Archiv für Juni 23rd, 2010

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Wie man sich für Lena zum Horst macht

Manchmal ist es ganz leicht, an eine aufregende Geschichte zu kommen: Man muss sich nur ganz blöd stellen.

Ich spiele "Lena" im TVHeute macht sich in der “Bild”-Zeitung die Barack-Obama-Trainingspartnerin Judith Bonesky zum Horst und verkauft sich und ihre Leser für dumm, indem sie so tut, als habe die neue ZDF-Seifenoper “Lena”, die das ZDF vom Herbst an ausstrahlen wird, irgendetwas mit der gleichnamigen Sängerin und Grand-Prix-Gewinnerin zu tun, die sich so schrecklich unwillig zeigt, der “Bild”-Zeitung aufregende Geschichten von sich zu erzählen.

Bonesky schreibt:

Berlin/Köln — Von der Abiturientin zum Grand-Prix-Superstar: Der kometenhafte Aufstieg von Lena Meyer-Landrut (19, “Satellite”) hat ganz Deutschland verzaubert.

JETZT WIRD LENA ZUR TV-SEIFENOPER!

(…) Story: Hauptdarstellerin “Lena” trifft einen mächtigen Musikproduzenten. Der entdeckt ihre tolle Ausstrahlung, ihr großes Talent — ganz so wie Stefan Raab bei Lena …

Und wie in Lenas echtem Leben ist ist dies der Beginn einer märchenhaften Gesangskarriere: Lena erobert die Herzen ihrer Fans, wird zum Star!

(usw. usf.)

Online trug der Artikel ursprünglich sogar die Überschrift “Jessica Ginkel spielt Grand-Prix-Lena in neuer ZDF-TV-Serie”.

In Wahrheit stand die Geschichte schon fest, bevor Lena überhaupt zum ersten Mal bei “Unser Star für Oslo” auftrat: Sie beruht auf der argentinischen Telenovela “Don Juan y su bella dama”. Und selbst der Name “Lena” für die Hauptperson ist keine nachträgliche Marketingidee: Schon im November 2009 berichteten deutsche Medien, dass die Produktionsfirma Endemol die Serie unter diesem Namen anbot.

Bestimmt weiß Frau Bonesky das sogar alles. Aber irgendwo müssen die geilen Lena-(Meyer-Landrut)-Geschichten ja herkommen!

Witwenschütteln, Presseagenturen, Komplotte

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Geiselnahme in Leipzig und die Medien”
(konni.org, Konstantin Winkler)
Konstantin Winkler twitterte während einer Geiselnahme in einer H&M-Filiale in Leipzig: “Das Echo darauf war groß, ich bekam positives und negatives Feedback, einige Twitteruser, mit denen ich das Gespräch suchen wollte, hatten mich bereits geblockt. Andere wiederum empfahlen mir einen Job bei der BILD-Zeitung.”

2. “Stille-Post-Journalismus und Medusenhaupt-Effekt”
(heise.de, Peter Mühlbauer)
Perez Hilton twittert über Miley Cyrus, worauf salon.com in einem Artikel auf rechtliche Konsequenzen aufmerksam macht. “Am Ende der journalistischen Stille-Post-Kette, in der Bild-Zeitung, machte man schließlich aus der Forderung von Kommentatoren, das FBI solle den Fall untersuchen, eine bereits begonnene Ermittlung.”

3. “Sein Feind war der ‘Tages-Anzeiger'”
(tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Journalist Karl Lüönd erklärt das Witwenschütteln: “Es ist einfacher, als du denkst. Du brauchst etwa ein Foto von einem Opfer. Du gehst also zu den Angehörigen und erklärst ihnen, dass die Zeitung auf jeden Fall ein Bild bringen wird. Und dass es ein besseres Andenken wäre, wenn es ein schönes Bild wäre. Und nicht ein verwackeltes. Man kriegt dann selten die Tür vor der Nase zugeknallt. Die meisten sind sogar froh um deine Fragen. Denn die meisten Leute in Extremsituationen reden gern.”

4. “Vorm endgültigen Redaktionsschluss”
(taz.de, Steffen Grimberg)
Steffen Grimberg sieht die Presseagenturen in einem Überlebenskampf. Das “alte Nachrichtenmonopol” sei gebrochen.

5. “Eine Nacht im Kapstädter Township Delft”
(wintermaerchen2010.com, Audio-Slideshow, 6:28 Minuten)
Christian Frey und Kai Schächtele besuchen Delft, ein Township von Kapstadt.

6. “‘BILD’ deckt deutsches WM-Aus auf”
(westline.de)
Westline macht sich Gedanken über das von “Bild” erfundene “Trainer-Komplott” zwischen Ghana und Serbien.