Im vergangenen Jahr bebilderten “Bild” und Bild.de eine “Bluttat in Berliner WG” mit dem Foto einer jungen Frau, die die Bildersucher aus der “Bild”-Redaktion für das Mordopfer hielten, die in Wahrheit aber quicklebendig in Bremen saß und mit dem Fall rein gar nichts zu tun hatte (BILDblog berichtete).
Eine krasse Verwechslung, von der aber selbst wir dachten, dass sie bei “Bild” einen besonders schlimmen Einzelfall darstellt.
Nun ja.
Der nächste uns bekannt gewordenen Einzelfall ereignete sich jetzt ein gutes halbes Jahr später:
Die naheliegende Konsequenz, für den Anfang einfach keine “privaten” Fotos von Unfall- und Verbrechensopfern mehr zu drucken, will “Bild” aber offenbar nicht ziehen.
Wenn Sie uns gerade ein paar Wochen zurück ins Jahr 2012 folgen möchten — oder besser vielleicht noch ein bisschen weiter, ins neunte bzw. elfte Jahrhundert unserer Zeitrechnung, als der Mariengesang “Ave Maris Stella” (“Meerstern, sei gegrüßet”) entstand, mit dem drei deutsche Priester und eine Sopranistin in diesem Jahr beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC) antreten wollen.
Die “Bild”-Zeitung entdeckte darin, nicht ganz zu unrecht, ein Problem, denn eigentlich dürfen laut Wettbewerbsregeln nur Lieder teilnehmen, die nicht vor dem 1. September des Vorjahres veröffentlicht wurden — eine Deadline, die “Ave Maris Stella” um etwa tausend Jahre gerissen hätte.
Andererseits hatte der NDR als verantwortlicher Sender eine ganz gute Antwort auf die “Bild”-Frage, warum der Song trotzdem teilnehmen dürfe: Es handele sich um eine “Neukomposition, die lediglich von der historischen Vorlage inspiriert wurde”.
Die “Bild”-Zeitung nahm diese Erklärung zur Kenntnis und zitierte sie sogar in ihrem Artikel. Andererseits ist für sie natürlich die Tatsache, dass eine heikle Frage mit “Nein” beantwortet wurde, kein Grund, sie nicht trotzdem zu stellen:
Beim Produzieren der potentiellen Skandalhaftigkeit, die dafür sorgte, dass die vermeintlich drohende Skandalisierung sogar von Medien im befreundenachbarten Ausland aufgenommenwurde, half “Bild”-Mann Mark Pittelkau ein Kronzeuge: der ausgewiesene ESC-Fachmann Ivor Lyttle. Er wird von “Bild” so zitiert:
“Ein klarer Regelverstoß”, sagt Grand-Prix-Experte Ivor Lyttle (52, EuroSong News). “Das Lied kennt doch jeder.”
Auf unsere Nachfrage sagt Lyttle allerdings, Pittelkau habe ihn lediglich gefragt, ob es ein Verstoß gegen die Regeln wäre, wenn das Lied schon 900 bzw. 1100 Jahre alt wäre. Das habe er bejaht.
Den Satz “Das Lied kennt doch jeder” habe er nie gesagt. Er, zum Beispiel, kenne es nicht.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
Bis zum 11. Januar gibt es hier ein ungewöhnliches Experiment: BILDblog und die Deutsche Journalistenschule organisieren die Urlaubsvertretung von Ronnie Grob – Schüler der 50sten und 51sten Lehrredaktion der DJS werden in den nächsten Tagen täglich sechs besondere Links auswählen und im BILDblog und auf djs-online.de vorstellen. Heute ausgewählt von Martin Schneider und Laura Hertreiter.
1. Work-Clouds in der komitativen Sphäre (telepolis, Rudolf Stumberger)
Wie die neuen Medien Zeit-Raum-Strukturen verändern – und welches politische Potenzial sich dahinter verbirgt.
2. 2012 – The year in Graphics (New York Times)
Die “New York Times” hat einige bemerkenswerte Grafiken zu einem datenjournalistischen Jahresrückblick zusammengestellt.
5. Storify zu #Steinbrückfilme (tobiasgillen.de, Tobias Gillen)
Die Äußerungen von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, das Gehalt eines Bundeskanzlers sei zu niedrig, erntete in der Twitter-Community unter dem Hashtag #Steinbrückfilme eine Welle an Hohn und Spott. Hier die Zusammenfassung in einem Storify.
6. How we made snow fall (Source, Steve Duenes, Erin Kissane, Andrew Kueneman, Jacky Myint, Graham Roberts, Catherine Spangler)
Reporter, Designer und Techniker der New York Times erklären, wie sie das kürzlich veröffentlichte, aufsehenerregende Multimedia-Projekt “Snow Fall – The Avalanche at Tunnel Creek” gemacht haben.