Archiv für Juli 23rd, 2004

Blind abgeschrieben

Außer auf seine Auflage ist “Bild” ganz besonders stolz darauf, die meistzitierte deutsche Zeitung zu sein. Und warum ist “Bild” die meistzitierte deutsche Zeitung? Weil sie so viele Exklusivmeldungen hat? Vielleicht. Vielleicht aber auch nur, weil alle anderen so blöd sind, bei ihr abzuschreiben. “Spiegel Online” zum Beispiel:

“Das Mittelfeld ist nicht kreativ genug. Wir haben keinen Häßler und Littbarski mehr. Und wir sind nicht mehr schnell genug”, sagte [Klinsmann] der “Bild”-Zeitung, “da kann nur Lahm mithalten. Das ist zu wenig. Da ist einiges versäumt worden, das korrigiert werden muss.”

Ja, all das stand in “Bild”. Aber erzählt hat es “Klinsi”, wie gesagt, vor knapp drei Wochen dem Sport-Informations-Dienst (sid). Bei dem ist auch der “Spiegel” Kunde. Obwohl er sich das Geld sparen könnte — er hat ja “Bild” abonniert.

Ohne fremde Hilfe

Gestern meldete die “Financial Times Deutschland” mit 91 Wörtern auf Seite 6, dass “Bild” “nach den Auflagenrückgängen der letzten Jahre nun auch Leserverluste verkraften” müsse und laut aktueller Media-Analyse 60.000 Leser weniger als im Vorjahr erreiche. Der tatsächliche Minuseffekt sei jedoch wegen einer Methodenänderung wahrscheinlich noch größer.

Heute korrigiert die “FTD” mit rund 100 Wörtern auf Seite 5:

“Uns [ist] leider ein schwerer Fehler unterlaufen. So heißt es in der Meldung, die ‘Bild’-Zeitung habe aufgrund einer geänderten Auswertungsmethode deutlich an Reichweite verloren. Das ist jedoch nicht der Fall, da die Änderung nur für Zeitschriften gilt, nicht jedoch für Zeitungen.”

Und “Bild” triumphiert mit 116 Wörtern auf der Titelseite:

“Falscher Bericht über Leserreichweite. (…) Die Chefredaktion der ‘Financial Times Deutschland’ entschuldigt sich öffentlich für einen falschen Bericht über die Leserreichweite von BILD! Die Zeitung hatte in ihrer Donnerstag-Ausgabe behauptet, dass BILD auf Grund einer geänderten Auswertungsmethode deutlich an Reichweite verloren habe (…).”

Dass das Boulevardblatt im Vergleich zum Vorjahr 60.000 Leser weniger hat, ist zwar keine Katastrophe, stimmt allerdings trotzdem (und steht natürlich nicht dabei).

Fassen wir also zusammen: “Bild” hat nicht aufgrund einer geänderten Auswertungsmethode Leser verloren, sondern ganz ohne fremde Hilfe.

Früer war alles besser

Neues vom “unendlichen Chaos um die neue Rechtschreibung”: “77% der Deutschen lehnen die Reform ab (Emnid-Umfrage). Jetzt fordern prominente Autoren: Gebt die verwirrende Rechtschreibreform wieder auf!”

Die Sensation: “Bild” gibt zuerst auf und schreibt ab sofort wieder nach den alten Regeln!

Öhm… – wie waren die noch mal?