Archiv für Februar 18th, 2015

Bild  

Irgendwas vielleicht mit Hitler

Auf die Leute von “Bild” ist eben Verlass. Du schickst sie los, um über die unterirdischen Gänge in München zu schreiben, und womit kommen sie zurück? Mit einem Artikel über Hitlers Badewanne.

Gefunden haben die Reporter das Teil im Keller der Hochschule für Musik und Theater in München:

Sie wurde zwischen 1933 und 1937 im ehemaligen “Führerbau” eingebaut, in das Dienstbad des Diktators.

Dort hat er sich nach Aussage eines Münchner Historikers zwar nur “äußerst selten” aufgehalten, darum gibt sich “Bild” auf die Frage, ob sich Hitler “am Feierabend hier bei einem Schaumbad” entspannte, die Antwort gleich selbst:

Höchstwahrscheinlich nicht.

Aber egal. Hauptsache Hitler.

Und wie ging’s weiter mit der Wanne?

1948 zog das Amerika-Haus ein. Das Bad kam raus, die Wanne wurde in die Wohnung des Hausmeisters im ersten Untergeschoss eingebaut. 1957 bezog die Musikhochschule die Räume. In den 70er Jahren bekam der neue Hausmeister ein neues Bad. Seither steht die Wanne im Keller, wurde nie mehr benutzt.

Ein “rechteckiges Stück Geschichte — direkt aus Adolf Hitlers Büro-Badezimmer!” Und exklusiv hinein in die “Bild”-Zeitung.

Blöderweise liefert das Blatt für all diese Behauptungen keinerlei Belege. Weder Zitate von Experten noch handfeste Spuren oder Beweise, nicht mal die Quelle ihrer Informationen verraten die Autoren.

Wir haben deshalb mal bei der Hochschule nachgefragt, woher “Bild” das alles eigentlich wissen will. Der Kanzler antwortete uns:

Die Meldung ist aufgrund einer nicht autorisierten Auskunft unseres Hausmeisters erschienen. Bild hatte einen Bericht über unterirdische Gänge in München bringen wollen. Dabei sahen die Reporter die Badewanne im Keller und haben nachgefragt. Ob die Badewanne wirklich aus Hitlers Badezimmer stammt, wissen wir nicht. Ich wehre mich deshalb stets gegen Spekulationen. Leider war Bild nicht bereit, auf die Meldung zu verzichten.

Im Gegenteil: “Bild” machte aus der ranzigen Badewanne, in der möglicherweise Hitler höchstwahrscheinlich nicht gebadet hat, eine fast ganzseitige Geschichte. Drei “Bild”-Mitarbeiter haben daran gesessen, zwei Autoren und ein Fotograf. “Bild” holt eben “alles für Sie raus”, zur Not halt irgendwas vielleicht mit Hitler.

Mit Dank an Peter B.!

Süddeutsche Zeitung, Recht auf Vergessenwerden, Til Schweiger

1. “‘Süddeutsche Zeitung’ wehrt sich gegen ‘SZ-Leaks’: Berichterstattung keine ‘Schleichwerbung für Steuerhinterziehung'”
(newsroom.de, Bülend Ürük)
Wolfgang Krach, stv. Chefredakteur der “Süddeutschen Zeitung”, nimmt Stellung zur Arbeitsweise der Sonderthemen-Redaktion, wie sie Sebastian Heiser aufgedeckt hat: “Warum entstehen Beilagen, warum veröffentlichen wir Sonderseiten? Es ist wie bei jeder anderen Zeitung in Deutschland, die Anzeigenabteilung kommt auf die Redaktion zu und schlägt ein Thema vor. Was wir dann journalistisch daraus machen, welche Themen in diesen Beilagen gesetzt werden, das entscheidet die Redaktion.” Siehe dazu auch “Gute Frage” (heisersstimme.wordpress.com).

2. “Habe ich ‘über angebliche Verstöße nicht informiert’?”
(heisersstimme.wordpress.com)
Weiter sagt Wolfgang Krach, Sebastian Heiser habe die Ressortleitung nicht informiert “über angebliche Verstöße gegen journalistische Grundsätze”. Heiser belegt mit Tondokumenten das Gegenteil.

3. “Diekmann twittert Adresse von Herbert Grönemeyer”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann twittert ein Foto eines Schreibens des Landgerichts Köln, auf dem die Privatadresse von Herbert Grönemeyer zu lesen ist. Thomas Lückerath schreibt: “Seine Behauptung, wonach der Beschluss des Landgerichts ja öffentlich sei und sein Tweet demnach also nur schlechter Stil, nicht aber unlauter gewesen sei, ist irreführend: Die Adressen der beteiligten Parteien werden vor Herausgabe von Beschlüssen von den Gerichten geschwärzt. Nach der eigenwilligen Logik des Kai Diekmann wären bei einer juristischen Auseinandersetzung Prominente sonst zwangsläufig zum Umzug gezwungen.”

4. “Vergessene Debatte ums Recht auf Vergessen”
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler bemerkt, dass die Debatte um das Recht auf Vergessenwerden von den Medien kaum noch geführt wird: “Das Bedürfnis, die Privatsphäre zu schützen und sich den Augen des interessierten Publikums zu entziehen, ist jedenfalls riesig. Seit dem genannten Gerichtsurteil hat Google fast 218 000 Gesuche um die Löschung von Links zu 786 000 Webseiten erhalten.”

5. “‘Freiheit birgt auch Verantwortung'”
(taz.de, Cigdem Akyol)
Ein Interview mit Jana Sinram, der Autorin der Dissertation “Pressefreiheit oder Fremdenfeindlichkeit? Der Streit um die Mohammed-Karikaturen und die dänische Einwanderungspolitik”, die ohne den Abdruck der Mohammed-Karikaturen auskommt: “Ich habe lange darüber nachgedacht und mich letztlich dagegen entschieden. Jeder, der diese sehen will, kann sie problemlos im Netz finden. Die Karikaturen haben für so viel Hass auf beiden Seiten gesorgt, dass es schwierig ist, sie in einem wissenschaftlichen Buch neutral abzubilden.”

6. “Til Schweiger versus SPIEGEL ONLINE: ‘Irgendwelche Spackos'”
(spiegel.de, Christian Buß)
Christian Buß antwortet Til Schweiger, der auf Facebook fragt, wo die Qualität bleibe, wenn man versuche, “klicks dadurch zu generieren, indem man die gehässigsten twitter-kommentare von irgendwelchen internetnerds, die nix anderes zu tun haben, als zu lästern und zu haten”, publiziere.