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Verlust der Realität

Es gibt Geschichten in “Bild”, die sind widersprüchlich, andere haben übergeigte Überschriften, und wieder andere erwecken durch das Verschweigen wesentlicher Informationen einen falschen Eindruck. Auf diese hier, die heute in der Berliner Ausgabe steht, trifft alles drei zu:

Sie beginnt mit folgendem Satz:

Er kann’s nicht lassen – der irre Film-Star aus dem ICE fuchtelt schon wieder mit einer Knarre rum…

Es geht um Alexander Scheer, und dazu, was es mit dem Vorfall im ICE auf sich hatte (worüber “Bild” gestern schon berichtete), kommen wir noch.

Zunächst zum Text in der heutigen “Bild”:
Dort wird zwar nirgends verraten, wann und wo Scheer “schon wieder” mit einer “Knarre” rumgefuchtelt haben soll, aber “Bild” fasst seinen neuesten Film kurz zusammen:

Darin rennt er bewaffnet durch Berlin, jagt einer schwarzen Tasche nach. Es gibt blutige Schießereien, Tote.

Mangels anderer Hinweise auf Knarren-Rumgefuchtel, müssen wir also davon ausgehen, dass “Bild” mit Überschrift und Einleitung den Film meinte.

Und mal abgesehen davon, dass das Wort “wieder” hier zeitlich nicht passt, es ist auch inhaltlich Blödsinn – Es sei denn, man trennt nicht zwischen der Rolle eines Schauspielers und der Person des Schauspielers, was natürlich auch Blödsinn wäre. Das weiß sogar “Bild”, wie dieses Zitat zeigt:

Wer ist der durchgeknallte Kerl eigentlich – verwechselte er im Zug Bühne und Realität?

Andererseits steht etwas weiter unten dann dieser Satz über Scheer:

In seinen Rollen zeigt er sich gerne nackt, greift seinen Bühnenpartnern schon mal ans Gemächt.

Halten wir also fest:
1. Übergeigte Überschriften haben zwar laut Chefredakteur und Herausgeber Kai Diekmann nichts in “Bild” zu suchen, kommen aber trotzdem zum Einsatz.
2. “Bild” unterscheidet zwischen Bühne und Realität, wenn das hilft, jemanden als “durchgeknallt” darzustellen.
3. “Bild” unterscheidet nicht zwischen Bühne und Realität, wenn das hilft, jemanden als durchgeknallt darzustellen.

Und nun zum Vorfall im ICE, den “Bild” u.a. “Wahnsinns-Tat” und “Pistolen-Auftritt” nennt und im zweiten Absatz so skizziert:

Mit Alkohol-Fahne und blutigem Hemd stoppte (…) Scheer den ICE (…), verursachte einen Großeinsatz der Polizei.

Und jetzt lesen Sie bitte kurz diesen Text hier in der “Welt”. Ist Ihnen da zufällig das Wort Spielzeugpistole aufgefallen? Sehr schön, in der “Bild” von heute fehlt es nämlich völlig.

Wie der Blinde vom Sehen

Da freuen sich die Rechtschreib-“Experten” bei “Bild”, und schlagzeilen anlässlich der Vorschläge der Arbeitsgruppe des Rats für Rechtschreibung, einige Regelungen der Rechtschreibreform wieder zu ändern:

Schlechtschreib-Reform: Endlich ändert sich was!

Im Text heißt es dann, der Rat für Rechtschreibung wolle die “schlimmsten Murks-Regeln der Schlechtschreibreform kippen”, und “Bild” behauptet, dass “kaum eine wichtige Neuerung überleben” wird, wofür sie Rechtschreibrats-Mitglied Theodor Ickler als einzigen Kronzeugen heranzieht* (ohne zu erwähnen, dass seine Auffassung nicht ganz unumstritten ist). Nun ja, dass “Bild” (übrigens ebenso wie Ickler) nicht gerade von der Rechtschreibreform begeistert ist, wissen wir ja.

Dass “Bild” weder in neuer noch in “bewährter” oder “klassischer” Rechtschreibung, wie sie es nennt, besonders bewandert ist, wissen wir zwar auch, müssen aber trotzdem mal wieder darauf hinweisen*. Zumal sie vollmundig schreibt: “BILD sagt, was jetzt Sache ist.” Unter anderem sei das die Tatsache, dass “fast alle Wörter” wieder “zusammengeschrieben” werden dürften. Und auch, wenn wir davon ausgehen*, dass “Bild” mit “fast alle Wörter” nur diejenigen Wortgruppen meint, die eine idiomatisierte Gesamtbedeutung haben (so jedenfalls der Vorschlag der Arbeitsgruppe), wirft der Kasten, den “Bild” hier wohl als Service anbieten will (siehe Ausriss), doch einige Fragen auf: Warum taucht beispielsweise auf der “bisher”-Seite der Begriff “kalt stellen” auf, wenn doch nach den “Murks-Regeln” “kaltstellen” richtig ist (außer “Bild” dachte an einen Pudding, den man allerdings auch vor der Reform schon “kalt stellen” musste)? Und warum steht dort “fest nageln”, wenn es doch nach den “Murks-Regeln” “festnageln” heißt? Falsch geschrieben ist übrigens auch “kopf stehen”, da es sich hierbei um eine Zusammensetzung aus nicht verblasstem Substantiv und Verb handelt, die folglich “Kopf stehen” geschrieben wird. Bei “Acht geben” sollen nach dem Änderungsvorschlag beide von “Bild” gegenüberstellten Schreibweisen möglich sein. Ebenfalls nicht begriffen hat “Bild” offenbar, dass “vorher gehen” schon immer getrennt geschrieben wurde, wenn damit “früher gehen” gemeint ist. Wird der Begriff jedoch im Sinne von vorausgehen* gebraucht, wird er, “Murks-Regeln” hin oder her, zusammengeschrieben*.

*) Alle gekennzeichneten Wörter wurden nach den Regeln der reformierten Rechtschreibung zusammengeschrieben.

Ein Bild, zwei “Bild”-Meinungen

Arsenal London, dessen Torwart Jens Lehmann ist, flog bekanntlich gegen Bayern München, dessen Torwart Oliver Kahn ist, aus der Champions-League. Und Kahn und Lehmann sind bekanntlich beide in der Deutschen Nationalmannschaft, wo sie um den Posten des StammTorhüters konkurrieren. Soweit so gut. Morgen nun steht Bayern gegen Chelsea London im Viertelfinale. Und jetzt dies:

Lehmann plötzlich Kahn-Fan

So steht es heute in “Bild”, weil Lehmann über Kahn sagt, “Ich wünsche ihm den Sieg”. “Bild” illustriert die Geschichte u.a. mit diesem Foto:

Und in der Bildunterzeile steht:

Fair: Nach dem Champions-League-Aus von Arsenal gratuliert Londons Jens Lehmann (l.) Oliver Kahn zum Viertelfinal-Einzug

Das gleiche steht auch in der Online-Ausgabe unter einem anderen Foto, nämlich diesem hier:

Sehen wir mal davon ab, dass Bild.de hier also das falsche Foto eingebaut hat, weshalb die Unterzeile nicht mehr stimmt (Kahn, nicht Lehmann, steht links). Viel interessanter ist nämlich, dass das Tätschelfoto schon einmal in “Bild” abgedruckt wurde. Und schon damals konnte man dort quasi nachlesen, dass es nur einen Wimpernschlag nach dem Händedruckfoto entstand (“Ein Händedruck unter Männern”). – Trotzdem wurde es in einen völlig anderen Zusammenhang gestellt:

Ja was denn nun? “Demütigt” Kahn hier tatsächlich Lehmann, wie “Bild” am 24. Februar auf der Titelseite schrieb? Gratuliert Lehmann hier Kahn, wie heute bei Bild.de steht? Stammen die Fotos aus dem Achtelfinal-Hinspiel oder doch eher aus dem Rückspiel? Sucht man sich bei “Bild” etwa völlig Ereignis unabhängig Fotos zusammen, um dann irgendwelchen Quatsch drunter zuschreiben, der zwar mit der Wahrheit nichts zu tun hat, dafür aber zur Geschichte passt? Und was sagt das eigentlich über den Wahrheitsgehalt der Geschichten selbst aus?

Zumindest eine Frage lässt sich definitiv beantworten: Die Fotos wurden im Achtelfinal-Hinspiel aufgenommen und nicht, wie “Bild” behauptet, “nach dem Champions-League-Aus von Arsenal”. Bei der Beantwortung der anderen Fragen kann man sich nicht hundertprozentig sicher sein.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Markus.

Nachtrag, 18.35 Uhr:
Das Tätschelfoto auf Bild.de wurde inzwischen durch das Händedruckfoto ersetzt. Da man aber bei Bild.de offenbar Fehler von “Bild” nicht einfach so verbessern darf, steht die falsche Behauptung, der Händedruck habe “nach dem Champions-League-Aus von Arsenal” stattgefunden, immer noch da.

Allgemein  

Der falsche “Vergewaltiger”

Machen wir es kurz, denn wir wollen uns gar nicht lange ausmalen, was in einem vorgeht, wenn man plötzlich ein Foto von sich in der Zeitung entdeckt, das einen als mutmaßlichen Vergewaltiger zeigt:

Aber so stand es am 1. März in “Bild”. Und die Antwort auf die gestellte Frage könnte eindeutiger kaum ausfallen. Sie lautet: Nein! Der Mann auf dem Foto (das von uns zusätzlich verfremdet wurde, weil die von “Bild” vorgenommene Verfremdung uns etwas dürftig erschien) ist nicht der “Vergewaltiger aus der Jungfernheide”! Er ist auch nicht der “mutmaßliche Täter”, der per DNA-Test “überführt” wurde, wie “Bild” schrieb. Der abgebildete Mann hat überhaupt nichts mit den Vergewaltigungen, die laut “Bild” “immer gewalttätiger” wurden, zu tun. “Bild” hat vielmehr, und leider nicht zum ersten Mal, ein falsches Foto veröffentlicht, weshalb sie heute eine Richtigstellung abdrucken musste:

Bei der Veröffentlichung kam es bedauerlicherweise zu einer Fotoverwechslung. Das Bild zeigt nicht den mutmaßlichen Vergewaltiger. Wir entschuldigen uns bei dem fälschlicherweise abgebildeten Mann.

Und vielleicht sollte man sich bei “Bild” mal darüber Gedanken machen, ob es nicht möglich ist, solche “bedauerlichen Fotoverwechslungen” von vorne herein zu verhindern – zum Beispiel, indem man ein klitzekleines bisschen gewissenhafter arbeitet.

Bestseller Visa-Affäre

Was da gestern in “Bild” auf den Seiten eins und zwei stand, klang nach einem astreinen Polit-Thriller:

Visa-Affäre: Wichtiger Zeuge ermordet

Bedeutungsvoll fragte “Bild”: “Mußte er für immer schweigen, weil er zuviel über illegalen Menschenhandel nach Deutschland wußte?” Und: “Mußte er sterben, weil er zuviel wußte?”

Sie wissen schon, wegen der sogenannten “Visa-Affäre” steht Außenminister Joschka Fischer ziemlich unter Druck. Er soll verantwortlich sein für eine Praxis der Visa-Vergabe, die illegalen Menschenhandel zumindest vereinfacht haben könnte. Deshalb gibt es einen Untersuchungsausschuss im Bundestag. Tja, und jetzt “fand die Polizei die Leiche eines der wichtigsten Zeugen in der Visa-Affäre!” So stand es jedenfalls gestern in “Bild”.

Es handelt es sich bei dem Toten zwar nicht um einen Zeugen, der beispielsweise vor dem Untersuchungsausschuss zur Visa-Affäre hätte aussagen sollen, sondern um einen Zeugen – äh … na ja, eigentlich war … also eigentlich war er kein Zeuge im technischen Sinne, sondern… ach, egal, vermutlich meint “Bild” das Wort “Zeuge” eher im übergeordneten Sinn. Jedenfalls war dieser “Zeuge” ein mutmaßlicher Menschenhändler, der also möglicherweise von der Visa-Vergabe-Praxis profitiert hat. Und wegen Menschenhandels war Nicolaj B. auch angeklagt.

Und jetzt wird es für “Bild” spannend: Unmittelbar bevor der “Zeuge” im November letzten Jahres verschwand, hat er offenbar seinen Anwalt aufgesucht. In “Bild” liest sich das Ganze dann so:

Wollte er auspacken?
Tatsache ist: Am 2. November, unmittelbar bevor er spurlos verschwand, hatte Nicolaj B. seinen Verteidiger besucht. Sein Rechtsanwalt: “Er sagte er habe neue Beweise, die ihn entlasten. Die wollte er am nächsten Tag vorbeibringen.”

Und vielleicht halten wir an dieser Stelle mal kurz inne, und fragen uns mal ganz ernsthaft dies: Wie genau soll der Tod von Nicolaj B. eigentlich im Zusammenhang mit der Visa-Affäre stehen? Will “Bild” etwa den Eindruck erwecken, es handele sich bei dem Mord an Nicolaj B. um einen politisch motivierten Mord? Ja, was glaubt “Bild” eigentlich, wer den Mord begangen oder in Auftrag gegeben hat?

Und: Was gibt es sonst noch so zu dem Fall?

Nicolaj B. wurde am 3. November 2004 getötet, unabhängig davon wurde am 9. November 2004 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragt, der am 17. Dezember beschlossen wurde und im Februar die Arbeit aufnahm. Nicolaj B. wurde offenbar von seinem Leibwächter ermordet, der gestanden hat, dass es dabei um Geld-Streitigkeiten ging. Das weiß auch “Bild” und nennt es ein “angebliches Motiv”. Der Sprecher der Staatsanwalt sagte dazu gestern der Nachrichtenagentur AP, “Ob das das wahre Motiv ist, weiß ich nicht. Doch habe ich keine Anhaltspunkte für ein anderes Motiv”. Der Nordrheinwestfälische Landeskriminaldirektor sagte gestern zu AP: “Der Mord hat nichts damit zu tun, dass das Opfer mundtot gemacht werden sollte.” Und der Anwalt von Nicolaj B. sagte gestern zu Spiegel Online, dass sein Mandant lediglich angekündigt habe, er wolle weitere Unterlagen für einen anstehenden Prozess bereitstellen. Von der “Bild”-Meldung sei er überrascht gewesen, denn er habe nie mit “Bild”-Reportern über den Fall gesprochen.

Die haben sich dafür offenbar zu viele Gedanken über den Fall gemacht, und bei Polit-Thrillern ist es ja nunmal so, dass sich selbst die unwahrscheinlichsten Konstrukte am Ende doch als ungemein plausibel herausstellen – jedenfalls im Roman.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Hatem F.

Tröpfchenweise

Folgende Geschichte steht heute in der Berliner “Bild”-Ausgabe:

Das wird ja im allgemeinen ganz interessant gefunden, wenn Prominente Clubs aufmachen, lesen wir mal weiter:

Jetzt macht Schauspielerin Mariella Ahrens (35) Werbung für einen Club erfolgreicher junger Frauen.

Aha, Ahrens macht also doch keinen Club auf, sondern bloß Werbung für einen. Lesen wir noch weiter:

“Mariella Ahrens ist nur eines von über hundert festen Mitgliedern unseres Clubs”

Aha. Ahrens macht also weder einen Frauen-Club auf, wie in der Überschrift behauptet wird, noch macht sie offenbar Werbung für einen, wie im ersten Absatz behauptet wird, sie ist lediglich Mitglied im “Women’s Cats Club”, wie dessen Sprecherin endlich im dritten Absatz klarstellt. Und da ist es nur gut, dass “Bild” die Sprecherin überhaupt befragt hat, und der Text auch kurz danach endet, sonst wäre womöglich noch herausgekommen, dass Mariella Ahrens noch nie von dem Club gehört hat, den sie doch eigentlich aufmacht.

Vermischtes III

Seit vergangenen Samstag ist es endlich raus! Nein, nicht ob Jennifer Lopez schwanger ist! Vielmehr ist (spätestens) seit vergangenen Samstag bekannt, dass “Bild” nicht in die Zukunft sehen kann. Zwar hatte sie vor “Wetten dass…?” so getan (siehe Ausriss), wer sich aber die Sendung daraufhin gespannt ansah, wurde enttäuscht. Tatsächlich sagte Lopez nämlich nichts zu dem Thema.

Und “Bild” hat sogar noch größere Probleme mit dem Sehen, als bisher angenommen, wovon man sich am Montag überzeugen konnte. Im Text zur Titelgeschichte, “Brötchen-Millionär Kamps: Heimliches Baby mit ihr”, stand nämlich über den dreijährigen Marc W.: “Strahlemann-Lachen und süße braune Knopfaugen, ganz wie sein Papa, Multimillionär Kamps”. Tatsächlich hat Heiner Kamps jedoch eher blaue Augen, wie Märchentante Autorin B.A. Friedrich leicht hätte feststellen können, wenn sie einen Blick auf das in “Bild” veröffentlichte Foto geworfen hätte (siehe Ausriss).

Themawechsel: “Kann ein Gorilla-Weibchen seine Pflegerin sexuell belästigen?” Eine ziemlich blöde Frage, vor allem, weil sie über einem Text auf Bild.de steht, in dem es eigentlich um sexuelle Belästigung durch den Arbeitgeber geht, auch, wenn eingangs fälschlich behauptet wird, der Gorilla solle “zwei Tierpflegerinnen sexuell belästigt haben”.

Mit Dank für die sachdienlichen Hinweise an Christoph W., Sven B. und Alexander S.

“Bild” pokert – und verliert

Es ist doch wirklich sonderbar. In “Bild” kann man heute auf der Seite zwei folgende Schlagzeile lesen:

Und im dazugehörigen Text steht dies:

Um 18.42 Uhr ließ zum ersten Mal eine ZDF-Hochrechnung auch das letzte Fünkchen für Heide Simonis (61/SPD) erlöschen: Selbst die zwei Abgeordneten des Südschleswigschen Wählerverbandes können sie nicht mehr ins Amt der Ministerpräsidentin retten – CDU und FDP haben mit 35 Sitzen die absolute Mehrheit der Mandate errungen!

Andererseits kann man in “Bild” heute auf der Seite zwei aber auch dies hier lesen (übrigens unter der Überschrift “Heide stürzt ab, Merkel lacht”):

Wer regiert künftig in Schleswig-Holstein? Noch unklar!
(…)
Nach einer stundenlangen Zitterpartie stand erst kurz vor Mitternacht fest: Weder für Rot-Grün (33 Sitze) noch für Schwarz-Gelb (34) reicht es zur absoluten Mehrheit.

Das ist zwar fast das Gegenteil des eingangs Zitierten, im Grunde ist es aber einfach zu erklären: Teile der “Bild”-Auflage werden früher gedruckt, als andere, weshalb das vorläufige amtliche Endergebnis dort nicht berücksichtigt werden konnte. Und in dieser Hinsicht unterscheidet “Bild” sich nicht von anderen Zeitungen. In der Hinsicht, dass sie entgegen einfachsten journalistischen Grundregeln derart knappe Hochrechnungen als feststehendes Wahlergebnis präsentiert, allerdings schon.

Quasi als Beleg seien hier deshalb noch einige Zeitungen von heute zitiert, die das vorläufige amtliche Endergebnis auch nicht mehr ins Blatt bekommen haben, dafür aber bestimmte Wörter, die in “Bild” gänzlich fehlen, und die den entscheidenden Vorteil mit sich bringen, dass in diesen (nicht mehr aktuellen) Texten immer noch die Wahrheit steht:

“Union (…) schafft voraussichtlich den Regierungswechsel”
“Süddeutsche Zeitung”

“Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein zeichnet sich ein Machtwechsel ab
“die tageszeitung”

“die CDU (…) kann womöglich zusammen mit der FDP (…) wieder die Landesregierung stellen.”
“Frankfurter Allgemeine Zeitung”

Die Erinnerungen des Grafen Nayhauß

Rückblick: Im Juli 2001, anlässlich des 75. Geburtstags von Mainhardt Graf Nayhauß, Autor der “Bild”-Kolumne “Berlin vertraulich” (ehemals: “Bonn vertraulich”) und zahlreicher Bücher (u.a. “Denk ich zurück an Bonn”), schrieb die “Welt” aus dem Axel Springer Verlag über den Jubilar: “Kaum jemand der Branche ist näher an Schröder, Fischer, Rau und den anderen Größen der Republik.” Das ist nun dreieinhalb Jahre her, die zweite Amtszeit von Eberhard Diepgen als Bürgermeister von Berlin war gerade zu Ende gegangen.

Aber zurück in die Gegenwart. Heute schreibt Mainhardt Graf Nayhauß in seiner “Bild”-Kolumne dies:

Rechtsexperten, darunter Berlins Innensenator Werthebach, meinen, daß “aus rechtlicher Sicht” der Aufmarsch nicht zu verbieten ist.
Hervorhebungen von Bild.de

Hoppla, da ist Nayhauß aber ein kleiner Fehler unterlaufen. Der Berliner Innensenator heißt nämlich seit dem 16. Juni 2001 Ehrhart Körting. Eckart Werthebach war vorher, unter Eberhard Diepgen, Senator für Inneres in Berlin.

Und deshalb sei uns hier doch noch ein kleiner Blick in die Vergangenheit gestattet. Noch einmal die “Welt” anlässlich Nayhauß’ 75.:

Wer aber aus den Erinnerungen des Autors von sieben Büchern und tausenden Artikeln zu schließen glaubt, Graf Nayhauß lebe in der Vergangenheit, der irrt.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Marc

Allgemein  

Symbolfoto VI: “Bild” verleugnet Jesus

Es hätte alles so schön gepasst. Der schillernde Rudolph Moshammer (über den Roberto Blanco in “Bild” sagte, “Rudolph war ein Show-Mann, ein Exzentriker. Ich glaube, er würde auch diesen letzten ‘Auftritt’ in einem gläsernen Sarg sehr lieben.”) im “Schneewittchensarg”. Und das kann man sich gut vorstellen, noch dazu, wenn es sich bei dem gläsernen Sarg um ein so prunkvolles Stück wie jenes handelte, das “Bild” heute auf der Titelseite und noch einmal weiter hinten abbildet:

Auf der Titelseite steht übrigens neben dem Foto des “Sargs”:

Der gläserne Sarg, in dem Moshammer seine letzte Ruhe finden soll

Das allerdings stimmt nicht. Nicht nur, weil, wie auch “Bild” seit heute weiß, Moshammer in einem Mahagoni-Sarg beerdigt werden wird.

Nein, der von “Bild” abgebildete Glassarg ist außerdem schon belegt, wie man auf diesem Foto (siehe Ausriss) sehen kann. Es liegt eine Jesus-Statue darin, die man in der gedruckten “Bild” allerdings kurzerhand wegretuschiert hat, wohl um Platz für Moshammer zu schaffen. Mithilfe des Originalfotos bewarben Karl und Leo Rechsteiner anlässlich des Todes von Rudolph Moshammer ihr Patent für einen Vakuum-Glassarg. Und fragt man bei Karl Rechsteiner nach, erfährt man, dass das Foto einen Schrein in Costa Rica zeigt, der dort während der “Semana Santa” (Karwoche) bei Prozessionen durch die Straßen getragen wird. Das Foto solle nur illustrieren, was für Möglichkeiten es hinsichtlich der Gestaltung von Glassärgen gibt.

“Bild” dagegen demonstriert mal wieder eindrucksvoll, welche Möglichkeiten es hinsichtlich der Gestaltung und Verwendung von Fotos gibt.

Mit Dank für den inspirierenden Hinweis an Joerg S. und Patrick G.

Nachtrag in eigener Sache:
Nachdem um obigen Eintrag offenbar Verwirrung entstanden ist, sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Joerg S. und Patrick G., (Betreiber der Website minga.de) uns und andere Medien per Mail auf die zu Grunde liegende “Bild”-Meldung aufmerksam gemacht haben (siehe “Dank an…”). Thema unseres Eintrags ist jedoch die Manipulation eines Fotos in der “Bild”-Zeitung (siehe auch Pressekodex, Ziffer 2 und Richtlinie 2.2), von der auf der Website der Hinweisgeber nicht die Rede war.

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