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“Bild” weiß Russland nicht

Heute reden wir mal über Inkompetenz. Die “Bild”-Zeitung fordert nämlich heute ihre Leser auf, sich ihre Fernsehgebühren von der ARD “zurückzuholen”, weil der Grand Prix so schlecht war:

Was Ihr Peter Urban uns am Sonnabend zugemutet hat, war eine an Langeweile und Inkompetenz nicht zu überbietende TV-Katastrophe.

Der Hauptvorwurf, der fast die Hälfte des zugehörigen “Bild”-Artikels ausmacht, lautet wie folgt:

Hätten Sie gewußt, was “Belrus” bedeutet?

Nein? Macht nichts! 7,01 Millionen TV-Zuschauer wußten es bei der Übertragung des “European Song Contest” auch nicht. Weil die ARD nicht mal in der Lage war, die eingeblendeten Untertitel des ukrainischen Fernsehens zu übersetzen. BILD hilft: “Belrus” ist englisch und heißt übersetzt: Weißrußland …

Daran ist ungefähr alles falsch.

Der Wettbewerb heißt nichtEuropean Song Contest”, sondern “Eurovision Song Contest”. “Belrus” ist kein englisches Wort. Das Wort, das “Bild” meint, heißt “Belarus”. Das ukrainische Fernsehen hat auch “Belrus” nicht als “Untertitel” eingeblendet. Eingeblendet war “Belarus”, das englische Wort für Weißrussland.

Und an exakt dieser Stelle, an der das ukrainische Fernsehen “Belarus” einblendet, weil die weißrussische Punktevergabe zu sehen ist, sagt der “inkompetente” ARD-Moderator Peter Urban wörtlich dies:

Nun nach Weißrussland.

Jetzt können Sie natürlich immer noch den Vordruck von “Bild” benutzen, an die ARD schreiben und versuchen, sich Ihre TV-Gebühren zurückzuholen. Aber wenn Sie sich schon über Inkompetenz beschweren wollen, vielleicht schreiben Sie lieber woanders hin?

Nachtrag, 20.6.2005:
Am 16.6.2005 musste “Bild” eine entsprechende Gegendarstellung des NDR-Intendanten Jobst Plog abdrucken.

Allgemein  

Wie sich die Bilder gleichen

Investigative Journalisten bei der “Bild”-Zeitung haben eine aufsehenerregende Entdeckung gemacht: Der neue Papst gleicht dem alten wie ein Papst dem anderen jemand, der “in seiner Körpersprache seinem Vorgänger immer ähnlicher” wird und “dessen Gestik zu übernehmen”, eine “große stille Verbeugung vor dem Vorgänger” ist.

In der Tat: Die vierteilige “Fotostudie” von “Bild” zeigt frappierende Ähnlichkeiten.


Die beiden haben offenbar einen ähnlichen Modegeschmack…


… lieben die gleichen Bücher…


…benutzen beim Winken ihre Hände…


…und wenn man sie durch größere Menschenmengen fotografiert, kann man den einen so wenig erkennen wie den anderen.

Aber hier hören (außer für “Bild”) die Ähnlichkeiten natürlich noch längst nicht auf, denn…


…als Zeichen seiner “Verbeugung für den Vorgänger” hat Papst Benedikt XVI. denselben Architekten für seine Arbeitsräume gewählt wie Papst Johannes Paul II…


…und im Schlaf kann man die beiden quasi gar nicht mehr auseinanderhalten.

Nachsitzen!

In der vergangenen Woche rief ein Redakteur der “Bild am Sonntag” in der Programmdirektion der ARD an. Zahlreiche Leser hätten sich beschwert, sagte er, dass die Harald-Schmidt-Sendung nur so selten im Fernsehen komme. Ein Pressesprecher erklärte ihm, dass das von vornherein so geplant gewesen sei; nur am vergangenen Donnerstag habe die Sendung relativ kurzfristig für “Speer und Er” den Platz räumen müssen. Die “Bild am Sonntag” könne ihren unzufriedenen Lesern aber eine frohe Botschaft mitteilen: Harald Schmidt werde in diesem Jahr häufiger als geplant auf Sendung gehen, nämlich 71 statt 64 mal. Eine Handvoll Shows, die eigentlich im Umfeld der Fußball-WM stattfinden sollten, habe man von 2006 auf 2005 vorgezogen, als man feststellte, dass an vielen Terminen abends gar keine Übertragungen von Spielen stattfanden. Deshalb werde Harald Schmidt in diesem Jahr schon früher als geplant aus der Sommerpause zurückkehren.

Im Klartext: An der Gesamtzahl der mit Schmidt in den nächsten Jahren vereinbarten Shows ändert sich laut ARD nichts, und mit der dünnen Präsenz der vergangenen Wochen hat das nichts zu tun.

Vielleicht hat der “Bild am Sonntag”-Redakteur das nicht verstanden. Vielleicht hat er sich auch nicht besonders viel Mühe gegeben, es richtig zu verstehen. Jedenfalls erschien in der Zeitung und im Online-Auftritt dann ein Artikel mit folgenden Aussagen:

Zu wenig gearbeitet!
ARD kürzt Harald Schmidt den Urlaub

Nachsitzen für Harald Schmidt (47)! Weil der TV-Satiriker in den letzten Wochen so selten auf dem Bildschirm zu sehen war, muß er in der zweiten Jahreshälfte mehr Sendungen produzieren als geplant. (…) 71 Sendungen muß der Ex-SAT.1-Star in diesem Jahr abliefern, doch das ist mit der ursprünglichen Programmplanung nicht zu schaffen.

Das ist in dieser Form, nun ja: falsch.

Wäre aber vielleicht nicht so schlimm, denn die “Bild am Sonntag” schreibt häufiger mal Dinge, die nicht stimmen. Schlimm ist, dass diese Dinge von anderen Zeitungen abgeschrieben werden, auch solchen, die sich als seriös ausgeben. Dass an der Meldung der “Bild am Sonntag” etwas faul ist, hätte jeder aufmerksame Redakteur auch ohne weitere Recherche und durch einen Blick ins eigene Archiv wissen können: Bislang war nämlich immer davon die Rede gewesen, dass Schmidt jährlich 64 Sendungen für die ARD produzieren muss, und nicht 71. Warum sollten es plötzlich mehr sein? Und warum sollte die ARD im Mai feststellen, dass diese 71 nach der bisherigen Planung nicht unterzubringen sind? Und wieso sollte es die Schuld von Harald Schmidt sein, dass er u.a. “Speer und Er” weichen musste?

Genug offene Fragen, sollte man denken, um die “Bild am Sonntag”-Geschichte nicht ohne weitere Recherche einfach zu übernehmen. Stattdessen stand sie in den folgenden Tagen fast überall, oft mit den wortgleichen — falschen — Formulierungen: in “Spiegel Online”, bei der “Süddeutschen Zeitung” sowohl Online als auch heute noch einmal in anderer Form in der Druckausgabe, bei “Focus Online”, im Kölner “Express”, in der Österreichischen “Krone”, bei den Nachrichtenagenturen AFP am Sonntag um 12.09 Uhr, AP am Sonntag um 13.47 Uhr, dpa am Sonntag um 13.55 Uhr, dpa am Sonntag um 16.31 Uhr, AP am Montag um 16.25 Uhr, dpa am Montag um 10.40 Uhr und und und.

Keine der genannten Agenturen oder Zeitungen hat den offensichtlichen Widerspruch zwischen den 64 geplanten und 71 von “Bild am Sonntag” behaupteten jährlich zu produzierenden Sendungen erwähnt. Keine fand es nötig, in irgendeiner Form selbst zu recherchieren. Alle haben sich blind auf die ExklusivFalsch-Meldung von “Bild am Sonntag” verlassen.

Nachtrag, 12.45 Uhr: Die ARD hat noch einmal nachgezählt und kommt auf 70 Sendungen in diesem Jahr.

“Büld” kennt sich aus

Es gibt Leute, die halten die morgige “Wetten, dass”-Sendung aus der Türkei für ein Zeichen der Integration und Verständigung und für eine wunderbare Möglichkeit, Vorurteile abzubauen. Andererseits ist Partner der Sendung die “Bild”-Zeitung und für die ist das Wundbare an Vorurteilen nicht ihre Abbaubarkeit, sondern ihre endlose Wiederaufwärmbarkeit.

“Bild” also macht heute anlässlich der Veranstaltung ganz viele lustige Witze über “Thümüs Güttschylük” und “getürkte” Sendungen und zeigt den Moderator in einer Fotomontage mit schwarzem Schnurrbart, fiesem Goldzahn und einem Fes, der traditionellen Kopfbedeckung der Türken…

…oder genauer: der in der Türkei seit 1925 verbotenen traditionellen Kopfbedeckung der Türken. Kemal Atatürk untersagte das Tragen. Er sah in ihm ein Zeichen der Rückständigkeit und des Feudalismus. Die Abschaffung des Fes ist ein Symbol für den Laizismus und die Modernität des türkischen Staates. Und die “Bild”-Zeitung schreibt in ihrer Ahnungslosigkeit unter den Gottschalk mit Fes: “Nie war er soviel Türke!”

“Bild” hat “für Thomas Gottschalk” dann noch einen “Kanakisch-Kurs” organisiert, den “Kult-Autor” Michael Freidank “extra für BILD” geschrieben hat. Das ist nett, und vielleicht hebt Gottschalk ihn sich für die nächste Sendung in Essen, Berlin oder München auf. Denn in der Türkei spricht man selbstverständlich nicht “kanakisch”. In den Worten des “Kult”-Autors selbst:

Diese Sprache ist eine Art Dialekt, die sich in den letzten Jahren rasant ausgebreitet hat und es auch in Zukunft noch tun wird. Er wird in Deutschland gesprochen — und zwar unabhängig von Religionen oder Staatsangehörigkeiten.

Mit Dank an Jörg B. für den sachdienlichen Hinweis.

Überraschend ist etwas anderes II

Amigo-Affäre um Grünen-Chefin Roth — Warum bekam ihr Freund so lukrative Staatsaufträge?

So schrieb “Bild” am 20. April 2005. Die Antwort auf die von “Bild” gestellte Frage muss offen bleiben, denn Roths Freund bekam die “lukrativen Staatsaufträge” schon, als er noch gar nicht ihr Freund war, was es ein bisschen knifflig macht, darin eine wie auch immer geartete “Amigo-Affäre” zu sehen.

Erstaunlicherweise blieb die “Bild”-Zeitung dennoch bei ihrer Darstellung, und Claudia Roth musste sich ihr Recht auf eine Gegendarstellung erst vor Gericht erkämpfen. Heute nun steht sie im Blatt. Und der Artikel, von dem ein “Bild”-Sprecher zuletzt noch sagte, die Fakten seien korrekt und man habe sich nichts vorzuwerfen, ist spurlos aus dem Online-Angebot verschwunden.

Korrektur, 14. Mai: Nur der Online-Ableger von “Bild” hat die Gegendarstellung akzeptiert und gedruckt. Die “Bild”-Zeitung geht weiterhin juristisch dagegen vor.

Nachtrag, 13.6.2005:
Über den aktuellen Stand der juristischen Auseinandersetzung informiert heute (unter dem Titel “Vorentscheid für Roth”) die kommerzielle Dementi-Plattform Fairpress.biz von Ex-“Bild”-Chef Udo Röbel.

Die bittere Rache III

Faustregel 1: Wenn die “Bild”-Zeitung gegen jemanden eine Kampagne fährt, hört sie nicht nach zwei Tagen auf.

Faustregel 2: Je länger die Kampagne andauert, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass in den Artikeln noch Dinge stehen, die stimmen.

Heute ist der dritte Tag der aktuellen “Bild”-Kampagne gegen Alexandra Neldel, und die Zeitung hat sich Folgendes einfallen lassen:

Riesen-Zoff um Sexszenen! Schmeißt Alexandra Neldel bei "Verliebt in Berlin" hin?

“Bild” schreibt: Weil RTL im Juli den Film “Miststück” mit ihr wiederhole, in dem “heiße Sexszenen” mit ihr zu sehen seien, sei Neldel “stinksauer” und wolle vielleicht sogar bei “Verliebt in Berlin” aussteigen.

Nun kann man sich fragen, ob das denn stimmt. Vorher aber noch kann man sich fragen, ob das überhaupt einen Sinn ergibt: Neldel ist bei Sat.1 so erfolgreich, dass RTL sich ärgert. RTL will Neldel zurückärgern und wiederholt deshalb einen alten Film mit ihr. Neldel ärgert sich so sehr über RTL, dass sie daraufhin bei Sat.1 kündigt.

Oder, anders gesagt: Hä?

“Bild” behauptet weiter, Christian Popp, der Produzent von “Verliebt in Berlin”, habe “Bild” gegenüber gesagt:

“Ob Frau Neldel auch in einer weiteren Staffel mitwirkt, ist derzeit noch unklar.”

Mal abgesehen davon, dass auch “noch unklar” ist, ob es eine weitere Staffel geben wird (Telenovelas wie “Verliebt in Berlin” sind eigentlich nicht auf Unendlichkeit angelegt), hat sich Alexandra Neldel schon vor einem Monat festgelegt. Bei “Beckmann” sagte sie am 18. April 2005:

“Ich fände es traurig, weiterzumachen. Dann müssen sie jemand anderes suchen. Nach 225 Folgen ist die Geschichte erzählt.”

Damals war von dem angeblichen Wirbel um die RTL-“Miststück”-Wiederholung noch nichts zu ahnen; der von “Bild” hergestellte Zusammenhang ist offenkundig falsch.

Dass der eigentliche “Zoff um Sexszenen”, von dem “Bild” schreibt, nicht zwischen RTL und Sat.1 stattfindet, sondern zwischen Neldel und dem Springer-Verlag, in dem “Bild” erscheint, verheimlicht die Zeitung. Neldel geht (wie gesagt) dagegen vor, dass Springer mehrmals rechtswidrig ein altes “Playboy”-Foto von ihr veröffentlicht hat. Wenn man das weiß, erkennt man auch den “Bild”-Humor, der sich in diesem Text unter einem Foto von Neldel ausdrückt:

Die gebürtige Berlinerin Alexandra Neldel liebt es, sich erotisch fotografieren zu lassen

Allgemein  

Die bittere Rache II

Dass die Springer-Blätter politisch auf einer Linie fahren, ist nicht neu, auch nicht, dass sie sich gegenseitig helfen, indem sie die selben Texte drucken. Dass die Bild-Zeitung aber ihre Macht missbraucht, um das rechtswidriges Vorgehen eines Hausblättchens zu rächen, ist eine neue Qualität.

Schreibt die “Berliner Zeitung” in einem Artikel über die “widerliche Kampagne”, die “Bild” gerade (wie berichtet) gegen die Schauspielerin Alexandra Neldel fährt.

Der Hintergrund: Die Springer-Jugendzeitschrift “Yam” hat — offenbar rechtswidrig — ein acht Jahre altes Nacktfoto veröffentlicht, das Neldel exklusiv für den “Playboy” gemacht hat. Als die Schauspielerin jetzt juristisch dagegen vorging, zeigte “Bild” ebenfalls die nackte Neldel vom “Playboy”-Cover. Dabei hat laut “Berliner Zeitung” ein Gericht dem Blatt die Veröffentlichung der “Playboy”-Fotos schon 1998 ausdrücklich verboten. Neldels Anwalt sagt, “Bild” habe “in Kenntnis des Verbots gegen Recht und Gesetz verstoßen”.

Im vergangenen Jahr hat “Bild” bereits eine ähnliche Kampagne gegen die Schauspielerin und frühere Porno-Darstellerin Sibel Kekilli gefahren. Dafür wurde sie vom Presserat im Dezember 2004 gerügt. Auch über ein halbes Jahr später hat “Bild” diese Rüge — entgegen den Gepflogenheiten und der eigenen “journalistischen Richtlinien” — noch nicht im Blatt abgedruckt.

Meistzitierter Unsinn

Die “Bild”-Zeitung schreibt Blödsinn, und alle schreiben’s ab. Die rührende Geschichte von den “Unfallforschern”, die angeblich “ermittelt” hätten, was doch nur eine schlichte Umrechnung von Stundenkilometern in Meter pro Sekunde ist, zieht Kreise.

Nachrichtenagentur ddp, 3. Mai, 03:16 Uhr:

Laut “Bild” ermittelten Unfallforscher, dass ein Auto bei einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde etwa 14 Meter pro Sekunde ungebremst weiterfährt, während der Fahrer nach einer fallengelassenen Zigarette sucht.

Nachrichtenagentur AFP, 3. Mai, 04:25 Uhr:

Laut “Bild” ermittelten Unfallforscher, dass ein Auto bei einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometer etwa 14 Meter pro Sekunde ungebremst weiterfährt, während der Fahrer nach einer fallengelassenen Kippe sucht.

Nachrichtenagentur vwd, 3. Mai, 06:30 Uhr:

Laut “Bild” ermittelten Unfallforscher, dass ein Auto bei einer Geschwindigkeit von 50 km pro Stunde etwa 14 m pro Sekunde ungebremst weiterfährt, während der Fahrer nach einer fallengelassenen Zigarette sucht.

sueddeutsche.de, unter Bezug auf dpa/AP, 3. Mai, 08:16 Uhr:

Laut Bild ermittelten Unfallforscher, dass ein Auto bei einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometer etwa 14 Meter pro Sekunde ungebremst weiterfährt, während der Fahrer nach einer fallengelassenen Kippe sucht.

diepresse.com, 3. Mai:

Nach Angaben der “Bild” ermittelten Unfallforscher, dass ein Auto bei einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde etwa 14 Meter pro Sekunde ungebremst weiterfährt, während der Fahrer nach einer fallen gelassenen Zigarette sucht.

Nachrichtenagentur AFP, 3. Mai, 16:29 Uhr:

Laut “Bild” ermittelten Unfallforscher, dass ein Auto bei einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometer etwa 14 Meter pro Sekunde ungebremst weiterfährt, während der Fahrer nach einer fallengelassenen Kippe sucht.

Nachrichtenagentur ddp, 4. Mai, 08:41 Uhr:

Laut “Bild”-Zeitung ermittelten Unfallforscher, dass ein Auto bei einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde etwa 14 Meter pro Sekunde ungebremst weiterfährt, während der Fahrer nach einer fallengelassenen Zigarette sucht.

usw. usf.

Und mit zunehmender Zeit nimmt die Fehlerhaftigkeit natürlich nicht ab, sondern zu. Bei “Stern Online” ist aus den “Unfallforschern” schon eine ganze “Studie” geworden, die plötzlich zu Ergebnissen kommt, die nur scheinbar mit den bekannten “Ermittlungen” identisch sind:

Nach Auffassung des SPD-Verkehrsexperten Peter Danckert kann eine brennende Zigarette den Fahrer jedoch ebenso wie ein klingelndes Telefon ablenken. Er verwies auf eine Studie, nach der ein 50 Stundenkilometer schnelles Auto mindestens 14 Meter weiterrolle, wenn der Fahrer nach einer Zigarette sucht.

(Tja, daraus könnten Unfallforscher Siebtklässler dann errechnen, dass das Suchen nach einer heruntergefallenen Zigarette mindestens etwas mehr als eine Sekunde dauerte.)

Jetzt wissen wir, was es bedeutet, dass “Bild” die meistzitierte deutsche Tageszeitung ist.

Danke auch an Michael B.

neu  

Unfallforscher ermitteln

Politiker fordern exklusiv in “Bild” ein Rauchverbot am Steuer, und “Bild” weiß warum:

Unfallforscher ermittelten, daß ein Auto bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h mindestens 14 Meter pro Sekunde ungebremst weiterfährt, während der Fahrer nach einer fallengelassenen Kippe sucht.

Ja Wahnsinn, was moderne Wissenschaft heute alles erforschen kann.

Gut, den Anfang der Rechnung könnte jeder Siebtklässler mit einer Vier in Physik machen: 50 Kilometer pro Stunde = 50.000 Meter pro Stunde = 13,89 Meter pro Sekunde.

Normalerweise legt ein Auto, das mit 50 km/h fährt und nicht gebremst wird, also fast 14 Meter in der Sekunde zurück. Wenn eine Kippe fallengelassen wird, erhöht sich diese Strecke allerdings laut “Bild” laut “Unfallforschern” auf mindestens 14 Meter.

Jetzt würden wir natürlich gerne die Unfallforscher fragen, wie diese Beschleunigung zustande kommt: Ob das Fallen der Kippe zum Beispiel eine Änderung im Raum-Zeit-Kontinuum auslöst oder ob diese Forschung vielleicht auch Fälle berücksichtigt, in denen die Kippe auf das Gaspedal fällt.

Aber vielleicht ist das alles doch weniger ein Thema für Unfallforscher als für “Bild”-Zeitungs-Forscher.

Übrigens: “Spiegel Online” hatte in seinem Bericht über das Thema zunächst wenigstens den “mindestens”-Fehler von “Bild” korrigiert und geschrieben:

Nach Angaben von “Bild” ermittelten Unfallforscher, dass ein Auto bei einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde etwa 14 Meter pro Sekunde ungebremst weiterfährt, während der Fahrer nach einer fallen gelassenen Zigarette sucht.

Inzwischen hat dort jemand den Irrsinn bemerkt und durch die schlichte Formulierung ersetzt:

Fährt ein Auto mit einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde, legt es umgerechnet knapp 14 Meter pro Sekunde zurück.

In der aktuellen Fassung des Artikels fehlt die Rechnung ganz.

Danke an die vielen Hinweisgeber!

Das siebte Gebot II

Am vergangenen Mittwoch hat “Bild”, wie berichtet, mehrere Fotos aus der “Wir sind Papst”-Aktion von “Eye said it before” veröffentlicht — ohne Genehmigung, Quellenangabe und richtigen Kontext. Darunter war das Portraitfoto einer Bloggerin, die keineswegs damit einverstanden war, so zu einer Art Model für die Eigen-PR der “Bild”-Zeitung zu werden.

Die Betroffene geht nun gegen “Bild” vor und fordert Schmerzensgeld, Schadensersatz und Unterlassung. Ihre Abmahnung ist im Lawblog im Wortlaut veröffentlicht.

Bei Bild.de sind der Artikel und das Foto immer noch online.

Nachtrag, 16.20 Uhr: Inzwischen hat Bild.de den Artikel doch noch entfernt.

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