Archiv für August 5th, 2010

Kübel mitgespielt

Falls Sie den heutigen Tag außerhalb von Social-Media-Diensten wie Twitter oder Facebook verbracht haben, ist diese Nachricht möglicherweise neu für Sie: In Neuenkirchen ist ein Blumenkübel umgekippt. Oder genauer: Er wurde umgeworfen und ging dabei zu Bruch.

Aus Gründen, die hinterher nie so ganz nachzuvollziehen sind, fand der Artikel aus dem Neuenkirchener Lokalteil der “Münsterschen Zeitung” heute großen Anklang beim Kurznachrichtendienst Twitter. Die Nutzer machten die verschiedensten Scherze zum Thema und “Blumenkübel” wurde zu einem der meist genutzten Begriffe am heutigen Tag.

Dieser Hype, auch als “Internet meme” bezeichnet, rief wiederum die etablierten Medien auf den Plan, die im Sommerloch endlich etwas hatten, worüber sie berichten konnten.

So zum Beispiel die Internetausgabe der “Nürnberger Zeitung”, die zu berichten wusste:

Selbst im internationalen Programm des US-Nachrichtensenders CNN beschschäftigte man sich mit dem umgetretenen Münsteraner Blumentopf. Breaking News – diesmal aus dem westfälischen Hinterland.

Und so sah das aus bei CNN:

Auch in den USA registrierte man den "German big flower bucket".

Beziehungsweise nicht, denn wie man sich fast hätte denken können, handelt es sich bei der Grafik um einen Fake, von dem heute verschiedene Versionen auftauchten — alle übrigens basierend auf einem anderen Fake, der schon seit mehreren Jahren im Umlauf ist.

Dass das alles nicht so stimmte, haben sie auch bei der “Nürnberger Zeitung” schnell gemerkt, weswegen das obige Zitat aus dem Artikel verschwand und die Bildunterschrift ausgetauscht wurde:

Auch in den USA registrierte man den Blumenkübel. Dieses Bild von den CNN-News ist allerdings ein Fake von deutschen Internetusern. So weit ging die weltweite Aufmerksamkeit dann doch nicht.

Nur ein Satz konnte sich noch längere Zeit im Vorspann halten:

Auch CNN und dpa war die Sache ein Eilmeldung wert.

Inzwischen ist auch dieser Satz ersetzt worden.

Mit Dank an Matthias Sch.

Nachtrag, 23.15 Uhr: Unser Leser Farlion schreibt uns, dass er die Redaktion der “Nürnberger Zeitung” telefonisch auf den Irrtum aufmerksam gemacht habe. Erst danach sei der Artikel geändert worden.

Praktika, Pseudonyme, Sexualstraftäter

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Hetzjagd auf Sexualstraftäter”
(ndr.de, Video, 5:15 Minuten)
Reporter von “Bild” und “Hamburger Morgenpost” jagen den rechtmässig aus der Haft entlassenen Hans-Peter W. von einer Stadt in die andere und erschweren so eine Resozialisierung.

2. “Hinter der grünen Tür”
(fernsehkritik.tv, Video, 40:33 Minuten)
N-tv und RTL zeigen in Liveberichten während rund 90 Minuten das Eingangstor der Justizvollzugsanstalt Mannheim. Schließlich erscheint der Angeklagte Jörg Kachelmann, was bei RTL zur sofortigen Unterbrechung des laufenden Programms führt (der wahrlich harte Schnitt ab 8 Minuten).

3. “Die weltfremde Medienmoral-Debatte”
(meedia.de, Georg Altrogge)
Georg Altrogge widerspricht den Einschätzungen von Christian Schicha zur Loveparade-Berichterstattung (taz-Interview) und wünscht sich Medienwächter, die sich für “den investigativen Handlungsspielraum und die Presse- und Meinungsfreiheit” einsetzen. “Zweifelsohne gibt es viele, denen es nur Recht wäre, wenn auch von der Loveparade keine Bilddokumente veröffentlicht worden wären, die ein Zeugnis liefern von der Panik im Tunnel, dem opferverachtenden Verhalten der Zuständigen in der Duisburger Stadtverwaltung oder eines Oberbürgermeisters, der sich in grotesker Weise an ein gut dotiertes Amt klammert.”

4. “Zehn Gründe gegen ein Presse-Leistungsschutzrecht”
(telemedicus.info, Arnd Haller)
Arnd Haller von Google Deutschland zählt zehn Gründe auf, die gegen ein geplantes Leistungsschutzrecht sprechen. Kai Biermann hat die Punkte hier etwas kürzer zusammengefasst.

5. “Generation Praktikum? Ein Mythos!”
(fudder.de, Philipp Barth)
Philipp Barth hält die von Journalisten ausgerufene “Generation Praktikum” vor allem für ein Problem der Medienbranche.

6. “Wir müssen dann den Taliban als Zeugen vernehmen”
(buskeismus-lexikon.de, Rolf Schälike)
“Spiegel Online” schreibt über einen Soldaten und verpasst ihm (“Name von der Redaktion geändert”) ein Pseudonym. Doch es gibt tatsächlich einen Soldaten mit diesem Namen. Man trifft sich vor dem Landgericht Hamburg.