Archiv für Februar 20th, 2017

oe24.at bringt Impf-Gegner zum Höhepunkt

oe24.at, das Onlineportal des Boulevardblatts “Österreich”, ist für jeden Spaß jeden Mist zu haben. Seinen Lesern einen alten “Horror-Clown” als neuen verkaufen? “Völlig irre” Nachrichten zum angeblichen Gender-Wahnsinn in Flensburg verbreiten? Über den falschen Tod einer pink gefärbten Katze berichten? Wenn irgendwo haltlose Meldungen die Runde machen, ist oe24.at gern dabei.

Vergangenen Freitag veröffentlichte die Redaktion diesen Artikel:

Der ganze Beitrag besteht aus einem Ein-Satz-Teaser und zwei Absätzen:

Die bekannte Heilpraktikerin will noch weitere Nebenwirkungen erkannt haben.

Es ist ein schon länger schwelender Streit: Impf-Befürworter und Impf-Gegner liegen sich schon seit Jahren in den Haaren. Jetzt hat sich eine bekannte Schweizer Heilpraktikerin auf die Seite der Impf-Gegner geschlagen. Zita Schwyter will erkannt haben, dass Kinder nach Impfungen anfangen zu masturbieren

Aber Schwyter will auch andere Nebenwirkungen entdeckt haben: Schlafstörung, Legasthenie, Stottern, Autismus oder ein Hirntumor seien die Folge, wen (sic) man sein Kinde impfe. Deswegen rät sie dazu, “Kinder vor Impfungen zu verschonen”.

Das war’s. Keine Distanzierung. Keine Einordnung. Als wäre das, was Zita Schwyter sagt, eine ganz normale Position in einem “schwelenden Streit”, als hätte sie tatsächlich etwas “erkannt”, als wäre ihr Rat für die oe24.at-Leserinnen und -Leser eine relevante Information, die diese bei der Entscheidung, ob sie ihr Kind nun impfen lassen oder nicht, einbeziehen sollten. Kommt ja schließlich alles von einer “bekannten Schweizer Heilpraktikerin”.

Schwyters Aussagen zum Impfen erschienen zuerst am vergangenen Mittwoch bei der “Toggenburger Zeitung”:

Im Gegensatz zu oe24.at gibt es bei der “Toggenburger Zeitung” aber Gegenpositionen, Widersprüche, eben eine journalistische Aufbereitung. 20min.ch übernahm die Geschichte von dort, später auch derwesten.de und die “Huffington Post”. Überall findet man Warnungen (“Horrorgeschichten”, “absurde Gerüchte über ‘Impfkrankheit'”, “Lügen der Impfgegner”). Nur beim Online-Ableger von “Österreich” nicht.

Inzwischen hat die oe24.at-Redaktion ihren Artikel übrigens korrigiert. Statt “Masturbieren” steht nun “masturbieren” in der Überschrift:

Entdeckt bei @ve_maricic und @wluef!

Nachtrag, 20:04 Uhr: Das ging schnell — der Artikel ist ohne jeden Hinweis von der Seite verschwunden:

Deniz Yücel, Weiße Mexikaner, #LastNightinSweden

1. Ein Drama, zu dem wir nicht schweigen dürfen
(spiegel.de, Hasnain Kazim)
In der Türkei werden seit Jahren Journalisten eingeschüchtert, verfolgt und eingesperrt. Nun hat es den Journalisten Deniz Yücel erwischt, der lange Jahre für die “taz” tätig war und seit einiger Zeit für die “Welt” berichtet. Offensichtlich hat der Türkei seine kritische Berichterstattung über den Umgang der türkischen Regierung mit den Medien nicht gefallen. Hasnain Kazim plädiert im “Spiegel” für Klartext: “Es ist an der Zeit, deutliche Worte zu finden und politische und wirtschaftliche Konsequenzen folgen zu lassen auf das, was in der Türkei geschieht: die Abschaffung von Demokratie und Freiheitsrechten.”
(Nur lesen, wenn genügend Beruhigungstee in der Nähe: Michael Martens empfiehlt in der “FAZ” deutschen Verlagen ihre Entsendungspolitik zu überdenken und fragt, ob es gut sei, ein Land zu lieben, über das man berichtet. Außerdem fallen noch weitere verstörende Äußerungen wie “Die Verlage schulden den Lesern Journalisten, nicht Türken vom Dienst.”)

2. “Unter drei” – die Sache mit den Hintergrundgesprächen
(tagesspiegel.de)
Das Verwaltungsgericht Berlin hat das Bundeskanzleramt zur teilweisen Offenlegung von geheimen Gesprächen mit Journalisten verpflichtet. Geklagt hatte der “Tagesspiegel”-Redakteur Jost Müller-Neuhof, der die Abläufe derartiger Geheimgespräche und seine Beweggründe für die Klage schildert. Endgültig entschieden sei die Sache noch nicht: Demnächst wird das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg über den Fall beraten und auch danach gibt es weitere juristische Optionen.

3. Von Füchsen und Gänsen: Spinnen wir alle?
(dwdl.de)
Hans Hoff ist in seiner Sonntagskolumne befremdet, wie auf “Stern TV” mit dem hochgradig aufgebauschten Fall der Veganerin und dem Glockenspiel von Limburg umgegangen wurde. “Jeder ist verantwortlich für das, was er weitergibt, und wenn man nicht sicher ist, ob das, was man weiterverbreitet komplett richtig ist, dann sollte man es vielleicht besser nicht weiterverbreiten oder wenigstens mit einem Bedenkensternchen als Verweis auf eine warnende Fußnote kenntlich machen. Schöne Geschichten sind eben nicht unbedingt jene, die schön klingen. Schöne Geschichten sind vor allem jene, die auch wahr sind.”

4. Prekäre Beschäftigungssituation in der Filmbranche
(mediathek.rbb-online.de, Video, 3:29 Minuten, noch verfügbar bis 23.02.17)
Amerikanische Filmproduzenten sprechen abfällig von “weißen Mexikanern” und meinen damit die Deutschen, die in der Filmwirtschaft arbeiten. Und in der Tat: Im deutschen Filmbusiness regieren Knebelverträge und Lohndumping. Der “rbb” lässt eine Regieassistentin zu Wort kommen, die 200 Euro Wochenlohn bekam, für Wochen von mehr als 50 Arbeitsstunden. Auch ein Filmproduzent und eine Vertreterin der Filmförderanstalt ffa wurden befragt: Man gibt sich als Gefangene des Systems.

5. Fake News: Grenzen sich seriöse Journalisten aktiv (genug) von unseriösen ab?
(scilogs.spektrum.de, Markus Pössel)
Markus Pössel wünscht sich mehr Medienkritik und mehr Abgrenzung der seriösen gegenüber den unseriösen Medien: “Warum muss ich für Analysen der neuesten Beispiele für unseriöse Praktiken bei Bild, Bunte & Co. auf uebermedien.de oder BILDblog.de gehen? Warum finde ich nicht in der FAZ, in der Sueddeutschen, in der ZEIT, ganz selbstverständlich entsprechende Kolumnen? Die seriösen Medien sind doch eigentlich am direktesten davon betroffen, wenn unter dem Oberbegriff Journalismus Falschmeldungen und Übertreibungen verbreitet werden.”

6. Schweden bittet um Erklärung der USA
(tagesschau.de)
Die schwedische Botschaft in Washington hat das US-Außenministerium gebeten, die Äußerung von Präsident Donald Trump zu erklären: “Schaut Euch an, was gestern in Schweden passiert ist!” Nachdem sich das ganze Twitteruniversum bereits über den Vorgang lustig gemacht hat, hat der Präsident nun Stellung bezogen. Er hatte wohl was auf “FoxNews” gesehen und das in den falschen Hals bekommen bzw. falsch wiedergegeben. Natürlich hat er seinen Fehler nicht zugegeben, sondern getwittert: “My statement as to what’s happening in Sweden was in reference to a story that was broadcast on @FoxNews concerning immigrants & Sweden.”
(Weitere Lesehinweise: Der BILDblog-6-vor-9-Kurator hat es auf Twitter satirisch verarbeitet und BILDblog-Kollege Moritz Tschermak geht augenzwinkernd der Vermutung nach, Donald Trump könne auf einen Tweet der “WAZ” reingefallen sein …)