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Fragen Sie nicht bei Rudi Altig nach…

Das Verhältnis des ehemaligen Radrennprofis Rudi Altig zum Thema Doping ist ein, sagen wir: sehr spezielles. Ganz schön lässt sich das auch anhand eines Interviews dokumentieren, das Altig (Spitzname: “Die rollende Apotheke”) vor zehn Jahren der “Bild”-Zeitung gab.

Thema Doping: Haben auch Sie früher mal Herr Altig?

Altig: “Bin ich besoffen, weil ich eine Flasche Bier trinke? Gedopt ist für mich jemand, der vom Rad steigt und keinen klaren Satz sprechen kann, weil er vollgepumpt mit Tabletten ist. Das war ich nie. Ich habe Pillen geschluckt, klar. Wie alle anderen auch. Aber in Absprache mit meinem Arzt, nie unkontrolliert. Außerdem: Zu meiner Zeit war Doping nicht verboten. (…) Doping ist keine Frage der Qualität. Entscheidend ist doch, wieviel ich mir reinhaue!”

Das war zu Altigs 60. Geburtstag.

Gestern wurde Altig siebzig, und in “Bild” gratulierte am Freitag schon Vize-Chefredakteur und Ober-Sport-Chef Alfred Draxler mit einem Artikel, der so beginnt:

Sportlichen Ruhm zu konservieren, ist ein schwieriges Unterfangen. Fragen Sie mal bei Jan Ullrich nach…

Diejenigen, die zu nationalen Denkmälern wurden, heißen Max Schmeling, Fritz Walter, Kaiser Franz, Uns Uwe, Gold-Rosi, Schumi, Steffi oder Boris.

Und Rudi Altig! Er ist DIE Radsport-Legende Deutschlands.

Hach, ganz anders als Ullrich. Denn der hat ja, möglicherweise, gedopt. Aber natürlich kam Draxler auch bei Altig um das Thema Doping nicht herum. Nicht ganz jedenfalls. Draxler zählt Altigs diverse Erfolge auf und fragt:

Schafft man das denn alles ohne Doping? Er sagt. “Ich habe über ungeahnte Kraftreserven verfügt!”

Eine gute Antwort, fand “Bild” offenbar. Und beließ es dabei.

Vielen Dank an Tobias L.!

Ballacks “Bild”-Boykott

Michael Ballack hat dem “SZ-Magazin” ein langes Interview gegeben, in dem es auch um die Medien geht.

“Lachnummer”, “Fans haben Schnauze voll”, “Ballack kaputt”, so lauten Schlagzeilen in der Bild-Zeitung. Sprechen Sie im Moment mit Leuten von Bild?

Nein.

Kann man sich das als Kapitän der Nationalmannschaft überhaupt leisten? Haben Sie nicht die Befürchtung: Ich rede nicht mit einigen Journalisten, dafür schreiben die noch schlechter über mich?

Das ist keine Befürchtung, sondern Realität. Wenn man falsch berichtet, Unwahrheiten verbreitet oder gar hetzt, dann ist es verständlich und auch legitim, dass ich mich wehre. Ich will nicht meinen Anstand verkaufen, damit mein Bild in der Öffentlichkeit so perfekt wie möglich ist.

Leserbrief

Soeben erreicht uns folgende Zuschrift unseres Lesers Dominik L:

Guten Tag,

mehrere unserer Mitarbeiter in der Anlagenbuchhaltung haben das Horoskop des Herrn Erich Bauer in der gestrigen (13.03.) “Bild” überprüft. Weder das Horoskop der Sternzeichen Stier und Steinbock stimmten, noch das Horoskop der Jungfrau. Da stimmte gar nichts! Beim Steinbock kam kein Liebessturm, bei der Jungfrau kein Geld und beim Stier war auch alles daneben.

Dieser Erich Bauer ist wohl ein Scharlatan! Dieses Mond-Horoskop ist ein Witz — auf welchem Mond lebt dieser Mann denn? Den Platz in der “Bild” könnte man lieber für andere Unwahrheiten nutzen. Einer unserer Mitarbeiter hat sich in der Erwartung eines Liebessturms extra schon frisch gemacht und sich vorbereitet. Es ist eine Schande, wie “Bild” mit den Hoffnungen der Menschen spielt.

Wie “Bild” Wahlkampf in der Provinz macht

Sie ist schon ungewöhnlich, die Geschichte des Bürgermeisters von Selm, der bis 2009 gewählt ist, jetzt aber Bürgermeister von Greven werden will. Und natürlich darf man Jörg Hußmann (CDU) für diesen Schritt kritisieren und über seine Beweggründe spekulieren. Schon als Hußmann im vergangenen Oktober seine Kandidatur bekannt gab, sorgte das für Diskussionen. Die “Bild”-Zeitung schaffte es aber auch gestern noch, einen echten Aufreger daraus zu machen:

Jörg Hußmann ist bis 2009 als Bürgermeister gewählt. Aber jetzt will er ins Münsterland wechseln. BILD sagte er: "Selm ist mir zu langweilig"

Dass Hußmann nicht nur familliäre Gründe für den gewünschten Wechsel angibt (seine Frau arbeitet in der Nähe von Greven, seine Tochter geht dort zur Schule), sondern auch die größere berufliche Herausforderung, die Greven u.a. als aufstrebender Flughafen-Standort darstelle, ist bekannt. Die Durchschlagskraft entwickelt der ganzseitige “Bild”-Artikel allein durch die wörtlichen Zitate Hußmanns. Laut “Bild” hat er sich gegenüber der Zeitung unter anderem so über Selm geäußert:

“Hier reizt mich nichts mehr, es ist mir zu langweilig und wirtschaftlich uninteressant.”

Nur sagt Hußmann, er habe diesen Satz nie gesagt. Seine Wahlkampfleiterin erklärte gegenüber BILDblog, die Zitate seien “keine wörtliche Wiedergabe dessen, was Herr Hußmann dem ‘Bild’-Redakteur am Telefon gesagt hat”.

Wer hat Recht? Der Wahlkämpfer? Oder “Bild”-Autor Sven Kuschel und seine Kollegen? Zum Glück hat die Axel-Springer-AG, in der “Bild” erscheint, für solche Fälle einen praktischen Passus in ihren “journalistischen Leitlinien”:

Die Journalisten bei Axel Springer …
… tragen grundsätzlich, auch im Falle besonderen Termindrucks, dafür Sorge, dass Interviews vom Gesprächspartner mündlich oder schriftlich autorisiert werden.

Blöd nur, dass Hußmann sagt, die Zitate seien nicht autorisiert.

Und wenn “Bild” unter ein Foto des Kandidaten mit seiner stattlichen Bürgermeisterkette schreibt: “So lässt sich Jörg Hußmann gern fotografieren” und nicht nur Hußmann, sondern auch andere sagen, er habe diese Kette ungern und fast nie getragen, darf man der Zeitung — zwei Wochen vor der entscheidenden Stichwahl — schon eine gewisse böse Absicht unterstellen.

Vielen Dank an Oliver S.!

Vom Hörensagen

Neulich bei Bild.de…

Praktikant: “Sagen Sie mal, Chef, für die Fotostrecke mit Britney Spears haben wir doch dieses Nackt-Schwanger-Titelbild, wie heißt noch mal die Zeitschrift?”

Chef:Harper’s Bazaar. Stell gleich mal online.”

Praktikant: “Geht klar.”

Chef: “Aber denk dran: ‘Harper’s Bazaar’ schreibt sich mit Doppel-A!”

Praktikant: “Weiß ich doch, Chef.”

Während ihrer zweiten Schwangerschaft ließ sich die Sängerin nackt für das Cover von 'Haarper's Bazar' ablichten

Chef: “Ach, und habt ihr diese Film-Meldung gemacht?”

Praktikant: “Ich sitz’ grad dran. Hab sogar den Namen dieser Maggie Gyllenhaal nachgeschlagen, dass wir da keine blöden Schreibfehler drinhaben. Sagen Sie mir schnell nochmal den Titel des Filmes?”

Chef:The Dark Knight.”

Praktikant: “Alles klar!”

US-Schauspielerin Maggie Gyllenhaal wird den Part von Katie Holmes in "The Dark Night" spielen

Danke an Jenny D. und an Frank J. — auch für die Dialog-Idee.

Nachtrag, 16.3.2007: Während sich die “Dark Night”-Meldung unauffällig aus dem Newsticker verabschiedet hat, wurde “Haarper’s Bazar” inzwischen korrigiert.

Die niederrheinische Nationalmannschaft

Manche Dinge sind Chefsache bei “Bild”, und so ließ es sich Alfred Draxler, Stellvertreter des “Bild”-Chefredakteurs und Ober-Sport-Chef der Zeitung, nicht nehmen, Jupp Derwall mit einem Artikel zum 80. Geburtstag zu gratulieren.

Jupp Derwall, geboren am 10. März 1927 in Würselen bei Aachen. Zwei Länderspiele für Fortuna Düsseldorf.

Aber das wüssten wir dann doch gern genauer, was das für Länderspiele waren: Fortuna Düsseldorf gegen Eintracht Bulgarien?

Danke an Christian H. und Volker W.!

Nachtrag, 12. März. Anscheinend ist die Formulierung — auch nach Meinung vieler BILDblog-Leser — nicht so abwegig, wie wir dachten, sondern als Jargon durchaus üblich. Also gut: Wir ziehen unsere dumme Frage zurück.

Allgemein  

Bloß früher V

Heute groß in “Bild” — Hammer-Fotos und mutige Satzbau-Experimente:

Es sind erschütternde Bilder, die den gefallenen Pop-Engel einen Tag zeigen, bevor Britney den dritten Entzugsversuch in der Suchtklinik “Promises” startet.

Man könnte also auch sagen, es sind erschütternde Bilder, die fast zwei Wochen alt sind. Und da das Auto, das Spears mit einem grünen Regenschirm attackiert, einem der Paparazzi-Fotographen gehört, die gerade damit beschäftigt waren, sie zu fotografieren, ist es nicht überraschend, dass diese erschütternden, fast zwei Wochen alten Bilder auch seit fast zwei Wochen an vielen Orten für die Öffentlichkeit zu bestaunen sind.

Aber bei “Bild” hat man sich vor lauter Erschütterung entschieden, sie nicht in ihrer aktuellen Berichterstattung damals (“…schnappte sich einen grünen Regenschirm, schlug wie in Rage auf das Auto eines Fotografen ein…”) zu bringen. Sondern erst heute, fast zwei Wochen danach — dafür aber oben auf dem Titel und fast seitenfüllend auf der letzten Seite (Ausriss unten).

Sind es erste Versuche, aus “Bild” angesichts sinkender Auflagen eine Monatszeitschrift zu machen?

Ist gestern eine andere, wirklich große Geschichte, für die schon auf der ersten und letzten Seite Platz freigeräumt worden war, 30 Sekunden vor Redaktionsschluss geplatzt?

Steckt dahinter die Entscheidung, im Sinne journalistischer Ausgewogenheit am Weltfrauentag nicht nur die Glanzseiten dieses Geschlechts zu zeigen?

Bessere Vorschläge?

Mit wahren Zahlen die Unwahrheit sagen

Die letzte große Renten-Schock-Tabelle auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung liegt locker mehrere Tage zurück. Das konnte so nicht bleiben.

BILD nennt die wahren Zahlen! Kann man von dieser RENTE leben?Und so überrascht “Bild”-Renten-Lügen-Experte Dirk Hoeren gemeinsam mit zwei Kollegen heute mit dem Versprechen, “zum ersten Mal die wirklichen Zahlen” zu nennen. Sie sind — natürlich — höchst beunruhigend und lassen “Bild” rhetorisch fragen: “Kann man von dieser RENTE leben?”

Die Zahlen, die “Bild” veröffentlicht, geben an, wie viel Geld die Rentner in Deutschland zur Zeit durchschnittlich ausgezahlt bekommen — sortiert nach Altersgruppen, West und Ost, Mann und Frau. Und, um es klar zu sagen: Sie stimmen in dem Sinne, dass sie statistisch korrekt sind.

Ob sie “wahr” oder “wirklich” sind, ist eine andere Frage. Aussagekräftig oder von irgendeiner tatsächlichen Relevanz sind diese Durchschnittswerte jedenfalls nicht. Sie beinhalten nämlich sämtliche Rentenansprüche — auch die vielen Kleinrenten von Menschen, die nur kurze Zeit berufstätig waren, von Müttern, die nie berufstätig waren, von Beamten, die am Anfang ihres Berufslebens kurz als Angestellte gearbeitet haben. Ein solcher Beamter würde natürlich vor allem von seiner Beamtenpension leben. In die “Bild”-Rechnung geht aber nur seine winzige gesetzliche Rente ein, die den Durchschnitt entsprechend senkt.

Dieser Durchschnitt ist deshalb sehr wenig aussagekräftig. Und schon gar nicht lässt er Aussagen darüber zu, von wieviel Geld die Menschen “leben” müssen — neben Beamtenpensionen fehlen zum Beispiel auch Betriebsrenten oder die eigenständige Versorgung freiberuflicher Rechtsanwälte, Ärzte oder Architekten in der Rechnung.

In der Fortsetzung des Artikels auf Seite 2 deutet “Bild” immerhin die Unzulänglichkeit der Durchschnittszahlen an und schreibt:

Warum gibt es so wenig [Rente]?
Weil immer mehr Senioren in Rente gehen, die arbeitslos waren und deshalb nicht genug in die Rentenkasse einzahlen konnten.

Das ist zwar in anderer Hinsicht wieder grob irreführend, denn die größere Zahl von ehemals arbeitslosen Rentnern senkt natürlich nicht die Rentenansprüche der anderen. Sie senkt aber natürlich die Durchschnittszahlen von “Bild”.

Dennoch spricht “Bild” diesen Zahlen wider besseres Wissen eine Aussagekraft zu, die sie nicht haben, und überschreibt den Seite-2-Artikel mit den Worten:

BILD nennt die wahren Zahlen / Für so wenig Rente haben wir das ganze Leben gearbeitet

Richtig hätte die Überschrift lauten können:

BILD nennt die wahren Zahlen
Aber wer das ganze Leben gearbeitet hat,
bekommt fast immer mehr

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