Archiv für August 26th, 2009

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Die Springers bei der Ackermann-Sause (2)

Übrigens ist die Deutsche Bank seit vergangenem Dezember Großaktionär der Axel-Springer-AG.

Das ist vielleicht keine ganz unwesentliche Information, um zu verstehen, wie “Bild” mit dem Abendessen umgeht, das Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr zum 60. Geburtstag des Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann ausrichtete. (Unter den 25 Gästen waren zufällig auch drei hochrangige Springer-Vertreter.)

Anders als ungefähr immer bei ähnlichen Anlässen mag “Bild” die Empörung diesmal nicht teilen oder sich gar an die Spitze der Entrüstungskarawane stellen. Gestern hat sie das Thema (wie berichtet) ganz ignoriert. Heute räumt sie ihm breiten Raum ein.

Im Leitartikel kommentiert Einar Koch haarscharf am Thema vorbei:

Wenn die Kanzlerin der größten Wirtschaftsnation Europas nicht einmal mehr 25 wichtige Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zum Abendessen einladen darf — dann gute Nacht, Deutschland!

(Der Name Ackermann und die Tatsache, dass sein Geburtstag Anlass für die Einladung gewesen sein soll, kommt in dem Kommentar nicht vor.)

Hugo Müller-Vogg fragt:

Wer darf auf Steuerzahlers Kosten im Kanzleramt dinieren*? *festlich essen

Er beantwortet die Frage nicht, sagt aber, Gäste wie Verlegerin Friede Springer, “FAZ”-Herausgeber Frank Schirrmacher, “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann und der Präsident des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann kämen “häufiger ins Kanzleramt”.

Und “Bild”-Autor Dirk Hoeren enthüllt, dass “auch Merkels Vorgänger, Gerhard Schröder (SPD) die Möglichkeit [solcher Bewirtungen] häufig nutzte” und rechnete vor, dass dessen “Spesen” sich 2004 und 2005 auf insgesamt 533.000 Euro beliefen. Dass der entsprechende Etat unter Merkel offenbar erhöht wurde, erfährt der “Bild”-Leser nicht.

Anders als bei, sagen wir: der Dienstwagen-Affäre von Ulla Schmidt oder Wolfgang Thierses 60. Geburtstag vor sechs Jahren, scheinen “Bild” die konkreten Kosten, die bei dem umstrittenen Empfang für Ackermann anfielen und die das Kanzleramt bislang nicht nennen wollte, nicht einmal zu interessieren.

Das ist einerseits erstaunlich für “Bild”, eine solche Chance zur (gerechtfertigten oder ungerechtfertigten) Skandalisierung nicht zu nutzen. Und andererseits vielleicht auch nicht — für ein parteinahes Stieftochterblatt der Deutschen Bank.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Den Falschen zum Todesschützen gemacht

Nicht weniger als drei Autorenkürzel stehen unter dem “Bild”-Artikel über das Familiendrama, bei dem ein Mann am vergangenen Samstag in Sundern seine Frau auf offener Straße erschoss. Aber es waren entweder nicht genug — oder einfach zu viele “Bild”-Autoren beteiligt, um einen gravierenden Fehler zu verhindern: Den Täter mit seinem Bruder zu verwechseln.

“Bild” hat zwar den Nachnamen der Eheleute abgekürzt, aber sich — wie üblich — keine Mühe gemacht, die Beteiligten tatsächlich zu anonymisieren. Das Blatt nennt den ungewöhnlichen Vornamen des vermeintlichen Täters, schreibt, wo er arbeitet und zeigt ein Foto des Hauses der Familie.

Das ist in diesem Fall besonders dramatisch, denn die Namen sind nicht die von Täter und Opfer, sondern vom Bruder des Täters und seiner Frau. Auch die “Hintergründe” des Artikels basieren teilweise auf dem Leben des Bruders.

Man kann sich ausmalen, wie sehr das das Leid der überlebenden Verwandten vergrößert hat, dass sie in ihrer Situation nun auch noch als Täter und Todesopfer dargestellt wurden. Und das nur, weil eine große Boulevardzeitung nicht anonymisieren will und nicht recherchieren kann.

PS: Heute korrigiert sich “Bild” am Ende eines weiteren Artikels zum Thema:

Durch eine bedauerliche Namensverwechslung war der engagierte Trainer des Fußballvereins […] bei BILD.de als Täter und seine Frau als Opfer bezeichnet worden. Beide haben mit dem Verbrechen nichts zu tun.

Beckedahl, Baumann, Marzahn

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Eine Erwiderung auf Detlef Esslingers Kritik an der Journalistik”
(journalistiklehrbuch.wordpress.com, Klaus Meier)
Klaus Meier nennt den Artikel “Journalistik, ein Leerfach” von Detlef Esslinger zuerst hasserfüllt, dann doch lieber nur polemisch und meint: “Joseph Pulitzer würde sich im Grabe umdrehen, könnte er die ‘Süddeutsche Zeitung’ lesen.”

2. “Markus Beckedahl, Deutschlands wichtigster Blogger”
(upload-magazin.de, Jan Tißler)
Ein Porträt des Machers von netzpolitik.org: “Er ist nicht die Rampensau, nicht der Showtyp. Er greift zum Mikro, wenn es die Sache erfordert und er wenn er es macht, dann merkt man: Er ist es selbst. Der Mensch, dem man dort zuhört, der ist echt.”

3. Rede von Udo Di Fabio
(solinger-tageblatt.de)
Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio kann sich nicht vorstellen, dass die Lokalzeitung jemals verschwindet: “Eine demokratische Bürgergesellschaft, echte Zivilgesellschaft entsteht nur über Räume, in denen lebensnahe Identitäten in Vereinen, im Sport, im Ambiente von Kunst, Kultur und Unterhaltung gepflegt und politische Entscheidungen beobachtet werden können: Welches Medium sollte die Lokalzeitung dabei auf kommunaler Ebene ersetzen?”

4. “Was passiert mit unserer Online-Identität, wenn wir tot sind?”
(blog.jacomet.ch, Andi Jacomet)
Andi Jacomet schreibt über den Tod des Journalisten Eric Baumann, der im Magazin eine lesenswerte Kolumne über seinen Hirntumor führte.

5. “Marzahner Plattenkritik”
(tagesspiegel.de, Andre Görke und Carl-Friedrich Höck)
Der “Tagesspiegel” prüft anlässlich der Aussagen von ZDF-Reporter Wolf-Dieter Poschmann in zehn Punkten die Vorurteile über den Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf.

6. “Hoffentlich lernen das die Schüler besser”
(blick.ch)
Rechtschreibfehler kann man nicht nur auf Papier drucken oder ins Internet stellen, man kann sie auch groß auf die Straße schreiben.