Archiv für Mai 6th, 2015

Bild  

Skandal! Weselsky ist Bartträger! Und Sachse!

Vielleicht hat „Bild“-Mann Peter Tiede irgendwann in seinem Leben einfach mal sehr unangenehme Erfahrung mit schnurrbärtigen Jahrmarktmitarbeitern aus Ostdeutschland gemacht, wer weiß. Seinen Artikel über Claus Weselsky, den „Bahnsinnigen“ („Bild“) von der Lokführergewerkschaft GDL, beginnt er jedenfalls so:

Er hat es ja nicht leicht: Oberlippenbart eines Karusselbremsers, Sachse und dann auch noch Chef einer Mini-Gewerkschaft, die alles lahmlegen kann — und davon ausführlich Gebrauch macht. Viel mehr kann nicht schiefgehen, wenn man in Deutschland Sympathieträger werden will.

Ob Weselsky als glattrasierter Westfale bessere Karten hätte, steht da nicht, wobei uns immer noch nicht klar ist, was das überhaupt mit dem Bahnstreik zu tun haben soll. Ohnehin sind wir uns nicht sicher, was Peter Tiede mit seinem Text eigentlich sagen will. Also außer, dass Weselsky Ostdeutscher ist:

Er, der Sachse, weiß, dass er nie geliebt werden wird.

Er ist der Ostdeutsche, der streikende Außenseiter.

Ach, und diese Außenseiter-Nummer natürlich:

Seine ganze Karriere ist auf Außenseitertum gegründet

… schreibt Tiede und führt exakt zwei Gründe für diese Behauptung an. Punkt 1: Weselsky „weigerte sich, in die Staatspartei SED einzutreten“. Punkt 2: Als Lokführer schloss sich Weselsky der GDL an, die damals „als Gegenstück zu den linientreuen DDR-Gewerkschaften gegründet“ wurde.

Jedem anderen hätte „Bild“ dieses Regime-untreue Verhalten mit Sicherheit hoch angerechnet. Bei Weselsky dient es als weiterer Grund, ihn doof zu finden.

'Bild'-Schlagzeile: Claus Weselsky - Schon als junger Mann war er Außenseiter

Während Weselsky also den “Monster-Streik” durchprügelt, ist Peter Tiede damit beschäftigt, ihm aus Äußerlichkeiten und privaten Dingen einen Strick zu drehen. Das ist natürlich viel sympathischer.

Sexismus, ZDF-Lobbyradar, Urheberrecht

1. “‘Sie träumen nachts von mir?'”
(sueddeutsche.de, Christina Koormann)
Zu oft werden Politikjournalistinnen zu Sexismus-Opfern, schreiben französische Journalistinnen in einem Manifest (liberation.fr, französisch): “Die Journalistinnen beschreiben, wie hochrangige Politiker sie während eines gemeinsamen Fluges auf einer Geschäftsreise schlafend fotografierten, wie ‘politische Schwergewichte’ lieber mit ihnen in ein Hotelzimmer gehen wollten anstatt ein Interview fortzuführen, oder wie ein Abgeordneter sich wünschte, dass sie unter einer Arbeiterkluft während einer Fabrikbesichtigung ‘besser nichts anhätten’.”

2. “Warum wir ein neues Urheberrecht brauchen”
(faz.net, Andrea Diener)
Ein Interview mit Julia Reda zum Urheberrecht: “Wir haben das Problem, dass das Urheberrecht nicht mit der technischen Entwicklung schrittgehalten hat. 2001, als es zuletzt auf europäischer Ebene reformiert wurde, gab es noch kein Youtube, es gab kein Facebook, und auch Wikipedia fing gerade erst an. Damals hat man in Europa Mindeststandards für den Schutz von Rechteinhabern erstellt, aber keine Mindeststandards für den Schutz der Allgemeinheit. Die EU legt also fest, was mindestens verboten sein muss, aber nicht, was mindestens erlaubt sein sollte.”

3. “Verteilungskampf in der Bundesliga”
(deutschlandfunk.de, Daniel Theweleit)
Fußball: Bundesliga-Vereine wollen neue Kriterien bezüglich der Höhe von an die Clubs ausgeschütteten Fernsehgeldern besprechen: “Zum Beispiel die Einschaltquoten bei den Live-Spielen im Bezahlfernsehen. Oder die Auslastung des eigenen Stadions. Oder die Menge der Auswärtsfans, die einen Klub begleiten.”

4. “Warum das Lobbyradar so kaum zu gebrauchen ist”
(datenjournalist.de, Lorenz Matzat)
Lorenz Matzat bespricht das ZDF-Lobbyradar: “Das Lobbyradar ist in der jetzigen Form kaum zu gebrauchen. Es ist visuell zu überladen und hilft mit seiner einzigen Funktion, der Suche, nicht dabei, Lobbyismus transparenter zu machen.”

5. “Der Hochstapler”
(ndr.de, Video, 30:26 Minuten)
Geschädigte eines Hochstaplers, unter ihnen Journalisten des ZDF und von Zeit.de, erzählen. Siehe dazu auch “Richtig reingelegt” (taz.de, René Martens).

6. “Astro TV sagt sich selbst schlechte Quoten voraus und stellt vorsorglich Sendebetrieb ein”
(der-postillon.com)