Archiv für April 18th, 2007

Neu: Nichts Neues von Beckenbauer über “Klinsi”

Auf Bild.de steht heute, dass Ex-Fußballbundestrainer Jürgen Klinsmann “nach Informationen der BILD-Zeitung” offenbar doch Trainer des britischen Fußballclubs Chelsea London werden könnte. Weiter heißt es dort, Franz Beckenbauer habe sich in der britischen “Sun” von heute zu dem Thema geäußert:

Kaiser Franz in der “Sun”: “Er müsste aus Kalifornien nach England umziehen. Ein Klub in einer Liga mit 20 Mannschaften, die auch Weihnachten und Neujahr spielt, dazu die nationalen Cup-Wettbewerbe und die Champions League — das ist nicht aus der Ferne zu handhaben. London frisst dich auf mit Haut und Haaren. Da kann man nicht wie als deutscher Teamchef zwischendurch in Amerika ausspannen.” Beckenbauer weiter: “Zwei Jahre in Chelsea können dich genauso fertig machen wie vier Jahre bei einem anderen Klub.”

Das kommt uns irgendwie bekannt vor:

Chelsea bedeutet: Komplett-Umzug von Kalifornien nach London. Eine Liga mit 20 Klubs, Spiele am zweiten Weihnachtstag und Neujahr, mehrere nationale Pokalwettbewerbe und die Champions League. Als Zugabe noch die wenig zimperliche englische Presse. London frisst dich auf mit Haut und Haaren, da hat man keine Zeit — wie als Bundestrainer — in Amerika zu entspannen. (…) Bei den Erwartungen in Chelsea sind zwei Jahre als Trainer so aufreibend wie vier bei einem anderen Klub.

"Exklusiv: Kaiser Franz schreibt in BILD"So stand’s gestern in “Bild”. “Exklusiv” aufgeschrieben von “Kaiser Franz” (siehe Ausriss). Und es sind bei Weitem nicht die einzigen Beckenbauer-Zitate aus der heutigen “Sun”, die quasi identisch sind mit dem, was Beckenbauer gestern in der “Bild”-Zeitung geschrieben hatte. Das hätte man leicht rausfinden können, denn der exklusive “Bild”-Text von Beckenbauer ist auf Bild.de sogar direkt verlinkt.

Aber offenbar zitiert man bei “Bild” lieber die “Sun” als sich selbst. Man weiß ja nie.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Andreas U.

Die Wahrheit II

In einer Weiterentwicklung ihrer umstrittenen “Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht”-Kampagne, hat die “Bild”-Zeitung derzeit überall Plakate mit Zitaten großer Persönlichkeiten aufgehängt — unter anderem dieses:

"Und sie bewegt sich doch!" (Galileo Galilei)

Der “Bild”-Zeitung (die sich zwar jedes Zitat vorab autorisieren lassen muss, in ihrer Berichterstattung aber auch gern aufs Hörensagen setzt) ist obiges Plakat durchaus angemessen.

Denn es ist wahr: Der italienische Sternen-Experte Galileo G. (77†) war — kurz gesagt — überzeugt: Es kreist nicht etwa die Sonne um die Erde, sondern die Erde selbst bewegt sich. Allerdings musste G. am 22. Juni 1633 in einem Gerichtsprozess, nun ja, eine Art Unterlassungserklärung abgeben, in der er sich verpflichtete, seine Ansichten nicht weiter zu verbreiten.

Dass G. jedoch im Anschluss an das Skandal-Urteil den berühmten Satz “Eppur si muove” (dt.: “Und sie [die Erde] bewegt sich doch”) genuschelt habe, der nun als Ausdruck mutiger Unbeirrbarkeit das “Bild”-Plakat ziert, ist…

…eine Ente.

Nach heutigem Forschungsstand hat G. den Satz nie gesagt. (Nachdem die Wissenschaft zunächst angenommen hatte, es handele sich dabei um eine Erfindung der Aufklärung, erwähnt erstmals 17571, geht man heute davon aus, dass die “Eppur si muove”-Legende womöglich schon zu G.s Lebzeiten verbreitet wurde.2)* Und wenn man einem ebenso kenntnisreichen wie verschmitzten Artikel des norwegischen Schriftstellers Erik Fosnes Hansen glauben schenken will, der 1997 in der “FAZ” unter dem Titel “Und sie bewegt sich doch” aufschrieb, “weshalb Galileo Galilei wirklich widerrufen mußte”, dann sagte G. nach dem Urteil der Inquisition “etwas Ähnliches” wie:

"Bringt mich nach Hause, ich habe Durst."

Mit Dank an Gunnar W. und Michael H. für den Hinweis.

1 A. Rupert Hall, “Galileo nel XVIII secolo,” Rivista di filosofia, 15 (Turin, 1979), S. 375ff, 383.
2 Stillman Drake, Galileo at Work: His Scientific Biography, (Dover Publications, Mineola, NY, 2003), S. 357.
*) Siehe auch: Thomas Schirrmacher, “‘Und sie bewegt sich doch!’ & andere Galilei-Legenden”, Professorenforum, Vol. 1, No. 1 (Asslar-Bermoll, 2000), S. 2f. Oder (der Einfachheit halber): Wikipedia.

6 vor 9

So wird das nichts
(faz.net, Martin Schöb)
Das Berliner Blogger-Treffen ?re:publica? hätte ein Befreiungsschlag werden, es hätte den Blick auf das politische, unterhaltende und informierende Potential von Weblogs lenken können. Stattdessen: Selbstbezüglichkeit und Monomeinung.

Böhmische Dörfer
(fr-online.de, Monika Porrmann)
“Politik 2.0 – Wie verändert das Netz die politische Kommunikation und Partizipation?”, fragten sich die Teilnehmer der Blogger-Konferenz re-publica in Berlin. Die Antwort fiel ernüchternd aus.

“Stasi 2.0”
(zuender.zeit.de)
Am kommenden Mittwoch will die Bundesregierung über die weitgehende Kontrolle von Telefonaten und des Internets beraten. Heute gehen die Überwachungsgegner in Frankfurt auf die Straße. Doch was bringt so ein Protest? Ralf Bendrath vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung antwortet.

Die Quadrophonie des Pferderennens
(jungle-world.de, Klaus Bittermann)
Bizarr, hemmungslos, subjektiv: Der Gonzo-Journalismus war ein offener Verstoß gegen alle Konventionen.

Wünsch dir was!
(merkur.de, Volker S. Stahr)
Schauen, was und wann man will: Immer mehr Sender stellen ihr Programm im Netz zum Abruf bereit. Und hoffen auf nicht allzu großen Erfolg.

Ahmadinedschads Angst vor den Bloggern
(welt.de, Marion Meier)
Im Iran ist das Internet der einzige Weg zur freien Meinungsäußerung. Wenn Präsident Mahmud Ahmadinedschad auf seiner Seite erklärt, sein Land sei in der Lage, Uran für eine Bombe zu produzieren, antworten die Blogger mit bissigem Witz.