Archiv für Mai 11th, 2011

Niveau ist keine Hautcreme (3)

Der Beiersdorf-Konzern will in diesem Jahr weltweit eine Milliarde Euro in die Werbung für seine Top-Marke Nivea investieren.

So tickerte die Nachrichtenagentur dpa gestern.

Ob es am hohen Werbeetat liegt oder an den vielen “Markenbotschaftern”, die für Nivea unterwegs sind, immer wieder (BILDblog berichtete) erscheinen vermeintliche redaktionelle Inhalte in verschiedenen Medien, denen der Hinweis “Anzeige” besser stehen würde.

Besonders krass ist dieser Beitrag im Onlineauftritt der Schweizer Boulevardzeitung “Blick”:

Alles nur Nivea! Nadine Vinzens erkl�¤rt ihre Busenexplosion

Das Schweizer Model Nadine Vinzens war laut blick.ch zuvor “mit überraschend vollen Lippen und üppigem Décolleté” auf der Zürcher “Energy Fashion Night” erschienen, was die Journalistin Flavia Schlittler zu einer Art Interview veranlasste:

Was steckt dahinter – Silikon, Kollagen? Nadine winkt ab, erklärt ihren ganz neuen Look:

Die vollen Lippen: “Sie wirken so gross, weil ich den Volume Shine Wonder Full Lipgloss von Nivea benutze”.

Die straffe braune Haut: “Ich nehme eine Bodylotion von Nivea. (…) Auch meine Hände pflege ich intensiv mit einer Handcreme von Nivea.”

Die üppige Oberweite: “Ich trage einen speziellen Push-up (…). Würde Nivea BH machen, hätte ich bestimmt einen von ihnen”, lacht die Schauspielerin.

Hahaha, und wenn man Nivea essen könnte, dann gäbe es keine Verstopfungen mehr. Aber einer geht noch:

Alles Nivea oder was? “Ja. Ich bin damit gross geworden und es tut mir einfach gut. An mir ist von Kopf bis Fuss alles echt”, behauptet Nadine (…)

Es verwundert nicht, dass Nadine Vinzens in einem Interview mit der Zeitschrift “Schweizer Familie” vor einem Jahr sagte:

Ich benütze natürlich die Crèmes und Shampoos meiner Sponsoren Nivea und Rausch, aber das ist auch schon alles.

Nadine Vinzens ist Markenbotschafterin für Nivea und Flavia Schlittler ist Journalistin. Wenigstens eine der beiden hat ihren Job gut gemacht.

Mit Dank an Raphael S. und Michael H.

Spiegel Online, Henri-Nannen-Preis, ESC

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die nützliche Falschmeldung vom Euro-Austritt”
(zeit.de, Yanis Varoufakis)
Yanis Varoufakis schreibt in seinem Blog mehrere Texte zum “Spiegel”-Artikel “Griechenland erwägt Austritt aus der Euro-Zone”. Marcus Gatzke übersetzt den neusten: “Der in der deutschen Politik bestens vernetzte Spiegel wollte zusammen mit bestimmten Kreisen in der deutschen Regierung – vor allem des Bundesfinanzministeriums – ein Signal an das Kanzleramt und den griechischen Ministerpräsidenten senden.”

2. “Das Vorabendgrauen zum Eurovision Song Contest”
(faz-community.faz.net/blogs/fernsehblog, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier schaut “ein Programm voller Verzweiflung und zum Verzweifeln”, nämlich die “Show für Deutschland” auf ARD, in der Frank Elstner die deutsche Kandidatin für den ESC 2011, Lena Meyer-Landrut, befragt. Ausschnitte daraus auf YouTube (Video, 2:31 Minuten).

3. “Abschreibejournalismus kommt in Mode”
(theeuropean.de, Martin Eiermann)
Martin Eiermann fragt, wie viel “New York Times” in “Spiegel Online” steckt: “Der Bericht, dass 600 Hunde in Afghanistan und dem Irak im Einsatz sind? Die Neuanschaffung von vier Kampfwesten für die Vierbeiner? Die interne Einschätzung des Militärs, welche Hunderassen besonders geeignet für den Kampf gegen Mann und Maus seien? Alles in der New York Times nachzulesen und akkurat im SPIEGEL zitiert. Google Translate hätte es besser nicht machen können.”

4. “Die Geschichte vom traurigen Dinosaurier”
(journalist.de, Steffen Grimberg)
Steffen Grimberg präsentiert die Patientenakte der “Frankfurter Rundschau”: “Die Zahl der Abonnements ist in nur fünf Jahren um fast ein Drittel eingebrochen, auch der Einzelverkauf bröckelt. Im Zehnjahresvergleich sehen diese Werte noch dramatischer aus: Mehr als 40 Prozent beträgt der Verlust beim Abo, der Einzelverkauf hat sich mehr als halbiert.”

5. “Interview mit Oliver Gehrs zum Eklat beim Henri-Nannen-Preis”
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
Nach der Erklärung der Jury des Henri-Nannen-Preises zur Aberkennung eines gerade verliehenen Preises wird in deutschen Medien ausführlich diskutiert, siehe dazu Texte von “Spiegel Online”, Stefan Winterbauer, Wolfgang Michal, Hans Leyendecker, Harald Martenstein, Matthias Dell und anderen. Oliver Gehrs meint: “Die Maßstäbe, die da nun plötzlich angelegt werden, sind ja eher zufällig und der ganze Eklat kam nur zustande, weil René Pfister auf der Bühne die Wahrheit ausgesprochen hat. Wenn man die ganzen preisgekrönten Reportagen der vergangenen Jahre anschaut, wird man womöglich viele Passagen finden, die ähnlich zustande gekommen sind.”

6. “Balken-Sonnenbrille bietet Sonnen- und Persönlichkeitsschutz”
(neuerdings.com, Frank Müller)
Die Sonnenbrille “Paparazzi Shades” kostet 12 US-Dollar.