Als Paul C. Martin in der “Bild”-Zeitung vom 11. April in einer Buchrezension behauptete, die Buchautoren hätten “jetzt (…) sämtliche Quellen zusammengetragen und mit vertraulichen Informationen zu einem makabren Puzzle zusammengefügt”, war daran insofern nichts auszusetzen, als das Buch tatsächlich am 11. April in den Buchhandel kam.
Heute nun, 14 Tage später, rezensiert Paul C. Martin in “Bild” ein anderes Buch:
“Jetzt ist der Maritim-Experte Klaus Hympendahl in einem sensationellen neuen Buch der Sexualität auf den Weltmeeren nachgegangen (…).”
Und das ist insofern gelogen eine für“Bild”-Verhältnissebekanntermaßenzwarhalbwegsdurchschnittliche,abernachwievor bemerkenswerte Auslegung des kleinen Wörtchens jetzt, weil andernorts beispielsweise schon vor einem Vierteljahr nachzulesen war, welche Sensationen Hympendahl in seinem neuen Buch “jetzt belegt” habe, und uns der Heel-Verlag auf Anfrage mitteilt, das Buch sei “Anfang/Mitte Dezember letzten Jahres erschienen”*.
Mit Dank an Frank S. für den Hinweis.
*) Nachzulesen ist der Erscheinungstermin übrigens auch, wenn man bei Bild.de auf die Ebay-Anzeige im Artikel klickt.
Die Explosion von mehreren Bomben im ägyptischen Urlaubsort Dahab illustriert Bild.de in einem großen Teaser und im Artikel mit einem Foto, das eine explodierende Autobombe in der irakischen Hauptstadt Bagdad zeigt.
Danke an Philipp F., Wolfgang K. und noctullux!
Nachtrag, 10.10 Uhr.Bild.de hat das falsche Foto ausgetauscht.
Die “Bild”-Zeitung ist stolz darauf, die meistzitierte deutsche Tageszeitung zu sein. Am vergangenen Wochenende konnte sie die entsprechende Statistik wieder in die Höhe treiben.
Unter Berufung auf die “Bild”-Zeitung meldeten die Nachrichtenagentur dpa, AP, AFP und Reuters, die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund sei 2005 zurückgegangen, die Zahl der Gewaltverbrechen sogar deutlich. Beides hatte der “Bild”-Chefkorrespondent Einar Koch am Samstag in einem großen Artikel unter der Überschrift “Wie gefährlich sind die Rechten in Deutschland?” behauptet.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschuss, Sebastian Edathy (SPD), widersprach der “Bild”-Zeitung: Die Zahl rechter Delikte habe im vergangenen Jahr “nach vorliegenden, zuverlässigen Informationen” nicht abgenommen, sondern sogar deutlich zugenommen: um 27,5 Prozent die Straftaten insgesamt, um 23,6 Prozent die darin enthaltenen Gewalttaten.
Und wer hat Recht? Die offiziellen Zahlen will das Innenministerium erst mit dem Verfassungsschutzbericht Ende Mai bekanntgeben. Und doch ist schon heute klar, dass “Bild” eine Falschmeldung verbreitet hat. Es ist nämlich offenkundig, woher “Bild”-Redakteur Koch seine Zahlen von 10.271 rechten Straftaten insgesamt und 588 Gewaltverbrechen hat: Aus den Anfragen, die Petra Pau, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, monatlich an die Bundesregierung stellt. Die “Bild”-Zahlen entsprechen exakt Paus Übersicht “Rechtsextreme Straftaten 2005” [pdf].
Nur steht in dieser Übersicht auch folgender Satz: “Die Zahlen (…) gelten als vorläufig und liegen unter den endgültigen.” In ihren eigenen monatlichen Erklärungen schreibt Pau zum Beispiel, die “realen Zahlen sind — erfahrungsgemäß — doppelt so hoch”. Und auch in den Antworten der Bundesregierung [pdf] stehen Warnungen wie: “Die im Folgenden aufgeführten Zahlen stellen keine abschließende Statistik dar, sondern können sich aufgrund von Nachmeldungen noch (teilweise erheblich) verändern.”
Wir wissen nicht, ob der Chefkorrespondent von “Bild” das nicht verstanden oder in der Eile überlesen hat, ob er selbst schlecht recherchierte oder schlecht informiert wurde. Die “Bild”-Zeitung hat am heutigen Montag ihren Fehler weder korrigiert, noch über das Dementi ihrer Zahlen durch den Chef des Innenausschusses berichtet.
Vor zwei Monaten hat Bild.T-Online sein Internetangebot komplett überarbeitet. Seitdem befindet sich auf jeder Seite oben eine Reihe kleiner grauer Laschen:
Fährt man mit der Maus über diese Flächen, bewegt sich die jeweilige Lasche nach oben und gibt ein buntes Feld darunter frei — etwa wie Reiter auf Karteikarten. Aktuell sehen die so aus:
Hinter diesen Reitern verbergen sich Links. Und jetzt kommt die Preisfrage: Führen diese Reiter zu redaktionellen Angeboten von Bild.de? Oder zu Werbung?
Die erstaunliche Auflösung: Sowohl als auch.
Die Reiter “WM 2006” und “Wir sind Fußball” führen zu nicht-werblichen Inhalten von Bild.de. Wer aber nun glaubt, dass das für alles gilt, auf dem das “Wir sind Fußball”-Logo steht, irrt. Wenn man auf “LCD-Fernseher” klickt, kommt man keineswegs (wie vielleicht zu vermuten) zu einem redaktionellen Test von Großbildschirmen anlässlich der WM. Sondern zu einer Anzeige, die für ein Angebot von Fujitsu-Siemens wirbt. Und der “Fan-Caddy” ist ein Produkt, das Volkswagen auf Bild.T-Online verkauft. Und natürlich ist auch der “Volks-Kredit” kein redaktionelles, sondern ein werbliches Angebot: dahinter verbirgt sich easyCredit.
Vor dem Klicken ist nicht zu unterscheiden, welches dieser Bild.de-Standardelemente zu einer reinen Werbeseite führt und welches nicht. Und damit verstößt Bild.de gegen ein Urteil des Berliner Landgerichtes vom 26. Juli 2005. Damals untersagte das Gericht Bild.de, auf eine Werbeseite für den “Volks-Seat” mit einem Teaser zu verweisen, der sich von Teasern für redaktionelle Inhalte nicht unterscheiden lässt (wir berichteten). Das Gericht urteilte:
Ein Hyperlink, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine Werbeseite führt, muss so gestaltet sein, dass dem Nutzer irgendwie erkennbar wird, dass auf eine Werbeseite verwiesen wird. (…)
Hier ist der Hyperlink, der auf die Werbeseite führt, genau so gestaltet, wie die Hinweise, die zu redaktionell gestalteten Seiten führen. Das Erscheinungsbild und die Platzierung sind identisch. Es kann daher selbst bei einer großzügigen Betrachtung nicht mehr davon ausgegangen werden, dass dem Nutzer ein klar erkennbarer Hinweis auf den werbenden Inhalt der Seite erteilt wird, auf die er weitergeleitet wird.
Genau dasselbe System, das Bild.T-Online damals untersagt wurde, hat das Unternehmen in der Gestaltung der neuen Seiten-Köpfe zum Prinzip gemacht: Eine Unterscheidung, welche Reiter zu Anzeigen führen und welche nicht, ist vor dem Klicken unmöglich.
In der Verhandlung 2005 hatte Bild.T-Online noch geltend gemacht, man könne davon ausgehen, dass die “Volks-Produkte” durch die breite Werbung so bekannt seien, dass niemand hinter einem Teaser mit dem entsprechenden Begriff etwas anderes als Werbung erwarte. Dieses Argument hatte das Gericht zurückgewiesen. Heute wäre die Position von Bild.T-Online noch schwächer, weil in den Reitern nicht nur die bekannten “Volks-Produkte” beworben werden, sondern auch Produkte, die ohne diesen Markennamen auskommen (“Fan-Caddy”) oder sogar mit einem redaktionellen Bild.de-Label versehen sind (“Wir sind Fußball! LCD-Fernseher”).
Und wir ersparen es uns, an dieser Stelle noch einmal all die Selbstverpflichtungen und Ankündigungen aufzuzählen, gegen die diese Bild.de-Praxis außerdem verstößt.
Ähm, anders als Bild.de aus aktuellem Anlass behauptet, lautet die erste Zeile der britischen Nationalhymne im englischen “Originaltext” natürlich nicht !
Mit Dank an Fabian L. für den Hinweis.
Nachtrag, 16 Uhr: Erstaunlich! Obwohl wir gar nicht ausdrücklich dazugeschrieben haben, wie denn die erste Zeile der britischen Nationalhymne wirklich im Originaltext heißt, ist es Bild.de gelungen, den Fehler im Anschluss an unseren Eintrag zu korrigieren.
Nachtrag, 17.23 Uhr: Es sei — mit Dank an Carsten W. für den Hinweis — hier noch schnell nachgetragen, dass in dem Bild.de-Artikel (über die mangelhaften Fremdsprachenkenntnisse einer britischen Boulevardzeitung anlässlich einer “Initiative des englischen [sic] Außenministeriums”) ein gewisser “Außenminister Lord David Triesman” erwähnt wird, obwohl es unseres Wissens in Großbritannien doch überhaupt keinen AußenministerLord David Triesman gibt.
Kommt ein Mann zum Arzt und klagt über Kopfschmerzen. Kein Wunder: In seinem Schädel stecken zwölf Stahlstifte. Am Tag zuvor hatte sie sich der Mann mit einer Nagelmaschine selbst in den Kopf geschossen. Der Patient wird operiert und behält keine bleibenden Schäden zurück.
Nur in “Bild” ist die Geschichte noch unglaublicher. Um nicht zu sagen: falsch.
Bei “Bild” war man offenbar nachhaltig verwirrt von der Tatsache, dass sich all das, der Selbstmordversuch, der Krankenhausbesuch und die gelungene Operation, schon vor einem Jahr abgespielt hat — die Geschichte wurde erst jetzt in einem medizinischen Fachmagazin veröffentlicht. Aber “Bild”-Leute sindesbekanntlichnichtgewohnt, dass es Dinge gibt, die nicht “jetzt” passieren, und packten die Zeitangabe mit dem einen Jahr an eine Stelle, an der sie viel eindrucksvoller ist.
Und so hat “Bild” heute weltexklusiv die Geschichte von dem Mann, der ein ganzes Jahr lang mit Nägeln im Kopf durch die Gegend rannte:
Schon wahr: Statistiken kann man leicht falsch interpretieren, und die Sterbetafeln, die das Statistische Bundesamt regelmäßig veröffentlicht, haben es ganz besonders in sich.
Aber immerhin hat sich die “Bild”-Zeitung über eine Woche Zeit gelassen, bis sie gestern aus der aktuellen Veröffentlichung des Amtes eine größere Seite-1-Geschichte machte. Und ein kurzer Moment des Nachdenkens hätte gereicht, die eigene Interpretation der Zahlen in Zweifel zu ziehen.
Unter dieser Überschrift veröffentlichte “Bild” eine Tabelle, die so beginnt:
Hmmm… “Bild” sagt den 75- bis 76-jährigen Männern voraus, dass sie etwa 64 Jahre alt werden? Und die heute 70-jährigen Männer können laut “Bild” damit rechnen, vor drei Jahren gestorben zu sein? Und die Frauen des Jahrgangs 1933 können sich schon mal darauf einstellen, in den nächsten Wochen das Zeitliche zu segnen?
Das stimmt natürlich nicht, nicht einmal “*rein statistisch”. Was die “Bild”-Zeitung trotz einwöchiger Zeit zum Nachdenken nicht verstanden hat, ist dies: Die Tabelle gibt die Lebenserwartung der Menschen des jeweiligen Jahrgangs zum Zeitpunkt ihrer Geburt an. Es handelt sich um eine sogenannte “Generationensterbetafel”. Im Jahr 1930 geborene Jungen wurden danach im Schnitt gut 64 Jahre alt. Diejenigen Männer dieses Jahrgangs, die den Zweiten Weltkrieg überlebten, hatten aber natürlich schon eine wesentlich höhere Lebenserwartung. Und diejenigen, die allen Widrigkeiten zum Trotz heute noch leben, also annährend 76 sind, haben (auch rein statistisch) beste Chancen, noch 77 und älter zu werden.
Die “Bild”-Überschrift “So alt werden Sie” hätte zu einer ganz anderen Rechnung des Statistischen Bundesamtes gepasst: der “Periodensterbetafel”. Sie gibt an, mit wieviel weiteren Lebensjahren Menschen eines bestimmten Alters zu einem bestimmten Zeitpunkt rechnen können. Die gute Nachricht für alle heute 76-Jährigen lautet: Sie haben (rein statistisch) noch über neun Jahre Leben vor sich.
Und hätten also nicht, wie “Bild” ihnen prognostiziert, seit zwölf Jahren tot sein müssen.
Doch am heutigen Samstag treibt die “Bild”-Zeitung den Unsinn auf die Spitze: “Überlisten Sie die BILD-Tabelle: So verlängern Sie Ihr Leben!”, titelt sie. Und “Bild”-Autorin Friderike Stüwert behauptet:
Die Lebensdauer-Tabelle des Statistischen Bundesamtes — unzählige Deutsche hat sie erschreckt (BILD berichtete). Wer 1945 geboren wurde, hat danach z. B. als Mann nur noch sechs Jahre (Durchschnitt).
Nein, hat er nicht. Auch nicht “*rein statistisch”, auch nicht “(Durchschnitt)”. Er hatte zwar zum Zeitpunkt seiner Geburt eine Lebenserwartung von 67 Jahren. Aber wie alle Mitglieder dieses Jahrgangs, die noch nicht gestorben sind, kann er heute damit rechnen, noch 20 Jahre zu leben.
Gibt es niemanden bei “Bild”, der das versteht?
Danke an Alexander S. für den Hinweis und Mayweather für die Inspiration.
“Bild” macht heute Doris Schröder-Köpf zum “Gewinner des Tages”. Und es stimmt ja auch: Das Landgericht Hamburg gab ihr recht und urteilte gestern, dass der “Stern” eine Richtigstellung abdrucken muss. Am 23. Juni 2005 hatte die Illustrierte angedeutet, es sei Schröder-Köpf gewesen, die den damaligen Kanzler auf die Idee mit der Vertrauensfrage und den vorgezogenen Wahlen gebracht hätte. Schröder-Köpf bestreitet das vehement.
Schröder-Köpf gewinnt also gegen den “Stern”, und “Bild” macht Schröder-Köpf zum “Gewinner des Tages” und schreibt:
BILD meint: Keine Stern-Stunde!
Das ist interessant. Denn der “Stern” war damals keineswegs der erste, der diese Gerüchte verbreitete. Es gab sogar Mutmaßungen, dass “Stern”-Autorin Ulrike Posche genau diese Passage eigentlich nur aus einer anderen Zeitung abgeschrieben hätte. Aus welcher Zeitung? Einmal dürfen Sie raten.
Am 10. Juni 2005, also fast zwei Wochen vor dem umstrittenen “Stern”-Bericht, erschien in “Bild” ein Artikel von Rolf Kleine, dem Leiter des Hauptstadtbüros. Darin stand unter anderem zu lesen:
Freunde der Familie erzählen hinter vorgehaltener Hand: Doris Schröder-Köpf (41) gibt ihrem Gerhard in diesen schweren Wochen nicht nur Kraft! Gerade jetzt, so heißt es, stehe die erfahrene Politik-Journalistin ihrem Kanzler auch mit handfestem Rat zur Seite.
Eingeweihte erzählen: Auch bei dem Schröder-Plan, durch die Vertrauensfrage im Bundestag vorzeitige Neuwahlen zu erreichen, soll die Kanzler-Gattin den Kanzler beraten haben!
Es war Mitte März (…). Da habe Doris Schröder-Köpf das Thema Vertrauensfrage und vorgezogene Bundestagswahl ins Gespräch gebracht.
So gesehen hat die “Bild”-Zeitung mit ihrem Kommentar zum aktuellen Gerichtsurteil doppelt recht. Das war wirklich keine “Stern”-Stunde.
Am vergangenen Samstag behauptete “Bild”, Alexandra Neldel habe sich “angeblich von ihrem Freund getrennt”(siehe Ausriss). Weiter hieß es über die beiden:
“Laut Gerüchten sollen sich der Kameramann und die schöne Schauspielerin kürzlich getrennt haben.”
Nur zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr hatten “Bild” und Bild.de Alexandra Neldel mal Worte in den Mund gelegt, die sie offenbar gar nicht gesagt hatte, woraufhin “Bild” und Bild.de eine Gegendarstellung abdrucken mussten, in der Neldel darauf hinwies, dass sie sich weder wörtlich noch sinngemäß so geäußert, sondern einer “Bild”-Mitarbeiterin ausdrücklich erklärt habe, dass sie sich zu ihrem Privatleben nicht äußere. Die Gegendarstellung erschien bei Bild.de mit einem redaktionellen Zusatz (“Sie hat recht.”), den “Bild” ihren Lesern vorenthielt.
Heute nun hat Neldel abermals eine Gegendarstellung durchsetzen können, in der sie — entgegen der obigen (unter Berufung auf “Gerüchte” verbreiteten) Behauptung — feststellt, sie sei mit ihrem Freund “nach wie vor liiert”. Und die Redaktion der GEDRUCKTEN* “Bild”-Zeitung muss dazu anmerken: