Archiv für Februar 7th, 2012

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Rach- und Sach-Geschichten

Das klingt richtig nach Recherche:

BILD fragte bei allen 50 Lokalen nach, die der Super-Koch [Christian Rach] seit September 2005 für RTL testete und auf Vordermann bringen wollte.

Die “Rach-Bilanz von BILD”:

Von den 50 Lokalen, in denen er der Tabula rasa machte, sind 27 nie wieder auf die Beine gekommen oder wechselten den Besitzer (siehe Liste).

Der Blick auf diese Liste war für Barbara Ullrich eine böse Überraschung. Dort war auch das Parkhotel in Villingen-Schwenningen als Misserfolg aufgeführt, mit dem sie 2007 in einer Folge von “Rach, der Restauranttester” zu sehen war.

Eigentlich, sagt eine Freundin von ihr, sei der Laden damals ohnehin gut gelaufen, und man hätte sich nur als “Stammtisch-Gag” bei RTL beworben. Das RTL-Team hätte das auch gewusst, man habe halt vor der Kamera so getan, als würde es Probleme geben. Der Besuch von Rach hat jedenfalls nicht geschadet. Barbara Ullrich selbst sagt, er habe dem Team seine “Scheuklappen” entfernt; man sei mit seinen Tipps “immer sehr gut gefahren”.

Im Februar 2011 nutzte Ullrich die Chance, in ihre Heimatgemeinde Mönchweiler zurückzugehen und dort den Gasthof Hirschen zu übernehmen. Deshalb wird das Parkhotel heute von anderen Leuten betrieben.

Das muss den eifrigen Rechercheuren von “Bild” entgangen sein, und mit Frau Ullrich haben sie nach deren Auskunft gar nicht gesprochen. Jedenfalls liest es sich nun so, als wären die alten Betreiber des Parkhotels in Villingen gescheitert. Seit heute morgen wird Ullrich mit Anrufen überschüttet: Viele Gäste meinten, sie hätte ihnen eine Pleite verheimlicht. Und die Vermieterin des neuen Hotels machte sich plötzlich Sorgen über die Zuverlässigkeit ihrer Pächter.

Bild.de hat die Hotel-Liste heute Mittag unauffällig und ohne jeden Hinweis geändert. Nun steht dort zum Parkhotel immerhin:

Neuer Besitzer. Die Betreiber eröffneten in Mönchweiler ein neues Hotel (“Zum Hirschen”).

Aber die Überschrift lautet natürlich weiterhin:

HIER KONNTE RACH NICHT HELFEN

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Das Weltall ist zu weit

“Bild”-Überschriften sind traditionell kreischig, laut und unsubtil und geben nur in Ausnahmefällen den Inhalt des Textes wieder, über dem sie thronen.

Insofern ist das heute eine sehr klassische “Bild”-Schlagzeile:

Mit Überschall-Geschwindigkeit: Irrer Ösi springt aus dem All auf die Erde

Da will also ein Mann “aus dem All auf die Erde” springen. Oder genauer:

An einem riesigen Heliumballon (Durchmesser 80 Meter) steigt Baumgartner auf 37 Kilometer – das ist fast schon im All!

… womit die eigene Überschrift Lügen gestraft wäre. Der Weltraum fängt tatsächlich – je nach Definition – zwischen 80 und 100 Kilometer Höhe an.

Mit “Bild”-Reporter Herbert Bauernebel möchte man also auch nicht in Urlaub fahren, wenn er schon vor der Hälfte der Strecke verkündet, “fast schon” da zu sein.

Mit Dank an Rainer S., Matthew L., Daniele und Maxl.

Max Schradin, Blick, Schaffhauser Nachrichten

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “9Live hat sich selbst ein Bein gestellt”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Max Schradin, ehemaliger Mitarbeiter des 2011 eingestellten Call-In-Senders 9Live, gibt Auskunft über seine damalige Arbeit. “Wenn 9Live von Anfang an zusammen mit der BLM klare Spielregeln formuliert hätte, dann hätte es vielleicht am Anfang nicht so ein exorbitantes Umsatzwachstum bei dem Sender gegeben, aber 9Live wäre jetzt noch auf Sendung, weil man sich dann sowas wie den Stirnlappenbasilisk gar nicht hätte ausdenken müssen.”

2. “batz.ch ungefragt in den Schaffhauser Nachrichten”
(batz.ch, Monika Bütler)
Monika Bütler, Professorin an der Universität St. Gallen, erfährt über Leser, dass ein im Juni 2011 publizierter Blogeintrag in den “Schaffhauser Nachrichten” abgedruckt wurde – “ohne mein Wissen, geschweige denn Einverständnis”.

3. “Digitales Fact-Checking verändert Journalismus”
(derstandard.at, Tatjana Rauth)
Tatjana Rauth stellt verschiedene Portale vor, die sich dem Prüfen von Fakten verschrieben haben.

4. “Der ‘Blick’ entschuldigt sich wegen des ‘Foltercamps'”
(tagesanzeiger.ch, Edgar Schuler)
Die Boulevardzeitung “Blick” entschuldigt sich in ihrer heutigen Ausgabe bei Beat Dünki. Ausserdem erhält dieser “von Ringier eine Genugtuungssumme, über die er sich ausschweigt, die aber mehrere Hunderttausend Franken betragen dürfte”. Siehe dazu auch “Späte Genugtuung für Medienopfer” (tageswoche.ch, Monika Zech).

5. “Das große Reissackschubsen”
(philibuster.de, Michael Stepper)
“Don’t feed the troll!”, erinnert Michael Stepper die “Netzgemeinde” hinsichtlich der “arg inszenierten Kampfansage an das Social Web” von CDU-Politiker Ansgar Heveling. “Beim Handelsblatt wird man sich ins Fäustchen gelacht haben, dass die (Marketing- respektive Traffic-)Strategie so schön aufgegangen ist (aber nur ein Schelm vermutet Absicht).” Siehe dazu auch “Netzstreithähne, gemeinsam könnt Ihr den Kampf gewinnen!” (carta.info, Hans F. Bellstedt)

6. “Vom Mythos des Realen”
(vocer.org, Tom Kummer)
Interviewfälscher Tom Kummer hält Objektivität, genauso wie Wahrheit und Wirklichkeit in den Medien, für einen reinen Mythos. “Klar fände ich – und die ganze Kummer-Familie – es heute schön, wäre ich für irgendetwas Seriöses berühmt geworden, etwas, das die Menschheit weiterbringt. Aber ich bin berühmt, weil ich Interviews mit Stars teilweise inszeniert habe.”