Heute sind sie bei “Bild” früher aufgestanden. Frank-Walter Steinmeier, Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat, kam schon um acht Uhr früh in die “Bild”-Redaktion, um Blattkritik zu machen — die erste, die am Mittag auch bei Bild.de gezeigt wurde, wie es in Zukunft Brauch sein soll bei “Bild”.
Das war nett von dem prominenten Politiker, sich als Premierengast zur Verfügung zu stellen, ungefähr so nett wie die Worte, die er über die “Bild”-Zeitung fand, bei ein bisschen milder Kritik.
Aber vielleicht war es für ihn auch einfach mal Zeit, Danke zu sagen.
Nicht nur für das niedliche Foto von ihm heute in Berlin-Teil der “Bild”-Zeitung, das ihn mit Kindern und 99 Luftballons zeigte:
Nicht nur dafür, dass (und wie!) “Bild” ihn schon vor zwei Jahren zum “Gewinner des Tages” gekürt hat:
Und nicht nur dafür, wie “Bild” ihn damals, gegen alleWahrheit, in der Affäre Kurnaz verteidigt hat.
Sondern für… alles.
16-mal durfte sich Frank-Walter Steinmeier seit 2006 von der “Bild”-Zeitung interviewen lassen (vermutlich häufiger als jeder andere Politiker). Und immer wieder hat ihn “Bild” dabei ins rechteLicht gerückt — natürlich ohne je jene journalistische Distanz zu ihm aufzugeben, die sie schon am 17. August 2006 eingenommen hatte:
Andere Medien über die erste öffentliche “Bild”-Blattkritik:
Der Tierpfleger Thomas Dörflein, der den Berliner Eisbären Knut aufgepäppelt hat, ist heute – offenbar nach langer schwerer Krankheit – in der Wohnung seiner Freundin tot aufgefunden worden.
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein so genannter Rechtsstaat. Das bedeutet unter anderem, dass nicht Polizei oder Staatsanwaltschaft über Schuld und Unschuld eines Verdächtigen entscheiden (und schon gar nicht eine Boulevardzeitung), sondern ein Gericht. Und es bedeutet, dass jemand, der einer Straftat angeklagt ist, sich verteidigen darf. Kurzum: Egal, was jemand getan haben mag, er genießt so genannte Rechte.
“Bild”, die meistgelesene Zeitung in der Bundesrepublik Deutschland, nennt solche Rechte gerne “Tricks”. Das war vor kurzem so, als bekannt wurde, dass ein “U-Bahn-Schläger” seine langjährige Freundin und Mutter seines Kindes heiraten wollte – “um die drohende Abschiebung zu verhindern?”, wie “Bild” suggestiv fragte (BILDblog berichtete).
Und auch im Falle des Mannes, der nachts einen Holzklotz von einer Brücke auf die A 29 geworfen und dabei eine Frau getötet haben soll (“Bild” nennt ihn schlicht den “Brücken-Teufel”), kann sich “Bild” so gar nicht mit der Rechtsordnung anfreunden:
Am 4. November beginnt der Prozess gegen Brücken-Teufel Nikolai H. (30). Unfassbar: Sein Anwalt will Freispruch fordern!
Und so “unfassbar” das auch für die Angehörigen der Getöteten, den juristischen Laien und die “Bild”-Autoren Maike Klebl und Sebastian Rösener sein mag: Es ist sein gutes Recht.
Zwar hatte Nikolai H. die Tat “zunächst” gestanden, wie “Bild” schreibt. Aber – und das schreibt “Bild” nicht – er hat sein Geständnis inzwischen widerrufen. Sein Anwalt Matthias B. Koch sagt, Nikolai H. sei unschuldig und erklärte der “Nordwest-Zeitung” (“NWZ”) gegenüber, seine Verteidigungsstrategie: Das Geständnis sei mit “Foltermethoden” erlangt worden, weil man dem drogenabhängigen Nikolai H. bei der Vernehmung gesagt habe, er bekomme erst die Droge, wenn er gestehe. Zudem stamme die Tatwaffe, also der Holzklotz, nicht aus dem Garten des Angeklagten und jeder habe ihn sich nehmen können. Und außerdem könne man ohnehin keinen Tötungsvorsatz annehmen, weil man “bei Dunkelheit, der Höhe der Brücke und der Geschwindigkeit der Fahrzeuge gar kein Auto bewusst treffen könne”, wie die “NWZ” den Anwalt wiedergibt.
Für “Bild” ist die juristische Argumentation des Anwalts indes schlicht:
Und ein weiteres Detail des Artikels in der “NWZ” unterschlägt “Bild”:
Der Anwalt hat das Leben seines Mandanten recherchiert und will fündig geworden sein. 1998 habe [Nikolai H.] gestanden, den Verkehrstod von zwei Landsleuten verursacht zu haben. Später habe sich herausgestellt, dass [H.] nichts damit zu tun gehabt habe. Auch vor diesem Hintergrund müsse das “Holzklotz-Geständnis” anders bewertet werden.
Und mit all diesen “Tricks” und “Winkelzügen” wird sich das Gericht, wenn es ab November den Fall verhandelt, sicher auseinandersetzen. Das ist nun mal eines der wesentlichen Prinzipien in unserem Rechtsstaat: Die Staatsanwaltschaft klagt an, der Angeklagte verteidigt sich, und das Gericht fällt darauf basierend ein Urteil.
Wie “unfassbar” es wäre, wenn man sich das alles sparen würde, wird deutlich, wenn man sieht, dass RTL.de offenbar (auf Grundlage der “Bild”-Meldung) das Urteil über den dringend Tatverdächtigen schon gefällt hat:
Mit Dank an Marcel G. für den sachdienlichen Hinweis.
Der frühere Rennfahrer Michael Schumacher hat der “Bild am Sonntag” “exklusiv” ein groß aufgemachtes Interview gegeben. Die Redakteure Nicola Pohl und Leopold Wieland sprachen mit ihm über Sebastian Vettel, seine Prominenz, das Motorradfahren — und fragten zum Schluss einfach spontan noch nach ganz etwas anderem:
1. “Bald reden Nachrichtensprecher Google-optimiert” (faz.net, Holger Schmidt)
“Suchmaschinenoptimierer sind die neuen Heilsbringer der Verlage. Sie bringen die Artikel auf den Trefferlisten von Google und Co. möglichst weit nach oben. Doch alle Tricks helfen auf Dauer nicht. Am Ende entscheiden die Inhalte.”
2. Barbara Lüthi, “CNN Journalist of the Year 2008” (persoenlich.com, Stefan Wyss)
Die Preisträgerin der Kategorie TV im Interview: “Gerade wenn man in China arbeitet, muss man das Risiko einschätzen können. Das wichtigste ist, dass ich meine Quellen schützen kann. Ebenfalls Priorität geniesst die Sicherheit meines Teams. Ich drehe heikle Geschichten zum Beispiel nie mit einem chinesischen Kameramann. Dieser würde bei einer Festnahme viel länger inhaftiert bleiben, als ein Ausländer.”
3. “Gratis 2.0 – Strohfeuer oder Feuerwerk?” (ejo.ch, Marlis Prinzing)
“Nirgendwo in Europa werden gegenwärtig mehr Gratistageszeitungen pro Kopf gedruckt als in der Deutschschweiz.”
4. “Medien und Lobbyismus” (fr-online.de, Thomas Klatt)
“Der Kommunikationsfachmann Klaus Kocks wirft der vierten Gewalt im Staat Speichelleckerei und Faulheit vor. ‘Die PR-Leute müssen den Journalisten gar nicht mehr hinterher rennen, die Situation hat sich völlig gedreht’, meint Kocks. Auch Journalisten ließen sich gerne durch Fünf-Sterne-Kongresse und Vergünstigungen umgarnen.”
5. “Falschmeldung der Tagesthemen zu Exit” (burks.de, Burkhard Schröder)
“Die eigentliche Falschmeldung ist aber die These, das Bundesarbeitsministerium habe den Förderantrag von Exit abgelehnt. Offenbar hielt es die Redaktion der ‘Tagesthemen’ noch nicht einmal für nötig, dort nachzufragen. Ich habe es getan. Der Antrag war noch gar nicht beschieden worden und wies auch, wie bei anderen Antragstellern, formale Mängel auf.”
6. Über Blogs von Filmschaffenden (epd-film.de, Alexander Gajic)
“Filmschaffende aus allen Sparten nutzen das Internet zur Selbstverwirklichung. Und natürlich auch zur Vermarktung ihrer Filme. Von Gandalfs Mittelerde-Tagebuch bis zu Zack Snyders Watchmen-Prophezeiungen.”