Archiv für März 12th, 2007

Allgemein  

Der dickste Hund

"222 Kilo: Das dickste Kind der Welt"

Gut möglich, dass Peter Michalski, Großbritannien-Korrespondent der “Bild”-Zeitung, seine Informationen über ein Mädchen namens Jessica (siehe Ausriss) aus der britischen Zeitung “Sunday Sport” hat. Informationen wie diese hier:

Täglich futtert sie sich mehr als 10 000 Kalorien an. Jessica G. aus Chicago (USA) ist gerade mal sieben Jahre alt. Mit 222 Kilo ist sie das dickste Kind der Welt! (…) Jeden Tag verdrückt sie mindestens 15 “Happy Meals” von McDonald’s. (…) Jetzt schlagen Ärzte Alarm: “Wenn sie so weitermacht, droht sie zu explodieren. Dann ist sie noch vor ihrem 8. Geburtstag tot.”

Die einzige Quelle, die in der “Bild”-Geschichte auftaucht, ist “Sunday Sport”. Die Zeitung habe, so schreibt Michalski, “jetzt schockierende Fotos von Jessica veröffentlicht”.

Aber der Reihe nach: Jessica machte in den USA bereits vor einiger Zeit Schlagzeilen, als sie im Alter von vier Jahren in der “Maury Show” auftrat. Damals wog sie 200 Pfund (rund 91 Kilo). Einige Jahre später, als sie sieben war, wog sie dann laut “Maury Show” 400 Pfund. Und mal abgesehen davon, dass 400 Pfund eigentlich nur rund 182 Kilo sind, Jessica nicht, wie Michalski schreibt, aus Chicago kommt, sondern aus einem Ort in der Nähe von Knoxville, Tennessee, ist “Bild” mit der gesamten Geschichte ungefähr zwei Jahre zu spät dran.

Inzwischen ist das “Mädchen (7)” nämlich bereits neun Jahre alt, lebt noch und hat etwa 250 bis 300 Pfund abgenommen. Das wird zwar aus dem auf Bild.de veröffentlichten Video, das ursprünglich aus der Sendung “The Insider” des Senders ABC stammt, nicht so richtig deutlich, dafür aber aus einer “Maury Show” vom Anfang des Jahres. Und aus einem Text zu der bei Bild.de verlinkten “Insider”-Sendung. Dort heißt es:

Doch glücklicherweise haben für das fröhliche kleine Mädchen dramatische Veränderungen begonnen. (…) Kurz nach ihrem Krankenhausaufenthalt machte sie erste Fortschritte im Kampf gegen ihr Übergewicht, als sie in ein Kinderkrankenhaus in Virginia kam. Dort nahm sie erfolgreich fast 300 Pfund ab!

Auf derselben Internetseite hätte Michalski oder sonst jemand bei “Bild” auch ein Standbild finden können, das aus dem “Insider”-Video stammt, aus dem auch zwei der in “Bild” abgedruckten Standbilder stammen. Darunter steht:

So sah Jessica vor ein paar Jahren aus, als sie 400 Pfund wog.

"This is how Jessica looks now."Und darüber gibt es sogar ein Foto, das zeigt, wie Jessica jetzt aussieht (siehe Ausriss).

Wie gesagt: Gut möglich, dass Peter Michalski seine Informationen allesamt aus der “Sunday Sport” hat — einer Zeitung, die schon mit Schlagzeilen wie “Hitler war eine Frau” oder “Aliens haben unseren Sohn in ein Fischstäbchen verwandelt” von sich reden gemacht hat.

P.S.: RTL hat übrigens heute in der Sendung “Punkt 12” die “Bild”-Geschichte offenbar zum Anlass für einen eigenen fragwürdigen Beitrag genommen. Der Bericht über “das dickste Kind der Welt” enthält nicht nur die gleichen Informationen wie der heutige “Bild”-Artikel (“222 Kilo”, “5 Liter Cola, 15 Burger mit Pommes, mehrere Kilo Schokolade.”, “Wenn sich nicht sofort konsequent etwas ändert, wird Jessica ihren nächsten Geburtstag nicht erleben, sagen die Ärzte”). RTL tut auch so, als seien die zwei Jahre alten Aufnahmen von “The Insider” aktuell und mischt sie, ohne das immer kenntlich zu machen, mit vier Jahre alten Aufnahmen von einem eigenen früheren Besuch bei Jessica. Da war das Mädchen also fünf. Bei RTL war sie heute, vier Jahre später, trotzdem, genau wie in “Bild”, erst sieben.

Mit Dank an die Hinweisgeber.

Vom Hörensagen

Neulich bei Bild.de…

Praktikant: “Sagen Sie mal, Chef, für die Fotostrecke mit Britney Spears haben wir doch dieses Nackt-Schwanger-Titelbild, wie heißt noch mal die Zeitschrift?”

Chef:Harper’s Bazaar. Stell gleich mal online.”

Praktikant: “Geht klar.”

Chef: “Aber denk dran: ‘Harper’s Bazaar’ schreibt sich mit Doppel-A!”

Praktikant: “Weiß ich doch, Chef.”

Während ihrer zweiten Schwangerschaft ließ sich die Sängerin nackt für das Cover von 'Haarper's Bazar' ablichten

Chef: “Ach, und habt ihr diese Film-Meldung gemacht?”

Praktikant: “Ich sitz’ grad dran. Hab sogar den Namen dieser Maggie Gyllenhaal nachgeschlagen, dass wir da keine blöden Schreibfehler drinhaben. Sagen Sie mir schnell nochmal den Titel des Filmes?”

Chef:The Dark Knight.”

Praktikant: “Alles klar!”

US-Schauspielerin Maggie Gyllenhaal wird den Part von Katie Holmes in "The Dark Night" spielen

Danke an Jenny D. und an Frank J. — auch für die Dialog-Idee.

Nachtrag, 16.3.2007: Während sich die “Dark Night”-Meldung unauffällig aus dem Newsticker verabschiedet hat, wurde “Haarper’s Bazar” inzwischen korrigiert.

6 vor 9

Das macht Seitendruck!
(ftd.de, Arndt Ohler und Thomas Hillenbrand)
Ein paar Computer, drei Server. Mehr brauchen die zwei Männer nicht, um eine Web-2.0-Plattform zu programmieren. Sie sind teil eines Zwergenaufstandes: deutsche Startups schlagen ihre US-Vorbilder.

Kuriositätenkabinett der Nachrichtenseiten
(sichelputzer.de, Mike Schnoor)
Mike Schnoor ist aufgefallen, dass sich die deutschen Nachrichtenseiten bzw. Nachrichtenportale zunehmend ähneln. Er stellt die geläufigsten Nachrichtenseiten von Deutschland nebeneinander.

“Dümmste Fehler, Fehler, Fehler über Fehler”
(telepolis.de, Reinhard Jellen)
Rainald Goetz blogt für Vanity Fair (hier).

?Vom @ über das e zum i?
(zeit.de, Dirk Asendorpf)
Das Netz verändert auch unsere Sprache. Was sagt der Linguist dazu? Ein Gespräch über die Entwicklungsphasen Neuer Medien.

Wenn der schwedische Außenminister bloggt, wird daraus eine Bildt-Zeitung
(taz.de, Reinhard Wolff)
Stockholms Antwort auf Venezuelas Hugo Chávez und dessen mediale Selbstdarstellung in “Aló Presidente” sei Carl Bildt. Das warf dem schwedischen Außenminister dieser Tage ein Publizist vor und meinte damit Bildts Internetblog. Dieser Vergleich hinkt: Noch singt Bildt im Internet nicht. Dafür aktualisiert er sein Blog bis zu fünfmal täglich, während Chávez bislang nur bis zu fünfmal wöchentlich auf Sendung ist.

Feldpost digital
(tagesspiegel.de, Carolin Jenkner und Marscha van der Vlies)
UN-Soldaten bloggen aus Afghanistan – deutsche Streitkräfte hingegen nicht. Aus gutem Grund.