Archiv für Mai 25th, 2011

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Weltraumtechnik gegen Darmbakterien

Womöglich müssen wir froh sein, dass Franz Josef Wagner seine heutige “Post von Wagner” nicht direkt an die “verdammten Bakterien” adressiert hat, sondern nur an die “lieben Bakterien-Forscher”. Das war dann aber auch seine vorerst letzte logische Amtshandlung.

Nachdem Wagner festgestellt hat, dass “immer mehr EHEC-Infektionen” in Deutschland gemeldet werden, macht er den “lieben Bakterien-Forschern” Vorwürfe:

Was mich erschreckt, ist, dass Ihr Experten nichts wisst. Ihr wisst nicht, welche Keime uns töten und wie wir uns vor ihnen schützen können. Mich erschreckt Eure Hilfslosigkeit.

Aber auch in seiner erschrockenen Stunde der Hilflosigkeit gelingt es Wagner noch, dem eigenen Nationalstolz zu frönen:

Wir Deutsche sind ein Ingenieursvolk, wir bauen die besten Autos. In der Weltraumtechnik leisten wir hervorragende Arbeit. Wenn man zurückdenkt, dann haben wir Deutsche eigentlich alles erfunden. Das Internet, das Auto, den Zeppelin, Röntgen.

… außerdem das Rad, das Feuer und dieses Plastikteil, das man an der Supermarktkasse aufs Laufband legt, damit man nicht versehentlich die Zigaretten vom Vordermann mitbezahlt.

Aber noch mal zurück zu Wagners Auflistung: Das Internet entstand in den 1960er Jahren an amerikanischen Universitäten (das World Wide Web Ende der 1980er am Schweizer Forschungszentrum CERN); beim Auto kann man ein bisschen darüber streiten, ob es nun von Carl Benz “erfunden” wurde oder von irgendwelchen Franzosen, und auch wenn der Zeppelin zweifelsohne auf die Initiative von Ferdinand Graf von Zeppelin zurückgeht, so gilt doch der Ungar David Schwarz als Erfinder des ersten starren Luftschiffs. Und das Röntgen hat Wilhelm Conrad Röntgen streng genommen nicht erfunden, sondern die Strahlen eher entdeckt.

Trotz seiner Sorge und Ahnungslosigkeit gibt sich Wagner gegen Ende aber optimistisch:

Weil ich an das menschliche Gehirn glaube, glaube ich, dass alles gut ausgeht.

Wir wären beim Glauben an das menschliche Gehirn etwas vorsichtiger.

Mit Dank an Holger K. und Bruder B.

Spiegel, EHEC, Brisant

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Eine Anmerkung zum Thema Qualitätsjournalismus”
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Die Berichterstattung der “Süddeutschen Zeitung” über den Prozess vor dem Münchner Landgericht: “Ottried Fischer hat keineswegs eine Klage gegen einen Reporter verloren, weil er eine solche gar nicht angestrengt hatte. Der besagte Reporter war vielmehr im Rahmen eines Strafverfahrens von der Staatsanwaltschaft angeklagt worden. Fischer ist in diesem Strafprozess lediglich als sog. Nebenkläger aufgetreten. Die feinsinnige Unterscheidung zwischen Klage und Anklage zwischen Zivil- und Strafprozess darf man von einer Zeitung, die den Anspruch erhebt, eine der besten des Landes zu sein, erwarten.” Die Berichterstattung von Stern.de analysiert der Trittbretttreter im Beitrag “Journalistische Redundanz – und andere Kunstfehler”.

2. “Spiegel. Sex. Power. Bullshit.”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier analysiert die aktuelle “Spiegel”-Titelgeschichte, die sich dem Thema “Sex & Macht” widmet. Ullrich Fichtner und Dirk Kurbjuweit schreiben über “Die Affäre Strauss-Kahn u.a.”.

3. “EHEC – der neue Erreger”
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
“Haben nicht viele Journalisten bei früheren Fällen insgeheim damit gehadert, dass den Phänomenen Schweinegrippe, SARS, Vogelgrippe und BSE ein bisschen zu viel Ehre angetan worden war?” fragt Tagesschau-Chef Kai Gniffke. Allerdings sei EHEC “seit gestern das zentrale Gesprächsthema in Deutschland” und müsse darum “in einer Nachrichtensendung vorkommen – nüchtern, sachlich und seriös. Aber sehr bewusst haben wir uns dagegen entschieden, das Thema an die Spitze der Sendung zu setzen.”

4. “Oberlehrer im Blindflug”
(theeuropean.de, Alexander Kissler)
“Politikerhass und Obszönität” seien die beiden Mittel, mit denen die öffentlich-rechtlichen Satireformate “Neues aus der Anstalt”, “Satire Gipfel” und “heute show” versuchen, Lacherfolge zu erzielen, meint Alexander Kissler: “Ganz offensichtlich genießt es eine wachsende bürgerliche Klientel, sich ihr Vorurteil von der Politik als einer Veranstaltung für Dödel bestätigen zu lassen.”

5. “Blöd On Blöd”
(coffeeandtv.de, Lukas Heinser)
Das ARD-Boulevardmagazin “Brisant” feiert den 70. Geburtstag von Bob Dylan.

6. “Why I Will Never, Ever Hire A ‘Social Media Expert'”
(businessinsider.com, Peter Shankman, englisch)