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“Bild” rühmt Scientology-Organisation

Eigentlich sollte der Name “Scientology” bekannt genug sein, um jeden Journalisten zu warnen. Um ihn dazu zu bringen, ein bisschen zu recherchieren, bevor er sich auf ein “exklusives” Interview mit einem bekennenden Scientology-Mitglied einlässt. Damit er nicht durch Unbedarftheit Teil der PR-Maschine einer Organisation wird, die laut Verfassungsschutz ein “gut funktionierendes Unternehmen” ist, “das vor allem das rücksichtslose Gewinnstreben zur Handlungsmaxime erklärt hat und auch danach verfährt” und dessen Praktiken nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes 1995 als “menschenverachtend” und für Betroffene “gesundheitsgefährdend” zu werten sind.

“Bild”-Reporter Norbert Körzdörfer hätte vor seinem Besuch bei Tom Cruise nicht viel im Internet recherchieren müssen, um das herauszufinden. Er hätte auch in irgendeinem Archiv nachlesen können, was von der Organisation “Narconon” zu halten ist, deren Center in Oklahoma er mit Cruise besuchte — Körzdörfer nennt es treuherzig ein “Drogen-Rehabilitationszentrum”.

Der “Spiegel” berichtete 1991:

Die geschäftstüchtige Scientology-Sekte verdient zunehmend am Elend von Süchtigen. Der Tarnverein Narconon bietet eine Therapie an, die nach Ansicht von Suchtexperten und Fachärzten nicht nur nutzlos, sondern auch gesundheitsschädlich ist. Ehemalige Narconon-Patienten sprechen von folterähnlichen Ritualen. (…)

Mit untauglichen Methoden versuchen sich Anhänger der weltweiten Psycho-Sekte Scientology (…) im Rauschmittel-Entzug. Das Ergebnis ist meist nur neue Abhängigkeit: Statt Koks oder Heroin verabreicht Narconon die Seelen-Droge Scientology.

Die “FAZ” zitierte 1997 den Bayerischen Innenminister Günther Beckstein:

(…) die [Scientology-]Unterorganisation “Narconon” behaupte, jungen Rauschgiftabhängigen helfen zu können. In Wirklichkeit gehe es darum, die Eltern auszubeuten, sie und ihre Kinder aber einfach fallenzulassen, wenn kein Geld mehr da sei.

Die “Welt”, eine Schwesterzeitung von “Bild”, schrieb 2002, dass der Berliner Drogenbeauftragte bereits 1978 “eindringlich vor Narconon” gewarnt habe:

So bestehe unter anderem die “Gefahr einer irrationalen Anpassung an die hausinterne Hierarchie” des Programms.

Und als der “Spiegel” am 25. April 2005 ein Interview mit Tom Cruise führte (englische Version), kam es zu folgendem Wortwechsel:

Cruise: Ich bin ein Helfer. Ich selbst habe zum Beispiel Hunderten Leuten geholfen, von Drogen loszukommen. Wir bei Scientology haben das einzig erfolgreiche Drogen-Rehabilitationsprogramm der Welt. Es heißt Narconon.

SPIEGEL: Das stimmt nicht. Unter den anerkannten Entzugsverfahren taucht Ihres nirgends auf; unabhängige Mediziner warnen davor, weil es auf Pseudowissenschaft beruhe.

Cruise: Sie verstehen nicht, was ich sage. Es ist eine statistisch erwiesene Tatsache, dass es nur ein erfolgreiches Drogen-Rehabilitationsprogramm gibt in der Welt. Punkt.

SPIEGEL: Bei allem Respekt: Wir bezweifeln das, Mr. Cruise.

Nun aber durfte “Bild”-Reporter Norbert Körzdörfer Tom Cruise besuchen — “exklusiv. Live. In Amerika.” Schon vor zwei Wochen ließ er sich glücklich mit Cruise fotografieren (siehe Ausrisse) und schwärmte außerordentlich vom Treffen mit dem “begehrtesten Mann des Planeten”, dem “Star der Stars, Hollywoods Nr. 1”, einer “Ikone der Jetzt-Zeit”, “mit einer Aura emotionaler Intelligenz”. Jetzt nennt Körzdörfer Cruise u.a. “Ein Mann! Eine Ikone!”, “Hollywoods Mega-Star Nr. 1”, “Mega-Weltstar Nr. 1”, “Mehr Mensch als Star”, “den ‘5-Milliarden-Dollar-Mann’ (Einspielergebnisse)”:

Er kämpft als Vater, Star – und “Scientologe” – gegen Psychopillen für Schüler, gegen Drogen, gegen Kriminalität!

Nur in einer Klammer schreibt Körzdörfer, dass Scientology “in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet” wird — erklärt aber nicht einmal im Ansatz, warum das so ist und was Scientology überhaupt ist. Dann zitiert Körzdörfer Cruise mit den Worten: “Ich will das Richtige tun. Ich will helfen! Komm mit!” Der Artikel geht wie folgt weiter:

Tom schlüpft in seine beige „Belstaff“-Lederjacke. Ein Jeep bringt uns zum “Narconon”-Center (Drogen-Rehabilitationszentrum).

Tom führt mich. Tom zeigt die Krankenzimmer. Die Helfer. Und die traurigen Augen der Patienten, die freiwillig gekommen sind, um aus ihrer eigenen Drogenhölle auszubrechen.

Diese Augen lächeln, wenn sie Tom Cruise sehen: “80 Prozent dieser Menschen schaffen es, die Drogen zu besiegen… ”

Tom schreitet wie ein Cowboy durch diese Gänge der schmerzenden Hoffnung. Seine Körpersprache atmet Demut. Er lauscht. Ernst. Er preßt seine Lippen zusammen. Er nickt. Er ballt die Faust: “Ihr schafft das!” Seine Augen lächeln zurück.

Tom ist kein Gott. Er ist verdammt menschlich. Er ist der Action-Star seines eigenen Lebens – live: “Es gibt so viel Leid! Ich muß helfen. Wenn ich am Ende des Tages meine Kinder sehe, will ich etwas Gutes getan haben…”

Man könnte nun staunen über die Naivität des “Bild”-Reporters, wenn da nicht ein Wort in diesem Text wäre, das darauf hindeuten könnte, dass er die Vorwürfe gegen “Narconon” sehr wohl kennt. Es ist das scheinbar überflüssige Wort “freiwillig” in dem Satz: “Und die traurigen Augen der Patienten, die freiwillig gekommen sind, um aus ihrer eigenen Drogenhölle auszubrechen.” Man könnte auf den Gedanken kommen, dass Körzdörfer nicht versehentlich, sondern wissentlich Werbung für Scientology macht.

Wir haben die “Bild”-Zeitung heute gegen 14 Uhr um eine Stellungnahme gebeten, aber bislang keine Antwort erhalten. Weiterführende kritische Auseinandersetzungen mit “Narconon” finden sich hier, hier, hier und hier. Danke an Jan T. und andere Hinweisgeber.

Nachtrag 28. Juni. Übrigens hatte auch Christiane F. (“Wir Kinder vom Bahnhof Zoo”) Narconon-Erfahrungen.

Alle Hervorhebungen in den Zitaten von uns.

Wiedersehen mit Belrus

Frage: Wenn die “Bild”-Zeitung ihre etwa 3,6 Millionen Käufer dazu aufruft, sich “Ihre Rundfunkgebühren zurückzuholen”, weil die Übertragung des Eurovision Song Contest “eine an Langeweile und Inkompetenz nicht zu überbietende TV-Katastrophe” gewesen sei — wieviele Leser werden den vorbereiteten Coupon ausschneiden, ausfüllen und an die ARD abschicken?

Antwort: 768.

Vielleicht entspricht diese Zahl “ganz Deutschland”. Vielleicht haben die anderen Leser aber auch gemerkt, dass der zugehörige Artikel eine an Inkompetenz nicht zu überbietende “Bild”-Katastrophe war: “Bild” nannte die Veranstaltung fälschlicherweise “European Song Contest”, erfand das Wort “Belrus”, glaubte fälschlicherweise, das sei englisch für “Weißrußland”, behauptete fälschlicherweise, das sei beim Grand-Prix eingeblendet gewesen und empörte sich fälschlicherweise, dass ARD-Kommentator Peter Urban das nicht übersetzt habe.

Volker Herres, der für die Sendung zuständige Programmdirektor des NDR, hat den 768 Gebühren-Zurückforderern jetzt einen Brief geschrieben:

Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Sie einer falschen Darstellung der “Bild”-Zeitung aufgesessen sind. (…)

Wegen der falschen Darstellungen hat das Landgericht Hamburg am 3. und 6. Juni 2005 der “Bild” per einstweiliger Verfügung eine Gegendarstellung auferlegt und die weitere Verbreitung des Artikels untersagt.

Vor diesem Hintergrund werden Sie mir zustimmen: Aufgrund eines fehlerhaften “Bild”-Artikels kann der NDR Ihnen nicht die Fernsehgebühren erstatten. Sollten Sie hingegen darüber nachdenken, wegen der irreführenden Berichterstattung den Kaufpreis der “Bild” vom 23.Mai zurückzufordern, so nenne ich Ihnen gerne die entsprechende Anschrift: Bild-Zeitung, Herrn Chefredakteur Kai Diekmann, Axel-Springer-Platz 1, 20355 Hamburg.

Vielen Dank an Cornelius U. und Marianne Z. für die Hinweise!

Zwei Rügen für “Bild”

Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen.

So lautet die Ziffer 8 des Pressekodex. Wegen Verstößen dagegen hat der Presserat Anfang Juni zwei nicht-öffentliche Rügen gegen die “Bild”-Zeitung ausgesprochen.

In einem Fall hatte “Bild” mit Namen und Foto über den Unfall eines Arztehepaares berichtet, bei dem die Ehefrau ums Leben kam. Ein öffentliches Interesse an der Identifizierung habe nicht bestanden. “Bild” habe die Geschichte zudem “unangemessen sensationell aufbereitet”. In einem anderen Fall ging es um die Auswirkungen von Hartz IV auf eine Familie. Der Ehemann sei mit der Berichterstattung ausdrücklich nicht einverstanden gewesen, trotzdem nannte “Bild” Namen und Wohnort und zeigte ein Foto.

Wogegen sich Kai Diekmann wehrt

Heute veröffentlicht die “Frankfurter Rundschau” zu diesem Artikel eine Gegendarstellung von “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann:

Die Frankfurter Rundschau hat in der Ausgabe vom 9. Juni 2005 auf Seite 18 unter der Überschrift “Vendetta-Verdacht” einen Beitrag von Oliver Gehrs veröffentlicht, der sich u.a. mit der Bild-Zeitung befasst. Darin heißt es unter Bezugnahme auf die Bild, die Schauspielerin Alexandra Neldel sei “wochenlang” durch die Schlagzeilen gezerrt worden, nachdem sie sich gegen Nacktaufnahmen in einem anderen Springer-Blatt gewehrt habe.

Dazu stelle ich fest: Bild hat in dem von Oliver Gehrs angesprochenen Zeitraum nicht “wochenlang” über Alexandra Neldel berichtet.

Ja: Kai Diekmann ist ein ehrenwerter Mann. Nie würde er es zulassen, dass seine Zeitung eine Schauspielerin wochenlang durch die Schlagzeilen zerrt, nachdem sie sich gegen Nacktaufnahmen in einem anderen Springer-Blatt gewehrt hat. Seine Zeitung hat die Schauspielerin Alexandra Neldel nur tagelang durch die Schlagzeilen gezerrt, nachdem sie sich gegen Nacktaufnahmen in einem anderen Springer-Blatt gewehrt hat.

Unwahrscheinlich wahrscheinlich

Wenn eine junge, attraktive Schauspielerin beim Versuch überfahren wird, einen “kleinen, süßen Igel von der Straße” zu retten, findet “Bild” das tragisch.

Wenn ein etwa 50-jähriger, unbekannter Mann beim Versuch überfahren wird, mit seinem Fahrrad eine Bahnstrecke zu überqueren, auf der nur einmal am Tag ein Zug vorbeikommt — findet “Bild” das irgendwie amüsant.

Und der Autor Rainer Mittelstaedt beginnt den zugehörigen Text im Berliner Regionalteil mit den Sätzen:

Die Wahrscheinlichkeit, an der von Gras überwucherten Bahnstrecke hinter der Wustermarker Straße in Spandau vom Zug überrollt zu werden, liegt bei 1:43.000. Das aber auch nur, wenn man 24 Stunden lang auf den Gleisen steht.

Das ist interessant. Wir dachten, die Wahrscheinlichkeit, von einem einmal am Tag vorbeikommenden Zug überfahren zu werden, wenn man sich einen Tag lang auf die Gleise stellt, betrage grob gerechnet 1. Und mal abgesehen davon, dass das eigentlich sogar ein “Bild”-Reporter hätte ausrechnen können — wie kommen die gerade auf 43.000? Irgendwelche Hypothesen? Herr Mittelstaedt?

Nachtrag, 20.25: Die Hypothesen unserer Leser gibt es hier.

La-la-la-lasst Euch nicht verarschen

Unter der Überschrift “Obst-Wucher!” behauptet “Bild” heute auf Seite 1, dass die rot-grüne Koalition daran schuld ist, dass Äpfel heute doppelt so viel kosten wie Birnen vor sieben Jahren.

Glauben Sie nicht? Stimmt aber. Fast.

Die tatsächliche Überschrift lautet “Benzin-Wucher!” und links daneben steht der Preis von 1998 (1,23 Mark pro Liter) und rechts der von 2005 (1,23 Euro pro Liter).

Erst wenn man den Artikel genau liest, fällt auf, dass die Zahl links keineswegs dasselbe misst wie die Zahl rechts. Die 1,23 Mark sind laut “Bild” der Preis der damals billigsten Tankstellen, die 1,23 Euro der der heute teuersten. Natürlich kann man das miteinander vergleichen, es ist nur komplett sinnlos.

Darüber hinaus darf man bezweifeln, dass ein Preis von 1,23 Mark selbst “an den billigsten Tankstellen” realistisch war. Laut Mineralölwirtschaftsverband betrug der Durchschnittspreis 1998 immerin 1,59 Mark.

“Bild” selbst macht am Ende des Artikels noch eine seriösere Rechnung auf: Der Durchschnittspreis für Super sei in den vergangenen sieben Jahren von 80,8 Cent auf 118,2 Cent gestiegen. Das entspricht nur noch einer Steigerung von 46 Prozent und nicht 100, wie die Überschrift suggeriert.

Geschickt deutet “Bild” einen Zusammenhang zwischen der Preissteigerung und der rot-grünen Regierung an, ohne ihn wirklich zu behaupten. Und zwar so:

… wer ist schuld an den Rekordpreisen? Vor Rot-Grün (regiert seit Oktober 1998) kostete das Benzin an den billigsten Tankstellen nur …

Sowohl aus den Zahlen, die “Bild” im Text nennt, als auch aus denen des Verbandes der Mineralölwirtschaft geht allerdings hervor, dass die Öko-Steuer nur rund zur Hälfte für die Preissteigerung verantwortlich ist. In den letzten Jahren hat sich der Einkaufspreis für Rohöl dramatisch erhöht.

“Bild” verschweigt außerdem, dass der Preis für Benzin im Jahr 1998 außergewöhnlich günstig war. In den Jahren 1994 bis 1997 mussten die Autofahrer teils deutlich mehr zahlen. Wenn man mit vergleichbaren Zahlen arbeitet, hat sich der Benzin-Preis nicht in den letzten sieben Jahren (seit Rot-Grün regiert) verdoppelt , sondern in den letzten 25 Jahren. 1980 kostete der Sprit im Schnitt erstmals rund 1,20 Mark.

Ach, und natürlich könnte die Überschrift dieses Eintrages auch “Wahlkampf” heißen.

Danke an Andreas W. für den Hinweis!

Sex?

Am Mittwoch nach dem Spiel der Nationalmannschaft gegen Russland sagte der FC-Bayern-Spieler Bastian Schweinsteiger über seinen Kölner Kollegen Lukas Podolski:

“Der Manager hat mich schon nach oben geholt und gesagt, dass ich Poldi bearbeiten soll. Das mache ich auch.”

“SZ”, “FAZ”, “Münchner Merkur”, “Kölnische Rundschau”, “Berliner Morgenpost” und “Welt” und andere interpretierten diese Sätze so, dass Schweinsteiger im Auftrag von Uli Hoeneß seinen Kumpel Podolski zu einem Wechsel nach München überreden soll.

Was natürlich völlig abwegig ist, wie die vier Reporter der “Bild”-Zeitung wissen, die vor Ort waren. Sie hatten als einzige nicht “bearbeiten” gehört, sondern “anbaggern”, weshalb Schweinsteiger natürlich nicht von einem Vereinswechsel geredet hat, sondern von Sex:

Schlitzohr Schweini. Rotzfrech auf dem Feld, rotzfrech auch außerhalb. Vor zwei Jahren wurde er in Damen-Begleitung im Sauna-Bereich der Bayern erwischt. Jetzt scherzt er über die Kumpel-Beziehung zu Lukas Podolski (20): “Manager Hoeneß hat mich schon nach oben in sein Büro geholt und gesagt, daß ich Poldi anbaggern soll. Das mache ich…”

Vielen Dank an Oliver R. für den sachdienlichen Hinweis.

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Betr.: “Thai-Hure boxt deutschen Sex-Tourist k.o.”

“Die Zeit” berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe unter dem Titel “Zum Abschuss freigegeben” über Menschen, die zu “Medienopfern” werden. Es geht — natürlich — auch um “Bild”, unter anderem um Friedrich F.:

Friedrich F., 53 Jahre alt. Der gebürtige Bayer lebt seit geraumer Zeit in Thailand, in einem kleinen Bungalow im Urlauberparadies Pattaya. (…)

Vergangenen Sommer ist der Deutsche in seinem Bungalow von zwei Unbekannten überfallen und ausgeraubt worden. Das Opfer wurde dabei verprügelt, das Gesicht war voller Blutergüsse und Schwellungen. Als Friedrich F. zur Polizeistation kam, sei da “ein Haufen Reporter” gewesen. Keiner habe mit ihm gesprochen, sagt er, aber es seien Fotos von seinem zerschundenen Gesicht gemacht worden. Eines davon fand den Weg zur Bild-Zeitung. Und die kolportierte eine passende Geschichte dazu, Überschrift: Thai-Hure boxt deutschen Sex-Tourist k. o. Im Text heißt es, “Geschäftsmann Friedrich F.” habe “ein Thai-Mädchen” engagiert und ihr “viel Geld für ein privates Pornovideo” versprochen. Nach dem Sex habe F. nicht zahlen wollen. Wie von Sinnen habe dann “die Hure” auf ihn eingeschlagen. “Vergeblich versuchten andere Prostituierte und die Bordellchefin dazwischenzugehen.” In das Foto mit F.s malträtiertem Gesicht hat Bild noch vier spärlich bekleidete thailändische Prostituierte im Hintergrund montiert.

Die Mutter von Friedrich F. in Bayern hatte den Bericht als Erste entdeckt. Ihr fiel niemand anderes ein als Günter Wallraff, an den sie sich wenden konnte. Der vermittelte den Hamburger Anwalt Helmuth Jipp. Eine Unterlassungserklärung habe Bild schon abgegeben, sagt er, nun wolle er noch auf Widerruf klagen und ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro für seinen Mandanten erstreiten. Das Landgericht Hamburg hat Friedrich F. dafür Prozesskostenhilfe bewilligt — was das Gericht nicht getan hätte, hielte es die Klage für aussichtslos. (…) Zur Stützung [der eigenen] Version hat Bild inzwischen einen Journalisten für eine “Nachrecherche” nach Thailand geschickt; er soll belegen, dass sich alles so, wie beschrieben, oder zumindest so ähnlich zugetragen habe. Dabei behält Bild sich vor, die Kosten der Recherche bei F. mittels einer “Widerklage” einzutreiben. Opferanwalt Jipp weist darauf hin, dass die umstrittenen Filme von der örtlichen Polizei bislang nicht gefunden wurden, auch sei das gegen F. eingeleitete Verfahren mittlerweile eingestellt worden. “Die Filme gibt es nicht.”

Chefredakteur der “Zeit” ist übrigens Giovanni di Lorenzo, über dessen Privatleben “Bild” gestern rein zufällig groß und faktenarm auf Seite 1 berichtete.

Nachtrag, 10. Juni: Giovanni di Lorenzo hat nach Informationen von fairpress.biz vor Gericht durchgesetzt, dass “Bild” nicht über seine angebliche Beziehung berichten darf.

We are the champions XLI – XLVI

Es ist Zeit, unsere Chronik über die beliebte Eigen-PR-Rubrik “Gewinner des Tages” der “Bild”-Zeitung fortzuschreiben.

30.4.2005
Corinna Harfouch
Gewinnerin des “Pulsus”-Preises, den die Techniker-Krankenkasse mit “Bild am Sonntag” verleiht.

14.5.2005
“Johannes Paul II – ein Leben in Bildern”
“Bild”-Buch.

21.5.2005
Peter Scholl-Latour
“Bild”-Autor.

26.5.2005
Jörg Pilawa
Frischgebackener “Bild”-Werbepartner.

4.6.2005
“Der deutsche Papst – von Joseph Ratzinger zu Benedikt XVI.”
“Bild”-Buch.

6.6.2005
Peter Boenisch
“Bild”-Autor.

Volksentscheid II

An diesem Ergebnis kommt kein Politiker vorbei!

schrieb die “Bild”-Zeitung am Samstag über das Ergebnis ihres “Volksentscheids”, bei dem fast 97 Prozent der “Bild”-Leser und RTL-Zuschauer, die an einer Telefonaktion teilnahmen, gegen die EU-Verfassung stimmten.

Das ist natürlich quatsch. Man kommt ganz leicht an diesem “Ergebnis” vorbei: Man ignoriert einfach die originelle “Bild”-Aktion und beschäftigt sich stattdessen mit repräsentativen Umfragen zum Thema. Laut Infratest dimap waren Anfang Mai 59 Prozent der Deutschen für die Verfassung; das Institut polis ermittelte für “Focus” vergangene Woche immerhin noch 44 Prozent Zustimmung.

Danke für die vielen Hinweise!

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