeitung” hat sich die Recherchen gespart und stattdessen lieber — ohne wenn und aber — eine Falschmeldung verbreitet.