Archiv für April 20th, 2010

Axel Springer mahnt BILDblog ab

Die Axel Springer AG geht erstmals juristisch gegen BILDblog vor. Sie hat uns vorletzte Woche gleich drei Abmahnungen zugestellt. Die dadurch angeblich entstandenen Anwaltskosten will sie von uns erstattet bekommen: 2407,36 Euro.

Am 9. April hatten wir darüber berichtet, wie schwer sich “Welt Online” damit tat, eine Presserats-Rüge für einen Schleichwerbe-Artikel zu akzeptieren. Wir behaupteten dabei auch, dass “Welt Online” diese Rüge immer noch nicht veröffentlicht habe. Das war falsch. “Welt Online” hat es zwar seinen Lesern schwer gemacht, den entsprechenden Hinweis (siehe Screenshot rechts) zu entdecken: Der Deutsche Presserat hat in diesem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 7 des Pressekodex erblickt und diesen gerügtMan findet ihn nicht, wenn man in der “Welt Online”-Suchfunktion zum Beispiel nach “Presserat” sucht, obwohl dieser Begriff im Text vorkommt. Und die Rüge verschwindet aus dem Artikel, sobald man ihn ausdruckt. Aber wenn man sich den Artikel auf dem Bildschirm ansieht, ist der Hinweis da.

Sobald wir unseren Irrtum ein paar Stunden später bemerkt hatten, strichen wir die beiden fehlerhaften Sätze in unserem Eintrag durch und fügten eine Korrektur hinzu, in der wir auf die Veröffentlichung hinwiesen. Dennoch wurden wir eineinhalb Stunden später von der Geschäftsführung der “Welt” abgemahnt. Deren Anwälte behaupteten, wir würden trotz unserer Korrektur noch den falschen Eindruck erwecken, “Welt Online” sei die Bestätigung der Rüge durch den Presserat bereits seit vier Wochen bekannt und habe sie nicht unverzüglich veröffentlicht.

Wir, das heißt: Stefan Niggemeier als Autor des Eintrags und Lukas Heinser als Verantwortlicher im Sinne des Telemediengesetzes, wurden einzeln aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben und uns zu verpflichten, diesen Eindruck nicht mehr zu erwecken. Unter anderem wurde dabei auch der Satz “Das ist jetzt auch schon wieder vier Wochen her.” abgemahnt, den wir zu diesem Zeitpunkt schon durchgestrichen hatten. Außerdem forderte die Axel Springer AG eine Gegendarstellung.

Wir haben diese Forderungen nicht erfüllt, aber auf Anraten unseres Anwalts dem Eintrag eine weitere Korrektur hinzugefügt, die auch die Aussage von “Welt Online” enthält, erst am 1. April 2010 von der endgültigen Bestätigung der Schleichwerbe-Rüge erfahren und sie noch am selben Tag veröffentlicht zu haben.

Die Gegenseite teilte uns daraufhin mit, ihre (vermeintlichen) Rechtsansprüche gegen uns nicht weiter verfolgen zu wollen. Weil wir durch unsere Meldung jedoch die Unternehmenspersönlichkeitsrechte Springers verletzt hätten, seien wir dazu verpflichtet, den Schaden zu ersetzen. Das heißt: Wir sollen Springers Anwaltskosten zahlen.

Da wir unseren Fehler noch vor der Abmahnung von uns aus korrigiert hatten, sehen wir aber keinen Anspruch Springers auf eine kostenpflichtige Unterlassungserklärung. Auch die geforderte Gegendarstellung hätte Springer nach Ansicht unseres Anwalts gerichtlich vermutlich nicht durchsetzen können. Zudem sei die Berechnung der Anwaltskosten künstlich erhöht. Wir haben uns deshalb entschieden, die Forderungen nicht zu erfüllen.

Dennoch sind uns durch die völlig unnötige juristische Auseinandersetzung bisher schon Kosten für unseren Anwalt in Höhe von über 2000 Euro entstanden. Je nach dem weiteren Vorgehen Springers und dem Ausgang möglicher gerichtlicher Entscheidungen können die Gesamtkosten noch deutlich steigen. Anders als für die Axel Springer AG sind solche Beträge für uns erheblich.

Wir sehen in dem Vorgehen der “Welt” kein (selbstverständlich legitimes) Bemühen, eine korrekte Darstellung der Fakten zu erreichen, sondern nur den Versuch, einem lästigen Kritiker das Leben schwer zu machen. Wir würden uns deshalb freuen, wenn Sie uns mit einer Spende unterstützen könnten.

q.e.d.

Auf sueddeutsche.de steht seit gestern ein sehr lesenswerter Artikel über Faktenprüfer (den wir auch schon bei “6vor9” verlinkt haben).

Wie wichtig dieser Beruf des Faktenprüfers bei journalistischen Erzeugnissen ist, zeigt sueddeutsche.de der Einfachheit halber gleich in dem Artikel selbst:

Er arbeitet für das Monatsmagazin The New Yorker.

Der “New Yorker” erscheint wöchentlich (bzw. 47 Mal im Jahr).

Mit Dank an Hans Peter L.

Nachtrag, 15.35 Uhr: sueddeutsche.de hat aus dem “Monatsmagazin” ein “Magazin” gemacht.

Faktenprüfer, Sportcast, Eyjafjallajökull

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie wahr sind Fakten?”
(sueddeutsche.de, Camilo Jiménez und Katja Riedel)
Ein Besuch bei den Faktenprüfern des Wochenmagazins “New Yorker”: “Wir verifizieren alles, sogar die Fiktion.”

2. “Ein paar Wünsche an Sportcast”
(sportmedienblog.de)
Das Sportmedienblog wünscht sich von der Firma Sportcast, die “exklusiv das Bildsignal der 1. und 2. Fußball-Bundesliga” produziert, zum Beispiel eine Verbesserung der “Kamerapositionen, die in vielen Stadien der Liga viel zu tief gewählt sind”. “Wenn durch diese Fehlentscheidung bei der Konzeption ständig nur ein Achtel des Spielfelds zu sehen ist, hat man natürlich auch als armchair coach keinerlei Chance, Spiel, Aufbau und Taktik zu analysieren, weil sich das Spielerlebnis qua Bildregie nur auf Zweikämpfe und Torschancen reduziert.”

3. “Gordon Brown. GORDON BROWN!”
(medienpiraten.tv, Peer Schader)
Ein Lob für die im TV-Senders ITV zu sehende 94-minütige Debatte zwischen den Spitzenkandidaten der Unterhauswahlen: “Das lag im Wesentlich daran, dass im Studio nicht vier Journalisten von vier Sendern darum kämpften, sich mit ihren Fragen zu profilieren, sondern mit Alastair Stewart lediglich ein Moderator stand, der den drei Parteiführern abwechselnd das Wort erteilte und entschied, wann die nächste Frage gestellt werden sollte. Er ließ ihnen genügend Zeit, um ihre Argument vorzubringen, unterbrach aber sofort bei Wiederholungen.”

4. “Es ist ZEIT zu widersprechen”
(freischreiber.de)
Der Berufsverband “Freischreiber” dokumentiert eine vom Zeitverlag an Autoren und Autorinnen verschickte “Rahmenvereinbarung zur Übertragung von Rechten”. “Der Autorenvertrag, den die ZEIT im Moment ihren Autorinnen und Autoren vorlegt mit dem dringenden Wunsch, ihn zügig zu unterschreiben, hat aber nicht nur grammatikalische Mängel – er ist insgesamt inakzeptabel.”

5. “Jetzt SPON-App für’s iphone!”
(stigma-videospiele.de)
Eine Erklärung, warum das Foto auf Seite 132 der Ausgabe 15/2010 des “Spiegel” als Symbolbild gekennzeichnet sein müsste. “Auch wenn ich von Apples genausowenig Ahnung wie von iphones habe, würde ich mal aus dem Bauch raus die Vermutung aufstellen, dass auf diesem Foto ein Junge vorgibt zu spielen indem er gebannt den Desktop eines Macs anstarrt, bei dem der Screenshot eines Shooters als Hintergrundbild eingerichtet wurde.”

6. “Eyjafjallajökull – You’re doing it wrong!”
(youtube.com, Video, 37 Sekunden)
An der korrekten Aussprache des derzeit aktiven Vulkans Eyjafjallajökull scheitern nicht nur Reporter, sondern nahezu jeder, wie eine Umfrage unter Passanten am Times Square zeigt.