Archiv für Juni 12th, 2009

Journalistische-Todsünden-Experten unter sich

Man kann die Empörung von Bild.de förmlich mit Händen greifen:

Neues Tuschel-Thema: der CSU-Chef und seine Ex-Geliebte - Taz bringt Seehofer mit neuen Gerüchten in Verruf

“Seehofers Geliebte erneut schwanger?” fragt die Taz in ihrer heutigen Ausgabe. Und: “Das ungeklärte Privatleben des CSU-Chefs verärgert viele Parteifreunde”.

Einen Beleg für Seehofers angebliches Doppelleben bleibt die links-alternative Tageszeitung allerdings schuldig.

Eigentlich eine journalistische Todsünde – dreht die Taz jetzt total durch?

Ja, verdammte Axt, die “taz” muss tatsächlich des Wahnsinns sein, wenn sie solche Sachen schreibt:

Bald hörte man in Berlin von CSU-Leuten: “Die sind noch zusammen.” In den letzten Wochen kam noch ein Detail dazu: “Die beiden bekommen ein zweites Kind.” […]

Am Tag, als das Gerücht den Weg in manche Blätter fand, feiern die Katholiken in Bayern das Fest Fronleichnam mit Prozessionen.

Fronleichnam war gestern. Und wer würde da schon Gerüchte über ein “angebliches Doppelleben” verbreiten?

"Bunte" spekuliert über Liebes-Comeback mit Ex-Geliebter

Also: Wer, außer “Bild” unter Berufung auf die “Bunte”? Denn die Klatsch-Illustrierte ist offensichtlich auch total durchgedreht, als sie schrieb:

In Berlin und München überschlugen sich vergangene Woche die Gerüchte: Anette Fröhlich sei angeblich zum zweiten Mal schwanger vom CSU-Vorsitzenden, hieß es. Sogar anonyme Briefe mit dieser Behauptung wurden an mehrere Redaktionen verschickt.

Einar Koch hat sich gestern wirklich bemüht, in keinem Moment den Eindruck zu erwecken, er mache sich die vielen angeblichen Details aus dem Privatleben Horst Seehofers zu eigen, die er für “Bild” aus der “Bunten” abschrieb. Er führte sogar aus:

Nach BILD-Informationen lässt die Rechtsanwältin wegen der Veröffentlichung der Kinderfotos rechtliche Schritte gegen die Münchner Illustrierte prüfen.

Die Juristen in der Münchner Staatskanzlei hatten zeitweilig erwogen, die Auslieferung der Illustrierten wegen der Kinderfotos in letzter Minute gerichtlich stoppen zu lassen.

Der selbe Einar Koch hat übrigens für die heutige “Bild” ein Interview mit Horst Seehofer geführt:

BILD: Herr Seehofer, die “Bunte” spekuliert über ein angebliches Liebes-Comeback mit Anette Fröhlich, der Mutter Ihrer unehelichen Tochter Anna-Felicia. Was sagen Sie zu den Spekulationen?

Horst Seehofer: Dazu äußere ich mich generell nicht mehr.

BILD: Dann zur Politik: Mit dem CSU-Erfolg bei der Europawahl haben Sie Ihre Feuertaufe als Parteichef bestanden. Was ist das nächste Etappenziel?

Und das war’s dann mit dem knallharten Kreuzverhör unter der Überschrift:

Herr Seehofer, was sagen Sie zu den Gerüchten um ihre Ex-Geliebte?

“Bild” und Bild.de können sich jetzt entspannt zurücklehnen und ganz geschickt über Bande spielen: Während man die Schwangerschafts-Gerüchte heute bequem der “taz” in die Schuhe schieben kann (obwohl sie als erstes von der “Bunten” veröffentlicht wurden), plapperte man gestern fröhlich nach, was andere woanders erzählt hatten:

RTL fragte in seiner Morgensendung bei Tanja May, “BUNTE”-Chefreporterin und Autorin des Berichts, nach: Sie lässt keine Zweifel aufkommen. Auf dem einen Foto sei die kleine Anna-Felicia zu sehen, “die Kleine schlendert da raus, die Händchen in den Hoschentaschen, als wenn sie da jeden Tag rausmarschiert.” […]

Laut “Bunte” sollen beide in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai in Seehofers Ein-Zimmer-Wohnung den 35. Geburtstag von Anette Fröhlich am 1. Mai “gefeiert” haben. Die Fotos sollen also das immer noch sehr enge Verhältnis der beiden belegen!

Für Tanja May sind die Fotos der letzte Beweis, “okay, die beiden sind nach wie vor ein Paar”.

PS: Als “Bild” vor zweieinhalb Jahren exklusiv über die Schwangerschaft von Seehofers Geliebter berichtete (s.a. BILDblog vom 16. und 17. Januar 2007), hatte die Zeitung einen ähnlich schwachen “Beleg für Seehofers angebliches Doppelleben”, wie sie ihn jetzt der “taz” vorwirft:

Wie BILD zuverlässig erfuhr, wird Seehofer noch einmal Vater. Seine junge heimliche Geliebte erwartet in Berlin ein Kind von ihm.

Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber!

Bild  

Wer ist schon gegen Kinderporno-Gegner?

Für die “Bild”-Leser war der Kampf gegen Kinderpornographie im Internet schon am 26. März so gut wie gewonnen: Die Bundesregierung habe beschlossen, sie zu sperren, berichtete das Blatt.

“Geht es der Kinderporno-Mafia im Internet jetzt endlich an den Kragen?”, fragte “Bild” damals euphorisch. Dabei zielt der Gesetzentwurf der Bundesregierung [PDF] gar nicht auf den Kragen der Kinderporno-Mafia. Es geht in ihm nämlich nicht darum, die Inhalte aus dem Netz zu entfernen oder gar gegen die Urheber vorzugehen, sondern nur, den Zugang zu ihnen zu erschweren. Die Sperre besteht aus einem “Stopp”-Schild, das relativ leicht zu umgehen ist.

Für die Leser von “Bild” war also, wie gesagt, der Kampf gegen Kinderpornographie im Internet schon am 26. März so gut wie gewonnen. Entsprechend eindeutig dürfte ihr Urteil über den Mann ausfallen, den “Bild” ihnen heute als “Verlierer” des Tages vorstellt:

Der Sprecher der SPD-Linken, Björn Böhning (31), will den Gesetzentwurf der Großen Koalition zur Sperrung von Kinderporno-Seiten im Internet zu Fall bringen. Der Entwurf sieht vor, dass solche Websites durch Stoppschilder gekennzeichnet werden. Wer sie trotzdem aufruft, wird strafrechtlich verfolgt. Für Böhning ist das laut “Spiegel Online” nur “Alibi-Politik”.

BILD meint: Stoppt Böhning!

Es gibt nicht viele Möglichkeiten, das zu interpretieren. “Bild” erweckt den Eindruck, Böhning sei dagegen, Kinderpornographie zu bekämpfen. Das ist ein politisch potentiell tödlicher Eindruck, und er ist falsch.

Der Antrag, den Böhning und andere auf dem SPD-Bundesparteitag am Sonntag stellen, trägt die Überschrift “Löschen statt Sperren: Kinderpornographie wirksam bekämpfen, Internetzensur verhindern!” Darin heißt es unter anderem:

Ein direktes Vorgehen gegen die Inhalte-Anbieter wäre möglich und nachhaltiger als der Polizei Scheuklappen anzulegen. [… Die Initative der Bundesfamilienministerin] dient als bequemer Vorwand, um auch in Zukunft das mühsamere Löschen kinderpornografischer Inhalte aus dem Netz und das damit verbundene internationale Ermitteln der Täter zu vermeiden und von der bisherigen Tatenlosigkeit ablenken zu können.

Es geht also nicht um die Frage, ob Kinderpornographie bekämpft werden soll, sondern darum, wie dies am besten gelingt.

Aber kein Wunder, dass “Bild” so heftig und unfair auf Böhnings Vorstoß reagiert. Schließlich ist “Alibi-Politik” ihre ganz besondere Spezialität.

Korrektur, 19:10 Uhr. Ursprünglich hatten wir “Bild” vorgeworfen, in dem Artikel Ende März fälschlicherweise behauptet zu haben, dass das “Stopp”-Zeichen nur zu sehen bekommt, “wer aus Deutschland auf kinderpornografische Seiten im Ausland zugreift” — dabei könne es auch Seiten aus Deutschland betreffen. Doch “Bild” hatte zum damaligen Zeitpunkt Recht: Der Arbeitsentwurf [PDF] bezog sich damals noch ausdrücklich auf die Sperrung ausländischer Seiten.