Archiv für Oktober 22nd, 2008

Körzdörfers Erbin

Weil in der “Bild”-Redaktion offenbar niemand aufzutreiben war, der sich mit dem “Welt-Phänomen” der Filmreihe “High School Musical” auskennt, durfte kurzerhand Dina, die neunjährige Tochter von Norbert Körzdörfer, den Hauptdarsteller Zac Efron interviewen.

Körzdörfer hielt sich mit dem, was die “große BILD-Zeitung” gefragt hätte, zurück und überließ stattdessen für 50 Zeilen der “BILD-Kid-Reporterin” und ihren sieben Kinderfragen den Artikel. Entweder konnte er sich aber dann doch nicht ganz zurückhalten …

Zac zieht mit seiner Hand („IWC“-Uhr, ca. 10 000 Euro) aus dem T-Shirt eine Halskette mit einem spitzen Kupferklumpen: „Das ist ein Haifischzahn, den ich aus meiner Kindheit habe! Er beschützt mich.“

… oder es sind alle im Hause Körzdörfer Experten für teure Armbanduhren einer bestimmten Marke oder lernen früh die ganz eigene Art von Körzdörfer-Journalismus.

Der Seismograph der Befindlichkeit

“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann ist kein Fan der “Süddeutschen Zeitung”, im Gegenteil. Eine Formulierung aus der “Süddeutschen” aber hat es ihm angetan. Er zitiert sie immer wieder, in Interviews und Vorträgen — und neulich zum Beispiel in der Blattkritik der “Bild”-Zeitung, als er als Reaktion auf die These von Gertrud Höhler, wer “Bild” nicht lese, sei politisch unreif, sagte:

Insbesondere in Eliten werden wir allein schon aus professionellen Gründen gelesen. Die “Süddeutsche Zeitung” hat das mal so schön formuliert, “Bild” sei der “Seismograph der deutschen Befindlichkeit”. Man muss eben nicht nur wissen, was wirklich passiert, sondern auch, wie ein Land, wie eine Nation fühlt, und das übersetzt “Bild”.

Der Mann, der das in der “Süddeutschen Zeitung” mal so schön formuliert hat, heißt übrigens Adolf Theobald und ist der große alte Mann des deutschen Verlagswesens: Er hat “Capital” gegründet, war Geschäftsführer beim “Spiegel” und Chefredakteur von “Geo”, “twen” und “natur”. Und so schön formuliert hat er das zu einer Zeit, als Kai Diekmann noch gar nicht “Bild”-Chefredakteur war: am 30. Dezember 1999.

Und weil Kai Diekmann die Formulierung so schön findet, haben wir einfach mal bei Adolf Theobald nachgefragt, ob er das heute auch noch über “Bild” sagen würde.

Er würde:

Ein Seismograph ist ein Messgerät, er misst, was ist, nicht was sein soll. Genauer: Er misst Richtung und Dauer von Erdbeben. Auch BILD lebt vom Beben, vom Beben der Masse, das sie zu Schlagzeilen verkürzt. Dieses Blatt gibt Sentiments und Ressentiments des kleinen Mannes auf der Straße wieder. Das darf man wohl “Befindlichkeit” nennen. Und die ist oft genug genau so widerlich wie der Protokollant.

6 vor 9

1. “PR – Klartext. Ein Wörterbuch für Journalisten”
(epd.de, hen)
Der evangelische Pressedienst überrascht mit einer witzigen und wahren Übersetzung von “PR-Sprech” in “Klartext”. Beispiel: “PR-Sprech: Das können wir weder bestätigen noch dementieren. – Klartext: Sie haben ins Schwarze getroffen. So wie Sie es sagen, ist das richtig. Aber wir wollen da nicht als Quelle auftauchen. Warum, wissen wir eigentlich selber nicht, aber das machen alle so.”

2. “Bundesminister Wolfgang Schäuble zur aktuellen Ausgabe”
(bild.de, Video, 6:50 Minuten)
In der täglichen, öffentlichen Blattkritik outet sich Innenminister Wolfgang Schäuble als grosser Bild-Leser und findet kaum einen Satz der Kritik an der Zeitung. Dafür spuckt Chefredakteur Kai Diekmann grosse Töne und nennt die Süddeutsche Zeitung eine Boulevard-Zeitung.

3. “Tatort: Schloss Bellevue”
(taz.de, Bettina Gaus)
Bettina Gaus fragt sich, warum Peter Sodann nicht mehr im Tatort mitspielen darf: “Wie wäre die Lage, wenn Sodann ein Schornsteinfeger wäre, er sich also Zutritt zu fremden Wohnungen verschaffen könnte? Müsste er um Beurlaubung von seinem Arbeitsplatz nachsuchen, um kandidieren zu dürfen – um also sicherzustellen, dass ihm die Kontrolle der Schornsteine keine unzulässigen Vorteile verschafft?”

4. “Frau Piel ruft nach der Aufsicht”
(stern.de, Bernd Gäbler)
“Jetzt müssten aber die Landesmedienanstalten das Privatfernsehen aber mal an die Kandare nehmen. Mit diesem Vorschlag tat sich die WDR-Intendantin Monika Piel nach der Wutrede von Marcel Reich-Ranicki hervor. Das ist nicht das einzige, was ihr in letzter Zeit daneben ging. Medienpolitisch hat sie noch nicht Tritt gefasst.”

5. “Wieviele Leute schauen eigentlich zu?”
(20min.ch, Henning Steier)
“Die Zeiten, in denen Sender vorgaben, wann man ihr Programm schaut, sind lange vorbei. Denn immer mehr Bürger gucken Serien mittlerweile im Netz oder hören Web-Radio. Das macht die genaue Messung von Einschaltquoten zunehmend schwierig. 20 Minuten Online hat bei Manuel Dähler, Direktor der Mediapulse AG nachgefragt, wie die Quotenmesser darauf reagieren.”

6. “World of Warcraft vs. my girlfriend”
(mcsweeneys.net, Tyler Curry)
“Last month, when your mother was in a car accident, you called and not only demanded I drive you to the hospital but insisted I stay there to provide ’emotional support’—despite knowing full well that I had booked that evening off to fight forest trolls in Zul’Aman.”