Die Online-Redakteure des “Hamburger Abendblatts” sind entsetzt, als sie diese Zeilen schreiben.
Die Mitglieder des Kulturvereins “MaLiMu” sind entsetzt, als sie vor dem Glashütter Kulturhaus […] stehen. Auf der gerade im vergangenen Jahr frisch gestrichenen Wand neben dem Eingang prangt in mannshohen schwarzen Lettern eine hässliche Nazi-Schmiererei. “Hools 1887”.
Mutmaßlich sind die Täter Hooligans – Menschen, deren Freizeitbeschäftigung darin besteht, sich mit Gleichgesinnten zu prügeln oder anderweitig Randale zu machen. Mit den Ziffern “1887” geben die schlichten Gesellen ihrer Nazi-Gesinnung Ausdruck. Die Ziffern stehen für die Buchstaben im Alphabet. Mit diesem Code lassen sich aus “1887” zum Beispiel die Initialen von Adolf Hitler, Heinrich Himmler und Hermann Göring bilden.
Und wer richtig clever ist, der kann aus den Ziffern “1887” sogar das Gründungsjahr des Hamburger SV bilden. Aber das ist nichts für schlichte Gesellen.
Mit Dank an Seppl und Till.
Nachtrag/Korrektur, 12. Juli: Gar nicht mal so clever muss man hingegen sein, um zu erkennen, dass der Artikel schon 2008 veröffentlicht wurde. Wir haben’s trotzdem übersehen und kommen deshalb leider einige Jahre zu spät. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
“Sei cool, fang’ an zu rauchen” wäre im Jahr 2013 in der Tat ein durchaus gewagter Slogan.
Stellt sich dann aber raus, dass “Sei cool, fang’ an zu rauchen” gar nicht der Claim einer “aktuellen Kampagne” ist.
Otmar Wiestler sagt im Interview:
Eine Auswertung der Don’t-Be-A-Maybe-Kampagne von Philip Morris zeigt, dass sie junge Menschen anspricht. Nach dem Motto: sei cool, verhalte dich nicht wie die anderen und fang’ an zu rauchen!
Die Bedeutung von Anführungszeichen ist Journalisten offenbar nicht mehr ganz so geläufig.
“Spiegel Online” hat sich aber auch schon korrigiert.
Also: Nicht wegen der Slogan-Nummer, aber wegen eines anderen Fehlers.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Interviews stand fälschlicherweise, dass es den Philip-Morris-Forschungspreis der Philip Morris Stiftung noch immer gibt. Tatsächlich gibt es ihn seit 2008 nicht mehr. Wohl aber die Philip Morris Stiftung, die jährlich mit 100.000 Euro ausgewählte wissenschaftliche Projekte finanziert. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Nachtrag, 12. Juli: “Spiegel Online” hat eine weitere Anmerkung der Redaktion ans Ende gesetzt:
In einer früheren Version des Teasers hieß es, mit den Worten “Sei cool, fang’ an zu rauchen” animiere eine aktuelle Kampagne junge Leute zum Griff zur Zigarette. Das ist falsch, es gibt keine Kampagne, die diese Worte verwendet. Vielmehr sollte das Zitat sinngemäß eine Aussage des Interviewpartners wiedergeben, der eine aktuelle Kampagne interpretiert hat. Wir haben beide Fehler korrigiert und bitten, sie zu entschuldigen.
Der Vorspann beginnt jetzt so:
Rauchen ist cool – so die sinngemäße Aussage einer aktuellen Kampagne, die auf junge Leute abzielt.
Wir werden angegriffen. Eine grausame Splittergruppe von Extremistinnen mit perversen Fantasien und gewaltigem Manipulationsvermögen ist auf dem besten Wege, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Und wir lassen es ahnungs- und tatenlos geschehen.
So in etwa kann man den Text von Bettina Röhl zusammenfassen, der am Dienstag auf der Internetseite der “Wirtschaftswoche”erschienen ist. Er heißt:
Es geht um jenen Kreis von Menschen, den Bettina Röhl die “Gender-Mafia” nennt. Wahlweise auch die “Gender-Fanatiker”, die “Gender-Fighterinnen” oder die “Kreuzritterinnen der Gender-Ideologie”.
Zwar weiß die Autorin selbst nicht so genau, was dieses “Gender” überhaupt bedeutet, aber eines weiß sie umso besser: Dass es böse ist. Verdammt böse.
Was Gender wirklich ist, weiß Niemand so ganz genau. Dass Gender eine unwissenschaftliche, die Realität ganz offensichtlich auf den Kopf stellende, fanatische Ideologie einer Minderheit ist, die die Mehrheit in ihren Zangengriff genommen hat, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt, steht fest.
“Die Gender-Ideologie” sei “in Wahrheit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit”, ihre Ziele seien “größenwahnsinnig”, “grausam” und “unmenschlich”, zuweilen gar “widernatürlich, verfassungsbrechend und kriminell”. Sie sei “die schmutzige Phantasie von einer kleinen Clique von Extremistinnen, die von der Frauenweltherrschaft, gemeint ist ihre persönliche Weltherrschaft, träumen.”
Es geht noch ewig so weiter. Ein 19.000 Zeichen langes Thesenfeuerwerk, das uns von zwei Dingen überzeugen soll.
Punkt 1, wie gesagt: Gender sei böse, denn die Gesellschaft werde entmännlicht. Im Übrigen kein neues Thema für Bettina Röhl: Schon vor acht Jahren befürchtete sie, der Mann könne vom “lautlos heranrollende[n] Tsunami namens ‘Gender Mainstreaming'” fortgespült werden.
Punkt 2: Gender gewinne an Macht.
“Gender Mainstreaming”, schreibt Röhl, sei “geistige Brandstiftung” und “eine menschenverachtende Fiktion, die nicht trotz dieser Tatsache, sondern mutmaßlich wegen ihres Irrsinns so grausam erfolgreich ist”.
Diesen grausamen Erfolg, diese “Machteroberung durch die Gender-Ideologie” macht Bettina Röhl an einem ganz bestimmten Ereignis fest. Ohnehin ist dieses Ereignis das einzige konkrete Beispiel im gesamten Artikel, der einzige Beleg, den Bettina Röhl anführt, um ihre wilde These von der “Entmännlichung unserer Gesellschaft” zu untermauern.
Und dieses Ereignis liest sich so:
An der Universität Leipzig wird seit kurzem ein (männlicher) Professor mit Herr Professorin angesprochen. Die Gender-Ideologen blasen zum Angriff auf die Sprache und leiten damit einen neuen Orbitalsprung bei der Durchgenderung der Gesellschaft ein.
Das ist er also, der große Erfolg der “Gender-Mafia”, der Meilenstein des Extremfeminismus: Herr Professorin!
Der Herr Professorin, die neue Anrede von Professoren an der Universität Leipzig und nun auch Potsdam, ist kein Scherz, keine Satire. Ironie ist Ideologen unbekannt, das gehört förmlich zur Definition von Ideologie dazu. Es handelt sich auch nicht um einen bloße Volte des Schicksals. Vielmehr wird hier ein Orbitalsprung im Wachstum der Genderkrake exemplarisch sichtbar.
Der Angriff auf die Sprache zwecks Manipulation der Realität ist nicht nur eine strategische Variante, sondern wird jetzt mit Macht getestet und voran getrieben. Herr Bundespräsidentin ist nicht mehr so weit entfernt. Und die Erzwingung der Akzeptanz, dass Männerunterdrückung keine Diskriminierung ist, sondern schlimmstenfalls berechtigte Strafe für 20 000 Jahre Männerdominanz […].
Die Professoren, die sich fröhlich Professorin nennen lassen, wissen nicht ganz genau, was sie mit dieser “Akzeptanz” tun und bewirken. Hier geht es ja nicht um einen Gag machen wir es doch zur Abwechslung einfach mal anders herum und machen die weibliche Form zum Gattungsbegriff für beide Geschlechter, sondern es geht im Kontext um die Machteroberung durch die Gender-Ideologie.
So. Und jetzt nochmal für alle. Die Anrede “Herr Professorin”ist ein Märchen! Fiktion! Reine Fantasie! Eine Erfindung der Medien! Sie hat nichts, aber auch gar nichts mit der tatsächlichen Entscheidung der Uni Leipzig zu tun. Und mit der an der Uni Potsdam genauso wenig.
Wenn am “Herrn Professorin” überhaupt irgendetwas “exemplarisch sichtbar” wird, dann ist es ein Orbitalsprung im Wachstum der Recherchefaulheit mancher Journalisten. Und Journalistinnen.
Mit Dank an Kai, Eberhart L. und NaturalBornKieler.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
2. “Nach Lügengeschichte um getötetes Kind: Neues Leben von Axel L. in Scherben” (rhein-zeitung.de, Ulf Steffenfauseweh und Lars Wienand)
Nach Protesten von Angehörigen liefert “Bild” einen zweiten Artikel zu einem Obdachlosen auf Mallorca. “In einem Zusatz erklärt die Zeitung, dass sie aus edlen Motiven bisher nicht berichtet habe. Um ‘keine alten Wunden aufzureißen’ und ‘aus Rücksichtnahme auf die Familie’ habe man darauf zunächst verzichtet. Dabei war es den Angehörigen ja gerade auf eine Richtigstellung angekommen, sie gratulieren sich jetzt zu ihrer Beharrlichkeit.”
4. “Stirbt die wöchentliche Serie? ZDFneo zeigt ‘Girls’ im Schnellsendeverfahren “ (ulmen.tv, Peer Schader)
ZDF Neo zeigt die ersten fünf Folgen der ersten Staffel von “Girls” “am Samstag von 22 Uhr bis 0.20 Uhr, und die zweiten fünf am Sonntag von 22 Uhr bis 0.15 Uhr. Mitten im Sommer, wenn die jungen Leute natürlich nix anderes zu tun haben, als am Wochenende abends zuhause abzuhängen, um ihre neue Lieblingsserie zu entdecken.”