Archiv für April 26th, 2010

Der König der Kekswerbung

Es muss ein besonderer Keks sein, dem der Kolumnist von “Herzrasen”, der Jugendabteilung von “Rheinischer Post” und “RP
Online”, da erlegen ist.

Ein ganz besonderer:

Der beste Keks der Welt

Man könnte Sebastian Dalkowski sogar glauben, dass seine Begeisterung für eine bestimmte, “überwiegend in großen Supermärkten” aber auch “im Fabrikverkauf des Herstellers” erhältliche Keksmarke echt ist und er diese nur halb ironisch übersteigert niedergeschrieben hat:

Der beste Keks der Welt heißt Prinzenrolle Mehrkorn. Ja, Mehrkorn. Was nach dem Biss in eine bröselige Betonplatte klingt, ist in Wirklichkeit die beste mit Schokocreme denkbare Kombination. Ist die normale Prinzenrolle bereits fast uneinholbar großartig, lässt der Mehrkorn die Schokocreme noch mehr nach Schokocreme schmecken. Das ist wie Ribery und Robben. Alleine schon eine Klasse für sich, sind sie im Verbund nicht aufzuhalten.

Man könnte sich aber auch fragen, wie sich solche Produkthymnen, die auch direkt aus der PR-Abteilung des Herstellers kommen könnten, mit der kritischen Grundausrichtung eines Nachrichtenportals vertragen.

Zwar ist eine derartige Begeisterung das Konzept der Rubrik “Mein Herz schlägt schneller”:

Hier feiert die Herzrasen-Redaktion alles ab, was ihr gefällt: Filme, Platten, Klamotten, Bücher, Lebensmittel und alle anderen Dinge, denen die Autoren im Alltag begegnen und die sie begeistern. Dabei geht es nicht um ausgewogene Rezensionen und nüchterne Betrachtung, sondern um gnaden- und rücksichtslose Hymnen.

Doch was bei Kulturgütern wie Filmen, Platten und Büchern noch durchgehen mag, wirkt bei konkreten Produkten gleich wie schlecht getarnte Schleichwerbung.

“RP Online” erklärt uns dazu auf Anfrage:

Den Herzrasen-Text “Der beste Keks der Welt” kann man sicherlich in der Kategorie “gnaden- und rücksichtslose Hymnen” einordnen. Er spiegelt eindeutig die persönliche Meinung unseres Kolumnisten Sebastian Dalkowski wider.

Selbstverständlich gibt es zu diesem Produkt keine Werbung bei RP ONLINE oder andere finanzielle Zuwendungen für die Nennung.

Während der Kekshersteller die persönliche Meinung des Kolumnisten also unter unbezahlter Werbung verbuchen kann, setzt “RP Online” seine Reputation aufs Spiel für Produktloblieder, von denen das Nachrichtenportal noch nicht einmal einen finanziellen Nutzen hat.

Die Journalisten könnten einem fast leid tun.

Mit Dank an Stefan K.

Verbraucherschutz mit nichts drin

Kennen Sie das? Sie kippen den Inhalt einer frisch gekauften Packung H-Milch aus dem Supermarkt durch ein Sieb, doch keine einzige Kuh bleibt hängen!

Ähnlich enttäuscht dürfte die Verbraucherzentrale Hamburg gewesen sein, die für “Bild am Sonntag” insgesamt 46 verschiedene Lebensmittel darauf untersucht hat, “ob das, was auf der Packung zu sehen ist, auch drin ist”.

Was bei den ebenfalls untersuchten Fleisch- und Kartoffelsalaten, auf denen ja häufig das Endprodukt abgebildet ist, noch irgendwie sinnvoll erscheinen mag, treibt bei den 19 getesteten Joghurts seltsame Blüten: Da wird gestaunt, dass in einem hühnereigroßen Fruchtzwerg trotz des vielversprechenden Etikettenmotivs keine anderthalb ausgewachsenen Pfirsiche stecken. Auch im Ananas-Creme-Joghurt stecken nicht etwa mehrere Scheiben Ananas wie abgebildet, sondern – welch Überraschung – nur kleine Ananaswürfel.

Joghurt mit der Buttermilch, Pfirsich, 150 g, 0,49 Euro. Etikett: Eine halbe Maracuja und eine Pfirsichspalte. Wahrheit: Sehr wenig Fruchtstücke.

Feine Quark Creme, Bircher Müsli, 200g, 0,49 Euro. Etikett: Apfel, saftige Orange, sonnengereifte Birne und zwei Stück Schokolade. Wahrheit: Sehr wenige Fruchtstückchen und Schokokrümel.

Wir freuen uns schon jetzt darauf, wenn es bei den Joghurt-vom-Teller-Essern von “Bild am Sonntag” in Bezug auf Cornflakes, Proteinshakes und Kartoffelchips mit Abbildungen von Hähnen, Muskelmännern und ganzen Kartoffeln schon bald wieder heißt: “Auf dem Etikett hui, auf dem Teller pfui.

Mit Dank an Stephan R.

Rosenöl, Germanophobie, Energiesparlampen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “BILD kämpft – recherchiert aber nicht”
(wortvogel.de, Torsten Dewi)
“Bild” schreibt über eine Rosenöl-Pflegeserie, die ein “Bruder Quirinus” von einem “Kloster Marien-Quell” verkauft und bildet dazu “Pater Kilian Saum, den ehemaligen Leiter der Krankenstation des Klosters Sankt Ottilien” ab.

2. “Die ‘Germanophobie’ der Deutschschweizer”
(io1.blogspot.com, Patrik Tschudin)
Verschiedene Medien berichten über die Ergebnisse einer noch unpublizierten Studie, die auf 15 Jahre alten Daten beruht: “Alles, was die weitere Oeffentlichkeit über ihren Inhalt weiss, stammt aus Communiqués, Essays von und Interviews mit dem Autor.”

3. “taz: Blackout bei Energiesparlampen”
(greenpeace-magazin.de)
Der taz-Artikel “Da geht uns ein Licht aus” bezieht sich gemäss greenpeace-magazin.de auf eine Studie, die es gar nicht gibt – “die genannten Aussagen über einen 1,4-fachen Verbrauch an Heizenergie oder ‘gefühlte’ Temperaturen durch veränderte Lichtfarben finden sich darin nicht.”

4. “FAS erwähnt Anti-Atom-Demo gar nicht erst”
(blog.dummy-magazin.de, Oliver Gehrs)
Die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” berichtet in ihrer gestrigen Ausgabe nicht über die Massenproteste gegen eine Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken am Samstag.

5. “Die Zuschauer-Falle”
(fernsehkritik.tv/blog)
Die am Freitag ausgestrahlte Sat.1-Sendung “Comedy-Falle” stammt aus dem Jahr 2008. Trotzdem wurden die Zuschauer zu kostenpflichtigen Voting-Anrufen aufgefordert: “Die Zuschauer wurden aufgerufen, per Telefon-Voting darüber zu entscheiden, wer den besten Streich abgeliefert hat – und dies, obwohl Jeanette Biedermann schon Ende 2008 zur Gewinnerin gekürt wurde. Und, oh Wunder, dies war auch diesmal wieder der Fall.” Nachtrag um 16:30 Uhr: Sat.1 hat sich bei Fernsehkritik.tv gemeldet und stellt den Sachverhalt wie folgt dar: “Es stimmt, dass es sich am Freitagabend um ein Best of aus mehreren Folgen der ‘Comedyfalle’ gehandelt hat. Mit dem Zuschauervoting hatte es aber seine Richtigkeit, denn in diesen Fällen zeichnen wir alle möglichen Enden (in diesem Fall Gewinner) im Vorfeld auf und schneiden dann live in der Sendeplanung den vom Zuschauer gewünschten bzw. gevoteten Gewinner in die laufende Sendung. ”

6. “Generation Click”
(hossli.com, Peter Hossli)
Peter Hossli besucht Jugendliche in Olten und studiert ihr Mediennutzungsverhalten. “Marvin hat 450 Kontakte, wobei jeweils 90 online sind, wenn er sich einloggt. Alle lachen, als der Reporter sagt, er habe 66 Bekannte auf Skype – die er alle kennt.”