Archiv für Januar 5th, 2011

dpa  

Auf zu den Sternen

Der Weg vom namentlich weitgehend unbekannten Nebendarsteller zum “TV-Star” ist ein schwerer — es sei denn, man steht unter Vergewaltigungsverdacht, stirbt frühzeitig oder soll seine Mutter getötet haben. Dann ist man zumindest im Paralleluniversum von “Bild” und Bild.de kurzzeitig ein Star.

In einem ganz anderen Universum wurde Bill Erwin posthum zum Star: Die Deutsche Presseagentur (dpa) ernannte den im Alter von 96 Jahren verstorbenen Amerikaner in der Überschrift seiner Todesmeldung zum “‘Enterprise’-Star” und begründet das wie folgt:

Der US-Schauspieler Bill Erwin, deutschen Fernsehzuschauern vor allem als Dr. Dalen Quaice in “Raumschiff Enterprise” bekannt, ist tot. Er starb bereits am Mittwoch vergangener Woche im Alter von 96 Jahren in Studio City bei Los Angeles, berichtete die “Los Angeles Times” am Dienstag. Auch in den “Golden Girls”, “Eine schrecklich nette Familie”, “ER” und anderen Serien war er zu sehen.

Ohne Bill Erwin zu nahe treten zu wollen: “Bekannt” war er wohl selbst den treuesten “Star Trek”-Fans nicht. Als Dr. Dalen Quaice, Mentor von Dr. Beverly Crusher, trat er in exakt einer Folge von “Star Trek: The Next Generation” (“Raumschiff Enterprise — Das nächste Jahrhundert”) auf.

Die “Los Angeles Times” schrieb dann auch lieber, dass der “Charakterdarsteller” Bill Erwin aus anderen Gründen in Erinnerung bleiben werde:

Trotz [seiner zahlreichen Auftritte] ist Erwin insbesondere für seine Arbeit bei “Seinfeld” bekannt. Der Schauspieler erhielt 1993 eine Emmy-Nominierung für seine Rolle in der Sitcom als Sid Fields, auch bekannt als der “kauzige alte Mann”.

(Übersetzung von uns.)

Die BBC nennt den Verstorbenen deshalb minimal begründeter einen “‘Seinfeld’-Star”. Da die Serie hierzulande aber nur am Rand zum popkulturellen Erbe gehört, geht Bill Erwin nun für viele dpa-Kunden wie bunte.de (“Mit der Serie ‘Raumschiff Enterprise’ wurde Bill Erwin für viele Fans zum Helden.”), t-online.de und die “Münsterländische Volkszeitung” als “‘Star Trek’-Star” in die Geschichtsbücher ein.

Mit Dank an Michael M.

Viel Spaß, Talkshows, Schweinegrippe

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Zeitschrift mit dem Frausrufezeichen”
(stefan-niggemeier.de)
Die Zeitschrift “Viel Spaß” löst den Konflikt zwischen Frage und Fakt mit einem neuen Satzzeichen.

2. Interview mit Peter Frey
(faz.net, Michael Hanfeld)
Der Chefredakteur des ZDF, Peter Frey, erinnert daran, dass TV-Talkshows den ältesten Zuschauerschnitt haben. Darauf verstärkt zu setzen sei “waghalsig und kein Schritt in die Zukunft”. “Die Versuchung der Talkleute besteht darin, Erfolg durch die stets gleichen Namen zu suchen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Politiker der Generation Siebzig-plus da Sonderverträge haben.”

3. “Wer wird wie oft zu Talkshows eingeladen?”
(zettelsraum.blogspot.com, Zettel)
Zettel glaubt, aufgrund von Auswertungen zu eingeladenen Gästen in Talkshows 2010 (siehe auch meedia.de, 22.12.2010) einen Überhang an linken Politikern erkennen zu können.

4. “Sieben Leitlinien für die SRG”
(nzz.ch, Roger de Weck)
Roger de Weck, neuer Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG, legt in sieben Leitlinien seine Sicht auf den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk dar.

5. “Über Parallelen zwischen Napoleon und den Guttenbergs”
(zeit.de, Harald Martenstein)
Harald Martenstein denkt darüber nach, wie Journalisten die Selbstinszenierung von Politikern aufnehmen. “Was mir auf den Geist geht, sind die Myriaden von Kollegentexten, in denen aus jeder Politikerhandlung eine Karrieretaktik herausgelesen wird. Wenn ein gewisser Brüderle eine Rede hält oder eine Rede absagt, dann gewiss nur deshalb, weil er den Job eines gewissen Westerwelle haben möchte.”

6. “Medien nur mäßig begeistert von Comeback der Schweinegrippe”
(der-postillon.com)
Siehe dazu auch “H1N1 ist die neue Allerweltsgrippe” (zeit.de, Dagny Lüdemann).