Ups, jetzt ist schon Donnerstagabend, und wir haben doch noch was Wichtiges für die beliebte Rubrik “Korrekturen” der “Bild am Sonntag”!
In ihrem “Großen BamS-Report: So vergeudet der Staat unser Geld” stehen viele alte Geschichten, die die “Bild”-Reporter im “Bild”-Archiv gefunden haben, unter anderem über die “Verschwendung von Steuergeldern für Krötentunnel und andere gutgemeinte Tierschutzprojekte”, die die “Bild am Sonntag” “fast schon legendär” nennt.
Mindestens eine davon ist sogar im eigentlichen Wortsinn legendär. Die hier:
In Nordrhein-Westfalen haben (verlassene) Feldhamsterbauten eine Zwei-Milliarden-Euro-Investition in ein Braunkohle-Kraftwerk verhindert.
Ein kleiner Satz, zu dem sich viel sagen ließe: Dass es nicht der deutsche Staat, sondern die EU war, die den Feldhamster 1992 unter Schutz stellte. Dass der Betreiber des geplanten Kraftwerkes in Grevenbroich-Neurath, die RWE-Power AG, das Gutachten selbst in Auftrag gegeben hat, das die Feldhamsterbauten entdeckte. Dass die Politiker, inklusive der Grünen, sich einig waren, dass die Feldhamster auf Flächen in der Umgebung ausweichen könnten und deshalb den Bau nicht zum Scheitern bringen würden. Dass Zeitungen wie die “F.A.Z.” die Geschichte von den Hamstern als Ursache des Streits um das Kraftwerk als “Legende” bezeichneten.
Das alles ist sicher zu lang für den “Korrekturen”-Kasten in der “Bild am Sonntag”. Wir schlagen deshalb folgende Kurzversion vor: Feldhamster haben schon deshalb den Bau des Braunkohle-Kraftwerkes nicht verhindert, weil es gebaut wird.
Gestern war der 2. November 2005. Vor 40 Jahren schrieben wir folglich das Jahr 1965. Und anders als “Bild” gestern behauptete, als sie zwei Satellitenfotos des Tschadsees aus dem UNEP-Atlas afrikanischer Seen abbildete (siehe Ausriss), zeigt das obere Bild nicht den “Tschadsee heute” und das untere nicht den “Tschadsee vor 40 Jahren”. Vielmehr stammt das neuere vom 21. Oktober 2001 und das ältere von 1972. Woher wir das wissen? Es steht auf beiden drauf.
Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Daniel K.
Es gibt keine Fotos von Joschka Fischer und Minu Barati, wie sie nach ihrer Hochzeit in Rom das Rathaus verlassen. Das liegt nicht daran, dass keine Fotografen zur Stelle waren, sondern daran, dass beide das Gebäude nicht gleichzeitig verlassen haben — eben damit es solche Fotos nicht gibt. Die “Bild”-Zeitung fand es schwer, sich mit diesem Mangel abzufinden, bastelte sich am Computer ein entsprechendes Bild, schmückte damit am Montag groß ihre Seite 1 und verzichtete (wie berichtet) auf den Hinweis, dass es sich um eine Montage handelte.
Am Dienstag druckte das Blatt außerdem ein Bild, das Barati, ihre Tochter (Gesicht unkenntlich gemacht) und Fischer im Flugzeug zeigt. Der “Bild”-Fotograf hatte die drei offensichtlich überrascht. Das Bild entspricht ziemlich genau der Art Fotos, die nach dem sogenannten “Caroline-Urteil” des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr veröffentlicht werden dürfen: Es zeigt den Politiker und seine Familie in einer rein privaten Situation (er flog in der “Touristenklasse” und nicht in offizieller Funktion).
Gegen beide Abbildungen geht Minu Barati nun, wie ein “Bild”-Sprecher bestätigte, juristisch vor. Sie verlangt unter anderem Unterlassungserklärungen von der Zeitung.
Dies ist die erstaunliche Geschichte von Jan Mendelin, einem glücklichen Mann, der es geschafft hat, gleichzeitig eine Art Manager des Fußballers Stefan Effenberg zu sein und regelmäßig in der “Bild”-Zeitung als scheinbar unabhängiger Journalist über Stefan Effenberg zu schreiben. Erzählt hat sie gestern das NDR-Medienmagazin “Zapp” in einem Schleichwerbe-Special.
Mendelin war früher Redakteur bei RTL. Der “Spiegel” berichtet, 1999 habe der damals 26-jährige als Reporter den Sportler kennengelernt und schnell Freundschaft geschlossen. Schon im ersten Interview habe Mendelin nach fünf Minuten bewundernd festgestellt: “Stefan, Sie sind ja total unkompliziert.”
Ab Herbst 2002 taucht Mendelin in den Medien in einer veränderten Rolle auf. In einem Interview mit “Bild am Sonntag” am 10. November 2002 spricht Effenberg unter anderem über die Trennung von seiner Frau:
“BamS”: Ihre Frau Martina war auch Ihre Managerin. Wer macht das heute?
Effenberg: Ich habe jetzt einen Koordinator — Jan Mendelin. Der kümmert sich auch um meine Memoiren, die im nächsten Jahr rauskommen.
Die “Berliner Zeitung” schreibt wenige Tage später, Mendelins Aufgabe bestehe “vor allem darin, Medienanfragen abzublocken”.
Mendelin schreibt mit und für Effenberg dessen Biographie, die im Frühling 2003 exklusiv von “Bild” vorabgedruckt wird: “Jetzt knallt’s täglich In BILD! Skandal- Fußballstar Stefan Effenberg (34) rechnet ab. (…) Effe so intim wie nie.” Seine Geschäftsbeziehung zu Effenberg wird von vielen Medien diskutiert; sie ist auch kein Geheimnis: Mendelins Name steht mit auf dem Buchcover.
Nun könnte man glauben, dass ihn das disqualifizert, gleichzeitig in der Rolle als scheinbar unabhängiger Journalist über Effenberg zu berichten. Nicht für “Bild”. Am 7. Februar 2004 führt Mendelin mit einem anderen Autor zusammen für “Bild” ein “Interview” mit seinem eigenen Schützling: “EFFE – Abrechnung mit dem FC Arrogant”. Am 8. September 2004 ist Mendelin der Autor eines großen “Bild”-Interviews: “Effenberg & Frau Strunz exklusiv in BILD: Warum wir uns trennen”. Am 20. April 2005 “interviewt” Mendelin Effenberg für “Bild” und setzt davor den einleitenden Satz: “Die Fans in Gladbach lieben ihn”. Am 29. Juni 2005 schreibt Mendelin in “Bild”: “Effes Frau will mehr Geld für die Kinder: Unterhalts-Klage gegen Strunz”. Am 22. Juli 2005 “interviewt” Mendelin für “Bild” Effenbergs Eltern, am 25. Juli 2005 “berichtet” er für “Bild” über Effenbergs Abschiedsspiel.
Zur Höchstform läuft Mendelin in seiner Doppelrolle auf, als Effenberg wegen Polizistenbeleidigung angeklagt wird. “Zapp” zeigt, wie Mendelin als Berater Effenbergs vor und im Gerichtssaal nicht von dessen Seite wich. Gleichzeitig schrieb er für “Bild” die Artikel über den Prozess, z.B.: “Effes Arschloch-Prozess”, “Effe — Das Urteil ist eine Unverschämtheit”, “Effe spuckt Gift und Galle”.
All das widerspricht der Ziffer 7 des Pressekodex, in der es heißt:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden.
Und was sagt der Verlag zu den Vorwürfen? Offiziell nichts. “Zapp” berichtet, der “Bild”-Sprecher habe ausrichten lassen, man wisse nichts von einer Geschäftsverbindung zwischen Mendelin und Effenberg.
Danke auch an Thomas C.
Nachtrag, 5. November. Wir haben am Donnerstagmittag den “Bild”-Pressesprecher gebeten, uns zu sagen, ob Mendelin auch in Zukunft für “Bild” über Effenberg berichten wird. Wir haben keine Antwort erhalten.
Nachtrag, 30. November. Inzwischen haben wir vom “Bild”-Pressesprecher die Zusage bekommen, noch in diesem Jahr eine Antwort auf unsere Fragen zu erhalten.
Nachtrag, 5. Januar. Tatsächlich hat uns der “Bild”-Pressesprecher noch 2005 geantwortet. Am 24. Dezember teilte er uns mit:
1. Wir haben Ihre Vorwürfe gegen Hr. Mendelin geprüft. Daraus hat sich für uns nach wie vor kein Nachweis für eine Geschäftsbeziehung zwischen ihm und Effenberg ergeben. Als was ihn verschiedene Medien, egal aus welchem Verlag, bezeichnen, sagt ja noch nichts über einen wirklichen Tatbestand aus. Da werden Sie mir sicherlich zustimmen.
Zudem liegt uns eine Eidesstattliche Erklärung von Hr. Mendelin vor. Für uns gibt es keinen Anlaß daran zu zweifeln.
2. Wie bereits erwähnt ist Hr. Mendelin freier Autor, insofern kann ich Ihnen nicht sagen ob, wann oder über was er das nächste Mal für BILD schreibt.