Archiv für März 28th, 2011

Bild  

Diese Tschernobyls

Wie verknüpft man den persönlichen Schicksalsschlag einer Schauspielerin am Besten mit aktuell flottierenden Themen?

“Bild” macht es heute vor:

TV-Star Witta Pohl mit Blutkrebs auf der Intensiv-Station! Vor 11 Jahren war sie im Reaktor von Tschernobyl...

Die drei Punkte bedeuten laut “Bild” dies:

Es gibt Fotos, die Witta Pohl vor elf Jahren im Unglücksreaktor von Tschernobyl zeigen. Sie steht dort im Kontrollraum des Kernkraftwerkes. Für ihr Hilfsprojekt “Verein Kinderluftbrücke e.V.” war sie öfter in die Ukraine gereist.

Dass diese Aufenthalte etwas mit ihrer plötzlichen Erkrankung zu tun haben könnten, schließen die Ärzte aber “ausdrücklich” aus.

“Ihre Reisen nach Tschernobyl im Rahmen ihrer Aktivitäten für die Kinderluftbrücke stehen in keinem kausalen Zusammenhang mit ihrer Erkrankung”, heißt es aus Familienkreisen. Und: “Das Schlimme an Krankheitsbildern wie diesen ist, dass sie sich oft der Frage nach dem Warum entziehen.”

Diese Frage nach dem Warum lässt “Bild” dennoch nicht los — und so hat die Zeitung eine schon beinahe traditionelle Erklärung gefunden:

Der Fluch der Drombuschs

Mit Dank an Christian und Alex A.

Bild  

German Walniederlage

Heute erklärt uns Franz Josef Wagner mal, warum “wir” (also die Menschen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) eigentlich die Grünen wählen. Der Brief gehört selbst in der Rubrik “Post von Wagner” zu den spezielleren Exemplaren.

Beginnen wir daher mit dem Offensichtlichen: Anders als Wagner behauptet, hatten die Menschen in den 1980er Jahren nicht Angst vor einem “Walsterben”, sondern vor dem Waldsterben.

Etwas komplexer ist da schon diese Passage:

250 000 Atomkraftgegner demonstrierten in Deutschland am Wochenende, in Tokio, der 40-Millionen-Stadt, demonstrierten zur gleichen Zeit nur kümmerliche tausend.

In unserer Luft ist nichts, unsere Luft ist rein. Vor lauter Angst gehen wir auf die Straße, vor lauter Angst wählen wir grün.

Mal davon ab, dass die Menschen in Tokio vielleicht gerade auch noch etwas anderes zu tun haben als zu demonstrieren, haben die deutschen Atomkraftgegner ja nicht demonstriert, obwohl “unsere Luft” “rein” ist, sondern damit sie es bleibt: Ihr Ziel ist die Abschaltung deutscher Atomkraftwerke.

Und dann ist da noch der Aufhänger von Wagners Text, die “German Angst”:

Liebe “German Angst”,

ich glaube, dass Du die Wahl in Baden-Württemberg mitentschieden hast. Der Begriff “German Angst” klingt zwar deutsch, kommt aber aus dem englischen Wortschatz. Es gibt nur vier deutsche Worte, die englische Umgangssprache wurden. Kindergarten, Rucksack, Weltschmerz, “German Angst”.

Oder “Schadenfreude”, “Zeitgeist”, “Blitzkrieg” “Leitmotif”, oder, oder, oder

Mit Dank an Hauke H., Timon S., Martin R., Mutlu Y. und Jens W.

Nachtrag, 29. März: In einigen Druckausgaben scheint jemand Wagner korrigiert zu haben. Zumindest steht dort “Waldsterben”.

Lira Bajramaj, Brandanschlag, WAZ

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die veränderten Interview-Zitate”
(blogs.taz.de/hausblog, Maria Rossbauer)
Fußball: Das Management von Lira Bajramaj schreibt ein Interview mit der Nationalspielerin neu: “Es schien fast so, als wollten sie Bajramaj nicht so haben, wie sie uns im Gespräch vorkam: Witzig, temperamentvoll und durchaus eine Meinung vertretend.”

2. “Strohfeuer um fiktiven Brandanschlag”
(oldenburger-lokalteil.de, Maik Nolte)
Maik Nolte blickt zurück auf einen von den Medien als “Anschlag” bezeichneten Brand in Ahlhorn vor einem halben Jahr. Für die Staatsanwaltschaft habe sich “kei­ner­lei Anhalts­punkte dafür erge­ben, dass Tier­schüt­zer, dritte Per­so­nen, die Fami­lie Gro­te­lü­schen selbst oder der Wach­mann den Papier­korb ange­steckt haben”.

3. “ZDF dementiert: Gottschalk-Nachfolge völlig offen”
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Die WAZ verschickt nach einem Interview mit ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut eine Pressemitteilung mit der Überschrift “Nur Kerkeling und Pilawa haben noch Chancen auf Gottschalk-Nachfolge”. Das ZDF dementiert und spricht von einer Falschmeldung.

4. “Spielen Japans Medien die Atomkrise herunter?”
(zeit.de, Georg Blume)
Japanische Journalisten halten sich mit Kommentaren zur Einschätzung der Lage am Kernkraftwerk Fukushima zurück. “Viele der besser informierten” in Japan würden auf ausländische Medien und Webseiten zurückgreifen. “Besondere Aufmerksamkeit finden in Tokyo die Grafiken von Spiegel Online und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien, die genau die Ausbreitung der radioaktiven Wolke von Fukushima nachzeichnen.”

5. “Die heulen ja gar nicht!”
(medien-monitor.com, Agnes Heitmann)
Deutsche Journalisten können die gefassten Reaktionen der Japaner auf die Katastrophe nicht nachvollziehen. Agnes Heitmann fragt: “Sind wir vielleicht diejenigen, die sich befremdlich verhalten?”

6. “Wie Frauen flirten”
(graphitti-blog.de, katja, Grafik)